𝔀𝓲𝓽𝓱𝓸𝓾𝓽 𝔂𝓸𝓾

March, 19. 1990, NJ, Perth Amboy, 468 Brace Ave


It's been raining since you left me
Now I'm drowning in the flood
You see, I've always been a fighter
But without you, I give up
- Bon Jovi

,,Und du bist dir sicher, dass ich dich alleine lassen kann?" Jon hatte skeptisch die Augenbrauen zusammengezogen. Er hatte Mary noch geholfen die Einkäufe zu verstauen - und um sicher zu gehen, dass sie wirklich eine warme Malzeit heute hatte, hatten sie noch zusammen gekocht. Jon war klar, dass er sie nun nicht ununterbrochen überwachen konnte, auch wenn das ihm seiner Sorge gerade lieb so wäre. Es war schwer gewesen die Rothaarige wieder zu beruhigen, nachdem sie Richie getroffen hatte... Jon wunderte es beinahe schon, dass es ihm überhaupt gelungen war. Nun stand Mary vor ihm, noch immer ziemlich blass und mit ziemlich verweinten Augen, in ein schwarzes, geblümtes Hemd gewickelt von dem Jon sich recht sicher war, dass es eigentlich mal das von Richie gewesen war. ,,Ja... Es geht wieder, ehrlich", schniefte sie leise und einen Moment noch hatte der Frontsänger von Bon Jovi sie besorgt gemustert, dann aber war er nickend an die Wohnungstür der Rothaarigen getreten. Mary war kaum noch wiederzuerkennen, früher war sie ganz anders gewesen... Jon war sich sicher, dass ihr ganzer Anblick auch Richie ziemlich schockiert haben musste.

,,Na schön... Wenn was ist, rufst du an, ja? Egal was." Fast streng sahen seine blauen Augen sie an. Mary war jahrelang seine beste Freundin gewesen... in Jons Augen war sie das auch noch immer, ganz gleich ob ihr Kontakt zwischenzeitlich über mehrere Wochen abgebrochen war. ,,Ja... Mache ich", nuschelte sie wenig überzeugend und Jon seufzte leise. Er fühlte sich verantwortlich für sie, doch er wusste natürlich, dass seine Hilfe nicht war, was sie wirklich brauchte. Mary brauchte Richie... Und Jon konnte nur hoffen, dass die beiden nun wo Richie auch wieder bis auf weiteres zurück in Perth Amboy war, wieder zueiander finden würden. Mary verabschiedete Jon noch, ehe sie die Tür hinter ihm schloss und sich dann mit dem Rücken gegen das Holz sinken ließ. Tränen brannten augenblicklich wieder in ihren Augen, als sie nun, wo sie wieder alleine war, an Richie zurückdachte... und wie sie im Supermarkt zwischen Nudeln und passierten Tomaten ihre Arme um ihn geschlungen hatte, als würde er noch zu ihr gehören.

Sie vermisste ihn. Sehr... Nun wieder so unsanft mit ihrer Sehnsucht konfrontiert worden zu sein, ließ die junge Frau am Boden zerstört zurück. Richie war wieder da... er war greifbar nah, erreichbar. Er war zurück nachhause gekommen... Sie wischte sich hastig ein paar heiße Tränen von den Wangen und ihre Schritte führten Mary in die Küche, wo sie versteckt unter der Spüle, getarnt von mehreren davorstehenden Reinigungsmitteln eine Flasche Whiskey fand, mit welcher sie sich auf ihr Wohnzimmersofa verkroch und mit zittrigen Fingern nach ihrer Fernbedienung griff. Es gab ein Interview, das sie vor einigen Tagen aufgenommen hatte... und sie hatte es sich nun schon einige Male angesehen - vielleicht einige Male zu oft. Und doch endete sie wieder in den Aufnahmen von Richie... Mit der Flasche am Hals, in der Hoffnung Alkohol würde ihren Schmerz noch betäuben können - doch mittlerweile half nicht einmal mehr das wirklich. Ihre glasigen Augen starrten ihn an, nachdem sie auf Standbild geschaltet hatte. Sein schönes, breites Lächeln, seine dunklen Augen... dieses so unverschämt hübsche Gesicht, in das bloß der Rand seines schwarzen Cowboyhuts einen Schatten warf...

Fest biss Mary sich auf die Unterlippe, als sie zu beben begann - doch im Endeffekt saß sie hier und weinte. Nichts hatte sich verändert, ganz gleich ob dreieinhalb Jahre vergangen waren... Sie liebte ihn noch immer, noch wie am ersten Tag, als er nur ein noch unbekannter Musiker aus Perth Amboy gewesen war. Sie hatte ihn schon geliebt, als der Rest der Welt noch nicht einmal gewusst hatte wer Richie Sambora war... Auch nicht Cher, über die Mary gerade nicht einen einzigen positiven Gedanken finden konnte... Sie hatte das Video schon so oft gesehen, indem sie ihm seinen Hut auf die Bühne gebracht und ihm einen Kuss gegeben hatte. Früher war Mary das gewesen... Es stand ihr nicht zu eifersüchtig zu sein, immerhin hatte sie die Beziehung beendet... aber sie war es dennoch und immer mehr Whiskey floss, bis ihre Welt verschwamm und doch Richie auf ihrem Fernseher noch viel zu scharf war. Die Rothaarige kannte ihre Grenzen schon lange nicht mehr... Was waren Grenzen schon, wenn man alles verloren hatte? Es war immerhin nicht nur er, der sie verlassen hatte...

Irgendwann fand Mary sich in der Küche wieder und sie wusste am Ende nicht einmal mehr wie sie darauf gekommen war, sich ein paar der Kirschen zu nehmen, doch so fand sie den Zettel... Mit seiner Nummer. Es waren nur ein paar hastig gekritzelte Zahlen, doch es konnte nur die von Richie sein. Mary starrte das kleine Stück Papier sicher minutenlang an, ehe sie es mit ins Wohnzimmer nahm... Ihr war mehr als bewusst, dass sie mittlerweile ein Alkoholproblem hatte... ein gewaltiges. Immerhin trank sie beinahe jeden Tag. Nüchtern war sie lange nicht mehr gewesen... Es war sicher auch ihre Trunkenheit, die Mary im Endeffekt zu ihrem Handy greifen und Richies Nummer wählen ließ. Es wählte zweimal und die Rothaarige wollte gerade schon schluckend wieder auflegen, bis sie seine raue Stimme am anderen Ende der Leitung hörte... und ihr Herz still stehen blieb, nur um sich dann zu überschlagen. ,,Hallo?", hörte sie ihn rau von sich geben, nachdem sie einen Moment still blieb und Mary schluckte schwer. ,,Richie...", nuschelte sie heiser und mit ziemlich schwerer Zunge. ,,Cherry...", entwich es ihm deutlich verwundert und sie presste das Telefon so sehr an ihre Ohrmuschel, dass es beinahe schon schmerzhaft war.

,,Alles okay?", setzte er dann nach, wohl kaum hatte er so schnell damit gerechnet, dass sie ihn anrufen würde... und wenn Mary ganz ehrlich war, sie selbst hatte das auch nicht. ,,Ich...", setzte sie brüchig an, doch es war verdammt schwer überhaupt die richtigen Worte zu finden. Was war es überhaupt, das sie ihm sagen wollte? ,,Oh Mist...", nuschelte die Rothaarige, die im nächsten Moment ihre Flasche umgestoßen hatte und es erst denkbar spät bemerkte. ,,Mary...?" Langsam klang Richie angespannt, was auch nicht weiter verwunderlich war. Mary schniefte. ,,Ich vermisse dich...", brachte sie hervor und Richie am anderen Ende der Leitung schluckte schwer. ,,Okay w ie viel hast du getrunken?", fragte er ernst und als keine Antwort von der Rothaarigen kam, die ihm eindeutig zu lange zu überlegen schien, hörte Mary am anderen Ende der Leitung das leise Klirren seiner Autoschlüssel. ,,Ich komme vorbei. Ist Jon weg?" Mary wurde übel. Er kam vorbei, hierher? Das durfte er nicht... ,,Nein", nuschelte sie. ,,Also ja, aber nein." Richie seufzte. ,,Okay... bis gleich, Cherry." Sie gab noch ein ,,Richie!" von sich, doch er hatte schon aufgelegt.

,,Scheiße", nuschelte sie, ehe sie sich erhob. Die Welt drehte sich einen ganzen Moment, ehe sie versuchte ihre Spuren zu verwischen... nicht die des Alkohols, nein, dass Mary getrunken hatte war offensichtlich. Nein, die Spuren ihn vermisst zu haben. Sie schaltete den Fernseher aus, raffte die Bilder wieder zusammen und zerrte sich sein Hemd vom Körper, um es hinter ein Sofakissen zu stopfen. Zu mehr kam sie nicht, bis es an ihrer Tür klingelte und Mary das Herz in die Hose rutschte... er durfte nicht hier sein, doch was hatte sie erwartet? Dass er auf ihren Anruf nicht entsprechend reagieren würde? Sie zitterte, als sie in ihrer Leggins und ihrem Bh zur Tür trat und ihm öffnete. Richie war bereits das Treppenhaus hochgekommen, offenbar hatte die Tür unten offen gestanden - und Mary blickte direkt in sein ernstes Gesicht, als sie die Wohnungstür öffnete. ,,Oh scheiße...", entwich es ihr bloß wieder und dem Gitarristen kam dabei eine mächtige Alkoholfahne entgegen.

,,Mary..." Richie schüttelte den Kopf. ,,Verdammt, was machst du denn?" Er schob sie in ihren Flur zurück, sanft, aber bestimmend, während zwei junge Männer an ihrer Wohnung vorbeikamen und bei Marys Anblick zu johlen begannen. Finster sah Richie die beiden an, ehe er mit dem Fuß die Tür zu einer absolut chaotischen Wohnung zu knallte... wie sie absolut nicht zu Mary passte. ,,Richie...", nuschelte sie nur und berührte zaghaft seine Wange. ,,Du bist sowieso nicht wirklich hier... Das wäre nicht das erste Mal, dass ich mir dich einbilde..." Richie seufzte leise. Er hatte gehofft, dass es ihr wenigstens gut hiermit ging... Immerhin war sie es gewesen, die ihn verlassen hatte - und er hatte lange darunter gelitten. Das tat er noch immer. Über Mary war er niemals hinweggekommen. ,,Okay, Cherry... Ziehen wir dir erstmal was an", murmelte er und Mary hickste. ,,Oder dir was aus...", gab sie zurück und er ergriff ihre Hände, als ihre Finger in den Stoff seines Shirts griffen. ,,Nein, besser nicht." Er schob sie langsam rückwärts, er wusste noch wo ihr Wohnzimmer war... Ein weißer Strickpullover lag über der Sessellehne und Richie drückte ihn Mary in die Arme, die gefährlich schwankte.

Ihre Mühen aufzuräumen waren so ziemlich hinfällig... es herrschte ein riesiges Chaos. Und Richie entgingen die Fotos nicht, die sie unter den Tisch geschoben hatte - mehr aber besorgte ihn die fast leere Whiskeyflasche. ,,Hast du das alles getrunken?!", fragte er seine Ex-Freundin fassungslos. Jon hatte ihm zwar geschrieben, dass es schlimm um Mary aussah... doch so schlimm hätte Richie es sich nie und nimmer ausmalen können. Sie brauchte Hilfe... dringend. ,,Nein... auch was verschüttet irgendwo...", nuschelte sie und er seufzte, rieb sich den Nacken und ergriff dann ihren Arm. ,,Du brauchst ein großes Glas Wasser, na los..." Er zog sie in die Küche und griff hastig nach ihrer Taille, als Mary zur Seite wegkippte. ,,Verdammt nochmal...", fluchte er heiser und sie hielt sich an ihm fest. Tränen sammelten sich in ihren Augen. ,,Ich wünschte, du wärst diesmal real", hörte er sie weinerlich lallen und Richie sah sie fast etwas gequält an. Was war mit ihr passiert, nachdem sie ihre Beziehung beendet hatte...? Nicht im Traum hätte er sie verlassen, im Gegenteil, ihm hatte im Sinn gestanden ihr nach der Tour einen Antrag zu machen... umso schwerer hatte ihn ihre Entscheidung getroffen.

,,Wenn ich morgen aufwache, warst du nie hier...", hörte er sie schluchzen und Richie zog einen Stuhl zurück, um sie runter zu drücken und dann an den Wasserhahn zu treten. Tief atmete er durch, ehe er ihr ein Glas füllte. ,,Ich bin hier, wirklich hier." Er sank vor ihrem Stuhl in die Hocke und drückte ihr das Glas in die zitternden Hände. Er wusste wie tückisch Alkohol war... Richie griff immerhin auch nicht gerade selten danach. Doch Mary wollte er so ganz sicher nicht sehen... es gab kaum einen Menschen auf der Welt, der ihm wichtiger war. ,,Das sagst du jedes Mal", flüsterte sie brüchig und starrte das Wasserglas an, machte jedoch keine Anstalten daraus zu trinken. ,,Diesmal ist es wahr. Trink das Wasser... Ich weiß nicht wie viel Übel wir noch verhindern können, aber schaden kann es nicht..." Er strich ihr über den Arm, während er sich in ihrer Küche umsah. Was sollte er machen, ihre Küchenschränke filzen? Das stand ihm wohl kaum zu und würde Mary gar nicht gefallen, doch sie war nicht mehr zurechnungsfähig, jemand musste helfen... Vor allem aber musste sie aus diesem Chaos hier raus - was ihr allerdings noch weniger gefallen würde.

,,Wenn betrunken sein bedeutet, dass du bei mir bist, bleibe ich lieber dicht...", hörte er sie nun flüstern und sie hielt ihm das Wasser hin. Richie schloss einen Moment die Augen, er rang mit seiner Geduld. Das alles hier tat ihm scheiße weh... Er hätte schon heute Nachmittag vorbei fahren sollen... ,,Das steht nicht zur Option, Honey...", murmelte er und aus glasigen Augen sah Mary ihn an. Ihre Gedanken waren völlig wirr, sie konnte nicht mehr denken... Ihre Finger strichen sanft über sein Kinn und Richie sah sie aus seinen dunklen Augen schluckend an... Er musste sich was einfallen lassen... und das jetzt.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top