Kapitel 42 - Kloster

Skàdi vernahm die Wärme in ihrem Gesicht und begann sich leicht zu strecken. Sanft versank sie in dem weichen Untergrund und ein leichter Seufzer entfuhr ich. Mollige Wärme breitet sich in ihr aus und als ein leichter Luftzug ihre Wange strich, legte sich ein leichtes Lächeln auf ihre Lippen.

Plötzlich stockte sie. Sie hielt inne und ihr Körper spannte sich sofort an. Sie spürte, wie ihr Puls anstieg, und sie versuchte, ohne ihre Augen, ihre Umgebung wahrzunehmen. Langsam zog sie die Luft ein. Der Geruch von Sand und Lavendel stieg ihr in die Nase. Eine eigenartige Kombination, die noch eigenartiger wurde, als sich Weihrauch darunter mischte.

Sie versuchte etwas zu hören, aber alles lag in völliger Stille, bis auf das gleichmäßige Geräusch von Atemzügen. Langsam öffnete sie die Augen und das Erste, was sie sah, war ein Kreuz aus Holz, welches über ihr an der Wand hing.

Na, was auch sonst, dachte sie sich.

Langsam ließ sie ihren Blick weiter wandern und schon fand sie den Ursprung des Atems. Alice lag völlig entspannt neben ihr und schlief. Skàdi richtete sich vorsichtig auf, begleitet von dem leichten Rascheln der Bettwäsche, mit der sie zugedeckt war. Sie lag, gemeinsam mit Alice in einem großen Bett, dessen Gestell aus dunklem Holz bestand. Ihr Blick glitt über die Verzierungen, welche kunstvoll darin eingearbeitet waren.

Sie strich mit der Hand über die gelbliche Bettwäsche und schon wurde der Lavendelgeruch intensiver. Langsam beugte sie sich nach unten und roch an der Bettdecke. Der erste Geruch wäre also geklärt. Sie sah weiter durch den Raum und ihr fielen die großen Fenster ins Auge, welche mit bunten Glasscheiben besetzt waren. Ein buntes Mosaik aus den verschiedensten Farben, welche durch das Sonnenlicht, gebrochen auf den Wänden tanzten. Steinwänden, welche nur notdürftig verputzt waren.

Und trotzdem wirkten sie so perfekt. Der Boden des Raumes bestand aus großen Steinplatten. Uneben, rissig und an manchen Stellen schon ganz glänzend. Diese Platten schienen schon unzählige Jahre hier zu liegen. Das Zimmer war winzig, sodass der große Holzschrank, der vor dem Bett stand, schon fast an das Bett anstieß.

Skàdi atmete tief ein und drehte sich zur Seite, als ihr ein Stuhl auffiel, auf dessen ihr Rucksack stand. Schnell griff die danach und durchwühlte ihn, bis ihre Finger auf die kleine Holzschachtel stießen. Sie umfasste sie kurz und stellte den Rucksack wieder auf dem Stuhl ab. Eine innere Schwere befiel sie und das Verlangen sich wieder in das Bett zu kuscheln und es Alice gleichzutun wuchs an. Bis plötzlich Erinnerungen in ihr aufbrachen.

Milanos Wohnung. Das Auto. Der weiße Nebel.

Sie schreckte sofort hoch und sprang aus dem Bett, als sie auf etwas Weiches trat. Was sofort quietschte und aufsprang. Zwei orangene Augen sahen sie an und augenblicklich ging sie auf die Knie.

»Narcos ...«

Sie kraulte ihm entschuldigend über das Fell und lächelte ihn an.

»Wo kommst du denn her, mein Junge?«

Er stupste sie an, bevor er sich wieder fallen ließ. Skàdi stand wieder auf, griff nach ihren Sachen und zog sich schnell an. Also, wo waren sie und vor allem warum? Nobody war die logischste Erklärung, aber das hier passte nicht zu ihm. Keller und Eisenketten waren sein Stil, aber sicher keine gemütlichen Zimmer und nach Lavendel riechende Bettwäsche.

Sie zog Alice die Bettdecke weg, welche sich sofort unzufrieden drehte.

»Los, wach auf«, raunte sie Alice an, die sich erneut drehte und in das Kissen murmelte.

»Noch fünf Minuten.«

Skàdi stöhnte. Klar warten wir erst, bis die Hölle losbricht. Genervt schob sie sich zwischen Bett und Schrank hindurch und stand jetzt vor Alice. Sie rüttelte sie leicht.

»Los, werd wach«, sagte sie mit genervtem Unterton.

Mehr als widerwillig öffnete diese die Augen und sah Skàdi verschlafen an.

»Was ist denn nur?«, murmelte Alice.

»Wir müssen hier weg.«

Alice runzelte die Stirn und erst jetzt schien sie zu merken, dass sie nicht in ihrem Bett lag. Erschrocken fuhr sie nach oben und sah sich um.

»Wo zur Hölle sind wir?«

»Nicht in der Hölle nehme ich an«, erwiderte Skàdi und zeigte auf das Kreuz, was auch Alice zum Schnauben brachte.

»Außer dort wurde umdekoriert.«

Skàdi griff nach Alices Klamotten, die ebenfalls auf einem Stuhl neben dem Bett lagen und warf sie ihr zu.

»Woran erinnerst du dich?«, fragte Skàdi.

Alice rieb sich über die Stirn.

»Dass wir losgefahren sind und ich mich auf den Rücksitz gelegt habe. Du?«

»Wir waren an Milanos Wohnung, aber Milano und Tamo waren verschwunden. Ebenso wie ihr, als ich an das Auto zurückkam.«

Alice sah sie irritiert an.

»Und wie sind wir dann hier gelandet?«

Skàdi zuckte mit den Schultern und sah sie an.

»Keine Ahnung, als ich das Auto gestartet habe, ist mir weißer Rauch ins Gesicht geschlagen und alles wurde dunkel. Ich bin auch eben erst wach geworden.«

Alice war mittlerweile aufgestanden und zog sich an.

»Nobody?«, fragte Alice.

»Zu wenige Fesseln und Schmerz. Findest du nicht?«, erwiderte Skàdi.

Alice hob den Blick und nickte.

»Vielleicht hat er seine nette Ader gefunden?«, sagte Alice.

Skàdi zog eine Braue nach oben und Alice winkte ab, während sie sich den letzten Schuh anzog.

»Also, wie lautet der Plan?«, fragte Alice.

»Die anderen finden und dann raus hier«, sagte Skàdi, während sie ihren Rucksack holte und sich zur Tür begab.

»Und das alles ohne Kaffee. Wie beschissen kann der Tag da schon werden?«, maulte Alice vor sich hin.

Skàdi ignorierte ihren Sarkasmus und stand bereits an der Tür. Narcos stand dicht hinter ihr. Sie streichelte ihm noch mal über den Kopf und sah ihn an.

»Sobald wir Silas und Tamo haben, schützt du sie. Egal, was mit mir passiert.«

Er gab ein leises Knurren von sich. Sie hob die Brauen.

»Ohne Widerrede, Kumpel.«

Er gähnte und sie lächelte.

»Braver Junge. Na dann los.«

Alice stand neben ihr und langsam öffnete sie die Tür. Sofort schlug den beiden frische Luft mit einer Fliedernote entgegen. Ihnen klappte beiden förmlich der Mund auf. Vor ihnen lag ein Gang, dessen Boden ebenfalls aus Steinplatten bestand, doch er war offen. Vor ihnen erstreckten sich mehrere Steinbögen, welche ihnen freie Sicht auf einen kleinen Innenhof gaben. Saftiges, grünes Gras und Fliederbäume in allen Farben starrten sie förmlich an.

»Träum ich?«, fragte Alice und rieb sich die Augen.

Skàdi sah sie an.

»Wenn ja, haben wir denselben beschissenen Traum.«

Beide ließen den Blick schweifen und vor ihnen tat sich ein seltsamer und gleichzeitig wunderschöner Anblick auf. Der Gang schien einmal um den Innenhof zu gehen und immer mal wieder sahen sie Gänge, die davon abführten.

Ein lauter, durch ihre Knochen dringender Glockenschlag zerriss die Stille und beide schreckten zusammen.

»Verfluchte Scheiße«, fluchte Alice.

Die Faszination für diesen Ort war direkt verschwunden.

»Los, weg hier und am besten ohne Aufsehen«, sagte Skàdi.

Alice nickte und gemeinsam liefen sie den Gang entlang, allen voran Narcos. Immer wieder tauchten Türen auf, doch bis auf wenige waren die alle verschlossen und die, die es nicht waren, zeigten gähnende Leere beim Öffnen. Sie irrten durch die Gänge und hatten immer mehr das Gefühl, sich in einem endlosen Labyrinth zu verirren.

Skàdi blieb genervt stehen und kniff die Augen zusammen.

»Ich spreng die Bude hier gleich in die Luft. Was ist das hier? Ein verdammtes Kloster, oder was? Warum ist ihr nirgends jemand?«

Alice wollte gerade etwas erwidern, als ein schriller Schrei durch die Gänge hallte, gefolgt von einem lauten Knurren. Narcos rannte auf der Stelle los. Alice und Skàdi sahen sich an.

»Milano«, sagte Alice grinsend.

Skàdi nickte und schon folgten sie Narcos. Gefühlte hundert Abbiegungen und Gänge später tauchten sie hinter Milano auf. Seine Augen leuchteten blau und er presste tatsächlich eine Nonne vor sich an die Wand. Ihre Augen waren vor Angst geweitet und sie murmelte leise Gebete vor sich hin, während sie ihr kleines Kreuz durch die Finger rieb.

»Der hilft dir auch nicht. Sag mir endlich, wo meine Freunde sind, oder du kannst die Reise zu deinem Kumpel direkt antreten«, knurrte Milano.

Alice kicherte und Skàdi schnaubte.

»Seit wann sind wir Freunde?«, fragte Skàdi.

Milano wandte sich zu den beiden und lächelte sie an. Er ließ von der Nonne ab, die unsanft zu Boden fiel. Sich aber direkt wieder auf die Beine kämpfte und davonrannte.

Milano musterte die beiden.

»Euch geht es gut?«

Sie nickten.

»Kannst rauskommen«, sagte Milano.

Silas trat aus einer Ecke hervor und Skàdi sah ihn komisch an.

»Milano meinte, ich soll hier warten.«

Milano schnaubte.

»Schlimm genug, dass ich neben dir wach geworden bin.«

Alice lachte und während Silas aus der dunklen Ecke kam, trat Narcos direkt an dessen Seite. Silas sah zu ihm und dann zu Skàdi. Dankbarkeit schimmerte in seinen Augen. Denn ihm war mehr als bewusst, dass Narcos die Aufgabe hatte, ihn zu schützen.

»Danke ...«, murmelte er ihr entgegen, was Skàdi ignorierte.

»Tamo?«, fragte Skàdi.

Beide schüttelten mit dem Kopf.

»Bullshit.«

Sie sah sich um und überlegte einen Moment.

»Los weiter. Wenn wir alle hier sind, kann er nicht weit sein.«

Silas trat einen Schritt nach vorn, dicht gefolgt von Narcos.

»Wollen wir uns aufteilen?«, fragte er.

Skàdi hob die Braue.

»Klar, aber heule dann ja nicht herum, wenn dich einer mit der Kettensäge verfolgt«, raute Skàdi ihn an.

Silas verzog das Gesicht und gerade als sie sich auf die Suche nach Tamo machen wollten, tauchte er vor ihnen auf, mit einer Tasse Kaffee in der Hand und grinste sie an.

»Na guten Morgen.«

Alle sahen ihn an, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank. Alice schnaubt.

»Fick dich doch.«

Und schon riss sie ihm die Tasse aus der Hand und nahm den ersten Schluck.

Er schüttelte mit dem Kopf.

»Ja, kein Thema. Bitte gern ...«, sagte Tamo.

Doch Alice interessierte sein Gejaule nicht und so sah er zu Skàdi.

»Kommt mit, da will euch jemand kennenlernen«, sagte Tamo, drehte sich ab und lief los, doch keiner folgte ihm.

Er sah über die Schulter und zog die Brauen nach oben.

»Wo sollen wir hin? Wer will uns sehen? Was ist hier los, Tamo?«, fragte Skàdi skeptisch.

Er grinste.

»Blöd, wenn man Fragen hat und keine Antworten bekommt, was?«, sagte er belustigt.

Noch ehe er richtig ausgesprochen hatte, lagen Milano seine Hände schon an seinem Hals und er presste ihn, wie eben bereits die Nonne, an die Wand. Tamo blieb sofort die Luft weg und er griff nach Milanos Händen.

»Blöd, wenn man eine große Fresse, aber nichts auf dem Kasten hat, was?«, knurrte Milano, der äußerst gereizt wahr.

»Tut ... mir ... leid ...«, presste Tamo hervor.

»Lass ihn«, raunte Skàdi Milano zu, der noch mal knurrte, Tamo aber wieder zum Boden ließ.

»Also, noch mal. Wer will uns sehen und was ist hier los?«

Tamo hielt sich noch den Hals und sah in die Runde.

»Vertraut mir. Es passiert nichts, aber ich glaube, ich habe jemanden, der Antworten hat, gefunden und ...«, er zeigte auf die leere Kaffeetasse.

»Da gibt es Kaffee.«

Alice zuckte mit den Schultern.

»Du hattest mich bei Kaffee und was den Rest angeht.«

Sie sah zu Skàdi, welche ebenfalls nickte.

»Notfalls sprengen wir es in die Luft«, raunte Skàdi und verbarg das erste Mal ihre wirkliche Meinung. Hier stimmte was nicht.

Tamo schüttelte den Kopf, aber alle folgten ihm endlich. Sie liefen eine gefühlte Ewigkeit durch die Gänge, bis sie vor einer breiten Holztür ankamen, welche Tamo, ohne anzuklopfen, aufstieß. Sie traten ein und sofort stockten alle.

Sie starrten in stahlblaue Augen. Skàdi schluckte und als sie sah, wer neben diesen stand, war alles zu spät. Augenblicklich legte sich ihre eisige Kälte in den Raum und ihre Augen färbten sich weiß ein.

Ihre Stimme war ein einziges Knurren.

»Darauf warte ich schon seit viel zu vielen Jahren.«

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top