𝐳𝐰𝐢𝐬𝐜𝐡𝐞𝐧 𝐭𝐮𝐞𝐫 𝐮𝐧𝐝 𝐚𝐧𝐠𝐞𝐥

• sʜᴏʀᴛ sᴛᴏʀʏ •
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Es gibt Abende, die wie offene Türen in der Luft hängen. Im Zwielicht scheint die Zeit stillzustehen. Man treibt irgendwo im Nirgendwo zwischen gestern und morgen, schwerelos im freien Fall.

Die Schatten werden länger und der Wind kühler. Trotzdem verharrt man auf der Schwelle, will nicht mehr bleiben, aber auch noch nicht gehen. Und während man noch glaubt, Unendlichkeit in den Händen zu halten, ist die Tür plötzlich ins Schloss gefallen.

Jener Abend war so ein Abend. Ich sah es in flüchtigen Umarmungen und fest umkrallten Kameras, doch vor allem in den Gesichtern.
Ob in verdunkelten Ecken oder im bunten Schein der Tanzfläche, aus allen Augen sprach die gleiche Weltvergessenheit. Denn jedem war klar, dass der Abend wie ein Sommernachtsgewitter vorbeiziehen und am nächsten Morgen alles oder nichts anders sein würde.
Also galt es, zu leben.

Darauf bestand zumindest die Band in jedem zweiten Lied. Nicht, dass es irgendeiner Aufforderung bedurft hätte. Alle feierten – manche das Ende einer Ära, andere einen Neuanfang. Und ich wusste nicht, ob ich überhaupt feiern wollte. Zum ersten Mal hätte ich auch nicht sagen können, ob das Glas in meiner Hand halb voll oder halb leer war. Nur, dass ich darin versinken wollte.

Meine Gedanken hatten sich inmitten des Stimmengewirrs längst verselbstständigt. Es war so bizarr. Die wirbelnden Kleider, tanzenden Lichter, all die einstige Zukunftsmusik wurde mit jeder verstreichenden Minute zur Erinnerung.

Ich trank einen Schluck und trommelte dann mit den Fingern gegen mein Glas. Offene Enden konnten einen in den Wahnsinn treiben.

»Hey.«

Wie aus weiter Ferne drang deine Stimme zu mir durch.

»Hey?« Aus meinem Mund klang es mehr wie eine Frage, ganz, als zweifelte ich sogar daran.

»Hey«, wiederholtest du mit Nachdruck.

Richtig. Hier und Jetzt.

Ich blinzele und gebe mich mit einem schiefen Grinsen geschlagen. Du siehst es mir immer an, wenn ich den Moment lebe, als ob er schon vorbei wäre. Wie sehr ich das vermisst habe. Dich.

»Und, fleißig am Erinnerungen sammeln?«, frage ich.

Du lachst leise in dich hinein.

»Was?«

»Du tust es schon wieder.«

Ich stöhne. »Schön, dass ich dich amüsiere.«

»Nimm es als Kompliment. Ehrlich, es tut so gut, dich zu sehen. Ich bin mir nicht sicher, wie lange ich die ewige Fragerei noch ausgehalten hätte.«

»Oh, lass mich raten, ›was willst du mal werden?‹ ist zum ersten Mal seit Freundebuchzeiten wieder Spitzenreiter?«

»Hör auf, ich werd noch ganz nostalgisch.«

Darauf hebe ich mein Glas. In deine Augen tritt ein Funkeln.

»Wollen wir die Sterne ansehen?«

Ein letztes Mal?

Du sprichst es nicht aus, aber wir beide wissen es.
Langsam schüttle ich den Kopf. Überraschung steht dir ins Gesicht geschrieben, dabei weißt du doch, dass ich Abschiede nicht leiden kann. Ich bin eher die Sorte Mensch, die still und heimlich durch den Hintereingang verschwindet.

Du hebst eine Augenbraue. »Komm schon, wovor hast du solche Angst?«

»Unsinn. Ich hab keine Angst.« Energisch nehme ich deine Hand und ziehe dich mit nach draußen.

Kalte Nachtluft schlägt uns entgegen. Die Musik aus dem Saal erreicht den Balkon nur als dumpfes Echo. Ich lehne mich an die Brüstung und schaue in die endlose Weite. Die Welt scheint uns zu Füßen zu liegen.

Eine Weile stehen wir einfach so da, tausend Lichter am Himmel über uns, ungesagte Worte auf den Lippen. Die Sterne so nah und doch unerreichbar.

»Davor, dass ich die Sternschnuppen verpasse. Doch noch mehr davor, eine zu sehen und mir etwas wünschen zu müssen, das nicht in Erfüllung gehen kann.« Ich schlucke. »Davor habe ich Angst.«

Du nickst nachdenklich. »Das hier war immer unser Ding. Und wenn ich einen Wunsch frei hätte-«

»-solltest du ihn auf gar keinen Fall laut aussprechen«, unterbreche ich dich, »Das wirst du nie lernen, oder?« »Nein«, lachst du, »Träumen war schon immer dein Fachgebiet. Aber siehst du diese drei Sterne?« Ich folge ziellos deinem Blick.

»Das ist der ›Kompass‹. Und so lange der nicht vom Himmel fällt und wir aus demselben Stoff wie Sterne gemacht sind, werde ich immer hierher finden.«

Seufzend starre ich in die Dunkelheit. »Um diese Uhrzeit lässt sich das leicht sagen. Aber wer weiß schon, was übermorgen ist?«

»Du hast recht. Niemand weiß das. Aber ich weiß, dass es keinen Ort gibt, an dem ich jetzt gerade lieber wäre.«

»Geht mir auch so«, flüstere ich.

Dann hängen wir beide wieder unseren eigenen Gedanken nach. Ein leiser Wind weht mir um die Nase.

Und plötzlich streckst du deine Hand aus.

»Tanz mit mir?«

Eigentlich ist es keine Frage. Denn wir sind wie die Sterne.

Und wir tanzen, als gäbe es kein Morgen. Dabei gibt es mit einem Mal so viel davon.

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𝄆 𝚙𝚕𝚊𝚢𝚕𝚒𝚜𝚝 𝄇
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