Kapitel 23
Schon am nächsten Abend hatte sie die Verabredung mit Professor Lupin. Den ganzen Tag schon hatte sie den Zauberspruch geübt, doch auch das konnte ihre Aufregung nicht dämpfen. Die Zwillinge hatten sie mehrmals gefragt, warum sie so nervös wirkte und so war sie irgendwann eingeknickt und hatte ihnen erzählt, was sie beunruhigte...naja, einen Teil davon zumindest.
Zu ihrer Überraschung zogen die beiden sie nicht mit ihrer Sorge auf, sondern waren im Gegenteil sehr verständnisvoll. Sie erzählten einige Geschichten aus ihrer Familie – unter anderem die, dass sie beide für Rons Angst vor Spinnen verantwortlich waren - und es war so unterhaltsam, dass sie darüber fast die Zeit vergessen hätte.
Sie hastete durch die Korridore und fragte sich, wie es innerhalb so kurzer Zeit passieren konnte, dass sie, die sich nie verspätete, schon zum zweiten Mal rennen musste, um es noch rechtzeitig zu schaffen. Professor Lupin und sie hatten sich vor dem Lehrerzimmer verabredet, weil der Irrwicht immer noch darin war. Zudem würde sich um diese Zeit sicher kein Lehrer mehr von ihnen gestört fühlen, waren sie abends alle in ihren Wohnräumen.
Außer Atem kam sie am Lehrerzimmer an und sah, dass die Tür nur angelehnt war. Sie klopfte sacht dagegen und öffnete gleichsam die Tür, da sie trotz ihres sportlichen Einsatzes bereits etwas spät war.
„Entschuldigen Sie, Professor, ich..." Sie verstummte, als sie zwar einen Professor sah, aber nicht den, den sie erwartet hatte. Professor Snape wandte sich zu ihr um und runzelte die Stirn. „Was machen Sie hier, Miss Carrow? Noch dazu um diese Zeit?", fragte er kalt und sie straffte sich.
„Verzeihen Sie, Professor, wenn ich Sie gestört habe. Ich werde draußen warten." Sie drehte sich zum Ausgang. „Haben Sie in Gryffindor verlernt, Fragen korrekt zu beantworten? In meinem Unterricht wirkte es anders, Miss Carrow", hielt sie die scharfe Stimme des Tränkemeisters auf und sie schluckte, war ihre Nervosität gerade um ein Level gestiegen.
„Nun...", begann sie und trat zurück in das Zimmer. „Ich habe einen Termin bei Professor Lupin, Sir", sagte sie respektvoll, aber unsicher, weil sie ihm nicht sagen wollte, warum. Professor Snapes Miene verzog sich abfällig und erneut fragte sie sich, warum er Professor Lupin so hasste. Denn um das zu erkennen, dafür musste man keine Empathin sein.
„Und was hätte eine dreizehnjährige Schülerin wohl um diese Zeit mit ihrem Professor zu tun? Und das hier?", fragte Snape herablassend und ihre Stirn runzelte sich leicht, was ihrer Miene einen tadelnden Ausdruck gab, die den Hauslehrer der Slytherins fast zu einem ihn selbst erstaunenden Schmunzeln veranlasste, welches Avessa aber übersah.
„Diese Schülerin wird wohl dem Professor bei einer Sache für den Unterricht helfen, Severus", kam eine freundliche Stimme von der Tür und Avessa sah zu Professor Lupin auf, als dieser neben sie trat. Sie tauschten ein Lächeln. „Professor", sagte sie und er neigte den Kopf. „Guten Abend, Avessa. Schön, dass du Zeit hattest." Professor Snapes Miene versteinerte, als er den kurzen Wortwechsel verfolgte und er schüttelte leicht den Kopf, bevor er Lupin einen scharfen Blick zuwarf.
„Sie sollten Schülerinnen nicht um diese Zeit von ihren Hausaufgaben abhalten, Lupin", sagte Snape und Avessa zog eine Augenbraue hoch. Was sollte das denn? Professor Lupin lächelte weiterhin freundlich, als würde er die Unhöflichkeit seines Gegenübers gar nicht bemerken. „Nana, Severus...Sie sind nicht ihr Hauslehrer...", irrte sie sich, oder machte er danach eine kleine Kunstpause? Snapes Blick wurde mörderisch und sie war froh, dass er sie nicht so ansah. „...und Professor McGonagall ist informiert.", fuhr Lupin ungerührt fort. „Also ist ihre...Sorge zwar sehr nett, aber nicht von Nöten."
Der Professor für Zaubertränke reckte sein Kinn und schaute missmutig, als ihm Sorge unterstellt wurde. Nach einem kurzen Blick auf Avessa nickte er Lupin nur noch knapp zu und rauschte aus dem Raum. Avessa sah ihm verwirrt nach, auch wenn sie versuchte, sich sonst nichts von ihren Gedanken anmerken zu lassen. Dennoch warf Lupin ihr ein wissendes Schmunzeln zu, bevor er in die Hände klatschte.
„Nun, dann wollen wir mal, Avessa, oder was meinst du?" Er betrachtete sie. „Du scheinst nervös zu sein...", sagte er langsam und lächelte beruhigend. „Keine Angst, er kann dir nicht wirklich etwas tun, er...zeigt nur, wovor du Angst hast. Hast du dir etwas ausgedacht, wie du es ins Lächerliche ziehen kannst?" Sie nickte etwas unsicher und zog ihren Zauberstab. Lupin warf einen Blick darauf und seine Augen weiteten sich bei dem Anblick des seltenen gelblich-weißen Holzes, das dem langen Stab ein sehr edles und ungewöhnliches Erscheinungsbild gab.
Avessa lächelte stolz und ein wenig liebevoll auf ihren Stab. „Silbernes Lindenholz mit einem Kern aus Drachenherzfaser, Sir", sagte sie und Lupin deutete auf ihn. „Darf ich...?" Avessa zögerte erst ein wenig, trennte sie sich ungern von ihrem Stab, aber reichte ihn dann an ihren Professor. Dieser betrachtete den Stab von allen Seiten und strich mit einer fast zärtlichen Geste über das seidig anmutende Holz.
„Ein hervorragender Stab, Avessa...und so passend." Er lächelte ihr zu und sie nahm ihn zurück, den Kopf fragend neigend. „Wie meinen Sie das, Sir?" Lupin bedeutete ihr, ihm zum Schrank in der Ecke zu folgen. „Nun...ein Kern, der eine fähige Hexe erfordert, die außergewöhnliche und mächtige Magie zu formen und die Silberlinde...man sagt diesen seltenen Zauberstäben eine starke Affinität zur Legilimentik oder Hellsicht nach."
Avessa schnaubte leise, auch wenn ein Teil von ihr hellhörig wurde. Lupin wölbte die Augenbrauen. „Was ist? Bist du anderer Meinung?" Avessa hob eine Schulter, die Augen auf den Stab gerichtet. „Ich weiß nicht, wie es mit der Legilimentik ist...", murmelte sie nachdenklich, doch sah dann auf. „Ich denke einfach, dass Hellsicht oder Wahrsagen sehr...nun...ungenaue Zweige der Magie sind. Warum lachen Sie?", fragte sie perplex, als Lupin ein warmes Lachen ausstieß.
„Gerade du hältst Hellsicht für...ungenau? Oder gar...nicht existent?" Avessa schüttelte ernst den Kopf. „Nein, so meinte ich das nicht. Ich weiß sehr wohl, dass es wirklich Seher und Seherinnen gab und sicher immer mal wieder geben wird, nur denke ich...warten Sie. Was meinen Sie damit, ‚gerade ich'?"
„Du bist Empathin!", sagte Lupin und sie errötete, als sie die Verbindung zog. „Ja, aber...das...das ist etwas Anderes als..." Lupin lächelte nachsichtig. „Nein, Avessa...das ist es nicht. Es ist eben das. Hellsicht. Du hast Einsicht in die Gefühlswelt von anderen. Natürlich kannst du nicht in die Zukunft blicken, aber das können, wie du richtig sagst, weniger, als es behaupten." Sie nickte langsam. „Wenn Sie das so sagen...ja, dann...dann stimmt das wohl."
Lupin lächelte und betrachtete sie einen Moment. „Du bist eine außergewöhnliche kleine Hexe, Avessa. Ich freue mich, dich kennengelernt zu haben..." Dann räusperte er sich. „Nun aber zu dem Thema, weswegen wir heute hier sind. Dem Irrwicht", sagte er und drehte sich mit einer dramatischen Geste zum Schrank, was sie leicht grinsen ließ.
Doch als sie vor dem Schrank stand und Lupin den Zauberstab hob, sah er nochmal zu ihr. „Du schienst während unserer Stunde verwirrt von etwas. Was war es? Nicht, dass du den Zauber an sich nicht verstanden hast...", gab er zu bedenken und sein Blick lag forschend auf ihr, während sie verwirrt nachdachte, was er meinen könnte.
Doch dann nickte sie und schüttelte direkt darauf den Kopf. „Achso...Nein, Sir, es lag nicht an dem Zauber, nur an der...der Offenheit, mit der alle mit ihrer Schwäche umgegangen sind." Lupin senkte den Zauberstab und sah sie einen Moment ernst an. „Das...hmm...", er dachte kurz nach. „Meinst du, sie hätten es nicht tun sollen, Avessa?", fragte er sanft und sie schüttelte perplex den Kopf.
„Natürlich nicht, Sir. Das macht sie extrem angreifbar!", sagte Avessa prompt und Lupins Brauen zogen sich zusammen. „Ich vergesse manchmal, wo du aufgewachsen bist." Er seufzte und sie sah ihn fragend an, doch als sie Mitleid in ihm spürte, reckte sie rebellisch ihr Kinn und ihre Miene verschloss sich. „Haben Sie gerade meine Familie beleidigt...Sir?", fragte sie kühl und er atmete tief durch, sacht nickend.
„So wirkt es sicher auf dich. Entschuldige. Es ist nur so, dass wir hier in einer Welt leben, in der man seinen Klassenkameraden durchaus sagen kann, dass man vor Spinnen, Enge oder der Dunkelheit Angst hat, Avessa. Das wird vielleicht zu einigen Scherzen führen, vielleicht auch zu kleinen Spötteleien, doch grundsätzlich hat man in eurem Alter noch keine Feinde, die einen hintergehen und Schwächen ausnutzen..."
Er brach ab und sie spürte sehr plötzlich Schmerz in ihm, seine Miene wandte sich ab, seine Gedanken offensichtlich bei einer speziellen Erinnerung. Jeglicher Trotz fiel von ihr ab und sie sah ihm besorgt und unsicher auf den Rücken. „K-kann ich...geht es ihnen gut, Sir?", fragte sie leise und er nickte langsam und wandte sich mit einem schmerzlichen Lächeln zu ihr, tief durchatmend.
„Ja, Avessa. Entschuldige. Lass uns endlich tun, warum wir hier sind, und entschuldige, wenn ich dir zu nahegetreten bin." Sie nickte nur sacht, war sie mit so einer Situation wie gerade einfach überfordert. Und deswegen, Ladys und Gentlemen, verbergen wir Carrows unsere Emotionen lieber... Sie hob den Zauberstab und erneut bemächtigte sich Nervosität ihrer, als Lupin den Schrank öffnete, der, wie Avessa auffiel, sehr ruhig gewesen war. Vielleicht ist der Irrwicht weg...?
Tatsächlich passierte nichts und Avessa ging einen Schritt näher, als es schlagartig dunkler wurde, der Boden schwand, und sich unter ihr ein Abgrund bildete.
Sie stieß einen schrillen Schrei aus und ihr Herz setzte für einen Moment aus, bevor es schmerzhaft und in unkontrolliert schnellem Rhythmus wieder einsetzte. Grauen überfiel sie und Tränen liefen ihre Wangen hinab, als sie nach etwas griff, sich festzuklammern, um nicht in den Abgrund zu fallen. NICHT FALLEN...!
„Avessa!", hörte sie die Stimme Lupins von weit weg. „Denk an den Zauber!" Sie blinzelte und ihre Stirn runzelte sich, während sie nicht anders konnte, als in den Abgrund zu starren, völlig unempfänglich für die Tatsache, dass sie schon längst unten aufgeschlagen wäre, wenn er tatsächlich da gewesen wäre. Sie wimmerte und schloss dann endlich die Augen, presste die Lippen zusammen, durch die Nase atmend, um ihre Panik in den Griff zu bekommen. Der Zauber...ja....
„R-R-Riddikkulus...", wisperte sie, doch nichts geschah. Ihr Stolz meldete sich und sie umklammerte den Stab fester, ihn in der richtigen Bewegung gen Abgrund schwenkend. „Riddikkulus!", entkam es ihr lauter und der Abgrund verschwand einfach mit einem Knall. Sie blinzelte irritiert und ihr Herz raste weiterhin, das Blut rauschte in ihren Ohren, während sie sich misstrauisch umsah.
Lupin trat zu ihr und sah ebenfalls etwas argwöhnisch um, sie am Arm fassend. „Avessa, geht es dir gut? Ich wusste nicht, dass es so schlimm ist, verzeih." Sie sah ihn aus riesigen, dunkelgrauen Augen an, das Gesicht bleich und sie konnte nicht aufhören zu zittern. „W-warum ist...ist er weg, Sir...?" wisperte sie und Lupin hob die Schultern.
Doch als er ihr antworten wollte, hörte sie ein leises „Avessa..." aus dem Schrank und ihr gefror das Blut in den Adern. Ihr Blick verschwamm leicht und sie blinzelte mehrfach, kannte sie die Stimme und den Tonfall, in dem er ihren Namen ausgesprochen hatte nur zu gut. Ihr Herz stolperte und Lupin, der sie beobachtet hatte, trat schützend vor sie. Erneut knallte es und die Kugel erschien...War das der Mond...?!
Lupin sprach laut und deutlich „Riddikulus!" und als der Mond, oder was auch immer das gewesen war sich in einen Luftballon verwandelte, der mit einem albernen Quietschen Luft verlor, musste Avessa fast etwas hysterisch lachen. Es knallte und der Irrwicht verschwand. Es wurde ein klein wenig heller und wärmer, doch hatte sie dafür keinen Blick. Erleichterung flutete sie und sie sank auf die Knie, heftig zitternd. Sie atmete tief durch, auch wenn sie noch einmal voll Grauen auf den Schrank sah, das Gesicht dann in den Händen vergrabend.
„Ich...es t-t-tut mir leid, Sir..." wisperte sie und schluchzte leise. Das Ereignis hatte sie völlig verstört und besonders auch ihre Unfähigkeit, sich gegen ihre Angst zu wehren, machte ihr zu schaffen. Lupin ging neben ihr in die Hocke und strich ihr tröstend über die Schulter und als sie davon nur noch mehr zitterte, nahm er sie in den Arm. „Schsch...es muss dir gar nichts leidtun, Avessa", sagte ihr Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste sanft und lächelte, ihren Kopf an seiner Brust, sacht mit der Hand über ihre Haare streichelnd. So saßen sie eine ganze Weile.
„Mir tut es leid, dass du da durchmusstest. Ich hatte nicht gewusst, dass du eine so starke Angst in dir trägst. So etwas ist weit schwieriger in den Griff zu bekommen, als reine Furcht vor Gruselgeschichten oder Monstern..." Er grinste erleichtert, als er sie leise auflachen hörte. Sie setzte sich zurück und wischte sich über ihre Wangen. „Monster, Sir?", fragte sie mit einem zittrigen Lächeln und als er nickte, atmete sie zittrig nochmal durch, wollte sich erheben.
Als ihre Beine wegzuknicken drohten, erhob sich Lupin schnell und reichte ihr die Hand. Kaum stand sie neben ihm, sah er sie forschend an. „Möchtest du kurz zu Madam Pomfrey?" Avessa schüttelte heftig mit dem Kopf.
„Nein, danke, Sir, ich...werde einfach in den Gemeinschaftsraum gehen, wenn es ihnen recht ist." Lupin lächelte schwach und nickte. „Natürlich. Ich begleite dich." Er sagte es in seiner üblichen freundlichen Art, doch war es klar, dass es keine Frage war. Eine Carrow schafft es allein und bittet nicht um Hilfe! erklangen die Worte ihres Vaters in ihr und sie schüttelte den Kopf, darauf bedacht, alleine zu stehen und nicht zu zittern.
„Es ist alles gut, Sir. Vielen Dank, aber ich...es ist nur eine Panikattacke gewesen, nichts, was nicht vergeht oder mich davon abhält, den Weg zu finden", sagte sie ruhig, zu ihrer etwas distanzierten Art zurückkehrend.
Lupin sah, wie sie sich verschloss und nickte nach einem Moment. „Gut, es ist deine Entscheidung. Dann komm gut in den Turm und wenn etwas ist...schick deine Eule. Es gefällt mir nicht, dich so loszuschicken." Avessa sah ihn leicht irritiert an, stießen seine warmen Worte sie wieder in einige Verwirrung. Doch atmete sie dann zittrig tief durch und lächelte sacht.
„Danke dafür, Professor Lupin. Und ich werde an dem Zauber arbeiten. Gute Nacht." Sie wandte sich um und verließ das Lehrerzimmer. Lupin betrachtete eine Weile gedankenverloren die geschlossene Tür, bevor er sich abwandte und das Zimmer aufräumte, in Gedanken bei den Ereignissen dieses Abends. Dann verließ er ebenfalls das Zimmer, mit der Absicht, seine Räumlichkeiten aufzusuchen, doch fand er sich alsbald auf dem Weg in Richtung Gryffindor-Turm. Er musste einfach sehen, dass sie gut angekommen war.
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