Kapitel 13
Avessas Gedanken waren noch bei Dumbledore, während sie durch die Gänge des Schlosses wanderte. Er war ein ungewöhnlicher Mann und sie war sicher, dass sie nicht mal die Hälfte dessen verstanden hatte, was eben vor sich gegangen war. Das wurmte sie, war sie sonst wirklich sehr gut im Erkennen von Absichten. Bei ihm jedoch war dies sehr schwer, was nicht nur an seinen sehr abgeschwächt wahrnehmbaren Emotionen lag. Er war einfach...
Ihre Gedanken endeten abrupt, als ihr bewusst wurde, dass sie eigentlich zu Wahrsagen musste – und, dass sie keine Ahnung hatte, wie sie dahinkommen sollte. Sie drehte sich ein paarmal im Kreis und musste lachen. Im Grunde hatte sie keine Ahnung, wie sie egal wohin kommen sollte. Ihre Augen huschten über die Wandbehänge und Abzweigungen und begannen vor Entdeckerdrang zu funkeln. Von klein auf schon hatte sie es geliebt, Geheimnisse zu ergründen und neue Wege zu entdecken. Elijah und sie waren damals meist gemeinsam auf Entdeckertour gegangen... Schnell schüttelte sie den Gedanken an den jüngeren der beiden Brüder ab, war es schon lange nicht mehr so zwischen ihnen.
Versteckte Höhlen, Geheimgänge, all das hatten sie schon immer in den Bann gezogen und sie hatte die Bücher über so etwas geliebt. Und nun...stand sie in einem Schloss, das – und darauf wettete sie all das Gold ihrer Familie – Geheimgänge und versteckte Räume im Überfluss haben dürfte. Ihr Lächeln wurde listig. Es konnte ihr ja wohl keiner vorwerfen, wenn sie ‚auf der Suche nach Wahrsagen' das Schloss erkundete.
So schlenderte sie durch die leeren Korridore, suchte nach verdächtigen Fugen oder Steinen, oder irgendetwas Anderem, das daraufhin deutete, dass sie eventuell einen Geheimgang vor sich hatte. Die Bewohner der vielen Bilder, die sie betrachtete, waren meist hilsbereit, wenn auch nicht immer hilfreich, doch machte es Spaß, sich mit ihnen zu unterhalten. Sie waren in der Lage, sich in ihren Bildern zu besuchen und so kannten sie viele Enden und Ecken des Schlosses und konnten ihr sagen, wo sie sich gerade befand.
So endete ihr Weg nicht ganz durch Zufall in der Nähe des Ganges, der zu ihrem Verwandlungsunterricht führte und sie dankte dem jungen Zauberer, der sie dahin geleitet hatte. Sie hatte recht gehabt, das Schloss war aufregend. Es gab unglaublich viel zu entdecken und sie wusste jetzt schon, dass sie neben dem Lernen sicher die ein oder andere Auszeit von dem Trubel in den stillen Gängen Hogwarts verbringen würde.
Gerade wollte sie in den Korridor abbiegen, der zu Verwandlung führte, als sie ein Kribbeln im Nacken spürte. Ganz so, als würde sie jemand beobachten. Sie sandte ihre inneren Fühler aus, doch konnte sie nur eine sehr vage Präsenz spüren. Als sie sich umdrehte, erschrak sie. In nicht allzu weiter Entfernung schwebte der Geist eines Zauberers, welcher zwar einst sicher gut gekleidet gewesen war, dessen Kleidung aber irgendwie verdreckt wirkte. Überall waren weiße Flecken zu sehen. Zudem lag er in Ketten und Avessa wusste plötzlich, wer sie da anstarrte. Der Blutige Baron, seines Zeichens Hausgeist der Slytherins.
Slytherin...erneut wurde ihr vor Augen geführt, dass sie keine war und bei diesem Gedanken hatte sie das Gefühl, der Baron würde sie vorwurfsvoll anschauen. Das war natürlich Blödsinn, war sein Blick einfach nur...wütend? Auf jeden Fall gruselig, weswegen sie sich abwandte, den Schauer ignorierend, den die Tatsache, ihm den Rücken zuzukehren, auslöste. Schnellen Schrittes ging sie den Gang entlang und kam an ein Klassenzimmer, welches offen stand.
Sie lugte hinein und sah Professor McGonagall darin an einem Lehrerpult sitzen und über einigen Pergamenten brüten. Doch sah sie auf, als hätte Avessa ein Geräusch gemacht und zog eine Augenbraue hoch, was ihrem Gesicht eine zusätzliche Strenge verlieh.
„Was machen Sie hier, Miss Carrow?" fragte sie scharf. „Sollten Sie nicht in Wahrsagen sitzen, wenn ich nicht irre?" Avessa nickte leicht. „Das stimmt, Professor, doch hatten Professor Dumbledore und ich ein Gespräch in seinem Büro und als ich hinaus kam...war es schon recht spät und ich...habe den Weg nicht gefunden." Sie presste die Lippen aufeinander, das einzige Zugeständnis daran, dass sie verlegen war und sah Professor McGonagall leicht lächeln.
„Nun, das kann ich verstehen.", sagte sie knapp. „Das Schloss ist groß. Aber Sie haben es hierhergeschafft, das zeigt, dass Sie sehr wohl in der Lage sind, sich zu orientieren. Daher schlage ich Ihnen vor, dass Sie sich heute Abend nochmal mit dem Plan des Schlosses vertraut machen, damit Ihnen das nicht nochmal passiert." Avessa nickte und blieb ein wenig unschlüssig in der Tür stehen.
„Setzen Sie sich, die anderen dürften bald da sein.", sagte die Hexe, die, wie ihr gerade einfiel, die Hauslehrerin Gryffindors war. Als hätten ihre Gedanken Professor McGonagall erreicht, sah diese nochmal auf, als Avessa sich setzte und schürzte die Lippen.
„Dürfte ich fragen, warum Sie mit Professor Dumbledore gesprochen haben, Miss Carrow?" Avessa sah überrascht auf und verspürte ein leichtes Schuldbewusstsein. „Nun...es ging um..." Sie suchte die richtigen Worte. „Ihre Hauszugehörigkeit?", mutmaßte Professor McGonagall ohne zu lächeln, aber auch ohne Vorwurf. Avessa nickte sacht. „Nun...um ehrlich zu sein, ja, Professor. Es ist nicht, dass..."
„Ich verstehe schon, Miss Carrow", unterbrach die Hexe sie erneut und diesmal schienen ihre Züge ein wenig weicher. „Sie kommen aus einer langen Linie Slytherins und es ist sicher schwer für Sie, wo doch alle erwartet haben, Sie kämen ebenfalls in jenes Haus."
Avessa nickte, erleichtert, dass Professor McGonagall sie verstand. „Und ich weiß, das sehen viele anders – und sicher nicht nur Slytherins, auch unter den Gryffindors wird es viele geben, die mir widersprechen würden, aber – beide Häuser haben ihre Vor- und Nachteile und niemand muss nur aus dem Grund einem Haus angehören, weil seine Eltern und Großeltern" „Und Brüder...", sagte Avessa leise und Professor McGonagall nickte, ihr Blick durchdringend auf dem Mädchen. „Oder Brüder...in dem Haus waren oder sind. Es wird immer Ausnahmen geben und das ist auch gut so. Sie werden sich bei uns wohl fühlen, Miss Carrow. Und wenn etwas ist, können Sie jederzeit zu mir kommen."
Avessa nickte dankbar und musste innerlich schmunzeln, weil ihre Professorin das recht ruppig gesagt hatte, aber eben das gefiel Avessa so viel besser, als wenn es gefühlsduselig wurde. Mit Gefühlen konnte sie, ironischerweise, schlecht umgehen. Zumindest, wenn es...'gute' waren. Liebe, Zuneigung, Freundschaft...das waren Dinge, die sie nur bedingt verstand.
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