Kapitel 41
Tanz reihte sich an Tanz und je weiter fortgeschritten der Abend war, desto häufiger musste sie sich geschickt aus zu forschen Händen winden. Die sollten wohl lieber alle nichts mehr trinken!
Irgendwann hatte sie einfach keine Lust mehr, herumgezeigt zu werden, seichte und sehr viel bedeutsamere Gespräche zu führen, immer darauf bedacht, nichts Falsches zu sagen oder falsch zu reagieren.
Das und die ausgelassenen Emotionen erschöpften sie, und auch wenn sie gehofft hatte, das ein oder andere Gespräch zu Sirius Black aufzuschnappen, verließ sie den Saal irgendwann und flüchtete in die Bibliothek. An ihrem Glas Saft nippend, der eine blutrote Farbe hatte und somit der einzige Farbfleck an dem schmalen Mädchen war, ging sie die Bücherreihen entlang und lächelte leicht. Sie liebte die Ruhe einer Bibliothek und all das Wissen, sowie die Flucht aus der Realität, die sie ihr boten.
Dann entdeckte sie Draco, der ihr gegen ein Regal gelehnt entgegensah. Sie verhielt im Schritt, unsicher, wie er reagieren würde, doch er prostete ihr nur zu. „Na, auch geflüchtet?", fragte er und sie lächelte sacht, zustimmend nickend. „Ja, es wurde doch ein wenig...anstrengend." Draco sah sie ausdruckslos an. „Und ich dachte, dir gefällt es, derart im Mittelpunkt zu stehen. Die kleine Carrow. Die kleine Löwin..." Er presste die Worte angeekelt hervor und ihre Augen weiteten sich.
„Was soll das, Draco?", fragte sie scharf. „Wenn du vorhast, mich nur zu beleidigen..." Er winkte ab und schüttelte den Kopf. „Nein, vergiss es...trotzdem sah es so aus, als genießt du es, wie dich alle antatschen." Avessas Mund öffnete sich empört.
„Sag mal hast du sie nicht alle? Glaubst du so einen Unsinn wirklich? Wie würde es dir denn gefallen, wenn dich alle für Freiwild halten? Klar, es ist ja nur ein Mädchen, das kann man ruhig angrabbeln...auf einmal ist das beschissene Alter offensichtlich nicht mehr so wichtig! WAS?!", blaffte sie Draco an, als dieser breit grinste.
„Du hast beschissen gesagt", spöttelte er und sie verdrehte die Augen. „Oh, bitte...wie alt bist du? Acht?" Er grinste breiter. „Ach komm...die ach so beherrschte kleine Carrow wirft mit Schimpfwörtern um sich...das ist lustig." Avessas Augen wurden schmal und sie lehnte sich vor, an ihm zu schnuppern.
„Hast du getrunken?" Sie seufzte, als er noch breiter grinste. „Natürlich, du nicht?", fragte er und sie schnaubte, die Arme verschränkend und sich neben dem bleichen großen Jungen an das Regal lehnend. „Nein...Dein Vater und Professor Snape meinten sich als Vormund aufzuspielen und..." Sie sah schnell zu Draco. „Entschuldige."
Dieser winkte ab, doch schaute verwirrt. „Geschenkt, mein Vater kann echt nerven. Professor Snape? Was hast du mit ihm zu tun?", fragte er und sie zuckte mit den Achseln. „Nichts. Er ist mein Zaubertrankprofessor. Sonst rein gar nichts. Er mischt sich einfach nur gern überall ein. Das ist doch bei allen so."
Draco lachte leise und zog eine flache silberne Flasche aus seinem Anzug. „Nein, tut er nicht. Er interessiert sich einfach rein gar nicht für die meisten Schüler. Vor allem für keine, die nicht in seinem Haus sind." Er bot ihr den Flachmann an und sie kam nicht umhin, kurz zur Tür zu schauen. Draco lachte.
„Du bist so ein Feigling, Carrow. Warst du schon immer. Viel zu anständig. Bloß nichts tun, was Papi oder die Brüder nicht gutheißen würden." Avessa zuckte unter der Verachtung zusammen, auch wenn sie sich äußerlich nichts anmerken ließ. Er hatte recht...in gewisser Hinsicht...doch hatte er auch leicht reden.
„Du hast leicht reden, Malfoy. Du bist der Thronerbe. Der einzige Sohn. Alles konzentriert sich nur auf dich und deine Wünsche. Du kennst es nicht, wie es mit Geschwistern ist...als einziges Mädchen unter den ach so wichtigen Männern."
Er schnaubte. „Oh ja...du tust mir richtig leid. Die lesen dir doch alle Wünsche von den Augen ab, erzähl mir doch nichts. Selbst mein Vater ist ganz vernarrt in dich. Du kannst froh sein, dass meine Mutter in dir eine Tochter sieht, sonst wärst du echt in Gefahr."
Avessa sah ihn fassungslos an. „Glaubst du das wirklich?", fragte sie. „Dass mir alle Wünsche...Du weißt, wie meine Brüder sind, Draco", wisperte sie angespannt. „Du weißt es." Draco wich ihrem Blick achselzuckend aus und sie nahm noch einen Schluck Saft, hatte sie auch nicht vor, das Thema zu vertiefen.
„Was meinst du, ich wäre in Gefahr?", fragte sie dann spöttisch und er sah sie wieder an. „Weil sie es nicht mag, wenn er anderen Frauen zu viel Aufmerksamkeit schenkt." Sie lachte auf und konnte nicht mehr aufhören. Draco sah sie wütend an. „Sei still, Carrow!", zischte er. „Ich habe keine Lust, dass sie uns entdecken."
Avessa atmete tief durch. „Wir müssen doch eh gleich wieder rüber...", sagte sie atemlos und schloss dann kurz die Augen. „Himmel, so einen Unsinn habe ich wirklich noch nie gehört. Mal ist man das Kind, dann plötzlich doch eine Frau...ganz wie es gerade passt...ich habe aber keine Lust mehr, in irgendwelche Rollenbilder gepfercht zu werden..."
Dracos Miene zeugte von tiefem Desinteresse. „Also was ist jetzt...willst du etwas?", fragte er und hielt den Flachmann hoch. Sie hielt ihm ihr Glas entgegen und er füllte es mit einer klaren Flüssigkeit auf. „Na dann prost, Prinzessin." Sie schnitt eine Grimasse und nahm einen Schluck. Draco grinste, als sie keuchte. „Was ist das?" Er zuckte mit den Schultern und packte den Flachmann in seinen Anzug zurück.
„Nur Vodka. Montag wird lustiger. Du kommst doch?" Avessa sah ihn kurz an, nickte dann aber. Draco schien zufrieden und ging zur Tür. „Ich gehe dann mal wieder...komm bald nach, die tanzwilligen Männer vermissen dich sicher schon..." Er grinste hämisch und schloss die Tür hinter sich.
„Warum bist du nur so ein kleines Arschloch, Malfoy?", raunte sie und stellte ihr Glas angeekelt auf eins der Tischchen. „Möglicherweise, weil er Sie nicht leiden kann, Miss Carrow."
∾
Warum hatte er das gesagt? Warum reizte es ihn so sehr, sie zu ärgern? Die Wut in ihrem so beherrschten Gesicht, dieser starren Maske aufblitzen zu sehen? Bei einem Kind! Eigentlich sollte er es anerkennen, dass jemand so Junges seine Empfindungen so gut unter Kontrolle hatte...oder zumindest die Impulse, diese nach außen zu zeigen.
Doch bei Avessa Carrow war es anders. Irgendetwas an ihr brachte ihn dazu, sie immer herauszufordern und ihr zeitgleich einen Dämpfer verpassen zu wollen. Doch als er den leicht verletzten Ausdruck in ihren silbriggrauen Augen sah, seufzte er leise und zog eine Augenbraue hoch, das Mädchen über seine Hakennase hinweg durchdringend anblickend.
„Oder vielleicht, weil er Sie mag", setzte er hinzu. Großartig...nun musst du dich mit ihr unterhalten...
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Avessa wirbelte herum und ihre Augen weiteten sich. Snape! Wollte er sie verarschen? Ernsthaft? Sie stellte sich gerade hin und konnte sich gerade noch davon abhalten, ihre zu Fäusten geballten Hände in die Hüfte zu stemmen. So wurde ihre Miene nur eisig, während ihre Augen hasserfüllte Funken sprühten.
„Ich weiß nicht, warum sie immer irgendwo in den Schatten rumhängen, um plötzlich ihre Meinung kundzutun und warum es Ihnen so viel Spaß macht, an mir herumzukritteln, mich zu beleidigen und vor anderen oder allein herabzusetzen. Aber ich kann Ihnen sagen, dass ich es leid bin. Vor allem bin ich es leid, mich derart von Ihnen verhöhnen zu lassen. Das ist schon einfach Ihrer Person aber spätestens Ihrer Stellung als Professor nicht würdig! Zumal ich das nicht verdient habe! Guten Tag!"
Bevor er etwas sagen konnte, rauschte sie aus der Bibliothek, ihn allein zurücklassend. Er zog eine Augenbraue hoch und sah ihr nach, mit dem Zeigefinger über seine Lippen fahrend. Er ergriff ihr zurückgelassenes Glas und schnupperte daran, das Gesicht verziehend. Offenbar kein Wunder, dass sie es zurückgelassen hatte. Dann verließ er gemessenen Schrittes die Bibliothek, ihr Glas einem Hauselfen in die Hand drückend und sein eigenes füllend.
Den letzten Tanz des Abends ‚durfte' Avessa mit Lucius Malfoy tanzen, der aber erstaunlich gut tanzen konnte. Natürlich...hast du es anders erwartet von dem Mann, der einer der einflussreichsten Reinblüter ist, der derart fest an Traditionen und Konventionen festhält? Eigentlich nicht, das musste sie zugeben. Es gehörte zum guten Ton in ihrer Gesellschaft, tanzen zu können. Und sie musste gestehen, dass es ihr in seinen Armen gefiel...also...im Tanz.
„Na, was denkst du, kleine Avessa?", neckte sie die samtene Stimme des Hausherren und sie sah ein wenig ertappt zu ihm auf. Er strich ihr eine blonde Strähne aus dem Gesicht, bevor er sie weiter herumwirbelte. „Du sahst sehr nachdenklich aus...hat dir der Abend nicht gefallen?" Sie beeilte sich, zu lächeln, was ihr eigentlich auch gar nicht so schwer fiel, war sein Blick so...zufrieden. Zufrieden mit ihr. Hast du es wieder allen recht gemacht? Bravo, das gibt sicher Extrapunkte.
Sie versuchte, die innere Stimme zu überhören. Zumal sie es ganz sicher nicht allen recht gemacht hatte. Sie sah sich um, konnte Professor Snape aber wie die gesamte Zeit seit der Bibliothek nicht entdecken. Lucius folgte ihrem Blick und schmunzelte. „Na, wer ist der Glückliche?", neckte er sie erneut und sie sah ihn irritiert an.
„Der, den deine Blicke suchen." Sie lachte und schüttelte den Kopf, ihm ein scheues Lächeln zuwerfend. „Ich suche niemanden, Mister Malfoy...ich bin nur ein wenig...müde. Der Abend war schön, aber ein wenig..." „...anstrengend", unterbrach er sie und nickte schmunzelnd. Dann sah er sich nochmal um. „Aber du hast alle in deinen Bann gezogen, kleine Hexe. Ich denke, es gibt keinen, der nicht jetzt schon überlegt, ob es in seiner Familie nicht jemanden gibt, dem man deinem Vater vorschlagen könnte."
Sie erstarrte und er lachte, als er ihren verschreckten Blick sah. „Keine Angst, Rehlein. Du bist noch zu jung...und letztlich ist es eh die Entscheidung deines Vaters." Da funkelten ihre Augen. „Sie meinen meine, Sir", sagte sie fest und er lachte erneut. „Und schon ist das Reh wieder verschwunden. Es freut mich, dass der Abend keine völlige Katastrophe für dich war. Ich weiß, dass solche Veranstaltungen für Draco und dich eher Pflicht als Vergnügen sind. Aber soll ich dir etwas sagen?"
Avessa sah neugierig zu ihm auf, entspannte sich bei der Leichtigkeit seiner Worte. Er schmunzelte und zog sie enger, als der Tanz es erforderte, neigte seinen Kopf in Richtung ihres Ohres. „Das ist es für mich auch. Aber sag es nicht Narzissa, sie gibt sich immer solche Mühe." Ein zärtlicher Ausdruck erschien auf dem Gesicht des Zauberers, der zu seiner Frau sah und Avessa ertappte sich dabei, sich zu fragen, ob irgendwann auch sie jemand so lieben würde.
Denn es sah nicht nur danach aus. Sie konnte den ehrlichen Respekt und die Zuneigung spüren, die Lucius Malfoy seiner Frau gegenüber empfand, was sie eigenartigerweise erleichterte, war seine Art ihr selbst gegenüber manchmal etwas...kritisch.
Der Tanz war zu Ende und sie wurde losgelassen. Mister Malfoy verbeugte sich lächelnd vor ihr, jegliche Emotionen rein freundlich und...ja, fast ein wenig väterlich. Sie war offensichtlich schon ganz durcheinander von den ganzen Gefühlen, denen sie heute Abend ausgesetzt gewesen war und sehnte sich nach Ruhe.
„Du solltest dich nun zurückziehen, denke ich...du wirkst müde." Sie lächelte erleichtert, war es ihr vorher unmöglich gewesen, sich auf ihr Zimmer zu begeben, da sie dafür natürlich die Erlaubnis des Hausherren gebraucht hatte. Alberne Konventionen. Sie knickste anmutig vor ihm und verabschiedete sich dann von Narzissa, bevor sie die Treppe hinaufhuschte und mit einem erleichterten Seufzen die Tür hinter sich schloss. Ohne sich auszuziehen legte sie sich aufs Bett und schlief nahezu sofort ein.
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