Kapitel 10
Am nächsten Morgen wurde Avessa trotz wenig Schlaf früh wach. Alles in ihr schien viel zu aufgeregt, um lange zu schlafen. Sie ging schnell duschen und machte sich dann fertig. Doch als sie vollständig bekleidet war, sah sie unglücklich auf ihre Schuluniform, denn auch mit dem Umhang darüber sah man ganz genau, welchem Haus sie angehörte.
Hermine riss sie aus ihren düsteren Gedanken, als sie sie bei der Hand nahm. „Komm schon, wir wollen frühstücken gehen, wir bekommen doch gleich unsere Stundenpläne." Avessa lächelte sacht und ein wenig gequält, was Hermine aber nicht zu bemerken schien und so folgte sie ihr, eigentlich ganz zufrieden damit, dass sie nicht entscheiden musste.
Was war nur passiert? Sie, die nie irgendwelche Freunde gehabt hatte, war nun an eine Schar geraten, die sich offensichtlich auf die Fahne geschrieben hatte, sich um sie zu kümmern. Avessa wollte das nicht und dass es ihr eigentlich ganz gut gefiel, verdrängte sie mit aller Macht und eher unbewusst, hatte sie nie versucht zu erkunden, warum sie Schwierigkeiten mit Nähe hatte.
„Da seid ihr ja endlich!", maulte Ron, der mit Harry im Gemeinschaftsraum stand und Hermine schnaubte. „Normalerweise darf ich hier mindestens 20 Minuten auf euch Langschläfer warten", sagte sie spitz und Harry und Ron lachten. Harry warf Avessa ein Lächeln zu. „Guten Morgen. Wie war deine erste Nacht?" Sie neigte leicht den Kopf. „Sagen wir, ich habe ein wenig schlafen können." Sie lächelte sacht und sah dann die Zwillinge und Lee Jordan neben dem Portraitloch stehen und ihr entgegenlächeln.
„Da bist du ja, Silver", sagte George und sie rollte mit den Augen. Fred grinste und legte einen Arm um sie, Harry, Ron und Hermine einen Blick zuwerfend. „Ihr könnt sie im Unterricht haben, aber wir haben die älteren Rechte an ihr als ‚Neben-dem-Unterricht-Begleitung'." George nickte zustimmend und öffnete das Portraitloch, ihr den Vortritt lassend. „Richtig. Wir haben ihr soooviel beizubringen..."
Lee lachte und folgte den dreien, während Avessas Klassenkameraden schnaubten.
„Vergiss es, Fred!" – „Ich bin George!" sagte Fred entrüstet und Hermine sah ihn entschuldigend an. „Dann eben George..." „Nein, Spaß, ich bin Fred." Hermine gab es auf und alle lachten. Avessa betrachtete sie aufmerksam, ging aber still neben ihnen her.
„Hey, Potter!" Avessa hob wie alle ihren Blick, als sie die bekannte Stimme hörte und ihr Mund verzog sich verächtlich. Draco Malfoy stand im Gang und tat so, als müsse er in Ohnmacht fallen. Ein Mädchen mit Mopsgesicht stieß ein schrilles Lachen aus und Avessa zog spöttisch eine Augenbraue hoch, profilierte das Mädchen sich viel zu sehr vor Draco, den sie scheinbar anhimmelte. Wie widerlich!
„Viele Grüße von den Dementoren!" ätzte der blonde Junge, der sie noch nicht entdeckt hatte in dem Pulk. Er hatte nur Augen für Harry. Bezeichnend. Sie grinste hämisch. Als sie klein waren, hatten sie sich besser verstanden, aber nun konnte sie den kleinen Kröter einfach nicht mehr leiden. Wobei – so klein war er gar nicht mehr. Noch einer, der sie überragte – wie unfair...
Dann sah sie ihre Brüder an dem Eingang zur Großen Halle stehen und ihr Herz setzte einen Moment aus, bevor es irgendwo in ihrem Magen schmerzhaft zu pochen begann. Ihre Hand ging automatisch an die Krawatte in den Farben Gryffindors, welche an ihrem schmalen Hals lag und sie schluckte. Noch hatten die beiden sie nicht gesehen, doch das war nur eine Frage von Sekunden.
Sie ließ sich zurückfallen. „Ich...komme gleich nach, ich...muss nochmal kurz wohin", sagte sie zu den anderen. Sie wandte sich um und verschwand um die nächste Ecke, bevor einer von ihnen etwas sagen konnte.
Ihr Herz pochte schmerzhaft, wenn auch nun wieder in ihrer Brust, doch zum Glück folgte ihr keiner. Sie wollte nicht, dass einer von ihnen das Gespräch mit ihren Brüdern mitbekam. Sie wusste nicht, warum, aber es war ihr peinlich, gerade vor den Zwillingen, dass sie so...schwach neben ihren Brüdern wirkte. Sie, die das Bild der selbstbewussten starken Hexe etablieren wollte. Die sie ja auch war.
Doch sie wusste, dass sie neben ihren Brüdern ganz anders aussah. Alaric und Elijah hatten von klein auf gewusst, wie sie sie einschüchtern konnten und sich ein Spiel daraus gemacht, wie lange sie brauchten, ihren Widerstand und Trotz zu brechen.
Avessa schüttelte die Gedanken fort und straffte sich. Ein kurzer Blick um die Ecke zeigte, dass die Gryffindorgruppe weitergegangen war und so trat sie hervor und ihren Brüdern entgegen, das Kinn gereckt, die Finger aber im Stoff ihres Umhanges verborgen, damit keiner das Zittern sehen konnte. Aber sie war zuversichtlich. Sie hatte ihr ganzes Leben an ihrer unbewegten Miene gearbeitet.
Trotzdem verhielt sie fast in ihrem Schritt, als die beiden sie entdeckten und ihr die Emotionen der beiden entgegenbrandeten. Auch auf den Gesichtern ließen sich ihre Empfindungen gut erkennen. Lodernde Wut auf Elijahs und kalte Abscheu auf Alarics. Sie atmete tief durch und blieb vor ihnen stehen, einen kleinen Abstand zu ihnen haltend, den die beiden aber direkt überwanden. Elijah packte ihr Handgelenk und sie zischte, als er direkt so fest zudrückte, als wolle er es brechen.
Alaric, der normalerweise solche Aktionen nicht guthieß – unter anderem, da sie zu auffällig waren – schien es diesmal gar nicht zu bemerken. Er kam dicht vor ihr zum Stehen und brachte seinen Mund nah an ihr Ohr. „Was genau hast du dir dabei gedacht, Schwesterherz?" Avessa schluckte, doch ließ sie ihre Miene kalt werden und sah fest zu ihm auf.
„Was ich mir dabei gedacht habe, Alaric?!", fauchte sie leise und zuckte, als sie eine kurze Bewegung von ihm sah und spürte, dass er sich kaum noch zusammenreißen konnte. Das war ungewöhnlich, war normalerweise Elijah derjenige, der vor Wut ausrastete. Avessa seufzte und sah eindringlich zu ihren Brüdern auf. „Der Sprechende Hut hat entschieden, Alaric, nicht ich. Wie bei jedem anderen hier. Und glaub mir, ich bin auch nicht glücklich darüber!"
„Das sah eben aber ganz anders aus, als du mit deinen neuen Freunden die Treppe hinuntergekommen bist, Schwesterchen...", knurrte Elijah und sie wimmerte unwillkürlich auf, als er unbewusst vor Wut fester zudrückte und ihr Handgelenk Schmerzen durch den Körper sandte. Auch bei ihm konnte sie die Enttäuschung und die Wut darüber spüren, dass sie nicht nach Slytherin gekommen war. Bei Salazar, die beiden hatten nicht das Recht, sie derart anzuzicken!
„Lass mich los, Eli...", raunte sie und ihre Stimme zitterte. Sie wandte sich an Alaric, auch wenn ihr Blick an ihm vorbei ging. „Uns können alle sehen...", sagte sie eindringlich, den Blick in die Große Halle gerichtet, doch konnte sie keinen entdecken, der zu ihnen sah. Dennoch schienen ihre Worte Alaric zu erreichen und er trat einen Schritt zurück, bedeutete Elijah, dasselbe zu tun.
„Du wirst heute nach dem Unterricht zu Dumbledore gehen und ihm sagen, dass du das Haus wechseln willst", sagte er, als sei es entschieden und Wut stieg in ihr auf über die Ungerechtigkeit. Was erdreistete er sich...Er sah sie scharf an, als er den Widerwillen in ihren Augen sah. „Und wage es nicht, mir zu widersprechen, Avessa!", sagte er scharf und mit Grabeskälte in der angespannten Stimme. „Der Name Carrow ist genug dem Gespött ausgesetzt worden gestern Abend, das hat aufzuhören!"
Avessa rieb sich das schmerzende Handgelenk, an dem man bereits die Abdrücke von Elijahs Hand sehen konnte und presste die Lippen aufeinander. Sie wusste, wann sie verloren hatte und...hatte sie es nicht eh vorgehabt? So nickte sie nur stumm und straffte sich dann wieder, langsam eine nicht vorhandene Strähne aus ihrem Gesicht streichend.
„Ich werde nun...frühstücken gehen, da der Unterricht bald anfängt", sagte sie entschieden und wünschte, sie wäre sofort losgegangen, doch wartete ihr Körper, bis er das leichte Nicken ihres ältesten Bruders erhielt, bevor er ihr gehorchte und sie langsamen Schrittes die Große Halle betreten und zum Gryffindortisch gehen ließ.
Sie spürte die Zufriedenheit in ihren Brüdern, dass sie die Erlaubnis abgewartet hatte und wusste, dass es ihnen erneut bewies, dass es richtig war, was sie taten und wie sie sie behandelten und das machte sie so wütend. Weder Alaric, noch Elijah waren ihr Vater!
Sie war innerlich am Zittern, doch sah man es ihr nicht wirklich an, als sie schnurstracks zum Tisch ging, nicht auf andere Schüler achtend, die ihr aus dem Weg gehen mussten, um nicht mit ihr zusammenzustoßen; ganz so, als wäre sie im Esszimmer bei sich zu Hause.
Fred und George grinsten ihr entgegen, als sie sich zu ihnen setzte und sie runzelte die Stirn. „Was ist?", fragte sie und die beiden lachten. „Ist dir aufgefallen, wie du gehst?" Sie errötete leicht und schüttelte langsam den Kopf. „N-nein, wie?", fragte sie und Fred machte ein erstauntes Gesicht, schien ihn ihre verhaltene Aussage zu irritieren. Doch überging er das und grinste wieder.
„Nun...als würde dir hier alles gehören. Als wüsstest du ganz genau, wohin du gehst, warum und hättest jedes Recht zu der Zeit da zu sein." Er schnippte wie eine Diva mit den Fingern und alle lachten, während Avessa lediglich ihren Blick über den Tisch wandern ließ, die Miene ausdruckslos. Ihre Wangen wurden ein wenig dunkler.
„Das...nein, das war mir nicht bewusst", sagte sie leise und griff nach dem Orangensaft, der an ihrem Teller stand, einen kleinen Schluck davon zu trinken. George runzelte ebenfalls die Stirn und sah von ihr zum Eingang der Großen Halle, entdeckte aber nichts Ungewöhnliches. Allerdings sah er ihre Brüder wütend herüberstarren und er tauschte einen wissenden Blick mit Fred.
Doch wartete er, bis die anderen sich unterhielten, bevor er beiläufig „Und? Hattest du schon Gelegenheit, mit deinen Brüdern zu sprechen?" fragte. „Ja...eben vielleicht? Als du nochmal etwas gaaanz Wichtiges tun musstest?", fragte Fred unschuldig und sie verharrte in der Bewegung, stellte dann das Glas ab.
Sie schien erneut das Angebot auf dem Tisch zu überdenken. Sie schüttelte den Kopf und griff nach einem Croissant. „Nein, aber...autsch!", zischte sie, als George plötzlich nach ihrem Handgelenk griff...eben jenem, welches eben von Elijah fast zerdrückt worden war. Der rothaarige Gryffindor sah ungläubig auf ihr Handgelenk und auch Fred zog scharf die Luft ein. „Fuck, Avessa, wo hast du das denn her?" Sie presste erneut die Lippen aufeinander und zog schnell ihre Hand weg, den Umhang wieder darüber fallen lassend.
„Vergiss es.", sagte sie scharf und als Fred etwas einwenden wollte, sah sie auch wütend zu ihm. „Ich sagte, vergesst es. Es geht euch nicht das Geringste an", entkam es ihr leise aber deutlich und kalt und die beiden sahen sich kurz an, doch ließ sie ihnen keine Zeit, sich zu entscheiden, erhob sie sich direkt wieder. Sie sah sich um und entdeckte Professor McGonagall, die bereits am anderen Ende des Tisches begann, die Stundenpläne zu verteilen.
Sie ging zu ihr, die Zwillinge stirnrunzelnd zurücklassend. Was bildeten die beiden sich ein? Sie kannten sich doch gar nicht. Besser, sie lernten sie kennen und ließen sie endlich in Ruhe! Sie sprach kurz mit Professor McGonagall, die ihr zwar etwas erstaunt, aber dann bereitwillig ihren Stundenplan aushändigte. Avessa wandte sich zur Tür, doch sah sie dann, dass Professor Dumbledore sich ebenfalls erhob und sie entschied ad hoc, sofort mit ihm zu sprechen. Das musste ein Ende haben.
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