Kapitel 58 - Gewölbe

3 Tage später

Es war weit nach Mitternacht und das Kloster lag in tiefer, kalter Stille. Einzig, das Plätschern des Brunnens drang leise durch die unzählig, versteckten Gänge. Die Dunkelheit lauerte in allen Ecken, denn nur das wenige Mondlicht, welches durch vereinzelte Lücken drang, sorgte für ein wenig Licht. Nicht ausreichend um sich sicher durch die Gänge bewegen zu können und doch, hörte man leise, fast lautlose Schritte.

Skàdi lag in ihrem Bett, neben ihr Alice und gemeinsam starrten sie regungslos an die Decke. Tamo lag auf einer Matratze auf dem Boden neben Narcos und schlief seelenruhig. Er hatte sich damit abgefunden, dass er keine Antworten erhielt.

Allgemein sprach niemand mehr.

Skàdi und Alice schwiegen und sprachen nur noch das Nötigste und verbrachten den gesamten Tag damit, Informationen zu beschaffen. Es dauerte genau einen Nachmittag, dann wussten sie sogar, wer Milanos Eltern waren. Alice hatte wirklich ein Talent dafür.

Milano war also offiziell nicht der Bruder von Hope und war somit aus dem Schneider. Und so begann die Suche nach der beschissenen Nadel im Holzhaufen. Tamos Gehirn arbeitete den ganzen Tag auf Hochtouren, denn nichts passte mehr zusammen und Skàdis freundliches Verhalten, machte ihm beinahe schon Angst. Auch Alice wirkte wie ausgewechselt. Beide schienen plötzlich die Nettigkeit mit Kellen gefressen zu haben.

Sei es drum, das Beste am Tag war es, sich abends auf diese Matratze fallen zu lassen und einfach zu schlafen. Keine Gedanken. Keine Fragen. Einfach nur Ruhe.

Skàdi hörte die leisen Schritte an ihrer Tür vorbeihuschen, so wie es jede Nacht der Fall war. Sie hörte das kurze Stocken und wie jemand an der Tür lauschte. Alice und Skàdi starrten weiter starr an die Decke und gaben keinen Mucks von sich und erst als sie vernahmen, dass der Schatten vor der Tür sich langsam weiterbewegte, drehten sie sich auf die Seite und schlossen die Augen.

Die leisen Schritte schlichen weiter durch die dunklen Gänge, bis sie schließlich vor der Treppe zum Stehen kamen. Stufe um Stufe traten sie nach oben und ein weiterer, dunkler Gang tat sich auf. Keine Fenster, durch die das Mondlicht wenigstens etwas Lichts in das tiefe Schwarz bringen konnte. Nur Finsternis und ein langer Gang, der ins Nichts zu führen schien. Doch die Gestalt benötigte kein Licht. Sie kannte ihre Gemäuer in- und auswendig und sie schlich wie eine Katze, sanft und schnell durch den Gang. Fünfzig Schritte und nach diesen stoppte sie und legte ihre Hand zielsicher auf die Klinke der schweren Holztür vor sich.

Lautlos streckte sie den Schlüssel, den sie ununterbrochen wohl versteckt um ihren Hals trug, in das Schloss und öffnete lautlos die Tür. Sie huschte durch einen schmalen Spalt und erst, als sie die Tür hinter sich wieder sorgsam geschlossen hatte, zündete sie die Fackel an, welche sie die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte.

Ein weiterer Treppenabsatz kam zum Vorschein. Zur Linken führte er nach oben, zur Rechten wieder nach unten. Ohne zu zögern, stieg die Gestalt nach unten. Schritt für Schritt stieg sie die alte, schon bröckelnde schmale Steintreppe hinab. Sie war so eng, dass kaum Platz für eine Person war. Ihr langer, schwarzer Umhang streifte die dreckigen Wände und sorgte für leichte Schleifgeräusche. Die Flammen der Fackel warfen gespenstische Schatten in die Dunkelheit und die Luft wurde immer stickiger. Ein massiver Weihrauchgeruch breitet sich immer weiter aus. Immer tiefer stieg sie durch die Gewölbe und zu dem Weihrauch mischte sich ein modriger, feuchter Geruch. Sie war mittlerweile tief in den Kellergewölben des Klosters angekommen und nachdem sie die letzte Stufe hinter sich gebracht hatte, tat sich ein Labyrinth aus Gängen vor ihr auf. Doch sie kannte ihren Weg.

Die Feuchtigkeit in den Gemäuern nahm zu und je tiefer sie in die Gänge drang, desto sichtbarer wurde sie. Die Wände glänzten dank des Wassers, welches an den Felswänden des Ganges herunterlief.

Unzählige Abbiegungen lagen bereits hinter ihr und wenn man den Weg nicht kannte, wäre es aufsichtlos ihr Ziel zu erreichen. Jahre hatte es gedauert, sich durch diese Gänge zu suchen, um den passenden Ort zu finden, doch sie fand ihn und als sie ein letztes Mal rechts abbog, tat sich eine weitere Tür vor ihr auf. Sie hielt einen Moment inne und atmete tief ein, bevor sie die Tür aufstieß. Sie bemühte sich nicht mehr, leise zu sein, denn keiner oben in dem Kloster, würde etwas von dem hier unten hören. Diese Tür lag Metertief unter der Erde und jegliche Geräusche verloren sich nach wenigen Metern in dem Gewirr aus Gängen.

Sie trat in den Raum und sofort schlug ihr der Geruch von Verwesung entgegen. Sie hielt sich die Hand vor die Nase und machte sich schnell daran, die Kerzen, welche an den Steinmauern befanden, zu entzünden. Und so, wie die Kerzen an Stärke gewannen, kam ein altes Gewölbe zum Vorschein. Dieser Raum war nicht erbaut, sondern war vor Jahrhunderten in das Gestein gemeißelt worden. Er war nicht riesig, doch völlig ausreichend für ihr Vorhaben.

Die Decke war niedrig, doch dank ihrer Wölbung, gab es genügend Platz, um aufrecht zu stehen. Links und rechts standen dürftig erbaute Regale, welche zum einen mit Büchern, zum anderen mit vielen kleinen, leeren Ampullen gefüllt waren. Kerze um Kerze erleuchteten den Raum und vertrieb langsam die Dunkelheit, bis das Herzstück des Raumes sichtbar wurde.

Am Ende kam ein großer, selbst gebauter Schreibtisch zum Vorschein, dahinter eine Wand, welche durch und durch mit Bildern und Notizen gespickt war. Der Schreibtisch war überfüllt mit Notizbüchern, Zeichnungen und mittig davon, eine Schale mit weißem Pulver. Gut verschlossen und fast leer. Rechts von dem Chaos sprengten Gitter das altertümliche Bild. Gitter, welche fest in der Wand verankert waren und so, mit den Felsen eine Zelle bildeten. Von dessen Decke hing eine massive Eisenkette in die Zelle, an dessen Ende Fesseln zu sehen war und auf dem Zellenboden, lag der Ursprung des Verwesungsgeruchs.

Ein weißes Leinentuch. Auf den ersten Blick war schwer zu deuten, was sich darunter verbarg, doch sah man genauer hin, erkannte man, dass das Tuch langsam die Form des Objektes übernahm. Es verschmolz langsam damit und so zeichnete sich schemenhaft ein Gesicht darin ab. Leicht gelblich eingefärbt, lag das Tuch über der Leiche, die sie nicht mehr schnell genug verschwinden lassen konnte, bevor ihre Gäste aufgeschlagen waren.

Zu hoch war die Gefahr entdeckt zu werden, also musste sie den jungen Mann, der sich unter diesem Tuch verbarg, seinem Schicksal überlassen. Sie hoffte, dass die Kälte der Gewölbe den Prozess der Verwesung verlangsamte. Und dafür, dass er, seit über einer Woche hier lag, hielt sich der Gestank noch in Grenzen.

Die Gestalt griff nach einer Schale und füllte diese mit Weihrauch. Schnell brannte sie ihn an und stellte sie in eine kleine Ausbuchtung links neben dem Schreibtisch. Doch der weiße Rauch verbreitete sich nicht in dem Zimmer, sondern stieg nach oben auf und verbreitete sich in den Gemäuern.

Seit über einer Woche hatte sie sich nicht an den liebsten Ort ihrer Heimat getraut, doch heute Nacht hatte sie sich sicher genug gefühlt. Sie hatte sie getäuscht und keiner von ihnen hatte auch nur die geringste Ahnung.

Elisabeth nahm die Kapuze von ihrem schwarzen Umhang ab und ließ sich langsam auf den Hocker vor ihrem Schreibtisch fallen. Sie nahm eins ihrer Notizbücher und öffnete es. Sie griff nach einer Feder und tunkte sie in ein Glas mit Tinte. Gerade, als sie auf dem Papier ansetzten wollte, vernahm sie ein leises Knacken. Sie blieb ruhig auf ihrem Hocker sitzen und ließ langsam die Hand zu dem Glas mit dem weißen Pulver gleiten. Vorsichtig nahm sie den Deckel zur Seite und als sie eine Bewegung hinter sich vernahm, griff sie nach dem weißen Pulver, legte sich schnell ihren Umhang vor den Mund und im nächsten Moment, warf sie das weiße Pulver hinter sich. Sofort brach es auseinander und verbreitet sich als weißer Rauch durch den Raum.

Ein Aufprall unmittelbar hinter ihr ließ sie breit lächeln und langsam drehte sie sich herum. Sie sah den bewusstlosen Körper am Boden liegen und stand langsam auf. Elisabeth Schritt auf den am Boden liegenden zu und als sie sah, wer es war, stockte sie einen Moment. Doch ehe sie realisierte, wer da vor ihr am Boden lag, spürte sie die eisige Kälte. Todesangst schoss ihr durch den Körper und im nächsten Moment brach sie zusammen und versank in einer unendlichen Dunkelheit.

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