ᴋᴀᴘɪᴛᴇʟ 12 - ᴋᴀᴛᴇʀ
Ein widerliches, schrilles Klingeln zerriss die herrliche Stille und riss Tom unsanft aus seinen Träumen. Die wir jetzt lieber nicht weiter ausführen.
»Was zur Hel?«, raunte Tom und zog sich angepisst die Decke über den Kopf.
»Hmm...«, murmelte Freya und drehte sich langsam.
Blinzelnd öffnete sie die Augen und brauchte einen Moment.
Wer war sie? Wo war sie? Und wer bei Flokis Arsch lag da neben ihr? Alles um und in ihr drehte sich und ein flaues Gefühl schlich durch ihren Magen.
Bett... Tequila... Tom...
Der Nebel in ihrem Gehirn verzog sich langsam und so kamen die Erinnerungen Stück für Stück wieder. Beruhigt, da sie zumindest wieder wusste, wer neben ihr lag, schloss sie die Augen und kuschelte sich etwas tiefer in das weiche Kissen unter ihrem Kopf.
Wieder scherbelte der Wecker los und mit ihm das Nörgeln von Tom.
»Da ist es schon wieder. Schalt es ab, verflucht«, raunte er und schubste Freya leicht an.
»Wecker«, knurrte sie ihm entgegen und drehte sich erneut.
»Es klingelt immer noch und vor allem warum tut er das?«, motzte er weiter unter der Decke hervor.
Freya stöhnte auf, denn langsam nervte Tom sie mehr als dieser verdammte Wecker.
»Schule«, sagte sie wortkarg und sofort begann ihr Schädel zu dröhnen.
»Bei den Göttern«, flüsterte sie, denn das Dröhnen wurde durch ein Pulsieren begleitet.
»Von denen hilft dir jetzt auch keiner. Schalte jetzt dieses Mistding ab und steh auf«, murmelte Tom garstig.
Freya schnaubte.
»Hör auf zu reden«, erwiderte sie, begann aber damit sich langsam aufzurichten.
Wieder klingelte der Wecker, doch diesmal griff Freya danach und stellte ihn ab. Doch allein diese kleine Bewegung ließ das Karussell in ihrem Schädel erneut an Fahrt aufnehmen. Trotzdem schob sie sich langsam aus dem Bett. Übelkeit befiel sie und ihre wackligen Beine machten es nicht gerade einfacher. Sie schlich langsam zu ihrem Kleiderschrank, auch wenn jeder dieser leichten Schritte ihr bis in die Schädeldecke knallte. Sie streifte sich ihre Klamotten vom Körper, um sich dann in eine frische Jogginghose und einen schwarzen Hoodie zu quälen. Sie verschwand ins Bad und versuchte, zu retten, was möglich war, aber mehr als einen chaotischen Dutt, Wasser im Gesicht und Zähne putzen war nicht drin und als sie zurück ins Schlafzimmer schlich, stoppte sie kurz und sah Tom dabei zu, wie er wieder friedlich schlief.
»Arsch«, raunte sie, obwohl er eigentlich nichts falsch gemacht hatte, und verschwand dann nach unten.
Liam saß, na ja oder eher, lag bereits in der Küche. Sein Kopf hatte er auf die Tischplatte gelegt und bemühte sich, gleichmäßig zu atmen.
»Guten Morgen«, schrillte es plötzlich durch das Haus.
Freya blieb ruckartig stehen und zog die Schultern nach oben, denn der Klang von Noras Stimme, ließ ihren Kopf fast explodieren.
»Kaffee?«, schob Nora nach und grinste ihre Tochter wissend an.
»Nicht so laut, bitte«, flüsterte Freya und setzte sich behutsam auf den Stuhl gegenüber von Liam.
»Okay, Kaffee?«, fragte Nora erneut, doch diesmal betont leise.
Freya nickte nur.
»Liam?«, fragte Nora.
Der winkte ab.
»Bloß nicht, ich muss mich schon konzentrieren, nicht zu kotzen«, erwiderte dieser und atmete zitternd aus.
»Also kein Kaffee«, sagte Nora und schmunzelte.
»Morgen, Familie«, rief Jaxon extra laut durch die Küche, denn er hatte das Trauerspiel bereits erkannt.
Freya seufzte.
»Nicht so laut«, sagte sie flehend und stützte ihren Kopf ab.
Jaxon lachte auf.
»Oh, zu tief ins Glas geschaut?«
»Eher in die Flasche«, antwortete ihm Nora und wackelte mit der leeren Tequila-Flasche.
Liam gab plötzlich ein würgendes Geräusch von sich und auch Freya zog es den Magen zusammen.
»Nie wieder«, murmelte sie.
Jaxon und Nora sahen sich grinsend an und als Nora hinter sich sah, wusste Jaxon sofort, was sie vorhatte. Er hob drei Finger in die Luft und als er den letzten nach unten nahm, gab es einen fürchterlich lauten Knall, dank der Topfdeckel, welche Nora hinter ihren Kindern hatte fallen lassen.
Freya zuckte zusammen, schlug an ihre Tasse und warf sie dadurch zu Boden.
»Fuck«, raunte sie und presste sich sofort die Hände gegen die Schläfen.
Liam hingegen war aufgesprungen vor lauter Schreck, doch die schnelle Bewegung war zu viel für seinen Körper. Er spürte die Übelkeit in sich aufsteigen und verschwand in eins der Gästezimmer.
»Was stimmt nicht mit euch?«, fragte Freya genervt, als sie das Lachen von Nora und Jaxon vernahm.
Jaxon trat von hinten an sie heran und lehnte sich über ihre Schulter.
»Jetzt sind wir quitt«, sagte er und zeigte dabei auf sein dunkelblaues Veilchen.
Freya war zu schwach, um diesen Kampf zu führen, also winkte sie ab und rutschte tiefer in ihren Stuhl.
Nachdem Liam sich ausgekotzt hatte, Nora die Sauerei in der Küche beseitigt hatte und Jaxon endlich nicht mehr lachen musste, klopfte es an der Tür.
Doug trat in den Rahmen und sah Freya an.
»Können wir?«, fragte er und sah in das ahnungslose Gesicht von Freya.
»Was?«, fragte sie irritiert.
»Doug fährt dich zur Schule. Ich Liam«, klärte Nora sie auf.
Freya sah zu Doug, nickte und stand vorsichtig auf.
»Danke«, flüsterte sie und folgte Doug nach draußen.
Freya schlief sofort wieder ein und so war ihre Laune und ihr Schädel noch beschissener als unmittelbar nach dem Aufstehen. Sie zog sich ihre Kapuze über und beim Aussteigen sah sie auf ihre Füße. Sie stöhnte auf.
»Das gibt es doch nicht!«
Nicht nur, dass sie ohnehin schon aussah, wie gerade aus der Mülltonne auferstanden, nein, sie hatte es auch noch geschafft, unterschiedliche Sneakers anzuziehen. Einen in Rot, der andere in Weiß. Sie rieb sich genervt über die Schläfen.
»Scheiß drauf«, sie stieg aus und drehte sich noch mal zu Doug.
»Danke und bis nachher«, sagte sie und warf die Tür hinter sich zu.
Sie trottete zu dem Schulgebäude und kaum hatte sie es betreten, hörte sie das Getuschel hinter ihrem Rücken.
»Was ist das denn?«
Freya rieb sich über die Stirn. Hätte sie nicht so einen Schädel auf, wäre ihr sicher eine passende Antwort eingefallen, aber so, ignorierte sie es einfach. Im Klassenzimmer angekommen, legte sie ihren Kopf, samt Oberkörper, auf dem Tisch ab und schlief noch vor dem ersten Klingeln ein.
Aaron betrat das Klassenzimmer erst kurz vor Beginn des Unterrichtes. Sein Blick lag sofort auf Freya, die tief und fest schlief. Als er auf ihre Schuhe sah, musste er unwillkürlich schmunzeln, setzte sich neben sie und schrieb das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit mit. Die Zeit verging und außer ein leises Seufzen gab Freya nichts von sich. Aaron fragte sich, was sie wohl die letzte Nacht getrieben hatte, dass sie heute so am Arsch war. Sein Schädel formte das Bild von einem Typen, der die Nacht mit ihr verbracht haben könnte, und sofort zog sich ein bitteres Gefühl durch seinen Körper.
Vergiss es, sagte er sich selbst und unterband diese Art von Gedanken und Gefühlen sofort. Es gab keine Chance für sie. Die letzte Stunde brach an und vor ihnen lag ein Test. Freya schlief immer noch und Aaron wägte ab, ob er sie wecken sollte. Sie würde es ihm wahrscheinlich nicht danken, aber da sie noch einige Monate gemeinsam in dieser Hölle gefangen waren, wäre es vielleicht auch ein Friedensangebot. Also stieß er sie mehrfach leicht an, bis sie sich langsam anfing zu bewegen und sich zu ihm drehte.
»Was willst du?«, knurrte sie ihm entgegen.
Aaron seufzte.
»Wach auf!«
»Lass mich einfach in Ruhe«, maulte sie.
»Nichts lieber als das, aber wir schreiben einen Test. Ich dachte, du willst daran teilnehmen.«
»Den schreiben wir erst in der letzten Stunde«, raunte sie zurück.
Aaron rollte genervt die Augen und wünschte sich gerade, dass er sie einfach in Ruhe gelassen hätte.
»Wir haben die letzte Stunde«, raunte er dunkel, packte sein Handy ein und lehnte sich zurück.
»Leck mich«, maulte sie ihn völlig verschlafen an und setzte sich langsam auf.
Aaron kochte vor Wut, wie konnte man denn nur so arschig durchs Leben laufen. Er sollte sie eigentlich ignorieren, aber sein Mund war schneller und seine Handlungen schienen ohnehin völlig außer Kontrolle zu raten, wenn er in ihrer Nähe war.
»Was ist nur los mit dir? Harte Nacht gehabt oder was ist deine Entschuldigung für dein Arschlochverhalten?«, raunte er sie plötzlich an.
Freya drehte langsam den Kopf und funkelte ihn mit zusammengekniffenen Augen an.
»Ich brauche keine Entschuldigung. Danke fürs Wecken und jetzt halt einfach wieder die Fresse.«
Aaron schluckte, schüttelte aber nur mit dem Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Dämliche Zicke«, maulte er nach, was Freya nur schnauben ließ.
Hitze durchströmte sie und so griff sie nach dem Saum ihres Hoodies und zog ihn aus. Aarons Blick wanderte zu ihr und schlagartig stockte ihm der Atem. Sie trug nur ein leichtes Trägertop unter dem Hoodie und als der ihre Haut nicht mehr bedeckte, kam eine massive Ansammlung an Tattoos zum Vorschein. Es gab kaum noch eine nackte, farblose Stelle zu sehen, was ihm aber wirklich schockierte, waren die vielen Narben auf ihren Oberarmen, die sich unter den Tattoos befanden. Er musterte sie und wieder sprach er, ohne zu denken.
»Was ist dir passiert?«
Freya stockte, als sie seine Frage vernahm.
Fuck, schoss es ihr durch den Kopf. Bis jetzt hatte sie ihre Narben immer bedeckt gehalten, nicht, dass sie sich dafür schämte. Sie waren ein Teil von ihr und ihrem verkorksten Leben, aber sie warfen Fragen auf. Fragen, die Freya nicht bereit war zu beantworten und schon gar nicht heute. Sie zog sich den Hoodie schnell wieder über und sah zurück zu Aaron, in dessen grünen Augen Sorge zu finden war.
Klasse, dachte sich Freya und seufzte.
Sie hasste es, mit so einem Blick angesehen zu werden. Kam gleich nach Mitleid.
»Nichts, was dich etwas angehen könnte«, erwiderte sie und das erste Mal war sie dankbar für das Läuten der Glocke und das Eintreten des Lehrers.
Aaron hatte verstanden, dass weitere Fragen wohl nichts bringen würden, und eigentlich sollte er froh über ihre Reaktion sein, denn zumindest schien sie das zu schaffen, wozu er nicht imstande war. Abstand halten.
Sie schrieben ihren Test und durften danach gehen und während Freya durch das leere Schulgebäude lief, knurrte ihr Magen lautstark. Die vielen Stunden Schlaf hatten den Kater verschwinden lassen und an dessen Stelle war Hunger gerückt. Doug musste unbedingt irgendwo anhalten. Sie brauchte etwas Essbares und einen Kaffee, dringend.
Doch als sie vor das Gebäude trat und nach dem Truck von Chuck Ausschau hielt, stach ihr ein schwarzer 1967er Mustang ins Auge. Ihr 1967er Mustang und neben ihm stand ein breit lächelnder Tom, der ihr zuwinkte.
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