𝟑𝟒│𝑪𝒐𝒍𝒊𝒏

Colin

Ich bin froh, dass ich die Sache zwischen Stressica und mir bei Kiera klarstellen konnte. Das hat echt an meinem Gewissen gekratzt und außerdem möchte ich nicht, dass Kiera falsch von mir denkt. Zu sehen, wie verletzt sie mich angeschaut hat, als sie dachte, ich könnte etwas mit dieser Bekloppten haben, hat mir einen Stich versetzt. Nach dem Gespräch ist mir dann eine richtige Last von den Schultern gefallen.

Erst da habe ich gemerkt, was Kiera mit meinem Leben anstellt. Sie ist die erste Frau, die dafür sorgt, dass ich mich wirklich für ihre Meinung und für ihr Denken über mich interessiere. Meinetwegen sollen die anderen denken, ich habe es mit Stressica getrieben. Solange Kiera das nicht denkt, ist es mir egal, weil...

...weil sie mir vielleicht nicht mehr ganz so egal ist.

Oh mein Gott, das hört sich so bescheuert an! Stellt bitte jemand dieses laute, überzogene AWWWW! in meinem Kopf ab, als ich das eben gedacht habe? Danke.

Ich richte meinen Blick nach vorne und steuere mit Kiera an meiner Seite die Eingangstüren des kleinen Supermarktes an. Warme Luft bläst uns für einen kurzen Moment entgegen, als wir den Grocery Store betreten und lässt das roten Blümchenkleid von Kiera an den Ansätzen kurzzeitig hochwirbeln. Ich grinse bei ihrem kläglichen Versuch, den luftigen Stoff wieder an sich zu pressen. Empört japst sie nach Luft, als sie bemerkt, wie ich sie dabei beobachte, was mein Grinsen aus irgendeinen dämlichen Grund noch breiter werden lässt.

Sobald wir die Eingangsschleuse passiert haben, fällt die Temperatur und die klimatisierte Luft des kleinen Marktes sorgt dafür, dass sich die Härchen auf meinem Arm aufstellen und ich von einer Gänsehaut überzogen werde. Kiera fröstelt ebenfalls und klammert sich beide Arme schützend vor die Taille. Anstelle des apricotfarbenen Kleides trägt sie jetzt ein kurzes Sommerkleidchen, das ihre Kurven perfekt in Szene setzt und sogar einen kleinen V-Ausschnitt besitzt, wie ich zu meinem Vergnügen festgestellt habe. Aber noch mehr Vergnügen hatte ich dabei, ihr zu zuschauen, wie sie sich im Auto umzieht.

Meine befohlene Mission: Vor dem Auto warten und die Klientin vor möglichen Gaffern schützen.

Ohhh, es gab genau einen Gaffer, das kann ich euch sagen.

Und zwar mich.

Kurzzeitig dachte ich, sie praktiziert irgendeine Kampfsportart auf der Rückbank, weil die Art wie sie sich verrenkte, um möglichst geschickt unauffällig in ihr neues Outfit zu schlüpfen, von außen her betrachtet echt nicht mehr gesund aussah.

Lächelnd fällt mein Blick auf die weißen Sneakers, die sie unter dem rotem Kleid trägt.

Diese Schuhe zu kriegen, war ein Akt, sage ich euch.

Jeder normale Mensch würde aussteigen, den Kofferraum aufmachen und sich auf diese Weise Wechselschuhe holen. Aber nein, Kiera musste unbedingt über die Rücksitze kriechen, blieb stecken und kam nicht mehr nach vorne oder nach hinten, sodass ich eingreifen musste.

Das hat mir gefallen.

Gefallen, sie am Arsch zu packen und von hinten in den Kofferraum zu schieben, während sie laut protestierend herumgejammert hat, ich solle ihr nicht auf ihren Allerwertesten schauen.

Wie bitte, soll ich nicht auf ihren Po schauen, wenn sie ihn mir förmlich in mein wunderhübsches Gesicht streckt?

Das war schier unmöglich, aber ich kann von mir auch nicht behaupten, dass ich mich wirklich darum bemüht habe, weg zu sehen.

Unanständig, ich weiß- ich böser, böser Junge.

Eventuell hat mich der Anblick ihres Arsches so abgelenkt, dass ich sie ein kleines Stückchen mit einem kleinen bisschen zu viel Kraft nach vorne geschoben habe.

Sie ist mit dem Kopf volle Kanne gegen die Heckscheibe geknallt.

Ich fand's witzig...Kiera eher nicht so. Ich will nicht wissen, wie das Spektakel von draußen ausgesehen hat!

Zum Glück ist der Supermarkt um diese Uhrzeit nicht so gut besucht. Wir waren fast die Einzigen auf dem großen Parkplatz, sodass ich sogar freie Platzauswahl hatte.

Auch im Laden scheinen nicht besonders viele Menschen zu sein. Hier und da sieht man vereinzelte Leute durch die Gänge schlendern. Einmal kommt uns eine Traube Jugendlicher entgegen, die sich ausgerüstet haben mit allerlei Energy Drinks und Unmengen an Chipspackungen. Woah, fehlen nur noch die 3-Minuten Fertiggerichte und die Süßigkeiten und ich sehe diese Kinder in ein paar Jahren durch die Gegend rollen.

»Da lang!«, zischt Kiera und reißt mich bestimmend am Ärmel mit sich in einen schmalen Gang hinein. Wir sind umringt von irgendwelchen Dosenkram. In der Mitte steht ein grauer Metallwagen mit noch verpackter Ware. Erst beim näheren Betrachten fällt mir der braune Haarschopf dahinter auf, der sich hebt und senkt, wann immer sich der Mitarbeiter nach unten bückt, um weitere Dosen ins Regal einzuräumen.

Kiera steuert zielstrebig auf die Person an, die sich uns mit den Rücken zugewandt hat.

»Entschuldigen Sie...«, spricht sie den kleinen Mann mit dem hellgelben T-Shirt an und tippt ihn frohmunter auf die Schulter. Der Mitarbeiter wirbelt daraufhin herum und als er Kieras Gesicht sieht, weiten sich seine Augen, die durch die fette Hornbrille wie große schwarze Murmeln wirken, vor Schreck.

Es folgt ein empörtes Aufschnaufen-sowohl vom Mitarbeiter als auch von Kiera.

Diese sieht für einen Moment überrascht aus, etwas überrumpelt, aber dann schiebt sich ein ernster Ausdruck auf ihr Gesicht und lässt sie reserviert wirken.

Derweil verharrt mein Blick auf den kleinen Zwerg vor uns. Momentchen mal...

Diese fette Hornbrille...
Diese akkurat nachhinten gegelten Haare....
Dieses gekünstelte Lächeln, was jetzt eher durch blankes Entsetzen in seinem Gesicht ersetzt wird....

Ich kenne diesen Mann...und Kiera auch. Wir haben ihn heute schon mal getroffen und zwar im Gartencenter!

Ich erinnere mich daran, wie er Kiera an der Kasse doof angemacht hat und ich bis jetzt noch immer keinen blassen Schimmer habe, was die beiden für ein Problem miteinander haben. Nur fällt mir sein Name nicht mehr ein...

»NORM?«

Ah ja, das wars.

Norm.

Was für ein beschissener Name.

Und wie es aussieht, arbeitet Norm nachmittags im Blumencenter und abends jobbt er im Supermarkt. Was ein Spast.

»Sie schon wieder! Für gewöhnlich sagt man »Wiedersehen macht Freude«. In diesem Fall jedoch stimmt das nicht«, sagt der kleine Mann mit bitterer Miene, was mich nur die Augenbraue energisch hochziehen lässt. Schon wieder so eine fiese Anspielung. Was hat er nur gegen sie?

Kiera wirkt unbeeindruckt und fast schon so, als hätte sie damit gerechnet, nicht freudestrahlend von ihm empfangen zu werden.

»Wir brauchen eine große Anzahl an Tiefkühltorten. Können Sie uns da weiterhelfen?«, fragt sie und ich kann nicht glauben, dass sie sich tatsächlich noch um einen höflichen Tonfall bemüht. Bei mir wäre der Typ schon von Anfang an durch gewesen. Erst recht, als er nun spitz antwortet:

»Ich weiß nicht, ob ich das wirklich kann.«

Kiera sieht ihn grimmig an, während ich versuche mich am Riemen zu reißen und nicht gleich auf ihn einzudreschen. Aggressionsprobleme? Ich doch nicht...

»Sie müssen doch wissen, ob sie Torten dahaben oder nicht!« Aufgewühlt wirft die kleine Brünette ihre Hände in die Luft, nur um sie danach angestrengt auf ihre Hüfte zu schieben.

»Müssen, tue ich hier gar nichts«, entgegnet der kleine Giftzwerg mit versteinertem Gesichtsausdruck und wendet sich dabei mit gleichgültigen Schulternzucken wieder seinem komischen Konservenkram zu.

Sag mal, von Kundenfreundlichkeit hat er auch noch nichts gehört, oder?

»Wir brauchen die Torten aber sehr dringend«, drängt Kiera weiter und ihre Stimmfarbe klingt nicht nur flehend, sondern mittlerweile auch noch verdammt verzweifelt. Sogar mein Helfersyndrom wäre spätestens jetzt angesprungen und ich helfe sonst nie irgendwelchen Leuten. Nur diesen prüden Mitarbeiter scheint es völlig kalt zu lassen, wie sehr wir jetzt auf seine Hilfe angewiesen sind.

»Ich brauche auch meinen Feierabend und einen Kaffee sehr dringend«, gibt Norm nur von sich, aber das reicht mir. Schnurstracks habe ich einen Schritt nach vorne gemacht, Mr. Oberklug am Hemdkragen seines hässlichen gelben Shirts gepackt und gegen das nächste Regal gepresst.

Dieser Typ verschwendet meine Zeit mit seinen altklugen Antworten und ich bin nicht wirklich scharf darauf, hier im Supermarkt zu versauern, weil Kiera versucht 'höflich' zu bleiben.

»Jetzt hör mal zu, Harry Potter...« Mag sein, dass Kiera einen Geduldsfaden aus Stahl hat, aber ich ganz sicher nicht. Seine großen schwarzen Kulleraugen scheinen noch größer durch die dicken Brillengläser zu werden, als ich ihn drohend ansehe.

»Du wirst jetzt in das verdammte Lager gehen und nachschauen, ob da mehrere dieser- wie hießen die gleich?« Ich werfe einen Blick auf Kiera, die mit verschränkten Armen neben uns steht und das sich bietende Szenario äußerst kritisch beäugt, wobei ich mir aber ziemlich sicher bin, dass sie mich nicht daran hindern würde, wenn ich NormiWurmi gleich mal eins auf die Waffel gebe.

»Benjamin Blümchen Torten«, antwortet sie in einem monotonen Tonfall, fast schon gelangweilt. Ich wende mich wieder Norm zu, der mich verängstigter denn je anstarrt.

»Genau du wirst mehrere dieser Svenja in Blümchen-Torten holen. Ist das klar?« Kiera gluckts leise neben mir und ich habe keinen Schimmer warum, aber das ist mir egal. Eingeschüchtert nickt er.

»Ja, ich denke, das ließe sich einrichten.«

Geht doch.

»Gut« Ich lasse von ihm ab, starre ihn aber unmissverständlich an, als ich sehe, dass er sich keinen Zentimeter vom Regal wegbewegt hat, sondern immer noch in der Position verharrt wie vor wenigen Sekunden.

»Warum sehe ich dich dann nicht schon rennen?«, fauche ich und wie vom Blitz getroffen marschiert er plötzlich davon.

»Ich eile, mein Herr!«, ruft er im Gehen und entfernt sich im Eiltempo von uns.

»Ich eile, mein Herr«, äffe ich ihn laut nach und drehe mich zufrieden zu Kiera. »Wenn schon großer Meister!«

Kiera rollt mit den Augen.

»Der 'große Meister'...«, sagt sie und malt dabei mit ihren Fingern Gänsefüßchen in die Luft, »...kann seinen Allerwertesten ebenfalls ins Lager schwingen und beim Tragen helfen.«

Betroffen schaue ich sie an. Ich habe keine Lust irgendwelche Torten durch die Gegend zu schleppen, weil ich erstens den Deal hier klar gemacht habe, während sie stumm daneben stand, also bin ich ja jetzt mal nicht derjenige, der an der Reihe ist, hier tätig zu werden und zweitens ist das doch das Prinzip von einem 'großen Meister'. Wir lassen Leute für uns arbeiten. Wir machen nicht selbst die Arbeit.

Aber Kieras strenger Gesichtsausdruck duldet keinen Widerspruch.

Wie von allein setzen sich meine Beine in Bewegung, als hätte Kiera die Macht über meinen Körper, indessen mein Kopf laut dagegen protestiert. Am Ende des Ganges bleibe ich aber bewusst stehen und drehe mich nochmal zu ihr herum.

»Ey, Chiara...«

Ihre braunen Augen funkeln mir neugierig entgegen, als ich versuche eine seriöse Miene an den Tag zu legen und streng zu klingen, während ich ihr zu rufe: »Für dich immer noch hochwohlgeborener Meister, ist das klar?«

Perplex klappt sie den Mund auf, doch bevor sie etwas erwidern kann, bin ich schon um die nächste Ecke abgebogen und grinse mir den Wolf ab.

·•●❀●•·

Keine zehn Minuten später stehen wir an der Kasse, das Fließband bis hinten hin bestückt mit bunten Tortenpackungen, auf deren Cover ein dämlicher Elefant mit roter Cappy abgebildet ist, der glücklich mit dem Rüssel trötet.

Können wir mal kurz darüber sprechen, dass er einen Hut aufhat? Wie unrealistisch ist das bitte? Oder wart ihr schon mal im Zoo und habt einen Elefanten gesehen, der mit roter Kappe durch die Gegend gestapft ist, top durchgestylt im roten Addidas- Jogger? Also ich habe so etwas noch nicht gesehen.

Ich bin aber gewillt, dem Elefanten mit Lebensmittelfarbe einen Schleier zu malen. Besser könnte man die Braut gar nicht darstellen! Nur leider befürchte ich, dass Kiera ihr Veto einlegen wird. Ich fühle mich ohnehin schon schlecht, weil sie die Torten bezahlt hat, obwohl ich sie mehrmals darum gebeten habe, mich bezahlen zu lassen. Ich war schließlich derjenige, der die Torte umgestoßen hat, nicht sie. Aber wieder mal ließ sie nicht mit sich reden. Also habe ich sie das Geld auslegen lassen, was Norm mit angesäuerter Miene entgegengenommen hat, wenngleich ich ihr den kompletten Betrag nachher heimlich zurück in ihre Handtasche stopfen werde.

Wir haben gerade fertig bezahlt und Kiera ist im Inbegriff die Torten vom Fließband auf meinen Arm zu stapeln, als sie eine der Verpackungen einfach achtlos fallen lässt und losrennt. Nach draußen. Einfach so.

Sie lässt nicht nur mich mit einem ziemlich verdatterten Gesichtsausdruck zurück, sondern auch Norm, der sich aber gleich darauf an die Stirn fasst und mehrmals mit dem Zeigefinger dagegen tippt.

Ich folge Kiera mit meinem Blick durch die verglaste Fensterfront des Supermarktes bis hin zum Parkplatz und mich trifft der Schlag, als ich sehe, auf was Kiera da draußen zu steuert.

Schnurstracks schleudere ich alle Packungen auf einmal wieder zurück aufs Fließband.

Norm wird uns beide nicht mehr für ganz dicht halten-immerhin sprinte ich keine zwei Sekunden später ebenfalls nach draußen und komme gerade noch atemlos neben meiner Ex-Verlobten zum Stehen, bevor ich Zeuge davon werde, wie der pinke Pkw auf den gelben Truck geladen und anschließend abgeschleppt wird. Der Mann, der auf den menschen- und jetzt autoleeren Parkplatz steht und der sprachlosen Kiera einen Zettel überreicht, zeigt nur mit seinen fetten Wurstfingern auf das blaue Behinderten-Schild, welches neben dem Platz aufgestellt ist, wo noch vor wenigen Augenblicken der kleine Smart stand.

Ich kratze mich nachdenklich am Nacken und beiße mir auf die Lippen, während ich mit meinen Augen noch die Rückenstrahler des rollenden Cupcakes in der Ferne ausmachen kann.

Ups.

Ohhh, ich glaube, ich bin gerade nicht die Einzige, die sich nur allzu gut vorstellen kann, was in Kiera vor sich geht😂😂

I mean... der pinke Flitzer ist doch ihr Baby und dann DAS😬🤭Auweia...

Wie kommen die beiden jetzt wohl wieder zurück zur Party-Location???🤔

Ich freue mich auf die nächsten Kapitel😁😄

Arrivederci!
(Diesmal extra für @coelestin in Italienisch🇮🇹😉)

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