ᴋᴀᴘɪᴛᴇʟ 8 - 1. ᴀɴɢʀɪғғ

»Green Blood«, hallte unerwartet durch die schwere Holztür, hinter dem sich die Member verborgen und alle Blicke hingen sofort auf dieser.

Ein breiter, gesellig wirkender Mann trat zuerst durch die Tür. Seine Augen erschienen müde und seine grauen Haare wirkten noch heller als sonst. Jay schob seinen mächtigen Bierbauch durch den Raum und erst als er Freya entdeckte, hellte seine ernste Miene etwas auf.

»Kleines«, raunte er ihr entgegen, doch schon zog das Gepolter hinter ihm, die Aufmerksamkeit aller auf sich.

Drei Member kamen aus dem Raum gerannt und ohne irgendjemanden einen Blick zu würdigen, verschwanden sie durch die Tür nach draußen. Sekunden später hörte man, wie die Motoren ihrer Bikes ansprangen und sie das Gelände verließen. Freyas Blick wanderte langsam zurück zu Jay, der neben ihr an die Bar gelehnt stand. Sie sah ihn fragend an, doch Jay schüttelte nur den Kopf.

»Das soll euch Jaxon erklären«, sagte er, nahm das Bier, welches ihm gereicht wurde und schon machte er sich auf den Weg nach draußen.

Liam und Freya warfen sich einen What the Fuck-Blick zu. Der Clubraum füllte sich langsam, aber wo sonst lockere Stimmung herrschte, waren heute nur dunkle Gesichter und grübelnde Blicke zu sehen.

»Sieht aus, als wurde der Scheißehaufen ziemlich hochgestapelt«, raunte Nora leise und sah ihre Kinder dabei an.

Sie nickten nur und gerade, als Liam etwas erwidern wollte, trat Jaxon in den Raum. Seine Stirn lag immer noch in tiefen Falten, er wirkte blass und auch der Anblick seiner Familie ließ die Sorgen in seinem Blick nicht verschwinden.

»Gib mir ein Bier, Doug«, sagte er, während er auf Nora zulief.

Sie schenkte ihm ein sanftes Lächeln und ließ sich in seine Arme ziehen. Er legte für einen Moment den Kopf in ihrer Halsbeuge ab und zog den süßlichen Geruch ihres Duftes tief ein. Mehr benötigte es nicht und Nora wusste, dass er diesen Moment der Nähe und Sicherheit gerade brauchte. Sie legte ihre Wange leicht an sein Gesicht und streichelte ihm einige Male über den Rücken.

»Ich liebe dich, Baby«, grummelte er kaum hörbar.

Nora atmete tief ein und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.

»Ich dich auch«, sagte sie und schon löste er sich, um von den fragenden Gesichtern seiner Kinder in Empfang genommen zu werden.

Ein leises Seufzen entfuhr Jaxon.

»Lasst uns darüber gehen«, sagte er und zeigte auf eine der Sitznischen.

Ohne weitere Worte nahmen alle ihre Getränke und wechselten umgehend den Platz. Sie saßen in der hintersten Ecke des Raumes und auch wenn sie Antworten wollten, saßen sie da und warteten. Jaxon nahm einen großen Schluck von seinem Bier und zündete sich eine Zigarette an, ebenso wie Freya. Liam hingegen tippelte genervt mit den Fingern auf den Tisch.

»Jetzt rede halt«, forderte Liam ihn letztlich auf.

Ja, er wusste, dass es keinen Sinn machte Jaxon zu stressen, aber seine Ungeduld machte ihm heute einen Strich durch die Rechnung. Liam war eigentlich der entspannte Part, doch wenn es um die Familie ging, konnte auch er zu schnell aus seiner Haut fahren. Jaxon fuhr sich durch seine Haare und strich sich damit die einzelnen Haarsträhnen, welche sich aus seinem Zopf gelöst hatten, nach hinten.

»Zwei von unseren Leuten sind angegriffen worden«, flüsterte er schon fast.

Liam verlor sofort die Fassung und schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte.

»Was?«, schrie er aufgebracht durch den Raum.

Freya rollte die Augen. Liam und seine viel zu kurze Zündschnur.

»Wer? Wann? Wo?«, rasselte er runter, was Freya aufstöhnen ließ.

»Lass ihn halt einfach reden«, raunte sie ihren Bruder an, was ihr sofort einen giftigen Blick einbrachte.

Freya hielt diesem aber stand und schien auf die nächsten Worte zu warten, doch Liam schnaubte, verschränkte die Arme und lehnte sich nach hinten. Jaxon schüttelte kurz mit dem Kopf und sprach weiter.

»Es hat Marc und Thomas erwischt. Sie haben hinterhältig ein Messer ins Kreuz bekommen. Es geht beiden so weit gut, liegen aber im Krankenhaus.«

Nora sah ihren Mann entschuldigend an.

»Sorry, aber wer sind die beiden?«

Jaxon zog eine Braue nach oben, was Nora sauer aufstieß.

»Ihr seid mittlerweile über 80 Mann. Ich kann mir doch nicht alles merken«, fuhr sie ihn zorniger als gewollt an.

Jaxon knirschte mit den Zähnen, doch als er Noras Blick sah, veränderte sich seine Miene und er schloss für wenige Sekunden die Augen. Er atmete einige Male tief durch, denn er wusste, dass sie recht hatte. Sie konnte nicht jeden kennen, vor allem ging es hierbei um Neuankömmlinge. Freya seufzte genervt, denn auch sie hatte die Geduld nicht mit Kellen gefressen, vor allem nicht, wenn es um ihre Familie ging. Eigentlich war es ihr auch egal, wem es erwischt hatte. Es reichte ihr, dass es so war und sie hatte nur Interesse an Namen. Sie wollte wissen, wem sie den verdammten Arsch aufreißen musste.

Nachdem Jaxon sich runtergefahren hatte, öffnete er die Augen wieder und sah in die Runde.

»Sorry. Marc und Thomas sind neue Supporter. Ihr könnt sie nicht kennen.«

Nora nickte nur und so sprach er weiter.

»Die beiden arbeiten zusammen und hatten Spätschicht. Sie sind durch den Park gelaufen und wurden von hinten niedergestochen. Sie haben die Angreifer nicht gesehen, diese haben wohl auch nichts gesagt und sie waren genauso schnell, wie sie aufgetaucht waren, wieder verschwunden«, erklärte Jaxon und seufzte dabei.

Nora schüttelte fassungslos den Kopf und sah zu Freya, die schweigend vor sich hinstarrte.

»Was ist mit den Jungs, die hier gerade rausgerannt sind?«, fragte Liam.

»Die sind auf dem Weg ins Krankenhaus. Sie sollen bei Marc und Thomas bleiben, solange wir nicht wissen, was hier los ist«, erwiderte Jaxon.

»War es ein Angriff auf den MC?«, fragte Freya plötzlich und fixierte ihren Vater.

Dieser zuckte mit den Schultern und sah sie ratlos an.

»Wir wissen es nicht. Die beiden laufen erst seit wenigen Monaten unter unseren Farben. Sie hatten keine Clubklamotten an und auch keine Kutte. Ich bin mir nicht sicher, ob sie überhaupt schon mit uns in Verbindung gebracht werden können.«

Freya nickte stumpf vor sich hin.

»Private Probleme?«, fragte sie.

Wieder zuckte Jaxon mit den Schultern.

»Beide schwören, dass es nicht so ist und dass sie keine Ahnung haben, wer es auf sie abgesehen haben könnte.«

Freya kniff sich in den Nasenrücken.

»Also entweder waren die Angreifer dumm und unwissend oder wissend und selten dämlich?«, fragte sie.

Jaxon seufzte.

»So sieht es aus, also hoffen wir mal, dass sie unwissend sind. Sollten sie mit Absicht zwei unserer Männer angegriffen haben, könnte es übel werden.«

Liam schüttelte den Kopf.

»Okay, was machen wir?«, fragte er und schon wurde Jaxon seine Miene ernst.

Er sah seinen Sohn an und spürte den brennenden Blick seiner Tochter im Nacken. Ein kurzer Blick zu Nora reichte, um zu wissen, dass sie dasselbe dachten.

»Ihr werdet gar nichts tun. Wir haben einen Deal. Schon vergessen?«, knurrte er ihnen leise entgegen.

Freya stöhnte auf und rollte mit den Augen.

»Wie könnten wir? Es ist der beschissenste Deal seit Langem. Keine Clubangelegenheiten während der Schulzeit, dafür dürfen wir nebenbei arbeiten«, rasselte sie genervt runter.

Liam ballte seine Hände unter dem Tisch zu Fäusten und versuchte ruhig zu bleiben, was ihm aber nicht gelang.

»So ein Bullshit! Komm schon Dad, das ist doch Schwachsinn. Lass mich endlich einsteigen, wir gehören doch so oder so schon dazu. Schule machen wir beide nebenbei und das wisst ihr«, fauchte er seinen Vater an.

Ein dumpfer Aufschlag hallte durch den Clubraum. Jaxon hatte mit der Faust auf den Tisch geschlagen und war aufgesprungen. Es war ein mehr als deutliches Zeichen, dass auch er mit den Nerven gerade am Rande des Ertragbaren war, denn eigentlich brauchte es mehr, um ihn aus der Reserve zu locken, als eine Diskussion mit seinen Kindern.

»Es reicht jetzt. Ich habe diese endlosen Diskussionen satt. Ihr könnt nicht in die Schule gehen, nebenbei im Studio und der Werkstatt arbeiten und dann auch noch der Meinung sein, dass euch Clubsachen etwas angehen. Du bekommst deine Kutte, wenn du die Schule abgeschlossen hast, und Freya bekommt danach auch ihren Willen.«

Jaxon starrte seine Kinder giftig an.

»Aber ich schwöre euch, dass ich das alles vergessen werde, wenn ich diese Diskussion noch ein einziges Mal führen muss und dann heißt es: Keine Kutte. Keine Werkstatt und kein Tattoostudio mehr. Ich packe eure Sachen und verfrachte euch in irgendein stinklangweiliges Internat und danach lass‹ ich euch in einer Ausbildung versauern.«

Jaxon sein Puls raste und er hasste es, wenn er so mit seinen Kindern sprechen musste, aber es gab Tage, an denen blieb ihm nichts anderes übrig. Sie genossen alle Freiheiten, nach denen sie verlangten, aber manchmal brachten ihre sturen Köpfe ihn zur Verzweiflung.

Es herrschte Ruhe am Tisch und nicht nur dort, sondern im gesamten Clubhouse. Alle starrten Jaxon an, denn er wurde selten laut, doch wenn es passierte, sollte man sich Widerworte sparen. Freya schluckte und auch wenn es ihr widerstrebte, nickte sie.

»Sorry, Dad«, gab sie leise von sich.

Liam zog direkt nach.

»Ja, mir tut es auch leid.«

Beide wussten, dass nur noch die Notbremse helfen konnte, denn ja, sie vergaßen manchmal, wie viele Privilegien sie hatten und dass es sich hier nur noch um ein Jahr handelte, welches sie aussitzen mussten.

Jaxon seufzte und setzte sich wieder an den Tisch.

»Gut und jetzt verschwindet.«

Liam und Freya warfen sich einen kurzen Blick zu und standen auf. Sie drückten Nora und Jaxon einen leichten Kuss auf die Wange und verließen das Clubhouse.

Schweigend liefen sie über das Clubgelände zu ihrem Haus. Freya ließ sich auf eine der Liegen auf der Terrasse fallen, während Liam zwei Bier aus dem Kühlschrank holte und zurück zu Freya ging. Er reichte ihr eins und legte sich neben sie auf eine Liege.

»Danke«, sagte Freya, öffnete das Bier und nahm einen Schluck.

Liam nickte und tat es ihr gleich.

»Hast du auch so ein beschissenes Gefühl bei der Sache?«, fragte Liam, ohne seine Schwester dabei anzusehen.

Freya starrte in den Nachthimmel, währenddessen sie an dem Etikett der Flasche kratzte.

»Beschissenes Gefühl ist dezent untertrieben«, erwiderte sie leise.

Liam vernahm den eigenartigen Unterton in ihrer Stimme und wusste, dass etwas nicht stimmte. Er drehte sich zu ihr und sah sie an.

»Was ist los?«, fragte er.

Freya zuckte mit den Schultern und sah zu ihm. Ihre Blicke trafen sich und sie sahen sich tief in die Augen.

»Ich weiß es nicht«, sagte sie und als Liam die Verzweiflung in ihren Worten hörte, stand er auf und trat an ihre Liege.

»Rutsch«, sagt er und sofort machte Freya ihm Platz.

Er legte sich zu ihr und zog sie eng an sich. Sie rutschte mit ihrem Kopf auf seine Brust und atmete tief ein.

Poch ... Poch... Poch ...

Sie konzentrierte sich auf seinen Herzschlag und langsam, verschwand das mulmige Gefühl, welches sie, seit Stunden quälte. Liam hielt sie fest im Arm. Sie machten das schon, seitdem sie klein waren, es beruhigte sie und sie brauchten diese Nähe gelegentlich.

»Du weißt, dass ich immer an deiner Seite sein werde«, flüsterte er ihr leise zu.

»Ich weiß, so wie ich an deiner.«

»Ich liebe dich, Schwesterherz.«

Freya lächelte leicht und hob den Kopf.

»Ich dich auch, mein Stinker«, sagte sie und sofort kniff Liam ihr sanft in die Rippen, was sie aufspringen ließ.

»Arsch«, raunte sie ihn an.

Er folgte ihr ins Haus und lachte dabei.

»Ja und stolz darauf.«

Zur selben Zeit saßen Jaxon und Nora noch an dem Tisch und schwiegen sich ebenfalls an.

»War ich zu hart?«, fragte Jaxon plötzlich.

Nora leerte ihr Bier und seufzte.

»Nein. Wir wissen beide, dass sie das manchmal brauchen. Sie sind nicht aus Zuckerwatte, sie können das ab.«

Jaxon rieb sich über den Nacken und sah seine Frau an.

»Was wäre ich nur ohne dich?«

Nora lachte auf.

»Verloren und das hoffnungslos«, sagte sie.

Jaxon griff nach ihrer Hand und streichelte ihr über diese.

»Hast du deinen Vater schon Bescheid gegeben?«, fragte Nora, während sie seine Berührung genoss.

Er schüttelte mit dem Kopf.

»Nein und das werde ich auch nicht, nicht solange ich nicht weiß, was hier los ist.«

Nora stützte ihr Kinn auf ihre freie Hand.

»Ja, kluge Entscheidung, würde ich sagen. Los. Lass uns auch gehen, der Tag war lang genug.«

Jaxon stöhnte auf, als er an die Geschehnisse des Tages zurückdachte.

»Bin ich dabei«, erwiderte er und schon machten sie sich Arm in Arm auf den Weg nach Hause. 

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