Kapitel 40

Avessa saß in ihrem Zimmer und schrieb einen kurzen Brief an Hermine, in dem sie ihr frohe Weihnachten wünschte, sich für das Geschenk bedankte und ihr erklärte, dass sie leider bisher nichts herausgefunden hatte, was ihr helfen könnte, aber weiter die Ohren aufhalten würde. Dann gab sie ihren Brief Zephyria. „Bringst du den bitte Hermine, meine Süße?", wisperte sie und ging zum Balkon, die Türen öffnend.

Schneeflocken wirbelten herum und begannen, alles mit einer dicken weißen Decke zu versehen. Sie sah der kleinen Eule eine Weile nach, bevor der eisige Wind sie zurück in die Wärme des Hauses trieb. Bis heute Abend war noch ein wenig Zeit, sodass sie beschloss, es sich mit einem Buch gemütlich zu machen und legte sich damit aufs Bett.

Als sie aus einem wirren Traum hochschreckte, in dem Lucius Malfoy sie verfolgt und mit Flüchen um sich geschmissen hatte, hatte bereits die Dämmerung eingesetzt. Die letzten rotgoldenen Sonnenstrahlen verschwanden gerade hinter den hohen Tannen am Horizont und die Schatten krochen tiefer ins Zimmer. Sie reckte sich und schüttelte ein wenig beschämt den Kopf über ihren unsinnigen Traum.

Ruckartig erhob sie sich, als eine Hauselfe erschien und das Feuer sowie die Lampen an den Wänden entzündete, bevor sie ebenso schnell auch wieder verschwand wie sie aufgetaucht war. Hier hatte auch niemand Respekt vor Privatsphäre...Sie beschloss, nochmal zu duschen und nahm sich danach besonders viel Zeit, sich herzurichten, auch wenn sie eh immer aussah, wie aus dem Ei gepellt, war es ihr einfach in Fleisch und Blut übergegangen, immer ein tadelloses Äußeres zu haben.

Das Kleid, das sie anzog war silbern und bodenlang, bestand aus einem hauchdünnen Überstoff und einem blickdichten leicht glänzendem Unterstoff. Der obere Teil lag eng an, doch ab der Taille fiel es eher locker und gerade hinab, wobei der obere Stoff etwas üppiger ausfiel, sodass er bei jeder Bewegung leicht wehen konnte.

Schultern und Schlüsselbeine lagen frei, auch wenn das Oberteil selbst bis knapp unter den Hals geschlossen war. Doch war der Stoff so raffiniert abgesetzt, dass der vordere und der hintere Teil nur durch einen schmalen Träger gehalten wurde, während zwei Stoffbahnen ihre Schultern hinunterfielen und einrahmten.

Als es klopfte, war sie gerade dabei, ihre Haare zurechtzustecken, da sie sich für eine Hochsteckfrisur entschieden hatte. Es wurde doch sicher von ihr erwartet, dass sie tanzte. Und sie wusste, wie unpraktisch dabei offene lange Haare waren. „Herein...?", sagte sie höflich und sah neugierig zur Tür.

Narzissa steckte den Kopf herein und begann bei ihrem Anblick zu strahlen. „Darf ich...?", fragte sie und Avessa, die sich freute, dass wenigstens ein Teil des Haushaltes den Anstand hatte, zu fragen, nickte. „Natürlich."

Narzissa schloss die Tür hinter sich und ließ ihren mehr als wohlwollenden Blick über sie gleiten. „Ach, Avessa, du siehst so erwachsen aus!" Das Mädchen konnte nicht umhin, deswegen stolz zu lächeln und Narzissa lachte leicht. „Glaub mir, das ist noch lange nicht nötig!" Sie zwinkerte und seufzte. „Du und Draco...mir ist, als wärt ihr eben noch Babys gewesen. Deine Mutter würde sich so freuen, dich heute zu sehen..."

Avessas Lächeln wurde ein wenig starrer, doch versuchte, sie sich nichts anmerken zu lassen, als sie wieder in den Spiegel sah und an ihrer Frisur weiterarbeitete. Narzissa, der nicht bewusst war, dass sie eben vielleicht etwas Falsches gesagt hatte, wedelte mit der Hand. „Wenn du erlaubst...?" Avessa, die an Narzissa sehen konnte, dass diese sich mit Frisuren auskannte, nickte sacht und überließ sich dann der Hexe, die ihren Zauberstab sehr gekonnt einsetzte. Dürftest du zaubern, hättest du das auch gekonnt...

Am Schluss hatte sie eine wunderschöne Hochsteckfrisur, aus der gekonnt die ein oder andere Strähne hervorlugte, in ihr Gesicht oder den schlanken Hals entlang zu den nackten Schultern fiel. Sie sah, wie Avessa selbst zugeben musste, wunderschön aus – die Frisur. Sie selbst war aber auch nicht unbedingt unansehnlich und so erhob sie sich und stieg in ihre Schuhe, die einen leichten Absatz hatten.

Dennoch reichte sie nicht ganz an die hochgewachsene Frau neben sich heran, neben der sie zart und fast etwas zerbrechlich wirkte, wie ihr zu ihrem Unmut auffiel. Denn das Kleid von Narzissa war einfach atemberaubend. Es schillerte ebenso wie ihr neuer Fächer in den verschiedensten Farben, ohne ordinär zu wirken, ganz im Gegenteil.

Die beiden Frauen sahen sich im Spiegel an und Narzissa wirkte höchst zufrieden. „Wir werden heute Abend jede andere Hexe ausstechen, Liebes, das verspreche ich dir", sagte sie mit einem überheblichen Lächeln, doch sah Avessa auch ein klein wenig Schalk in ihren Augen und fragte sich, wie sie sich wohl abseits der reinblütigen Gesellschaft entwickelt hätte. Meinst du dabei Narzissa, oder dich?

Als sie die Treppe hinabschritten, hörte Avessa bereits das Raunen von unzähligen Stimmen und sie wappnete sich für ihren Auftritt und die ganzen Emotionen, die ihr nach einer wundervollen Woche der Ruhe nun gleich wieder entgegenbranden würden. Man hatte die breite Doppeltür, die vom Salon in den Flur mit der großen Treppe führte geöffnet und es lag ebenso erhellt da, wie der Salon selbst, festlich geschmückt mit Girlanden, Mistelzweigen und edlen Weihnachtskugeln.

Es duftete nach Mandarinen und Zimt und anderen weihnachtlichen Gerüchen und in Avessa wuchs der Wunsch nach einem Tee aus eben jenen Zutaten. Doch erst...

„Aaah, da ist ja die Dame des Hauses mit unserem geschätzten jungen Gast", erklang die Stimme Lucius Malfoys und alle Augen richteten sich auf die Treppe, die Narzissa und sie nun herabkamen.

Avessas Herz flatterte nur leicht, waren ihr derlei Empfänge nicht fremd und als einzige Tochter und einzige Frau in ihrer Familie war ihr seit jeher viel Aufmerksamkeit geschenkt worden. So bewegte sie sich recht sicher durch die Zauberer und Hexen, die sie zum Großteil überragten und von denen ihr ebenso viel Interesse, wie Misstrauen und auch Spott entgegenschlugen.

Sie knickste, schüttelte Hände, ließ sich die ihre küssen und lächelte ihr dosiertes Lächeln, heuchelte Interesse. Es war ebenso erschöpfend, wie langweilig, doch versuchte sie, wie früher schon, daraus ein Spiel zu machen und sich jeden Namen, jeden Blick und die dazugehörige Emotion zu merken, um einen kleinen Überblick zu bekommen, wen von ihnen sie noch davon überzeugen musste, dass sie zwar nun im ‚falschen Haus', aber deswegen keine Missgeburt war.

Als die erste Aufregung sich gelegt hatte – Narzissa hatte wirklich ein untrügliches Gespür für Auftritte – nahm sie sich erleichtert ein Glas Champagner und stellte sich damit an ein Regal etwas abseits, die Gesellschaft beobachtend, um frühzeitig zu erkennen, was als nächstes anstand.

„Sind Sie für Alkohol nicht noch etwas jung, Miss Carrow?", schnarrte eine dunkle und bekannte Stimme hinter ihr und sie versteifte sich, ein heftiges Kribbeln in ganzen Leib. Sie wandte sich langsam um und ihre hochmütige Miene traf auf den scharfen Blick Professor Snapes. Seine so tiefen schwarzen Augen wanderten kurz über ihre Erscheinung, bevor sie sich wieder in ihre bohrten und sie leicht spöttisch fragend anblickten. „Nun?"

Sie blinzelte und versuchte, zu ihrer kontrollierten Maske zurückzufinden. Eine der schmalen Schultern hob sich. „Ich denke mit fast vierzehn sollte es erlaubt sein, bei einem Feiertag etwas Alkohol zu trinken." Er zog eine Augenbraue hoch und sie setzte ein „...Sir." dahinter.

Er blieb stumm und nippte an seinem Whisky, was ihr die Zeit gab, nun ihrerseits ihren Blick über ihn gleiten zu lassen.

Er sah gut aus, das musste sie ihm lassen. Nicht, dass er seine Lieblingsfarbe – schwarz – Schwarz ist keine Farbe! verlassen hätte, doch trug er statt des Umhangs, der ihn immer in der Schule einhüllte einen schicken schwarzen Anzug, der ihm ausgezeichnet stand. Snapes Lippen kräuselten sich. „Sind Sie fertig damit, mich anzustarren, Miss Carrow?", fragte er und sie errötete leicht, doch sah zu ihm auf.

„Nun, es erstaunte mich, sie ohne den wallenden Umhang zu sehen, Sir", sagte sie schnippisch und nahm demonstrativ einen Schluck aus ihrem Glas, dem Blickkontakt zu ihm nicht weichend. Sie verschluckte sich leicht, als das prickelnde Getränk, welches ihr viel zu sauer war, ihre Kehle hinabrann und hustete kurz, was den Alkohol veranlasste, Hals und Magen heiß werden zu lassen.

Snapes Mundwinkel zuckten und der Spott in seinem Blick vertiefte sich. „Nun, dann genießen sie ihren Feiertagsalkohol, Miss Carrow", sagte er und wandte sich ab, auch wenn sein Blick kurz an ihrer Hand hängen blieb, an der ihr neuer Ring saß. Er sah von dem Ring auf in ihre Augen, bevor er sich endgültig abwandte und Lucius entgegentrat, der in ihre Richtung gekommen war.

Avessas Augen wurden kurz schmal. Was bildete er sich eigentlich ein, sie immer und immer wieder vorzuführen und zu verspotten? Hatte er kein Benehmen?! Lucius blieb bei Snape stehen, doch sah er über dessen Schulter auf Avessa. „Was hast du getan, alter Freund, dass sie dich mit den Blicken erdolchen möchte?"

Prompt flogen ihre Augen zu dem Hausherren, der sie schmunzelnd betrachtete. Sie errötete, hatte sie nicht bemerkt, dass er ihren Blick gesehen hatte. Zudem hatte sie ihn seit dem...Streit nicht gesehen und war nun unsicher, wie sie ihn behandeln sollte.

Er schien das zu spüren und das Schmunzeln verstärkte sich. Professor Snape indes sah sich kurz zu ihr um und eine Falte bildete sich zwischen seinen Augen. „Ich habe sie nur gefragt, ob sie nicht zu jung für Alkohol ist", sagte er trocken und Avessa spürte erneut Wut in sich aufkommen, doch hatte sie sich diesmal besser im Griff. Ihre Miene verriet nichts von ihren Gefühlen, als Lucius zu ihr trat und das Glas aus ihrer Hand nahm.

„Das bist du tatsächlich, Avessa", sagte er leicht tadelnd und sie presste die Lippen aufeinander, senkte aber fügsam den Blick. Er war zwar nicht ihr Vater – das war keiner der beiden – aber er war zurzeit für sie, als seinen Gast, verantwortlich. Somit hatte sie sich zu fügen, auch wenn es ihr nicht gefiel.

„Ich weiß, das gefällt dir nicht, kleine Löwin, aber ich will nicht deinem Vater erklären müssen, warum sich seine Tochter auf meinem Fest betrunken und damit zunichte gemacht hat, was sie doch so wunderbar begonnen hatte", sagte er sehr leise und eindringlich zu ihr, dass Snape es nicht hören konnte.

Sie atmete tief durch und straffte sich, nickte ihm sacht zu. Er lächelte und stellte das Glas auf das Regal. „Fein...du siehst übrigens bezaubernd aus, Avessa", entkam es ihm samtig und sie spürte Verlegenheit in sich aufkommen. Doch lächelte sie pflichtschuldig. „Das Kleid ist wirklich sehr schön. Ich mag die Farbe sehr. Narzissa hat, wie ich immer wieder bemerken kann, einen sehr erlesenen Geschmack." Lucius sah ihr tief in die Augen. „Ich meinte nicht nur das Kleid, Liebes...", raunte er und sie blinzelte unsicher, wie sie reagieren sollte.

Ob gewollt oder nicht, enthob Snape sie der Pflicht einer Antwort. „Ja, sie ist ein wirklich hübsches Kind, Lucius...aber ich glaube, deine Frau versucht, auf sich aufmerksam zu machen." Er sprach die Worte in seinem üblichen desinteressierten Tonfall und als Lucius sich umsah und nach einer kleinen Verbeugung zu seiner Frau ging, sah Avessa kurz zu Snape. „Danke", sagte sie leise und ging dann, ohne eine Antwort abzuwarten, zu einer Hauselfe, die Gläser mit Säften herumtrug.

Snape beobachtete sie, wie sie sich eins davon nahm und nippte an seinem Feuerwhisky, bevor auch er sich abwandte und in der Menge verschwand.

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