Kapitel 34
Avessa hatte mit den Zwillingen und Lee einen vergnüglichen Nachmittag in Hogsmeade verbracht und war völlig durchgefroren, als sie zurückkamen, hatten sie diesmal keinen Halt in den „Drei Besen" für ein paar dampfende Becher Butterbier gemacht. Allerdings hatten Fred und George ihr von einem Geheimgang erzählt, der wohl von der Heulenden Hütte aus nach Hogwarts führte, doch hatten sie nie den Eingang gefunden und gingen daher davon aus, dass er ebenso wie einige andere auf der Karte noch existente Geheimgänge verschüttet oder anderweitig zerstört war.
In einiger Entfernung hatten sie immer wieder Dementoren gesehen, was in Avessa ein mulmiges Gefühl aufsteigen ließ, welches sie aber mit Macht zurückdrängte, hatte sie keine Lust zu erkunden, was diese Kreaturen in ihr erwecken würden, wenn sie ihnen zu nahekam.
Zurück im Gemeinschaftsraum setzte sie sich mit den Zwillingen auf die Couch vor dem Feuer, um sich aufzuwärmen und sie schnurrte leise, als die Hitze Schauer über ihren kalten Körper laufen ließ. George grinste, als ihr daraufhin Krummbein auf den Schoß sprang. „Gib es zu, du hast ihm eben irgendwas auf katzisch gesagt." Sie stieß ein kurzes Lachen aus und begann, den Kater zu kraulen. „Klar. Er und ich lästern immer über euch", konterte sie und Fred lachte über Georges Gesichtsausdruck. „Touché."
Sie seufzte und starrte ins Feuer und die beiden Jungs sahen sie fragend an. „Was ist los?", fragte Fred, doch George sah ihn bedeutungsvoll an. „Achja...entschuldige, Avessa. Wann geht es denn los?" Sie sah zu ihm. „Morgen nach dem Frühstück. Es geht nach Hogsmeade und mit dem Zug nach London. Da...werden wir wohl abgeholt, nehme ich an. Ich habe noch nicht mit Draco gesprochen..."
Ihre Miene und Stimme waren ausdruckslos, doch war klar, dass sie sich nicht eben freute. Doch schmunzelte sie dann leicht. „Ich habe einige Extra-Aufgaben von Professor McGonagall und Professor Flittwick und...oh! Ich wollte Professor Lupin noch um welche bitten. Dazu der Zaubertrankaufsatz...ich denke, ich bekomme die zwei Wochen gefüllt."
Die Zwillinge grinsten ihr nach, als sie sich von dem gemütlichen roten Polster erhob und Krummbein auf den warmen Platz setzte, den sie hinterließ, bevor sie zum Portraitloch ging. „Wir sehen uns beim Abendessen", sagte sie und ging nach draußen. Im Gang war es ruhig, sodass sie die schnellen Schritte gut hören und somit einem Zusammenstoß entkommen konnte, als Hermine um die Ecke hastete.
„Oh, Avessa, entschuldige." Sie wirkte aufgewühlt und Avessa runzelte die Stirn. Sie war nicht gut darin, andere zu umsorgen, ironischerweise...dennoch sah sie sie forschend an. „Geht es dir gut, Mine?" Die Angesprochene schüttelte den Kopf. „Doch...schon, aber...wir haben in Hogsmeade..." Sie wand sich etwas und Avessa sah sie nur stumm an, wartete, dass sie weitersprach...oder eben nicht.
„Ich weiß nicht, wieviel ich sagen darf, aber...Harry war auch da und...wir haben ein Gespräch belauschen können, zwischen Professor McGonagall, Professor Flittwick, Hagrid und dem Zaubereiminister Cornelius Fudge..." Avessa zog eine Augenbraue hoch. „Hoher Besuch...", sagte sie trocken und Hermine nickte. „Auf jeden Fall kam dabei raus, dass..., dass..."
Sie sah sich um und senkte die Stimme. „Sirius Black und Harrys Vater waren beste Freunde auf der Schule...Querulanten wohl wie Fred und George...und...naja, er...also Black hat...hat Harrys Eltern an Du-weißt-schon-wen verraten und..." Avessas Augen weiteten sich leicht und ihre Gedanken wirbelten umher, als sie diese Informationen mit denen ihrer eigenen Familie verband.
„Sie hatten noch einen Freund, der immer versucht hat, bei ihnen zu sein und mitzumachen, aber in einer, wie Professor McGonagall gesagt hat, andere Liga gespielt hat. Er hat sich wohl Black entgegengestellt und wurde...getötet...Peter Pettigrew...ach, Avessa..." Sie seufzte. „Bitte, erzähl es keinem...Harry will sicher nicht, dass alle es wissen. Aber deswegen hat Malfoy bestimmt gesagt, er würde Black jagen wollen. Er wusste es, Avessa!"
Diese nickte langsam, als ihr klar wurde, dass Hermine natürlich recht hatte. Klar. Lucius Malfoy hatte seinen Sohn über sowas informiert. Während ihr eigener Vater es nicht für nötig gehalten hatte, ihr etwas dazu zu sagen. Denn, dass Lucius Malfoy mehr wusste, als ihr Vater, hielt sie für völlig ausgeschlossen.
„Das tut mir wirklich leid für Harry...ich hoffe, er hat nicht vor, auf Draco zu hören, oder? Ich meine...Draco hat nur eine große Klappe und will, dass Harry sich in Gefahr begibt. Er selbst würde nie auch nur ansatzweise den Mut aufbringen, sowas zu machen, egal, was er sagt...und wahrscheinlich wäre er auch nicht dumm genug...nicht mal er", setzte sie hinzu und Hermine lachte nervös.
„Ja, wahrscheinlich hast du recht. Und klar, Ron und ich werden unser Bestes geben, ihn davon zu überzeugen, nicht so einen Blödsinn zu machen." Sie sah ein wenig kläglich drein und bevor Avessa wusste, was sie tat, umarmte sie Hermine, die erst erstaunt, dann dankbar schaute, die Umarmung erwidernd. „Ihr schafft das sicher...schreib mir gern, wenn du eine weibliche Meinung brauchst...vielleicht kann ich bei den...den Malfoys etwas herausbekommen, was euch etwas nützt."
Hermine schien Feuer und Flamme für diese Idee und nickte dankbar. „Und wo wolltest du hin? Schon zum Abendbrot? Wo sind denn Fred und George?" Sie grinste ein viel zu breites Grinsen bei der letzten Frage und Avessa spürte, wie ihre Wangen warm wurden. Sie bemühte sich um eine ausdruckslose Miene und deutete hinter sich Richtung Gemeinschaftsraum.
„Ich habe vergessen, Professor Lupin um ein paar Extraaufgaben zu bitten. Wenn ich von ihm auch noch eine bekommen, komme ich die zwei Wochen nicht wirklich aus der Bibliothek der Malfoys raus." Schalk funkelte in ihren Augen und Hermine lachte gelöst. „Ich drücke dir die Daumen. Na dann bis gleich beim Abendessen."
Avessa ging nachdenklich durch die Gänge und versuchte, das eben Gehörte zu verarbeiten. Black und Potter die besten Freunde, bis er ihn, seine Frau und das Baby an den Dunklen Lord verraten hatte? Und dieser Pettigrew, der sich immer an sie rangehängt hatte, war gestorben, weil er sich Black entgegengestellt hat...? Nachdem die Potters schon getötet worden waren...?
Sie stutzte, als sie vor Lupins Tür ankam, da sie gar nicht bemerkt hatte, dass sie bereits angekommen war. Als sie die Hand hob, um zu klopfen, ging die Tür auf und der Professor sah sie überrascht an, lächelte aber erfreut. „Avessa, ich wollte gerade zum Abendessen. Schön, dich zu sehen." Er sah ihre nachdenkliche Miene und trat zu Seite, eine einladende Geste mit der Hand machend. „Kann ich etwas für dich tun?"
Avessa nickte und lächelte dankbar. Als sie eintrat, huschten ihre Augen kurz neugierig umher, da es in seinem Büro immer irgendwelche interessanten Kreaturen zu entdecken gab, doch diesmal schien das Büro leer zu sein und so wandte sie sich an den Professor, der mit einem fragenden Blick neben sie getreten war. „Was ist denn los?"
Sie erwog kurz, ihm von dem Gespräch mit Hermine zu erzählen, da sie seine Meinung dazu interessierte. Aber seltsamerweise ließ sie es dann doch, wollte sie deren Vertrauen nicht ausnutzen. Sie dachte nach. „Glauben Sie, dass sich der Charakter eines Menschen grundlegend ändern kann, Sir?", fragte sie und Lupin machte ein erstauntes Gesicht. „Oh...eine gewichtige Frage, Avessa...wie genau meinst du das?"
Sie atmete tief durch und suchte eine unverfängliche Umschreibung. „Nun...Mut zum Beispiel. Glauben Sie, dass ein ängstlicher...schwacher Charakter, einer, der eher Mitläufer war, plötzlich den Mut aufbringen kann, sich für andere...oder eher die Erinnerung, das Gedenken an andere in Lebensgefahr zu bringen...in akute Lebensgefahr?"
Lupins Blick wurde sehr ernst. „Ist jemand, den wir beide kennen in Lebensgefahr, Avessa? Oder irgendwer Anderes?", fragte er bestimmt und sie schüttelte schnell den Kopf. „Nein, Sir, dann würde ich nicht so allgemein fragen", sagte sie ehrlich und er nickte erleichtert, seine warmen braunen Augen über ihr Gesicht wandern lassend. Dann versuchte er sich an einer aufrichtigen Antwort.
„Nun...ich denke, dass eine Extremsituation vieles bei einem Menschen ans Licht bringen kann, was vorher...hmm...nie gebraucht wurde. Nie so stark benötigt wurde, dass die...Angst oder...natürliche Zurückhaltung", er vermied das Wort Schwäche, „überwunden werden musste und dadurch auch konnte. In dem Moment aber, in dem es wirklich nötig wird, also im wahrsten Sinne die Not groß wird, können Menschen über sich hinauswachsen, davon gehe ich aus, ja."
Sie nickte langsam und ihre Augen gingen nachdenklich über seine wenigen Habseligkeiten, während er ihr die Zeit zum Nachdenken ließ und wartete. Nach einer Weile aber sagte er. „Möchtest du mir erzählen, warum du das fragst?" Avessa sah zu ihm auf und wie sooft war ihre Miene fast zu ernst für ein so junges Mädchen.
„Nun, Sir...ich habe gelernt, dass Schwäche...charakterschwache Menschen nicht plötzlich ihr Leben riskieren. Insbesondere, wenn es zuvor nicht mal in Gefahr war...aber so wie sie es sagen...klingt es sinnvoll...denke ich", sagte sie leise und er schmunzelte. „Dann habe ich dir helfen können?", fragte er und sie nickte erneut langsam. „Ich denke ja..." Dann aber fragte sie ihn unverblümt. „Sirius Black sagt ihnen ja sicher etwas."
Lupin, der bei ihrem Nicken wieder seinen zu Seite gelegten Umhang ergriffen hatte, zuckte leicht zusammen und ließ ihn fast fallen. Er räusperte sich und sah sie stirnrunzelnd an, der Blick intensiv forschend. „Natürlich...wie wohl jeder Zauberer und jede Hexe...warum fragst du?" Avessa hatte ihn ruhig beobachtet, ohne eine Miene zu verziehen, doch ihre Augen weiteten sich erstaunt, als sie in ihm Argwohn, Misstrauen und... Unsicherheit...?... zu spüren meinte. Offensichtlich sah er ihr Erstaunen und zog die richtigen Schlüsse, was ihn seufzen ließ. „Das ist unfair, Avessa...", sagte er schmunzelnd, aber auch ein wenig ernst und sie errötete.
„Entschuldigen Sie, Sir, aber ich kann das nicht abstellen und wenn die Empfindungen so stark sind..." Sie sah etwas unsicher zu ihm. „Warum misstrauen Sie mir plötzlich?" Er schüttelte den Kopf. „Ich misstraue dir nicht, Avessa...Nur ist Black oft ein Thema an der Schule zurzeit...wie wohl überall und wir sind dazu angehalten, nicht mit euch darüber zu sprechen, solange es nur um Vermutungen geht."
Sie spürte, dass es nicht die ganze Wahrheit war, doch nickte sie, war sie selbst ja auch nicht ganz ehrlich zu ihm. Lupin neigte den Kopf. „Aber frag bitte, was du fragen wolltest, es interessiert mich, was in deinem Kopf vorgeht", sagte er in seiner üblichen freundlichen Art und sie hob ihre Schultern.
„Ich...bin mir nicht sicher, Sir...es ist recht...verwirrend, alles. Die Dementoren...Black, der angeblich die ganzen Muggel umgebracht hat..." sie brach ab und Lupin zog eine Augenbraue hoch.
„Du zweifelst daran, was er getan hat, Avessa?", fragte er vorsichtig und sie errötete, konnte sie doch selbst nicht erklären, warum sie schon immer das Gefühl gehabt hatte, da sei mehr an der Geschichte um Sirius Black als alle wussten. „Ach, ich...Nein, Sir...ich weiß nicht." Sie schalt sich, dass sie das Thema angefangen hatte und Lupins ernster Blick zeigte ihr, dass sie recht daran tat.
Er lehnte sich zu ihr und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Sirius Black ist ein ernstzunehmender Zauberer und ein sehr gefährlicher noch dazu, Avessa", sagte er eindringlich und sie presste die Lippen zusammen. „Ich meine es ernst, Avessa, solltest du etwas über ihn wissen..." Sie schüttelte den Kopf. „Nein, Sir. Ich weiß gar nichts!", sagte sie ein wenig heftig, hatte er seinen Finger unwissend in die Wunde gelegt. Sie wusste gar nichts. Weil ihr nie irgendwer irgendetwas sagte.
Aber Draco...ja, der anscheinend schon, hatte sein Vater...Sie stockte. Sein Vater! Eine Idee begann in ihr zu reifen und sie hob ihren Blick. „Entschuldigen Sie, Sir, dass ich Sie mit so albernen Fragen belästigt habe. Eigentlich war ich wegen etwas ganz Anderem da. Und zwar wollte ich fragen, ob ich für meine Note noch etwas extra Arbeit machen könnte. Einen...langen Aufsatz oder...etwas Anderes...Langwieriges?" Sie sah fast hoffnungsvoll zu ihm auf und er, der sie perplex angesehen hatte, brach in Gelächter aus.
„Du willst...was? Warum, Avessa? Du und Hermine seid die fleißigsten und klügsten kleinen Hexen, die ich kenne. Wenn jemand keine extra Aufgaben machen muss, dann du." Er sah sie listig an. „Und ich denke, das weißt du eigentlich auch. Also...sag mir die Wahrheit, warum du mich danach fragst und ich schaue, was ich für dich tun kann." Avessa errötete leicht und sah ihn ernst an. „Sie sind sicher, dass sie kein Empath sind oder Gedanken lesen können, Sir?", fragte sie etwas eingeschnappt und Lupin grinste so schalkhaft und selbstzufrieden, wie sonst nur Fred und George es konnten.
Er wirkte erneut um viele Jahre jünger und Avessa seufzte. „Ich muss meine Weihnachtsferien bei den Malfoys verbringen, Sir. Und auch wenn ich selbst gern nach Slytherin gekommen wäre und mit kaum einem von ihnen Probleme habe...kann ich Draco nicht leiden. Es wird also eine echt lange und unschöne Zeit und einige Extraaufgaben könnten mir den passenden Vorwand bieten, mein Zimmer nicht zu verlassen."
Sie sah ernst zu ihm auf und er musste erneut lachen, doch schaute er dabei mitfühlend. „Okay...das ist natürlich verständlich...auch wenn ich als Lehrer natürlich nicht parteiisch sein darf. Wie wäre es, wenn du..." Er blätterte durch ihr Buch und sie stellte sich neben ihn, mit ins Buch zu schauen. Bei dem Kapitel über Werwölfe, sah sie ihn an. „Den Aufsatz hatte ich bereits fertig, als sie sagten, wir müssten ihn doch nicht schreiben..." Er sah kurz zu ihr. „Achso? Hm...ja, dann den wohl nicht..." Schnell blätterte er weiter und auch sie sah nach einem kurzen Moment wieder auf das Buch.
Schließlich fand er ein Thema, zu welchem sie einen einführenden Aufsatz schreiben sollte. Er stellte das Buch zur Seite und zog seinen Umhang an. „Begleitest du mich in die Große Halle? Oder hattest du eventuell doch noch die ein oder andere Frage?" Seine Stimme war beiläufig, aber der Blick, den er ihr zuwarf, war ernst. Sie sah kurz zu ihm und schüttelte stumm den Kopf, trat dann mit ihm in den Gang hinaus.
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