Kapitel 37 - Tag 365

Tag 365

Skàdi hing in ihren Fesseln. Ihr Körper schmerzte und er war, übersät mit Verbänden. Sie hatte längst aufgegeben, sich zu wehren. Was hatte es ihr auch gebracht? Nichts außer Schmerzen und damit sind nicht die Körperlichen gemeint. Die spürte sie zwar noch, aber sie berührten sie nicht mehr.

364 Tage begleiteten sie diese nun schon und sie waren zu ihrem Leben geworden und sie konnte sich kaum noch an eine Zeit ohne sie erinnern. Wozu auch. Das hier schien ihr Leben zu sein und zu bleiben. Sie wusste immer noch nicht, was sie hier sollte, doch auch das, war ihr mittlerweile einfach egal geworden.

Was würden ihr die Antworten nutzen, wenn sie doch hier in ihrer Zelle gefangen blieb? Sie wusste genau, wie lange sie schon hier war, denn er schien ihren Körper als Kalender zu nutzen. Pro Tag ein Schnitt und das auf die Sekunde genau. Sie hatte sich an die Schreie, die sie aus den anderen Zellen hörte, gewöhnt. Und zurzeit waren es immer genau zwei. Eine Frau und ein Mann und Skàdi wusste, wenn ihre Schreie verstummt waren, würde es nur noch Minuten dauern, bis er und sein Handlanger ihre Zelle betreten würden.

Es war seltsam, aber das Wissen darum, dass sie nicht allein durch diese Hölle gehen musste, erleichterte es ihr, das alles zu ertragen.

Ein markerschütternder Schrei der Frau schoss durch die Gewölbe, so wie auch schon die letzten drei Wochen. Er ließ Skàdi auflachen. Drei Wochen. Ein Witz im Gegensatz zu der Zeit, die sie schon ihr war. Es dauerte nicht lange und sie hörte die männliche Stimme brüllen. Er tobte und beleidigte noch. Und das, obwohl er schon acht Wochen hier war. Doch Skàdi wusste, dass auch er bald aufgeben würde.

So wie sie.

Sie konnte sich nicht mehr erinnern, wann genau es passiert war, aber eines Tages ließ sie es einfach nur noch geschehen. Augen zu und durch, oder wie hieß es so schön?

Und da hörte sie es. Das Geräusch, wie der Riegel an ihrer Zellentür aufgeschoben wurde und diese widerlich, stahlblauen Augen traten in die Dunkelheit ihrer Zelle. Sie hatte aufgegeben, mit ihm zu sprechen, denn sie erhielt keine Antworten. Nie. Außer auf eine.

Dem Warum?

»Weil du es so wolltest.«

Und immer zerriss es ihr die Brust bei diesen Worten, denn sie entsprachen der Wahrheit.

Ja, sie wollte es so. Ich hatte diese Maskierten angefleht sie zu nehmen anstatt Travis und noch heute, nach allem, was sie erlebt hatte, würde sie sich genau wieder so entscheiden. Sie würde sich immer wieder vor die Liebe ihres Lebens stellen und wenn sie ihm damit das Leben gerettet hatte, dann hatte das Ganze hier wenigstens etwas Gutes.

Ihr Blick huschte zu ihm, doch heute war es anders. Er kam allein. Sein Handlanger war nicht zu sehen. War das ihr Ende? War er gekommen, um sie endlich zu erlösen?

Nein, diesen Gefallen würde er ihr nicht tun.

Und schon sah sie es. Die Spritze mit der schwarzen Flüssigkeit. Sie hasste es. Auch wenn sie sich bereits, an den Schmerz gewöhnt hatte, ließ der Anblick immer und immer wieder ihren Magen ausflippen. Sie schluckte die aufsteigende Übelkeit herunter und wartet darauf, dass das Gift sich in ihren Venen verteilte.

Doch er bewegte sich nicht. Er stand einfach nur an der Tür und grinste sie an. Und plötzlich zerrissen seine Worte die Stille.

»Wir haben Jahrestag, Objekt 50. Ist dir das bewusst?«, fragte er mit seiner tiefen Stimme.

Skàdi starrte ihn fassungslos an. Was war denn heute los? Zu schockiert darüber, dass er mit ihr sprach, blieb sie stumm.

Er legte den Kopf schief und ging langsam auf sie zu.

»Natürlich weißt du es. Du bist etwas Besonderes. Noch keiner war so lange bei mir und hat mich auf meinen Weg begleitet. Dennoch, scheinbar bist du nicht das, was ich suche. Es wird dein letztes Tag hier sein.«

Er sah sie enttäuscht an.

»Ich dachte wirklich, du könntest es sein. Du hast die besten Voraussetzungen mitgebracht und doch hängst du seit einem Jahr hier herum und bist zu nichts zu gebrauchen.« Er hielt kurz inne, bevor er weitersprach. »Aber es gibt noch eine letzte Sache, die wir noch nicht probiert haben.«

Er stand jetzt unmittelbar vor ihr und setzte die Spitze an.

»Nämlich die Wahrheit«, schob er nach.

Und mit diesen Worten spritzte er ihr die Flüssigkeit in den Hals. Das Brennen zog sich durch ihren Körper und entlockte ihr ein leises Stöhnen. Er zog ein Messer und riss es ihr mit einer schnellen Bewegung über den hinteren Oberschenkel, nicht zu tief, aber tief genug, um unsagbare Schmerzen in ihr hervorzurufen.

Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und Tränen schossen ihr in die Augen.

Er trat langsam zurück und lachte.

»Du bist hier, weil er dich als Bezahlung eingesetzt hat«, sagte er kalt.

Seine Worte drangen kaum zu ihr durch. Zu stark waren die Schmerz in ihrem Körper, aber eine Bewegung in der Tür ließ sie Aufsehen und als sie in die braunen Augen, die sie so sehr liebte, blickte, vergaß sie alles um sich. Ihr Herz fing an, wie wild zu schlagen.

Was machte er hier? Wie war das möglich?

»Travis ...«, flüsterte sie mit ihrer belegten Stimme, doch er reagierte nicht und sah sie nur wehleidig an.

»Du erkennst ihn noch. Wunderbar. Er wollte dich an deinem letzten Tag hier noch mal besuchen «, erklärte Nobody grinsend.

Skàdi verstand nicht, was hier los war. Sie sah flehend zu Travis.

»Hilf mir ... bitte.«

Hoffnung tat sich in ihr auf. Er war hier. Er hatte sie gefunden und wollte sie retten, aber warum tat er nichts und stand einfach nur da? Warum reagierte er nicht auf sie?

Nobody lachte auf, als wüsste er, was sie dachte. Er legte seine Hand an ihr Kinn und drückte zu.

»Ach, kleine, dumme Skàdi. Er wird dir nicht helfen. Er ist hier, um mir zur Hand zu gehen. Weißt du, er hat sich damals richtig entschieden. Ich habe seinen Krebs geheilt und du warst die Bezahlung dafür. Ein Leben für ein Leben, du verstehst?«

Nein, sie verstand gar nichts. Sie wollte es nicht verstehen. Travis liebte sie und er würde so etwas nie tun. Wieder sah sie zu ihm und ihre Worte kamen nur leise über ihre Lippen.

»Travis, sag ihm, dass es nicht stimmt. Du hättest so was nie getan. Ich liebe dich und du mich. Bitte ... Hilf mir einfach. Hol mich hier raus«, bettelte sie.

Travis sah sie ausdruckslos an und ohne etwas zu sagen, verschwand er einfach aus der Tür. Skàdi schluckte und sah ihm nach. Die Schmerzen, die ihren Körper unterwanderten, waren nichts zu dem, was sich eben gerade in ihr ausbreitete.

Alles war umsonst gewesen. Sie war nur am Leben, weil der Gedanke daran, dass sie Travis gerettet hatte, sie am Leben hielt. Doch dieser Bastard war der Grund, warum sie überhaupt hier gelandet war. Hass erfüllte sie und sie spürte die Dunkelheit und die Gleichgültigkeit, die sich in ihr ausbreitete. Eine unheimliche Kälte legte sich auf ihren Körper und sie spürte die Macht, die sich in ihr sammelte. Ein Knoten aus eisiger Kälte entstand in ihrem Herzen und fraß sich durch ihre Venen. Es tobte in ihr und als sie den Blick zu Nobody richtete, legte sich ein breites Lächeln in sein Gesicht.

»Na, da ist es doch«, flüsterte er.

Er starrte in die rabenschwarzen Sicheln, die sich in Skàdis Augen gebildet hatten.

Wunderschön und gleichzeitig so verstörend. Nobody genoss den Moment und ließ seinen Blick das letzte Mal über ihren Körper gleiten.

»Na dann hole ich mir doch mal, was mir gehört«, und mit diesen Worten rammte er Skàdi eine weitere Spritze in den Hals und sofort wurde alles um sie dunkel.

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