ᴋᴀᴘɪᴛᴇʟ 22 - ᴅᴜ ᴍᴀɢsᴛ ɪʜɴ!

Freya leerte gerade ihr Glas und knallte es auf den Tisch, als Jaxon die Terrasse betrat. Er wirkte angespannt und die Müdigkeit stand ihm ins Gesicht geschrieben. Tiefe Augenringe lagen unter seinen geröteten Augen und seine langen Haare waren zu einen wüsten Dutt an seinem Hinterkopf gebunden. Tom zog den Stuhl neben sich zurück und Jaxon ließ sich seufzend auf diesen nieder.

Nora schob ihn ungefragt ein Bier rüber und Liam eine Schachtel Zigaretten.

»Danke«, murmelte er, öffnete das Bier und lehnte sich zurück.

Er sah in die Gesichter seiner Familie und wieder wurde ihm schmerzlich bewusst, dass er es nicht ertragen konnte, wenn einen von ihnen etwas passierte.

»Und? Was habt ihr entschieden?«, fragte Liam und sprach damit das aus, was allen durch den Kopf ging.

Jaxon nahm noch einen Schluck aus der Flasche und fuhr sich danach durch seinen rauen Bart.

»Wir behalten das All In erst mal aufrecht. Niemand verlässt unnötig das Gelände.«

Er sah zu Liam und Freya.

»Schule fällt vorerst aus. Ich serviere euch nicht auf einen Silbertablett.«

Nora lachte.

»Na als würde die beiden das stören.«

Liam und Freya schmunzelten. Sie hatte wohl recht, es gab schlimmere Entscheidungen.

Jaxon nickte und sprach weiter.

»Wir werden nur gezielt das Gelände verlassen. Wir müssen uns zeigen, wenn wir herausfinden wollen, wer uns ans Bein pissen will.«

»Irgendeine Vermutung?«, fragte Tom.

Jaxon schüttelte den Kopf, was Tom seufzen ließ.

»Das ist nicht viel«, murmelte Nora und sah zu Jaxon.

Sie zögerte, weil sie wusste, dass er den nächsten Satz nicht hören wollte, aber immerhin ging es hier um die Familie.

»Weiß dein Vater Bescheid?«

Jaxons Miene verdunkelte sich sofort und er schüttelte den Kopf.

»Nein«, knurrte er.

»Aber...«, wollte Nora erwidern, als Jaxon die Hand hob und sie dunkel ansah.

»Ich sagte nein und damit ist gut.«

Nora funkelte ihn giftig an. Das Thema war alles, aber nicht gut und auch noch lange nicht gegessen, aber diese Diskussion würden sie wohl unter vier Augen weiterführen.

»Sonst noch was?«, fragte Liam, in der Hoffnung, das Blickduell seiner Eltern zu unterbrechen.

Jaxon seufzte und nickte.

»Ja, euer Waffenverbot ist aufgehoben. Solltet ihr das Gelände doch verlassen müssen, dann nicht unbewaffnet und nur zusammen.«

Ein weiteres Grinsen legte sich in die Gesichter von Liam und Freya. War jetzt auch nichts, was sie störte.

Tom lehnte sich auf den Tisch und sah zu Jaxon.

»Soll ich da bleiben? Ich könnte nützlich sein.«

»Das ist nett, aber ich denke, du solltest morgen, wie geplant fliegen. Dann bist wenigstens du schon mal aus der Schussbahn. Ich denke, dass dich keiner wirklich mit uns in Verbindung bringt.«

Tom gefiel die Antwort nicht. Überhaupt nicht, aber er wusste auch, dass Jaxon sich nicht umstimmen lassen würde.

»Okay, aber wenn ihr mich braucht, bin ich sofort da«, gab er trotzig zurück.

Jaxon nickte resignierend.

»Danke.«

Tom schnaubte.

»Hör auf. Bedanke dich nicht für das Natürlichste auf der Welt. Ihr seid meine Familie.«

Freya drehte das leere Glas durch ihre Hände und ließ dabei ihren Blick weich werden.

»Wie wollt ihr diesen Bastard finden, der uns ans Bein pisst?«

»Wir warten auf den nächsten Anschlag und hoffen, dass wir einen dieser Idioten in die Finger bekommen«, erwiderte Jason.

Nora rollte die Augen und stand auf.

»Prima, also dienen wir jetzt alle als Lockvögel.«

»Bessere Idee?«, warf Jaxon ihr schon beinahe garstig zu.

Nora schluckte. Nein, hatte sie nicht und das nervte sie noch viel mehr, als die Tatsache, dass sie lebendige Zielscheiben werden sollten.

Kommentarlos drehte sie ab und verschwand ins Haus.

»Was ist los mit ihr? Sie reagiert doch sonst nicht so. Ist ja schließlich nicht das erste Mal, dass die Scheiße kocht«, sagte Liam, während er seiner Mutter nachsah.

Jaxon lehnte sich zurück und atmete tief ein.

»Der Tag war lang. Ich habe ein Loch in meinem Körper und die Angst um deine Schwester hat es nicht besser gemacht. Gib ihr ein paar Tage und sie bekommt sich schon wieder ein.«

Jaxon richtete sich wieder auf.

»Ihr könntet mir aber ein Gefallen tun.«

Liam und Freya zogen synchron eine Braue nach oben und sahen ihren Vater fragend an.

»Trainiert mit den Prospects und haltet die Ohren dabei offen. Vielleicht verhaut sich ja einer.«

Beide nickten.

»Werden wir«, sagte Freya.

»Danke«, erwiderte Jaxon und stand auf.

»Ich folge mal den Drachen und hoffe, sie kocht mich nicht gar, diese Nacht.«

Jaxon musste über seine eigene Bemerkung lachen, denn er wusste, dass Nora ihn weich kochen würde.

»Nacht miteinander«, sagte er und verschwand dann ebenfalls ins Haus.

Freya, Liam und Tom blieben sitzen und starrten in den sternklaren Himmel.

»War es in letzter Zeit immer so?«, fragte Tom.

»Nein. Es war jetzt seit knapp einem Jahr völlig ruhig und wir hatten keinerlei Probleme«, erwiderte Liam und gähnte dabei.

»Wir sollten vielleicht auch ins Bett gehen. Wer weiß, welche Überraschung uns morgen erwartet«, sagte Tom und zu seinem Erstaunen, nickten Liam und Freya.

Freya ihr Schädel dröhnte, denn zu viele Gedanken versuchten sich Gehör zu verschaffen. Seufzend ließ sie sich in ihr Bett fallen.

Tom setzte sich neben sie.

»Was ist los?«, fragte er besorgt, denn es sah Freya nicht üblich, dass eine solche Situation sie so mitnahm.

Sie drehte sich zu ihm und versuchte ihm ein Lächeln zu schenken, was allerdings nicht mal ansatzweise gelingen sollte.

»Ich habe mir den letzten Abend mit dir einfach nur anders vorgestellt. So mit Popcorn und Netflix.«

Tom runzelte die Stirn.

»Du hast noch einen Versuch. Ich kenne dich und weiß, wenn du lügst!«

Freya rollte die Augen und drehte sich zurück auf den Rücken. Sie hasste es ernsthaft, dass er sie lesen konnte, wie ein offenes Buch. Aber das war wohl der Preis, den sie zahlen musste, dafür, dass sie ihn in ihr Leben gelassen hatte.

Während sie an die Decke starrte und versuchte eine Reihenfolge ihrer verwirrten Gedanken festzulegen, rutschte Tom etwas näher und pikste ihr leicht in die Rippen.

»Ich höre«, forderte er erneut, was Freya seufzen ließ.

»Es ist einfach gerade zu viel. Die Angriffe, dieser Pfosten von Simon hat mich heute angegriffen und dann...«

»Angegriffen?«, wiederholte Tom.

Freya drehte sich wieder auf die Seite und sah in Toms besorgte Miene. Sie verpasste ihm eine Zusammenfassung und hoffte, dass er es dabei beruhen lassen würde, aber es war Tom.

»Und warum warst du im Studio anstatt in der Schule?«

Er durchbohrte sie mit seinem Blick und auch wenn Freya für den Bruchteil einer Sekunde darüber nachdachte ihn anzulügen, wusste sie, dass es keinen Sinn machen würde.

Sie zog sich ihr Kopfkissen unter den Kopf und rieb sich übers Gesicht.

»Aaron kam verletzt in die Schule. Ich wollte es ignorieren, aber diese beschissene soziale Ader hat es nicht zugelassen. Und als ich das Ausmaß seiner Verletzungen gesehen habe, konnte ich nicht anders. Ich bin ins Studio gefahren und habe ihn versorgt.«

Tom sah sie irritiert an.

»Aaron?«

Sie seufzte.

»Mein Banknachbar. Der Typ indem ich gelaufen bin letztens im Park.«

Toms Miene veränderte sich und ein leichtes Grinsen legte sich auf sein Gesicht.

»Interessant. Ich höre.«

Freya schüttelte den Kopf.

»Mehr gibt es nicht zu erzählen.«

Toms Grinsen wurde breiter.

»Natürlich. Freya, die Liebevolle hat völlig uneigennützig jemandem geholfen. Verarsch wem anders.«

Freyas Blick verdunkelte sich.

»Er hatte ein entzündetes Branding und ist übel zusammengeschlagen worden«, warf sie ihm zu.

Für einen kurzen Moment wirkte Tom schockiert, dennoch, da war mehr.

»Klingt als hätte der Typ Ärger an der Backe, aber das hätte auch eine Notaufnahme erledigen können«, erwiderte er fordernd.

»Wollte er nicht«, gab sie knapp zurück und ließ sich wieder auf den Rücken fallen.

Tom lachte auf.

»Seit wann interessiert es dich, was jemand anderes will oder in diesem Fall, was nicht?«

Freya stöhnte, denn sie hatte keine Antwort auf diese Frage. Na ja zumindest keine, welche sie Tom vor die Füße werfen wollte. Ihr Schweigen bestätigte Tom in seinen Gedanken. Er drehte sich ebenfalls auf den Rücken und starrte, so wie Freya, an die Decke.

»Du magst ihn?«, flüsterte er.

Freyas Herz machte sofort einen Satz und schien zu stolpern. Wärme trieb es durch ihren Körper, als ihre Gedanken zu Aaron wanderten. Sie wusste nicht, was sie empfand. Sie wusste nur, dass ihr verräterischer Körper auf ihn reagierte und das wiederum verpasste ihr einen Dämpfer. Sie wollte nicht, dass sie auf ihn reagierte.

»Was weißt du über ihn?«, hakte Tom nach.

Freya kniff sich in den Nasenrücken.

»Nichts, außer dass er sich scheinbar gern zu Hackfleisch verarbeiten lässt. Es war scheinbar nicht das erste Mal, dass er so zugerichtet wurde.«

Tom sah sie aus dem Augenwinkel heraus an.

»Und auf diese Feststellung kommst du wie?«

Freya spielte mit dem Ring um ihren Finger.

»Ich habe alte Hämatome unter den frischen erkannt. Außerdem waren da einige alte Narben zu sehen.«

Tom schmunzelte.

»Okay und was genau hindert dich daran, ihn näher kennenzulernen?«

Freya drehte den Kopf zu ihm und lächelte.

»Warum wusste ich, dass du mir genau diese Fragen stellen wirst?«

Tom zuckte mit den Schultern.

»Weil ich dich kenne und weil dir bewusst ist, dass eigentlich nichts dagegen spricht. Lern ihn kennen. Sei nett zu ihm und schau, was passiert.«

Freya zog eine Braue nach oben.

»Ich bin immer nett!«, gab sie mit beleidigtem Unterton zurück.

»Klar, nur das in deinem Fall -nett- wirklich der kleine Bruder vom riesigen Arschloch ist.«

Noch ehe Tom reagieren konnte, schlug Freyas Kissen auf seinen Oberkörper auf, was ihm zum Lachen brachte.

»Arsch!«, schob sie nach und ließ sich dann wieder auf ihr Kissen fallen.

Sie seufzte und wusste, dass sie aus diesem Thema nicht mehr rauskommen würde. Also konnte sie auch mit Tom darüber reden.

»Okay sagen wir, ich bin nett zu ihm und stelle fest, dass er nicht ganz so ein Arschloch ist, wie ich denke. Gehen wir so weit, dass wir uns mögen. Oder bei den Göttern, näher kommen. Was sage ich ihm dann? Ach, bevor wir weitermachen, ich bin die Tochter des Präsidenten, des hier ansässigen Feris MC's. Ich habe ein Problem mit Vertrauen und es könnte sein, dass ich mit meinen achtzehn Jahren schon dreißig Menschen getötet habe. Aber keine Angst, solange du mir meine Kekse nicht wegfrisst, besteht für dich keine Gefahr. Ich bin nämlich eigentlich ganz nett und nur ein klein wenig gestört?«

Tom schreckte auf und sah sie an.

»Dreißig? Wann kamen denn neunundzwanzig und dreißig dazu?«

Freya rollte die Augen. Das war es, was ihn jetzt gerade beschäftigte? Sein Ernst?

»In den letzten Ferien«, gab sie beinahe schon abfällig zurück.

Tom schüttelte den Kopf und sein Blick wurde ernst.

»Zurück zum Thema. Ich sagte, du sollst ihn kennenlernen und nicht direkt deine Lebensgeschichte vor die Füße werfen. Du denkst viel zu weit. Lass es doch einfach auf dich zukommen und falls du ihm irgendwann vertraust, hast du immer noch die Möglichkeit ihm zu sagen, wer und was du wirklich bist. Vielleicht etwas netter verpackt.«

Freya streckte sich und zog einen Schmollmund dabei.

»Klingt nach ziemlich viel Aufwand für eine Person, die mich am Ende doch nur enttäuschen wird.«

Irgendwas stimmte mit Freya nicht. Tom musterte sie. In ihrer Stimme lag etwas, was er so noch nie bei ihr vernommen hatte und als ihm die Erkenntnis kam, klappte ihm der Mund auf.

»Du magst ihn schon. Also so richtig«, raunte er.

Freya stöhnte und zog sich die Decke über den Kopf.

Tom lachte und setzte sich auf, um ihr die Decke vom Kopf zu ziehen. Tatsächlich sah er die leichte Röte, welche sich auf Freyas Wangen abzeichnete.

Er hätte jetzt stacheln können, aber er wusste, dass sie dann dicht machen würde und das konnte er jetzt nicht mehr riskieren. Denn es war schon beinahe ein Kreuz im Kalender wert, dass Freya sich ein Stück öffnete.

Also strich er ihr sanft über die Wange.

»Süße, das gehört nun mal dazu. Niemand kann dir garantieren, dass sich der Aufwand jemals lohnen wird. Aber uns wurde schon die Kindheit genommen, also sollten unsere Ängste nicht noch den Rest unseres Lebens bestimmen.«

Eine seltsame Welle von Wut und Verzweiflung breitete sich in Freyas Körper aus. Sie wusste, dass er recht hatte. Sie führten dieses Gespräch nicht zum ersten Mal und auch dieses Mal mochte sie es nicht.

»Schlaue Worte von einem, der selbst als Single durchs Leben geht«, zischte sie zurück.

Tom schüttelte den Kopf.

»Ich sag ja nicht, dass ich besser bin, aber ich verschließe mich nicht grundsätzlich vor neuen Menschen, die in mein Leben treten. Und erst recht nicht vor welchen, die mich interessieren. Ich weiß nicht, ob irgendeiner von uns in der Lage ist jemals eine normale Beziehung zu führen, aber wir sollten es wenigstens versuchen. Außerdem reden wir eigentlich gerade über eine ganz normale Freundschaft. Vorerst.«

»Ich hasse dich«, maulte Freya.

Tom lachte, ließ sich wieder neben sie fallen und zog sie in seine Arme. Dankbar ließ sie sich auf seiner Brust fallen und zog seinen Duft tief ein. Sie schloss die Augen und genoss die beruhigende Wirkung, welche Toms Wärme auf sie hatte. Er hatte mit jedem verdammten Satz recht und sie hasste sich gerade einfach nur selbst dafür, dass sie sich immer und immer wieder selbst im Weg stand.

Tom streichelte ihr sanft über den Rücken und legte seinen Kopf an ihren.

»Also, was wirst du tun?«, fragte er leise.

Freya drückte sich ein Stück fester an ihn.

»Ich werde darüber nachdenken und sehen, was die Zeit bringt. Und ja. Ich werde versuchen etwas netter zu ihm zu sein.«

Tom schoss erneut ein Lächeln über die Lippen.

»Mehr wollte ich nicht hören«, raunte er und drückte ihr einen sanften Kuss auf den Scheitel.

Ein leises Seufzen entfuhr ihr.

»Ich liebe dich«, murmelte sie, während sie langsam in die Schwere ihrer Müdigkeit versank.

»Ich dich auch«, erwiderte Tom und schloss ebenfalls die Augen.

Doch noch ehe beide in einen erholsamen Schlaf sinken konnten, zerrissen blaue Lichtblitze die Dunkelheit des Zimmers.

Freya und Tom wurden gleichzeitig aus ihrem Dämmerschlaf gerissen und sprangen sofort aus dem Bett.

»Was zur Hölle?«, raunte Freya, als sie den Blick aus dem Fenster richtete. 

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