ᴋᴀᴘɪᴛᴇʟ 40 - ɪʜʀ sᴇɪᴅ ᴍᴇɪɴᴇ ғᴀᴍɪʟɪᴇ

Ein schwarzer Van hielt vor dem massiven Holztor des Geländes. Doug warf einen Blick auf den Fahrer und öffnete anschließend das Tor. Knirschende Geräusche begleiteten den Wagen, als er auf das Gelände fuhr und zum Stehen kam.

Eine gespenstische Leere erstreckte sich auf dem Gelände. Es schien ein dunkler Schatten über den Gebäuden zu liegen. In der Mitte des Hofes schimmerte das fast vollständig getrocknete Blut in den Strahlen der Mittagssonne. Eine Ansammlung von roten Tropfen formte zwei Spuren, die sich bis zum Clubhouse erstreckten.

Derek nahm seine Sonnenbrille ab und griff nach seiner Waffe. Ein Gefühl der Sicherheit durchfuhr ihn, bevor er aus dem Wagen stieg. Gefolgt von drei weiteren maskierten Männern. Sein Blick fiel auf Jay, der soeben vor den Wagen trat.

»Ihr kennt die Regeln?«, versicherte sich Derek und schob dabei seine Jacke zurück, damit Jay freien Blick auf seine Waffe hatte.

»Spar es dir, Jungchen. Ich kann schon nicht mehr zählen, wie oft ich Hochmut zu Boden habe fallen sehen.«

Jay hielt inne und kniff die Augen zusammen.

»Aber ich habe die Regeln verstanden«, schob er nach und zeigte Derek an ihm zu folgen.

Gemeinsam liefen sie über den Hof. Dereks Blick blieb für einen Moment auf dem riesigen Blutfleck hängen. Ein unangenehmes Gefühl, welches ihm ein Frösteln über die Haut jagte, ergriff ihn. Er schüttelte sich kurz und folgte Jay weiter, welcher schon auf der Terrasse vor dem Clubhouse stand. Als Derek neben ihn trat, zeigte Jay nur auf die geschlossene Tür und ließ sich in seinem Ledersessel nieder.

Derek sah ihn irritiert an, schüttelte dann aber den Kopf und betrat das Clubhouse. Ein metallischer Geruch schlug ihm entgegen, durchzogen mit einer süßlichen Note. Der Geschmack von Eisen legte sich auf Dereks Zunge und fraß sich in seine Atemwege. Schlagartig schlug er sich die Hand vor Mund und Nase, doch es war zu spät. Seine Sinne waren geprägt, für die Ewigkeit. Langsam sah er sich in den Raum um. Gedämpftes Licht legte eine schaurige Atmosphäre in diesen. Ein leises Quietschen ertönte, als er einen weiteren Schritt in den Raum machte und das Zufallen der Tür, ließ das Meer aus Kerzen aufflackern.

»Könnten wir vielleicht Licht anschalten?«, fragte Derek in den Raum.

Ein leises Ausatmen war zu vernehmen.

»Ihr habt sie aus dem Leben gerissen. Müsst ihr auch noch ihre Totenruhe stören?«, fragte Collin und trat aus der Dunkelheit.

Das wenige Licht sorgte für tanzende Schatten in seinem Gesicht. Doch selbst so, waren seine tiefen Augenringe und rot unterlaufenen Augen zu erkennen. Mit seiner imposanten Statur überragte er Derek um Weiten. Er hob die Hände und drehte sich um seine eigene Achse.

»Unbewaffnet.«

Derek musterte ihn aufmerksam. Wieder durchfuhr ihm dieses eigenartige Gefühl. Es mahnte ihn zur Vorsicht und dennoch nickte er. Er war sich sehr wohl bewusst, dass er in dieser Situation der Überlegene war, vergaß dabei aber dennoch nicht, wer da vor ihm stand.

Der King der irischen Mafia. Dem Mann, der so schon unberechenbar war und dem sie gerade respektlos ans Bein gepisst hatten. Derek versuchte das ungute Gefühl abzuschütteln, und sah sich erneut um, aber außer Leere und Kerzen sah er nichts.

»Wo sind sie?«

Collin zeigte in die Richtung des Memberraums.

»Geh voran«, raunte Derek.

Collin tat was ihm befohlen wurde. Seine Miene weiterhin starr und emotionslos. Er öffnete die Tür und eine eisige Kälte kroch hervor. Sie legte sich um Dereks Füße und ließ ihn Schaudern. Er hielt inne und starrte in den Raum. Der Geruch von Blut wurde intensiver. Er vernahm die Blutlache unter dem Tisch und sah dann auf die leblosen Körper, welche verhüllt unter weißen Laken auf diesem ruhten. Ein weiteres Meer aus Kerzen erhellte den Raum und ihr chlorartiger Duft, vermischte sich mit dem Blut. Er ließ den Blick über die leblosen Körper schweifen. Petrolfarbenes Haar schimmerte unter dem Laken hervor. Derek hatte genug gesehen, wusste aber, dass Killian sich damit nicht zufriedengeben würde. Er trat näher an den Tisch und griff nach dem Stoff.

»Muss das sein?«

Collin stand immer noch in der Tür, als würde er sich nicht tiefer in den Raum getrauen. Derek warf ihn einen entschuldigenden Blick zu, bevor er das Laken zurückschlug.

Jaxon und Nora lagen nebeneinander mit geschlossenen Augen auf der Tischplatte. Er sah auf die blutigen Shirts und die Wunden, auf ihren Brüsten. Seine Finger wanderten langsam an die Hälse der beiden. Als er die kalte, leblose Haut berührte, zuckte er erschrocken zurück.

Kalt. Leblos. Tod.

Er ließ von ihnen ab, verdeckte ihre Körper wieder mit den Laken und nickte seinen Begleitern zu. Diese zeigten Collin an den Raum zu verlassen, um diesen mit Abstand zu folgen. Als Derek den Raum verließ, fiel sein Blick auf Collin, der mit gesenktem Blick an der Bar saß.

»Auch wenn du es mir nicht glaubst, aber es tut mir leid!«, raunte er, bevor er das Clubhouse verließ.

Erst als sie im Auto saßen und unbeschadet von dem Gelände gefahren waren, wählte er die Nummer von Killian.

»Sehr gut, dann Treffen wir uns an der Küste«, erwiderte Killian und ließ sein Handy in die Innentasche seiner Jacke verschwinden.

Pfeifend betrat er die Scheune und mit ihm, flutete die Sonne die Boxen. Die plötzliche Helligkeit stach Freya und Liam unmittelbar in den Augen und ließ sie diese zusammenkneifen.

»Ihr habt es geschafft. So wie ich euren Großvater einschätze, wird es nicht lange dauern, bis euch geholfen wird. Spätestens in drei Stunden sollten sie da sein«, sagte er zwinkernd und öffnete die Box, in der Aaron saß.

»Wir müssen los.«

Er packte Aaron grob am Arm und zerrte ihn in den Gang.

»Verabschiede dich von deinen Freunden.«

Aaron senkte den Blick. Er wusste ohnehin, dass Freya und Liam ihn nicht beachten würden. Das Gefühl der Schuld tobte durch seinen Körper und es gab nur eine Frage, die ihm immer und immer wieder durch den Kopf ging.

Wie viel hätte er verhindern können?

Wahrscheinlich nichts von alle dem, was geschehen war.

»Dann wohl nicht«, raunte Killian, nachdem er das eiserne Schweigen der drei beobachtet hatte, und schubste Aaron aus der Scheune.

Erst nachdem sie hörten, wie der Wagen sich von der Scheune entfernte und sie von einsamer Stille umhüllt wurden, hob Liam den Kopf.

»Er wird dafür bezahlen«, dröhnte seine tiefe Stimme durch die Scheune.

Freyas Körper bebte, als sie seinen Blick erwiderte.

»Mehr als das.«

Es dauerte eine weitere Stunde, bis erneut ein Wagen vor der Scheune zu hören war. Nur Sekunden später stürmten Tom und Finn diese.

»Wie geht es euch?«, fragte Finn und riss dabei schon die Box von Liam auf.

»Mir gut. Freya hat was abbekommen. Zwei Schläge auf den Oberschenkel. Ein in die Flanke. Eins auf den Kiefer.«

Tom vernahm seine Erläuterung und trat an Freya heran.

»Süße?«, sprach er sie leise an.

Sie atmete tief ein und öffnete ihre Augen nur einen kleinen Spalt.

»Sie ist durch«, stellte Tom fest.

Liam warf ihm einen angepissten Blick zu.

»Ach wirklich? Erzähl mir was Neues!«

Die Anspannung aller war deutlich zu spüren. Doch Tom ersparte sich eine Antwort. Er sah stattdessen zu Finn.

»Befreie Liam. Dann musst du mir hier helfen.«

Finn nickte und sah zu Liam.

»Jetzt tut es kurz weh.«

Und im selben Moment schoss ein brennender Schmerz durch Liams Schultern, seine Beine gaben unter dem plötzlichen Gewicht sofort nach und er ging stöhnend zu Boden. Finn packte ihm unter den Armen und bremste so den Sturz und ließ ihn langsam zu Boden gleiten.

»Alles okay?«

Liam nickte mit schmerzverzogenem Gesicht.

»Ja, hilf Tom.«

Finn verschwand aus der Box und eilte zu Freya. Es zerriss ihm beinahe das Herz, als er sie ansah. Das Blut in ihrem Gesicht war längst getrocknet und einzelne Strähnen ihres Haares klebten darin fest. Ihr Kiefer war blau verfärbt und unter ihren Augen zeichneten sich dunkle Augenringe ab.

»Halt sie fest«, wies Tom ihn an.

Finn stellte sich hinter sie und griff auch ihr unter die Arme. Tom löste die Handschellen und Freya sank tonlos in Finns Arme.

»Weg hier«, raunte Finn und sprach damit Tom aus der Seele.

Er ging zurück zu Liam, half ihn auf und stützte ihn auf den Weg nach draußen. Liam ließ sich auf den Beifahrersitz gleiten, während Tom sich auf die Rücksitzbank setzte und Finn Freya zu ihm legte.

»Im Kofferraum sollte eine Decke sein«, raunte Tom.

Finn holte diese, legte sie über Freya, welche bereits tief und fest zu schlafen schien und setzte sich dann hinters Steuer.

Die Fahrt verlief schweigend. Freya schlief. Tom hatte sie oberflächlich nach Verletzungen abgesucht, aber scheinbar würde sie zumindest körperlich nur Blessuren davon tragen. Über die Schäden ihrer Seele wollte er es sich nicht wagen ein Urteil zu fällen. Auf halber Strecke reichte Finn Liam plötzlich eine Akte. Zögerlich nahm er sie und sah Finn fragend an. Der hatte seinen Blick aber bereits wieder auf die Straße gerichtet und so blätterte Liam durch die unzähligen Blätter.

Seine Miene verfinsterte sich.

»Wo habt ihr das her?«

Finn öffnete das Fenster einen Spalt und zündete sich eine Zigarette an, bevor er Liam die Schachtel reichte.

»Tom und ich sind erneut in das Haus von Killian gefahren. Wir haben gerade sein Büro auf den Kopf gestellt, als der Anruf von Jaxon kam. Er klärte uns über die Forderungen von Killian auf und was Freya gesagt hatte. Daraufhin haben wir unsere Aufmerksamkeit auf Aaron gelenkt und das gefunden. Danach haben wir uns auf den Weg zu euch gemacht.«

Liam zog an seiner Zigarette und blies den Rauch durch den Spalt des offenen Fensters.

»Ihr wart also nicht dabei?«

Finn schüttelte den Kopf und seufzte.

»Nein. Jaxon hat darauf bestanden, dass wir sofort zu euch weiterfahren.«

»Verstehe«, erwiderte Liam und ab diesen Moment verlief auch der Rest der Fahrt schweigend.

Auf dem Gelände angekommen, stieg Liam aus und half Tom dabei, die schlafende Freya aus dem Wagen zu heben. Vorsichtig nahm er sie in seine Arme und lief auf das Haus zu. Im Augenwinkel sah er den Blutfleck auf der Mitte des Hofes. Wie ein Mahnmal lag er vor ihm. Schwere. Trauer. Hass.

»Wollt ihr...?«

Doch Liam schüttelte bereits den Kopf.

»Nein, aber es soll jemand dafür sorgen, dass es verschwindet.«

Mit diesen Worten setzte er seinen Weg fort. Während Finn zum Clubhouse lief, folgte Tom Liam.

Ein eigenartiges Gefühl befiel sie, als sie das Haus betraten. Doch die Müdigkeit riss an Liams Körper. Er wollte schreiend davon rennen. Er wollte seinem Hass freien Lauf lassen. Aber sie brauchte ihn jetzt. Schritt für Schritt stieg er die Treppe nach oben, betrat Freyas Zimmer und legte sie langsam im Bett ab.

Sein Blick ging zu Tom.

»Du bist sicher, dass ihr nichts fehlt?«

Tom nickte.

»Ja, aber ich werde sie mir jetzt noch mal anschauen.«

»Schaffst du das allein?«

Erneut nickte Tom.

»Okay, dann geh ich duschen und komm dann zurück.«

»Okay.«

Während Liam also in sein Zimmer verschwand, kümmerte Tom sich um Freya. Doch auch eine genauere Begutachtung ihrer Wunden ließen ihn daran glauben, dass sie keine ernsthaften Verletzungen hatte. Er befreite sie von den verdreckten Sachen, wischte ihr das Blut aus dem Gesicht und deckte sie anschließend zu.

Langsam ließ auch das Adrenalin in seinem Körper nach und eine unsagbare Schwere befiel ihm. Es schmerzte ihn, Freya so zu sehen. Alles schmerzte. Seufzend erhob er sich, sprang ebenfalls unter die Dusche und holte danach eine Flasche Jacky aus der Küche.

Als er wieder in Freyas Zimmer kam, saß Liam bereits auf ihrem Bett und strich ihr langsam über die Beine. Tom trat wortlos zu ihm und reichte Liam die Flasche. Er nahm mehrere große Schlucke und gab Tom die Flasche zurück.

Liam ließ sich nach hinten fallen und starrte an die Decke.

»Ich werde ihn dafür töten. Egal, wie viele Unschuldige dafür draufgehen werden.«

Tom verschloss die Flasche und ließ sich auf der anderen Seite neben Freya nieder.

»Weiß ich. Vorausgesetzt Freya lässt dir was übrig. Aber erst mal braucht ihr Schlaf und das am besten einen ganzen Sack voll.«

Liam entfuhr ein zaghaftes Lächeln.

»Danke für alles«, murmelte er leise, während er sich an seine Schwester kuschelte.

»Dafür möchte ich keinen Dank. Ihr seid meine Familie.«

Und so wie diese Worte seine Lippen verließen, spürte er Freyas Hand, die sich in seine legte. Er sah sie an, ihre Augen verschlossen, zog sie ihn trotzdem näher zu sich. Er folgte ihrer Forderung, legte sanft seinen Arm auf ihren Bauch und legte seinen Kopf an ihren. Unsagbare Ruhe erfasste ihn, auch wenn er wusste, dass die nächsten Tage und Wochen schwer werden würden, war er einfach nur dankbar beide lebend zurückzuhaben.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top