Kapitel 57 - Die Treppe
Alice und Tamo sahen entsetzt zu Elisabeth. War das ihr Ernst? Die Nadel im Heuhaufen suchen? War ja nicht so, als, war es eh nicht schon alles kompliziert genug. Jetzt sollten sie noch den Bruder von dem Teufel persönlich suchen? Klar, gar kein Thema, das reihen wir einfach nach, wir reißen die Weltherrschaft an uns, ein. Wobei Tamo langsam das Gefühl hatte, dass das wohl einfacher gehen würde. Mal abgesehen davon, dass sie vor wenigen Stunden schon zu dem Entschluss gekommen waren, dass der Zwilling längst tot sein könnte.
Tamo suchte nach Worten für dieses Unterfangen, kam aber zu dem Entschluss, dass er wohl lieber die Klappe halten würde. Alice räusperte sich nur und schien es ihm gleichzutun. Das wiederum sorgte bei Tamo zur Verwunderung. Das war nicht die Alice, die er kennengelernt hatte. Aber hier lief seit einigen Stunden einiges anders als erwartet. Milanos Abgang. Skàdis Ignoranz und jetzt schoss sie tatsächlich noch den Bock ab.
Diese stand auf und drehte sich von dem Tisch ab. Sie lief zu der Mauer und stützte sich auf dieser ab. Ihr Blick wanderte über die Umgebung. Sie stand für einige Momente einfach nur da und Elisabeth beobachtete sie. Skàdi atmete tief ein und drehte sich wieder zu den anderen.
»Okay suchen wir den vermissten Bruder.«
Schweigen, nur Elisabeth ihre Augen begannen zu strahlen vor lauter Freude.
»Danke. Ich danke dir. Nein, ich danke euch«, sagte Elisabeth schon fast überschwänglich.
Skàdi verschränkte die Arme vor der Brust.
»Ich nehme an, du hast keinerlei Informationen über ihn?«
Elisabeth schüttelte traurig den Kopf.
»Nein. Leider nichts.«
»Okay. Dann legen wir mal alle Karten auf den Tisch. Tamo ist raus. Der hatte Eltern. Nachweislich.«
Elisabeth sah automatisch zu Tamo und nickte.
»Ja, das hat er mir gestern auch gesagt.«
Skàdi seufzte und sah zu Alice.
»Hast du Zigaretten?«, fragte sie.
Alice nickte und griff in ihre Tasche und wollte sie gerade zu ihr werfen, als Skàdi sich schon auf den Weg zu ihr gemacht hatte. Sie lief um den Tisch und kam hinter Tamo zum Stehen. Alice reichte ihr die Schachtel und nachdem Skàdi sich eine Zigarette angezündet hatte, lehnte sie sich leicht zu Tamo.
»Tut die Schulter noch weh?«, fragte sie.
Tamo drehte den Kopf nach hinten, sodass er fast ihr Gesicht streifte. Sofort wich er wieder ein Stück zurück.
»Ja, schon«, stotterte er völlig überfordert.
Skàdi nickte, sah zu Alice und lächelt sie an.
»Hilf ihm halt«, sagte sie.
Während Alice ihre Hand auf seine Schulter legte und der goldene Schleier aus Wärme in ihm eindrang, griff Skàdi ihm fest an der anderen Schulter und lehnte sich zu ihm.
»Tut mir leid. Ich habe wohl etwas über reagiert.«
Tamo glaubte, sich verhört zu haben, und wenn nicht gerade Alice ihre unglaubliche Wärme durch seinen Körper fließen würde, würde er wohl in Ohnmacht fallen. Die Schmerzen waren verschwunden und mit ihnen auch Skàdi. Denn die lief weiter um den Tisch und sah zu Elisabeth.
»Und wie sollen wir dein Kind finden, wenn wir keinerlei Anhaltspunkt haben?«, fragte sie nachdenklich.
Elisabeth schnaufte.
»Ich weiß nicht. Was ist mit Milano? Ich weiß, dass er auch infrage kommen würde«, sagte Elisabeth.
»Hat er das gestern zu dir gesagt?«, fragte Skàdi.
Elisabeth nickte und Skàdi sah unmittelbar zu Tamo. Sein Blick reichte aus, um die Bestätigung dafür zu bekommen. Skàdi biss sich auf die Unterlippe.
»Tja, seine Fähigkeiten sind jetzt nicht sonderlich nützlich und ich denke, Samuel hätte es gewusst, wenn es sein Bruder wäre. Aber ja, vielleicht sollten wir ihn erst mal nicht ausschließen«, sagte Skàdi und lief weiter zu ihrem ursprünglichen Platz.
Wieder nickte Elisabeth nur und sah dann hoffnungsvoll zu Skàdi.
»Kommt er denn wieder?«
»Milano?«, fragte sie.
Skàdi kratzte sich am Hinterkopf und seufzte dann.
»Nein, ich denke nicht, dass wir die beiden so schnell wieder zu Gesicht bekommen werden«, sagte sie.
Elisabeth legte die Stirn in Falten.
»Aber, es sind fast 100 Kilometer bis zu dem nächsten Dorf. Die beiden doch nicht ... «, doch Skàdi unterbrach sie.
»Milano kann vieles, vor allem wenn er angepisst ist und nein. Sie werden das schon machen. Wir laufen ihnen nicht nach«, sagte Skàdi und mied den Blick, den Tamo ihr förmlich in den Hinterkopf brannte.
Elisabeth sah enttäuscht aus.
»Okay und wie sollen wir ihn dann ausschließen?«, fragte sie.
Skàdi seufzte.
»Ich kenne so ziemlich jedes Detail aus seiner Vergangenheit. Alice kann ziemlich gut mit dem Internet umgehen, also werden wir das schon hinbekommen«, sagte sie und schon zog Alice ihr Hände aus der Tasche.
Sie hob die Brauen.
»Hat einer von euch ein Handy dabei?«
Alle schüttelten den Kopf.
»Kommt mit. Es gibt hier ein Büro, da können wir uns zurückziehen«, sagte Elisabeth und stand auf.
Ohne zu zögern, folgte Skàdi Elisabeth, die bereits von der Terrasse in das Kloster verschwunden war. Alice seufzte, stand auf und ging ihnen nach. Na ja und Tamo, dem gefiel das Ganze zwar nicht, erhob sich ebenfalls wenn auch widerwillig und folgte ihnen. Narcos gesellte sich wieder an dessen Seite und als sie durch den Gang liefen, überzog es Tamo wieder mit einem Kälteschauer. Er blieb stehen und wieder war es dieselbe Stelle. Wieder am Fuße der Treppe. Sein Blick richtete sich nach oben und plötzlich gab auch Narcos ein leises Knurren von sich. Tamo sah zu ihm und beobachtete, wie Narcos langsam seine Rückenhaare aufstellte. Doch nicht nur Tamo war stehen geblieben, sondern auch Skàdi. Sie sah über ihre Schulter zurück und sah die beiden fragend an.
»Was ist?«
Er schluckte und sah zurück zur Treppe, als auch Elisabeth stehen blieb und sich zurückdrehte. Sie vernahm Tamos Blick und lächelte.
»Schlafplätze einiger Nonnen«, sagte sie plötzlich.
Tamo und Alice sahen sie an und plötzlich drang wieder der intensive Weihrauchgeruch in ihre Nasen. Skàdi verzog das Gesicht.
»Ich habe langsam das Gefühl, dieser Gestank riecht aus all meinen Poren«, raunte sie und lief weiter.
Elisabeth lacht auf.
»Ja, daran müsst ihr euch wohl gewöhnen«, sagte sie.
»Ich habe es befürchtet. Dann lasst uns mal schnell den vermissten Sohn finden, bevor wir diesen Geruch nie wieder loswerden«, erwiderte Skàdi und warf Tamo einen letzten unleserlichen Blick zu.
Elisabeth nickte und so setzten sich alle wieder in Bewegung. Sie irrten eine Weile durch die Gänge, bis Elisabeth ein letztes Mal abbog und durch eine Tür verschwand. Alice folgte ihr und Skàdi hielt kurz vor der Tür inne und drehte sich zu Tamo, der unmittelbar hinter ihr stand. Er blieb schlagartig stehen und sah sie mit großen Augen an.
Er musterte sie, doch ihr Gesicht war maskenhaft und verriet ihm nicht, was ihr gerade durch den Kopf ging. Doch plötzlich lächelte sie ihn an.
»Danke«, flüsterte sie ihm zu, wandte sich ab und verschwand in das Büro.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top