Kapitel 32 - Es war einmal

Ich war in jungen Jahren schon stur, wie ein Esel und so war auch das Verhältnis mit meinen Eltern. Na ja, nennen wir es einfach beschissen. Mit 14 Jahren habe ich meine Tasche gepackt und bin mit einem Kumpel zusammen abgehauen.

So habe ich mich durchs Leben geschlagen. Mal habe ich auf der Straße gelebt, mal bei irgendwelchen Leuten. Die Zeit war hart und ich habe Dinge getan, reden wir lieber nicht darüber, aber ich habe es geschafft. Habe irgendwann einen Job in einer Bar gefunden und konnte mir so irgendwann eine eigene Wohnung leisten. Nichts Besonderes und auch nur 1 ½ Zimmer, aber immerhin.

Ja, mein Leben war nicht perfekt, aber ich habe das Beste draus gemacht, dachte ich zumindest.

Und dann kam der Abend, der mein Leben für immer verändern sollte. Ein Mann betrat die Bar. Ich kannte ihn vom Sehen her, denn er war öfter in der letzten Zeit da gewesen. Nur hat er mich an diesem Abend angesprochen. Wir haben uns über alles Mögliche unterhalten und ich dachte, er will mich anmachen. Ich kann mich nicht mal mehr erinnern, wie er ausgesehen hat. Wie auch immer. Irgendwann fragte er mich, ob ich nicht Lust hätte, für sein Studium eine Art Versuchsperson zu werden.

Er erklärte mir, dass er sich damit beschäftigte, wie Menschen auf Stress reagieren und er mich schon die letzten Tage beobachtet hätte und glaubte, dass ich eine geeignete Person dafür wäre. Ich hätte lächeln und nein Danke sagen sollen, habe ich aber leider nicht. Er meinte, es würde nur ein paar Tage dauern, in denen ich unterschiedliche Szenarien durchleben müsste. Dass ich die letzte in einer Gruppe von zehn Leuten wäre und letztlich sollte ich sogar noch Kohle dafür bekommen.

Tja, Geld kann man immer gebrauchen, also habe ich nicht lange überlegt und zugestimmt. Ein Fehler, wie ich jetzt weiß. Er blieb und wir quatschten noch eine Ewigkeit, über alles, außer über seine Forschung. Bevor er ging, meinte er noch, er würde mich am nächsten Morgen hier abholen. Jetzt weiß ich, dass ich hätte laufen sollen, damals aber, habe ich ein paar Klamotten gepackt, mit meiner Chefin geklärt, dass ich Urlaub benötige, und bin am nächsten Tag zu ihm ins Auto gestiegen. Er war nett, höflich und so fuhren wir zu dem abgelegenen Gebäude. Von außen sah es ziemlich schäbig aus, doch von innen. Holla die Waldfee. Alles wie aus dem Ei gepellt. Alle Mitarbeiter und das waren einige, begrüßten mich freundlich. Ich wurde in ein Büro geführt, wo mir ein Vertrag vorgelegt wurde. Ich weiß nicht, was drin stand, ich weiß nur, dass nach dem ich meine Unterschrift auf das Blattpapier gesetzt hatte, alles um mich schwarz wurde und als ich das nächste Mal erwachte, lag ich gefesselt in einer verdammten Kellerzelle.

Ich bin damals ausgeflippt, habe geschrien, getobt und letztlich habe ich geweint, wie ein kleines Kind und nach meiner Mutter gebettelt. Und dann betrat er meine Zelle, der Typ mit den eisblauen Augen. Mr. Nobody, gefolgt von Duke und in der Hand eine Spritze mit schwarzer Flüssigkeit.

Ich schrie ihn an, forderte Antworten, aber er lachte nur dämlich und sagte immer.

Die Antworten suchen wir gemeinsam.

Ich wusste nicht, wovon er da redete, aber ich sollte es erfahren. Er setzte die Flüssigkeit an und da habe ich das erste Mal in meinem Leben darum gebettelt, zu sterben. Die Schmerzen, die ich in meinem Körper gefühlt habe, waren unerträglich. Jede verdammte Zelle in mir hat aufgeschrien vor Schmerz. Es fühlte sich an, als würde man mir die Haut abziehen, während man mich gleichzeitig mit Benzin übergoss und anbrannte.

Ich ... ich weiß noch, dass ich ihn nur noch angebettelt habe mich zu töten und dass sein kaltes Lachen mir sagte, dass er mir diesen Gefallen nicht tun würde.

Im Gegenteil, er schnitt mir noch den Arm auf, verband ihn und ging, aber nur um exakt 24 Stunden später wieder in meiner Zelle zu stehen, um das Gleiche erneut zu tun. Jeden verdammten Tag. Und ja, die Schmerzen wurden jeden Tag schlimmer und immer wenn ich dachte, jetzt war's das, jetzt gibt mein Körper auf, passierte einfach nichts. Ich wollte sterben. Ich spürte, wie mein Körper immer schwächer wurde, aber es war, als würde er daran gehindert werden aufzugeben.

Drei Wochen. Jeden Tag dasselbe.

Heulen konnte ich nicht mehr. Ich hatte keinen Tränen mehr. Schreien ging auch nicht mehr, meine Stimmenbänder waren überreizt und so habe ich es einfach nur noch ertragen und nach einer Möglichkeit gesucht, es zu beenden, und dann kam der Tag, mein letzter Tag in dieser Hölle.

Wieder kam er gemeinsam mit Duke. Setzte mir die Spritze und wieder fühlte es sich an, als würde er mein Körper von innen verätzen und wieder setzte er das Skalpell an und drückte zu. Stärker und tiefer als sonst. Viel tiefer. Die Schmerzen ließen mich auf quietschen, mehr brachte ich einfach nicht zustande und dieser Schmerz ließ Wut entstehen. Wut auf dieses Arschloch. Wut auf mich, dass ich so dämlich gewesen war, und die Wut steigerte sich unaufhörlich, doch plötzlich verschwand der Schmerz und es fühlte sich an, als würde ein Feuerball durch meinen Körper schießen. Mir wurde warm, regelrecht heiß und da sah ich es ...

Auf meinen Handflächen hatten sich Flammen gebildet. Mein Blick schoss zu Mr. Nobody und seine Augen verrieten mir, dass er gefunden hatte, wonach er suchte, und schon sah ich nur noch, wie Duke eine weitere Spritze zog und mir in den Hals stach. So schnell wie mir heiß geworden war, wurde mir wieder kalt und ich verlor das Bewusstsein.

Als ich die Augen das nächste Mal öffnete, sah ich in Skàdis grüne Augen und wie sie mich liebevoll anlächelte und sagte: »Du hast es geschafft, los weg hier.«

Ich sah mich verschlafen um. Wir waren nicht mehr in der dunklen Zelle, sondern in einem komplett weiß gefliesten Raum, voller Maschinen. Es herrschte überall um uns herum Chaos und ich setzte mich langsam auf. Unter mir war eine Liege und als ich zu meinen Händen sah, konnte ich die Fesselspuren noch deutlich sehen. Meine Armbeuge war blutverschmiert und tat weh, wie die Hölle. Ich wollte aufstehen, brach aber sofort zusammen und Milano fing mich auf.

Ich zuckte zusammen, doch Skàdi lächelte wieder und sagte, er sei ein Freund und hilft uns. Milano nahm mich auf die Arme und ich weiß noch, dass mein ganzer Körper vor Angst bebte. Ich fühlte mich so schwach und kaputt und wieder stand sie plötzlich neben mir und lächelte.

»Das wird alles wieder, du hast nur zu viel Blut verloren.«

Ich nickte und dann machten wir uns auf den Weg nach draußen. Milano drückte mich fest an sich, denn auch er schien schwach auf den Beinen zu sein. Er schwankte immer wieder. Skàdi lief vor uns. Überall lagen tote Menschen. Überall klebte Blut und ich weiß noch, dass mir schlecht wurde.

Tja ... nach der Übelkeit kam der Schwindel und als ich wieder zu mir kam, waren wir in einer Stadt, in irgendeinem Motel und ich hatte, ungefähr genauso viele, Fragen wie du.

~~~

Alice sah zu Tamo, der die ganze Zeit schweigend da gesessen hatte und sie mit großen Augen anstarrte. Er schien nach Worten zu suchen und während er das tat, nahm Alice einen neuen Schluck Tequila.

Schließlich räusperte sich Tamo.

»Es tut mir leid. Also, dass du das durchleben musstest«, stammelte er, denn etwas Besseres fiel ihm nicht ein.

Was sollte man auch zu so einer Geschichte sagen? Es klang nach einem echt beschissenen Horrorfilm.

Alice nickte nur und sah ihn traurig an.

»Tja, bin ja wohl selbst schuld, oder?«

Tamo runzelte die Stirn.

»Blödsinn, du kannst doch nicht dafür, dass sich so ein Gestörter auf dich eingeschossen hatte, aber ...«, Alice unterbrach ihn.

»Du willst wissen, was das Ganze sollte?«, fragte sie.

Tamo nickte.

»Ja, was wollte er bezwecken? Eine Armee von Superhelden erschaffen oder was? Mal abgesehen, dass es schon unfassbar ist, dass es solche Fähigkeiten überhaupt gibt, aber dann müssen da draußen ja mindestens 100 von euch herumlaufen.«

Alices Blick wurde dunkel und ihr Blick ging ins Leere. Sie nahm einen weiteren Schluck und schüttelte den Kopf.

»Nein, es gibt genau noch vier von uns und davon sind jetzt gerade drei hier unter diesem Dach. Abgesehen von den Typen, die uns heute angegriffen haben«, erklärte sie.

Tamo runzelte die Stirn, denn das ergab keinen Sinn. Wenn man überhaupt noch von Sinn sprechen konnte.

»Aber die Bücher ...«

Alice schüttelte den Kopf.

»Nicht jeder Mensch kann solche Fähigkeiten entwickeln, laut seinen Aufzeichnungen hatte er dieses Phänomen nur bei knapp 20 von 100«, sagte sie seufzend.

»Okay, aber was ist dann mit den anderen passiert?«, fragte er stirnrunzelnd.

Alice hob ihren Kopf und schnaubte abwertend. Und ihre nächsten Worte ließen Tamo ernsthaft an das Gute auf dieser Welt zweifeln.

»Er hat sie getötet. Alle und dass Milano und ich noch leben, haben wir Skàdi zu verdanken.«

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