𝟏𝟕│𝑲𝒊𝒆𝒓𝒂
Kiera
Mr. Walker lässt meinen Arm los, sobald ich ihn ansehe. Ich wüsste nicht, wen ich erwartet hätte, wenn ich mir Colins Dad vorstellen müsste, aber definitiv würde ich ihn mir nie so vorstellen.
Er ist nicht gerade groß, was mich ziemlich verwundert bei Colins stattlicher Körpergröße. Trotzdem strahlt er wie sein Sohn in diesem chagallblauen Smoking ein natürliches Selbstbewusstsein aus, das mich im ersten Moment einschüchtert. Als ich jedoch seinen warmen grünen Augen und dem herzlichen Lächeln im Gesicht begegne, sind meine anfänglichen Bedenken wie weggewischt.
Erst recht, als er mir freudig die Hand reicht und sich mehrmals entschuldigt.
»Tut mir leid, dass ich Sie jetzt hier so überrumpelt habe, aber ich wollte mich nur kurz vorstellen und meine Glückwünsche zur Verlobung aussprechen. Mein Name ist William Walker, ich bin der Vater von Colin.« Ich nicke und schüttle ebenfalls seine Hand zur Begrüßung.
»Kiera McRain. Freut mich Sie kennenzulernen, Mr. Walker.«
»Bitte nur William«, bietet mir Mr. Walker netterweise an und ich frage mich in diesem Moment, wie alt er überhaupt sein mag. Vielleicht 50?
Im Alter einschätzen war ich noch nie sonderlich gut gewesen und die Tatsache, dass William neben vereinzelten Lachfalten in seinem Gesicht kaum Anzeichen des Älter-Werden vorweist, bedeutet entweder, dass er sich verdammt gut gehalten hat oder dass er einen verdammt guten Chirurgen hat.
Bei ihm glaube ich aber ausnahmsweise mal, dass kein Beauty Doc mit seiner Botox Spritze am Werk war, sondern dass Mutter Natur einen guten Tag hatte.
Bei seinen dunkelblonden Haaren würden graue Strähnen sowieso nicht so schnell auffallen.
Generell sieht Mr. Walker sehr gepflegt aus und nicht gerade wie jemand, der am Hungertod leidet. Davon zeugt zumindest die silberne Armbanduhr an seiner linken Hand, von der ich unschwer erkennen kann, dass es sich um Rolex handelt. Und ich bin mir ganz sicher, dass er sich diese nicht im nächst besten Fidschi-Laden gekauft hat. Von Kaitlyn weiß ich außerdem, dass Josh das Immobilienimperium seines Vaters übernehmen soll. Also ist die definitiv nicht gefälscht. Meine Fresse, ich will nicht wissen, was das Ding gekostet hat!
»Wahrscheinlich war es für Sie, ähm dich, die Neuigkeit sehr überraschend«, schlussfolgere ich, um zum einen das Gespräch am Laufen zu halten und zum anderen meine Nervosität zu überspielen, die seit einigen Sekunden meinen Blutdruck in die Höhe treibt. Irgendwie habe ich das dringende Bedürfnis ihn zu imponieren, ihn von mir zu überzeugen, als wäre ich wirklich mit Colin verlobt und wolle einen guten Eindruck bei dem ersten Treffen mit meinem zukünftigen Schwiegervater hinterlassen. Aber das ist völliger Quatsch. Er ist ein Fremder. Ein Mann, der in 24 Stunden kein Interesse mehr an mir haben wird, weil sein Sohn und ich uns erfolgreich trennen werden.
Das wird also unser einziges und letztes Gespräch bleiben. Kein Grund zur Panik.
William schaut mich einen Moment grübelnd an, dann zuckt er mit den Schultern und antwortet: »Auf der einen Seite war es überraschend, ja, weil wir noch nicht mal wussten, dass er eine Freundin hat. Auf der anderen Seite nicht, weil wir überhaupt nichts mehr über sein Leben wissen seit dem Tod von...«
William stockt, scheint sich einen Moment sammeln zu müssen, bevor er zu einer Antwort ansetzt. »Sagen wir es so: Colin hat mich ab einen bestimmten Zeitpunkt nicht mehr an seinem Leben teilhaben lassen.«
Verwundert ziehe ich meine Augenbraue nach oben. Was soll das heißen, er hat ihn nicht mehr an seinen Leben teilhaben gelassen? Er will mir doch nicht ernsthaft verklickern, dass Colin zu seinem Vater den Kontakt abgebrochen hat?
Ich schlucke und als ich Williams gequälten Blick daraufhin begegne, weiß ich genau, dass es das ist, was er mir sagen wollte.
Er tut mir leid, auch wenn ich nicht weiß, was in der Vergangenheit genau vorgefallen ist, empfinde ich in diesem Moment aufrichtiges Mitleid. Er sieht wirklich so aus, als würde er unter der gebrochenen Beziehung zu seinem Sohn leiden.
Für mich wäre es unvorstellbar den Kontakt zu meiner Mum abzubrechen, obwohl sie manchmal so verdammt peinlich sein kann. Schon der bloße Gedanke daran, sie wolle nicht mehr mit mir reden oder mich gar nicht mehr sehen, schmerzt ungemein und bohrt ein kleines Loch in mein Herz. Colin muss wirklich einen guten Grund dafür haben, seinen Vater so zu verletzen und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was ihn da die letzten Jahre geritten hat.
Auf der anderen Seite steht es mir nicht zu über Dinge zu urteilen, von denen ich nicht alle Details kenne. Das wäre unfair gegenüber Colin und ihm in den Rücken zu fallen, indem ich jetzt gleich mit seinem Vater durch die Kante renne, genauso unverschämt. Trotzdem fällt es mir schwer, für William nicht Partei zu ergreifen. Er wirkt so wahnsinnig aufrichtig und bemüht.
Sanft drückt er meine Schulter.
»Nichtsdestotrotz heiße ich dich herzlich in unserer Familie willkommen und vielleicht könntest du Colin bei Gelegenheit ausrichten, dass wir nach wie vor für ihn da sind.«
Ich nicke zwar, will ihm aber nichts versprechen. Außerdem bin ich mir nicht ganz so sicher, ob ich Colin wirklich noch einmal auf seine Familienverhältnisse ansprechen sollte. Schließlich hat man heute Vormittag gesehen, wohin das führt. Wenn, dann sollte ich vorher auf alle Fälle einen Mülleimer besorgen...
Mr. Walker lächelt mir nochmal zu, bevor er sich umdreht und in der Herrentoilette verschwindet. Ich schaue ihm nachdenklich nach, lasse währenddessen das ganze Gespräch nochmals Revue passieren.
Man könnte fast meinen, dass es in der Familie liegt, denn wenig später legt sich schon wieder eine Hand bestimmend forsch um meinen Arm und meine Grübeleien werden unterbrochen. Braune Augen blicken mir entgegen, funkeln mich mehr als wütend an.
Sie scheinen zu kochen. Er scheint zu kochen.
Ich kann gar nicht so schnell reagiere, da werde ich auch schon hinter ihm hergezogen, zurück in die Eingangshalle. Sobald er mich etwas abseits in eine Ecke gedrängt hat, lässt er meinen Arm los und wirbelt erbost zu mir herum.
»Was wollte er?«, poltert mein Lieblingsverlobter einfach drauf los und durchbohrt mich mit seinen braunen Augen.
Unschuldig verschränke ich die Arme.
»Was wollte wer?«, entgegne ich dümmlich, was Colins Wutpegel enorm in die Höhe zu treiben scheint.
Mit einer eiskalten Miene richtet er seinen Zeigefinger bestimmend auf mich.
»Lüg mich nicht an, Kiera. Ich habe gesehen, wie du mit William gesprochen hast. Was wollte er verdammt?« Die Tatsache, dass er seinen Vater mit »William« und nicht mit »Dad« angesprochen hat, erschüttert mich. Die Lage ist also wirklich ernst, William hat nicht übertrieben-der Hass ist Colin förmlich in sein Gesicht geschrieben.
»Reden, Colin. Er wollte reden. Das, was du mal mit ihm machen solltest!«, keife ich zurück.
Empört schnauft er auf.
»Was hat er gesagt? Hat er sich bei dir eingeschleimt? Dieser Heuchler!« Er wirft aufbrausend seine Hände in die Luft.
Wieso wird er immer gleich so aggressiv, wenn es um jemanden in seiner Familie geht?
Colin sieht immerhin so aus, als würde er jeden Moment zu schlagen. Vielleicht sollte ich ihn vorher nochmal drauf aufmerksam machen, dass ich keine lebende Mülltonne bin, auf die man mal einfach so eindreschen kann.
»Am besten du fragst ihn selbst«, antworte ich und will mich an ihm vorbeidrücken, doch wieder langt er nach meinem Arm und presst mich zurück gegen die kalte Wand.
Woah, zurückpressen gegen die kalte Wand?
Meine innere Libido kreischt erfreut auf, als wäre in meinen Kopf irgendwo ein Lämpchen angesprungen, dass nur darauf gewartet hat, bis so eine Situation eintrifft.
Nur das ich mir das »gegen die kalte Wand pressen« definitiv in einem anderen Zusammenhang und mit einer anderen Person als Colin vorgestellt habe. Beleidigt verkrümelt sich also meine Libido, die ohnehin gefrustet ist von meinem kläglichen Sexleben, wieder in den hintersten Teil meines Gehirns.
Colin, dessen telepathischen Fähigkeiten-Gott sei Dank- noch nicht soweit reichen, um meine dreckigen Gedankengänge nachzuvollziehen, beharrt derweil stur weiter: »Ich rede nicht mit ihm.«
Ah ja stimmt, da war ja was.
Obwohl ich weiß, dass ich mich momentan auf ziemlich dünnen Eis bewege, kann ich mich trotzdem nicht zurückhalten. Ich versuche ruhig zu bleiben, zumindest ruhiger als Colin.
Was in dem Fall heißt, dass mein Puls anstelle von 180 auf 179 ist.
»Vielleicht solltest du es aber mal mit ihm reden«, gebe ich ihm einen gutgemeinten Rat, »Es würde ihm sicherlich viel bedeuten, Colin.«
So hat es zumindest vorhin ausgesehen. Williams gequälter Gesichtsausdruck spuckt immer noch in meinem Kopf rum und löst in mir mein Helfersyndrom aus. Ich will helfen. Wirklich. Auch wenn das heißt, mit einem Presslufthammer volle Kanne in die raue Eisfläche reinzuhauen und die dünne Schicht zum Brechen zu bringen, die Colins innere Schutzmauer darstellt.
Die Schutzmauer, die er jetzt hochzieht und mich einfach, wie schon heute Vormittag, außen vorlässt. Er wirkt unerreichbar, abweisend, kalt.
Seine Mauer wird immer höher und höher und ich immer kleiner und kleiner.
Von da oben ist es auch einfacher Kiera fertig zu machen. Dort fühlt er sich beschützt und mächtig. Das wird mir klar, als er wütend zurück feuert: »Es bedeutet ihm einen Scheiß, Kiera! EINEN SCHEIß! Hör verdammt nochmal auf dich in Angelegenheiten einzumischen, von denen du nichts verstehst! Es geht dich nichts an, OKAY?«
Geschockt starre ich ihn an. Was fällt ihm ein mich so anzubrüllen! Ich wollte doch auch nur helfen, versuchen bei Colin für William ein gutes Wort einzulegen und eventuell veranlassen, dass sich die beiden vertragen. Und jetzt verfrachtet er mich hier in irgendeine Ecke und schreit mich an wie so ein blödes Arschloch!
Er braucht meine Hilfe nicht?
Schön, dann eben nicht.
Geh dich doch vergraben, Colin Walker!
Mein inneres Ego ist gerade angekratzt, wenn nicht sogar beleidigt. Ich könnte jetzt an die Decke gehen, meinen Ärger Ausdruck verleihen, indem ich ihm mal ordentlich meine Meinung geige, aber ich habe es satt. So satt, mich mit ihm zu streiten. Das ist es nicht wert.
»Wie du meinst«, antworte ich daher nur. Das hier ist nicht mein Kampf. Soll er doch tun und lassen, was er für richtig hält. In weniger als 24 Stunden bin ich ihn sowieso los. Ich drücke mich an ihm vorbei und stapfe los, wieder in Richtung Saal. Diesmal hält er mich nicht auf und presst mich auch nicht gegen irgendeine Wand. Nicht, dass ich das wollen würde.
Doch als ich ein paar Schritte gegangen bin, fällt mir noch was Wichtiges ein. Kurzerhand drehe ich mich nochmal zu ihm rum.
»Du sitzt neben mir. Der Hochzeitsplaner hat dich umgesetzt«, erkläre ich kalt und ohne jegliche Emotionen. Eigentlich ist meine Intention dahinter, ihn weiter von mir fern zu halten. Colin wird sich wohl kaum neben mich setzen und gute Miene zum bösen Spiel machen. Kein Wunder also, dass er bei dieser Nachricht die Augen verdreht.
»Wie wahnsinnig nett von der französischen Schnecke«, sagt er. Seine Stimme trieft nur so von Ironie. »Ich hoffe nur, es ist nicht der Tisch, wo gerade eine Familienversammlung abgehalten wird.«
Er zeigt durch die breite Öffnung der Eingangshalle in den dahinter liegenden Festsaal. Sofort bin ich an seiner Seite und folge seiner Geste bis hin zu dem Tisch.
Und mit dem Tisch meine ich DEN Tisch. Unseren Tisch. Der Tisch, an dem meine Mum gerade wie ein Häuptling von allen anderen umzingelt wird und sie verschwörerisch die Köpfe zusammenstecken.
»Fuck, das ist der Tisch, habe ich recht?«, kommt es nur mürrisch von der Seite.
»Denkst du, die reden über uns?«, wispere ich und versuche einen sinnvollen Grund zu finden, warum sowohl unsere komplette Tischgesellschaft plus Tante May und Stressica (!) gebahnt an den Lippen von niemand geringeren als meiner Mutter hängen, die wie wild während des Sprechens gestikuliert.
»Keine Ahnung, aber wir sollten auf jeden Fall den Rückwärtsgang einlegen und gehen, bevor sie uns sehen«, schlägt Colin vor und obwohl wir uns vor wenigen Sekunden noch in den Haaren hatten, sind wir jetzt plötzlich wieder derselben Meinung. Seine Idee hat zugegebenermaßen Potenzial, denn ich habe auf gar keinen Fall vor, mich freiwillig zu den anderen zu gesellen und wie es aussieht Colin auch nicht.
Ich will gerade den Rückzug antreten, als sich der blonde Lockenkopf meiner Mutter zu uns dreht. Ein Grinsen huscht über ihr Gesicht.
Oh nein.
Wenn sie lächelt oder lacht ist das eine Sache, aber wenn sie grinst, ist das eine ganz andere.
»KIERA, COLIN!«, schreit sie und winkt uns zu sich, »Kommt her, wir sind schon gespannt!«
Verdammt.
Jetzt gibt es kein Zurück mehr und das weiß auch Colin. Unter höchster Alarmbereitschaft nähern wir uns dem Horror-Tisch, von dem nun sämtliche Augenpaare auf uns beide gerichtet sind.
»Gespannt? Auf was?«, hake ich skeptisch nach, als wir nur wenige Meter vor dem Tisch zum Stehen kommen.
Meine Mum rollt nur genervt mit den Augen und sagt, als wäre es die naheliegendste Antwort weit und breit: »Na, um eure Kennenlerngeschichte zu hören!«
Hslkshfioh.
WAS?
Hilfesuchend schweift mein Blick zu Colin, der mich ebenfalls panisch anstarrt.
Wir haben ein Problem. Wir haben ein Problem. Scheiße, wir haben mehr als ein Problem! Das sind die einzigen Wörter, die mir in diesem Moment durch den Kopf jagen.
Colin scheint es nicht anders zu ergehen. Die imaginäre Anzeigetafel auf seiner Stirn ziert momentan nur ein Wort und das in Dauerschleife: Fuck. Fuck. Fuck. Fuck.
Jetzt gehts rund, Freunde! 🥳😄
Was glaubt ihr, werden die Beiden wohl tun, um sich aus dieser prekären Lage zu befreien?😁
Lügen können sie ja ziemlich gut...
Euer erster Eindruck von William?
Ich freue mich schon so wahnsinnig auf die nächsten zwei Kapitel hihi😃😅
Und ihr? Seid ihr WIRKLICH bereit Colins und Kiera's vorher nicht abgesprochene Kennenlernstory zu hören???
Die nächsten Kapitel werden grandios, ich sag's euch😉😎
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