𝓱𝓮𝓪𝓻𝓽𝓼 𝓫𝓻𝓮𝓪𝓴𝓲𝓷𝓰 𝓮𝓿𝓮𝓷

March, 19. 1990, NJ, Perth Amboy, ShopRite of Perth Amboy, 365 Convery Blvd

We got our reasons
Let's just fold the cards and say goodbye
It's all right just two hearts breakin' even tonight
~ bon jovi


Mary glitten die Kirschen aus den Fingern, die Packung riss auf und sie verteilten sich auf dem Supermarktboden wie etwa die Scherben ihres Herzens, als sie zum ersten Mal seit dreieinhalb Jahren wieder dem so wunderschönen, warmen braun seiner Augen begegnete...

Richie... Marys Herz war für einen ganzen Augenblick stehen geblieben, sie stand bloß da und starrte ihn an, während die Kirschen über den Boden des Supermarkts rollten und sie einige verärgerte Blicke zugeworfen bekam, die sie jedoch gar nicht wahrnahm. Sie nahm bloß noch Richie wahr. In einer hellen zerrissenen Jeans und einem schwarzen Shirt, mit seinem Hut... seine Sonnenbrille in den Ausschnitt seines Shirts geschoben - in seiner Heimatstadt gab er sich gar nicht erst die Mühe, nicht erkannt werden zu wollen. Genauso wenig wie Jon das tat. Die Jungs waren hier immerhin zuhause. Richie löste sich zuerst aus seiner Starre, nachdem seine dunklen Augen ihren Blick eine ganze Weile erwidert hatten. Er kam näher und bückte sich, um die Kirschen aufzusammeln, nachdem er Jon knapp zugenickt hatte. Die beiden reagierten angespannt aufeinander, doch Mary zu Liebe brachen sie nicht gleich die nächste Diskussion vom Zaun. Jon bückte sich ebenfalls mit einem leisen Seufzen und Mary konnte für einen Moment wieder nicht sicher sagen, ob die beiden nicht doch eine verzweifelte Halluzination ihrerseits waren... auf dem Boden kniend, um ihr Schlamassel aufzusammeln.   

 

Richie sah gut aus... Er schien immer und immer hübscher zu werden - wie er das anstellte war Mary ein Rätsel... er machte sie fertig. Die Rothaarige musste hier weg. Das war die nächste Intention, die sie ergriff. Sie konnte nicht hier stehen bleiben, sie konnte nicht von ihm konfrontiert werden, das würde ihr Herz nicht ertragen. Sie hatte die Bruchstücke doch gerade erst wieder zusammengesetzt... oder mehr, der Alkohol hatte es getan. ,,Little Ginger!", fluchte Jon, als Mary zurück stolperte und dann zwischen den Regalen verschwand. ,,Scheiße!", hörte sie ihn murren, mehr bekam sie nicht mehr mit, als sie irgendwo zwischen Nudeln und passierten Tomaten versuchte ihren rasenden Puls zu beruhigen.  ,,Fuck...", flüsterte sie brüchig und vergrub das Gesicht in ihren Händen, sie schnappte nach Luft, versuchte nicht mitten in Perth Amboys größtem Supermarkt in Tränen auszubrechen - doch so einfach war das nicht... leider. Sie musste sich zusammenreißen, um sich wirklich von einem Heulkrampf abzuhalten und sie wandte sich mit vorgetäuschtem Interesse dem Tomatenmark zu, als sich eine ältere Dame mit in den Gang schob...

 

Jon und Richie schienen nach ihr zu suchen - und leider (bei Gott, wieso?) war es Richie, der sie schließlich fand. ,,Cherry...", hörte Mary ihn heiser sagen, nur er nannte sie nur so. Nur er schaffte es, dass ihr das Herz aus der Brust zu springen drohte. Ihre Unterlippe begann zu beben und sie hörte ihn näher kommen... an der silbernen Kette, die sich an seinem linken Hosenbein befand. Das leise Klirren machte Mary noch verrückt. Sie ergriff eine kleine Dose Tomatenmark und hielt sie drohend hoch, als sie zu Richie herumwirbelte. ,,Bleib weg!", stieß sie weinerlich hervor und stieß mit dem Rücken gegen das Regal, was ein paar Tuben auf den Boden fallen ließ. Richie hob beschwichtigend beide seiner schönen, sonnengeküssten und so talentierten Hände. ,,Hey, immer mit der Ruhe... Du musst mich wirklich nicht mit Lebensmitteln angreifen", seufzte er und sie schluckte schwer. Sie musste so bescheuert aussehen... Mit bebender Unterlippe ließ Mary das Tomatenmark sinken, Tränen rannen nun doch über ihre Wangen. ,,Ich bin nicht bereit hierfür, Richie..", entwich es ihr gequält und er schenkte ihr ein schwaches Lächeln. Wieso nur tat er das... Es zerriss ihr das Herz nur noch mehr.

 

,,Ich weiß, Cherry...", entgegnete er und trat noch näher. Mary verkrampfte sich, doch Richie bückte sich nur wieder, um diesmal die drei Tuben aufzuheben und sie neben ihr zurück ins Regal zu legen. Sie sah ihn an, wie er so nah neben ihr stand... Er roch so gut... So vertraut. Noch genauso wie damals - und Mary war sich ganz sicher, dass es noch dasselbe Aftershave war. Ihr Atem zitterte, während ihre braunen Augen ihn anblickten und er sah sie nun ebenfalls an. ,,Soll ich dir meine Nummer aufschreiben?", fragte er sie leise. ,,Falls du reden willst..." Denn das hatten sie nie getan. Mary hatte Richie damals gar nicht erst zu Wort kommen lassen und sie bereute es heute noch. Hätte sie doch nur zugelassen, dass er sie vom größten Fehler ihres Lebens abhielt... Unfähig etwas zu entgegnen starrte die Rothaarige ihn an. Als wäre er ein Geist... Ein Geist ihrer Erinnerungen. Oder eine weitere Halluzination, war es das? Hatte sie wieder zu viel getrunken, war sie mit dem Whiskey wieder zu weit gegangen? Ihr Herz klopfte so schnell, dass sie befürchtete, dass er es hören könnte. ,,Richie...", flüsterte sie brüchig. Sein Name... immerhin der schaffte es über ihre zitternden Lippen. Sie vermisste ihn so sehr... so sehr, dass sie in diesem Augenblick fast schon keine Luft mehr bekam. 

 

Und doch reichte es noch dafür, dass sein Duft ihre Sinne so verwirrte, so dermaßen durcheinanderbrachte. Er nahm ihr sanft die Dose Tomatenmark ab, die sie so krampfhaft festhielt und Mary blinzelte, als er sie zurück ins Regal stellte. ,,Jon sucht nach dir", meinte er leise und sie nickte. ,,Ja...", flüsterte sie weinerlich. ,,Ich weiß." Dennoch rührte sie sich nicht. Sie stand hier wie eingefroren... bis sie etwas tat, das so verdammt dumm war. Sie ließ sich von ihren Gefühlen dazu verleiten, ihre Arme um Richie zu schlingen, er stand so nah vor ihr, dass sie nur einen Schritt auf ihn zu machen musste, um ihre Arme um seinen Oberkörper zu schlingen und schniefend ihre Nase an seine Brust zu drücken, in das schwarze Shirt. Scheiße, roch er gut... Richie hatte sich verkrampft, doch dann legten sich eine seiner Hände auf ihre Taille. ,,Cherry...", hörte sie ihn heiser an ihrem Ohr murmeln. ,,Ich hab ewig nichts von dir gehört... was ist mit dir passiert...?", murmelte er und sie schluchzte. Sie hatte ihn verloren. Ihn und ihr Baby, sein Baby. Sie hatte alles verloren. Sanft strich er über ihren Rücken.

  

Nicht nur sie wurde von ihren Gefühlen konfrontiert, ihm erging es wohl kaum besser... Er konnte sich einreden was er wollte, daten wen er wollte, es würde immer Mary sein... und sie würde immer seine Cherry sein... ,,Cherry, Baby... Hey... ist schon gut...", murmelte er rau und sie krallte ihre Finger in sein Shirt. ,,Ich sehe dich jeden Abend im Fernsehen", weinte sie und ließ ihn schwer schlucken. ,,Warum kannst du mich nicht in Frieden lassen..." Ihre Worte schmerzten ihn, während Mary von all dem definitiv durch einen hohen Pegel von Restalkohol verleitet wurde. ,,Mary...", murmelte er und sie schüttelte weinend den Kopf, ließ ihn so schlagartig los, als hätte sie sich urplötzlich an ihm verbrannt. ,,Ich muss gehen", entwich es ihr heiser und Richie griff nach ihrem Arm. ,,Warte, Cherry..." Fragend sah sie ihn an und er reichte ihr die Schachtel Kirschen, die er vorübergehend in ein Regal geschoben hatte, als sie drauf und dran gewesen war ihn mit der Dose zu bewerfen. Mary nahm sie entgegen. ,,Es ist eine neue. Die vom Boden hab ich genommen", murmelte er und sie schniefte bloß, sah ihn aus glasigen Augen an. Richie musterte sie noch ein letztes Mal und es tat ihm weh wie schlimm sie aussah... dann wandte er sich ab und ließ sie alleine. Schweren Herzens, doch er wusste, dass seine Gegenwart gerade unerträglich für die Rothaarige war.

 

Die nicht ahnte, dass Richie das Zettelchen mit seiner erwähnten Handynummer zwischen die Kirschen geschoben hatte, als sie langsam kehrt machte und nach Jon zu suchen begann. Was hatte sie getan... Sie hätte ihn niemals umarmen dürfen, wieso hatte sie das getan? Sein Geruch, seine Nähe... Mary kam kaum noch klar. Sie lief beinahe gegen Jon, weil ihre Tränen ihre Sicht verschleierten und sie viel zu durcheinander war, um sich wirklich umzusehen. ,,Little Ginger!" Er klang ziemlich erleichtert. ,,Da bist du ja..." Er wollte ihr die Kirschen abnehmen, doch Mary drückte sie so krampfhaft an sich, dass Jon darauf verzichtete sie in den Einkaufswagen zu legen, den er für Mary nach und nach bereits ein wenig gefüllt hatte. ,,Hey... Hey, komm mal her...", seufzte er leise, als er bemerkte, dass sie vollkommen aufgelöst war. Sanft schloss er sie in seine Arme. ,,Beruhig dich, Kleines, alles ist gut...", raunte er nah an ihrem Ohr und sie versuchte ihm zu glauben. Ihm zu glauben, dass alles gut war... doch in Wahrheit war gar nichts gut... Sie hatte Richie wiedergesehen und sie war alles andere als bereit dafür gewesen...

 

Ihr Herz lag wieder in Scherben und nur Alkohol würde da noch helfen... und selbst der verlor allmählich seine Wirkung auf ihren Schmerz. Der einzige, der sie noch retten könnte war Richie... Richie, der nicht weniger vor den Kopf gestoßen war als sie selbst.

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