𝑰-2 | Gleich und gleich gesellt sich gern
——I——
KAPITEL ZWEI
GLEICH UND GLEICH GESELLT SICH GERN
————
Ich ging gedankenverloren durch die verlassenen Gänge, mein Blick nur auf die Bücher in meiner Hand gerichtet. Was bei Salazar war bitte mit Nott losgewesen, dass er mir plötzlich so nah gekommen war? Ich wusste ja, dass er ein ziemlich eigentümlicher Junge war, trotzdem kam diese Konfrontation irgendwie aus dem Nichts. Aber normalerweise ließ ich mich auch nicht so einfach provozieren und blieb bei solchen Sticheleien immer sehr gelassen – oder hatte zumindest passende Erwiderungen parat.
Für einen kurzen Moment hatte ich gedacht, dass Potter hinter mir stehen würde.
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Daran konnte es nicht liegen. Nott war aufgefallen, dass ich nicht gewusst hatte, was ich auf seine unverschämten Worte antworten sollte und hatte das sofort für einen weiteren Schlag ausgenutzt. Typisch Slytherin, schoss mir durch den Kopf. Dabei hatte ich immer gedacht, dass ich schwer zu durchschauen war.
Meine Beine trugen mich zurück zum Gemeinschaftsraum. Leise ich sprach das Passwort, um gleich darauf von zwei Erstklässlern umgerannt zu werden. Ich erinnerte mich, die beiden hatten schon am ersten Tag einen Streit vor den Zaun gebrochen. Nun schienen sie wohl die besten Kumpels zu sein. Ich taumelte und schaffte es gerade noch so, keins, der ausgeliehenen Bücher, fallen zu lassen. Das war zu viel des Guten.
„Hey, ihr Kleinkinder, passt auf wohin ihr rennt, ansonsten seid ihr beim nächsten Mal zwei Köpfe-" Sie verschwanden um die nächste Ecke, bevor ich meinen Ausruf vollenden konnte und ich stoppte mich. Als Vertrauensschülerin sollte ich diesen Satz ohnehin nicht beenden, obwohl ich ihnen als Marry zusätzlich zu dem Gesagtem einen Fluch hinterherjagen wollte. Wieso gerade ich Vertrauensschülerin geworden war, hatte mir niemand je erklärt. Aus meiner Sicht, war es eine lästige Arbeit, die meinen Schulalltag einschränkte und mich zu Sachen verpflichtete, die ich nicht tun wollte. Dazu kam, dass ich diese Verpflichtungen auch noch gemeinsam mit Malfoy ausführen sollte. Den einzigen Vorteil lieferte das eigene Bad, zu dem wir Zugang erhalten hatten.
Genervt atmete ich aus. Ich war eindeutig überreizt nach der Begegnung mit Nott. Einige Stunden Ruhe mit den neu ausgeliehenen Büchern würden jetzt wirklich guttun. Ich drehte mich zurück nach vorne und stieß dann mit der nächsten Person zusammen. Diesmal entglitten mir die Bücher und ich musste zusehen, wie sie mit einem dumpfen Geräusch auf dem silbrig-grauen Teppich landeten.
„Zwei Köpfe kürzer?", fragte Zabini belustigt, während ich resigniert auf die Bücher am Boden starrte. Wenn auch nur eine Seite beschädigt war, würde Madame Pince mich eigenhändig aufspießen.
„Du bist gleich der nächste, Zabini. Denkst du nicht, dass du mich heute schon genug belästigt hast?" Ich setzte ein spitzes Lächeln auf, während ich versuchte ihm nicht den Tod zu wünschen, doch der Junge achtete weder auf meinen Blick, noch auf meine Worte.
„Wir wollen heute noch nach Hogsmeade gehen.", sagte er und zu meiner Überraschung bückte er sich kurzerhand, um die Bücher aufzuheben. Dann streckte er sie mir hin und ich nahm sie überrumpelt entgegen. „Kommst du mit?"
Seine dunkelbraunen Augen sahen mich zum zweiten Mal heute mit seinem missglückten Hundeblick an, doch endlich fasste ich mich und wurde so kühl, wie man es von einer gebürtigen Slytherin erwarten konnte.
„Nein." Ich ging an ihm vorbei auf den Mädchenschlafsaal zu.
„Och, komm schon, bitte." Zabini holte mit einigen Schritten zu mir auf und ging neben mir her. Diese Klette wollte sich einfach nicht abwimmeln lassen.
„Kein Bedarf, danke." Ich schenkte ihm noch ein kühles Lächeln und betrat den Mädchenschlafsaal.
Zu meinem Glück war Parkinson nicht mehr hier und der Raum war wunderbar verlassen. Das Mopsgesicht hängte sich vermutlich mal wieder an Malfoys Hals – ekelhaft. Man konnte nicht leugnen, dass er mit seinen platinblonden Haaren, gepaart mit dem kühlen Blick und seinem Ich-bin-reich-Auftritt eine gewisse Ausstrahlung besaß. Leider war er dazu auch ein muggelverachtendes, mitschülerterrorisierendes – wie sollte ich sagen – Arschloch, was sein gutes Aussehen eindeutig überwog. Wie hatte irgendjemand denken können, er würde einen guten Vertrauensschüler abgeben? Vielleicht wollte Pansy gerade weil er ihre krankhaften Ansichten offenbar teilte, dass er ihr gehörte. Man sagte doch auch; Gleich und gleich gesellt sich gern.
Ich zwang mich an etwas anderes zu denken, als die Beziehung zwischen Parkinson und Malfoy und legte stattdessen die Bücher in meiner Hand auf meinen Nachttisch. Ich befreite mich von meinem schwarzen Umhang und setzte mich gemütlich auf die Tagesdecke meines Bettes, sodass ich in Ruhe bis in die Nacht lesen konnte. Vorgesetzt es gab keine unplanmäßigen Störungen von nervenaufreibenden Mitschülern. Ich warf der Eingangstür einen scharfen Blick zu, als ob sie etwas dafürkönnte, wenn Unruhestifter in den Schlafsaal kamen, doch sie blieb geschlossen und eine gewisse Ruhe kehrte in mir ein. Vielleicht hatte ich wirklich einmal Glück und niemand platzte einfach so rein. Ich besah mir die soeben ausgeliehenen Bücher und zog dann das Unterste hervor.
„Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind", las eine Stimme und ich schaute auf. Daphne – eine potentielle Unruhestifterin, aber trotzdem meine engste Freundin – stand vor meinem Bett und beäugte das Buch. „Danke, für die Hausaufgaben."
Sie lächelte, was ich mich sofort ebenfalls grinsen ließ.
„War das alles? Ich würde gerne-"
„Nein. Ich wollte fragen, ob du mit zum Quidditchfeld kommst?"
Warum wollte heute jeder etwas von mir? Konnte ich nicht einmal meine Ruhe haben?
„Nein." Ich schüttelte bedauernd den Kopf. „Ich habe keine Zeit."
„Ach, komm schon." Daphne setzte sich auf meine Bettkante. Sie war ja genauso nervtötend wie Zabini. Ich erwiderte nichts, schaute sie einfach nur resigniert an.
„Na schön." Sie sprang auf und lächelte. „Falls du doch unerwartet Zeit hast, kannst du ja nachkommen."
Mit diesen Worten verließ sie den Mädchenschlafsaal und ich war endlich alleine.
Für eine Weile las ich, doch meine Gedanken sprangen immer wieder zu Daphne und dem Quidditchfeld. Da war ich einmal alleine und konnte mich doch nicht aufs Buch konzentrieren! Nachdem ich drei Mal denselben Satz gelesen hatte, ohne sagen zu können, wovon dieser überhaupt handelte, legte ich das Buch frustriert weg und rappelte mich auf. Ob ich wollte oder nicht, ich würde dem Quidditchfeld einen Besuch abstatten.
„Hey Marry, ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr.", rief Daphne mir grinsend zu, als ich mich ihr und der Gruppe, in der sie stand, näherte.
„Hätte ich es mir doch denken können.", stöhnte ich. Zabini warf mir ebenfalls ein breites Grinsen zu und nebeneinander ergaben sie das perfekte Horrorduo für meine Nerven.
„Ach, nimm es mir nicht übel." Daphne hakte sich bei mir unter und die Gruppe machte sich auf den Weg nach Hogsmeade. Malfoy, Crabbe und Goyle waren ebenfalls an Bord, genau wie Nott, den ich versuchte so gut es ging zu ignorieren. Zu meinem Glück war zumindest Parkinson nicht in Sichtweite, was mich etwas freundlicher stimmte.
„Du bist so eine hinterhältige Schlange.", zischte ich Daphne zu und sie musste kichern.
„Ja, das stimmt wohl, aber wenn ich nichts unternommen hätte, hättest du einen weiteren kostbaren Abend deines Lebens mit öden, staubigen Büchern verschwendet. Genieß dein Leben doch etwas!"
„Du sagst das so, als würde ich meine Zeit unnütz vergeuden."
„Genau das meine ich auch!" Wir betraten das Drei-Besen-Gasthaus und setzten uns an einen großen Tisch in einer Ecke.
„Du weißt, dass wir minderjährige Hexen sind, die alles anderen als eine Vollmacht über ihr Leben haben?", fragte ich sie mit einer hochgezogenen Augenbraue. Ein trauriges Lächeln glitt über ihr Gesicht.
„Genau deswegen sollten wir uns noch so lange amüsieren, wie es geht."
Ich wurde nachdenklich. Ich konnte sie verstehen. Sobald wir die Schule abgeschlossen hatten würden wir beide wohl an irgendeinen reichen Erben verheirateten werden, da waren unsere Eltern ziemlich gleicher Meinung. Im Gegensatz zu mir, wollte Daphne davor unbedingt noch etwas erleben. Die erste Liebe finden oder so. Das hatten wir in so vielen Gesprächen schon besprochen, dass ich aufgehört hatte zu zählen. Während wir darauf warteten, dass die Getränke kamen, redeten die anderen miteinander und schienen sich zu amüsieren. Ging ich wirklich so selten raus, dass Daphne sich schon Sorgen machte?
Ich ließ meinen Blick über die Beteiligten schweifen. Zabini und Daphne redeten beide unaufhörlich auf Nott ein, der sich vehement verteidigte, Crabbe und Goyle saßen blöd dar und Malfoy... Ich schaute in ein Paar sturmgrauer Augen, in denen ich mich beinahe selbst verlor. Schnell wandte ich den Blick ab und versuchte irgendwie die aufsteigende Röte meiner Wangen zu verbergen. Warum starrte er denn so blöd? Und warum brachte mich das wieder so aus der Fassung?
Die Stunden zogen dahin und als wir das Drei Besen, auf mein Drängen, endlich verließen, war die Sonne bereits untergegangen und der Himmel sternenübersät.
„Hach, das war doch ein toller Tag.", schwärmte Daphne, während sie großzügig die kühle Abendluft in sich aufnahm. Ich sagte nichts dazu, konnte nur daran denken, dass es bestimmt schon nach Ausgangssperre war. Außerdem spürte ich in meinem Rücken immerzu diese grauen Augen. Seit heute fühlten sie sich anders an, irgendwie stechender. Er hatte mich die ganze Zeit beobachtet, da war ich mir zu hundert Prozent sicher. Na gut, vielleicht eher neunzig Prozent. Dabei hatten wir kein einziges Wort miteinander gewechselt und ehrlich gesagt, war mir das auch ganz Recht. Ich schüttelte den Kopf und zog meinen Zauberstab aus meinem Ärmel.
„Lumos", murmelte ich und ein kleines Licht leuchtete an der Spitze meines Stabes auf. Zabini und Nott taten es mir gleich und gemeinsam gingen wir zurück zum Schulgebäude. Die anderen redeten und scherzten immer noch fröhlich miteinander, doch mich überkam ein schauriges Gefühl. Wir waren die Einzigen, die jetzt noch zum Schloss gingen, dabei waren wir sicher nicht die einzige Schülergruppe, die in Hogsmeade gewesen war. Ich blieb stehen und drehte mich zurück zu der Richtung, aus der wir gekommen waren. Hatte sich dort nicht gerade ein Schatten bewegt?
„Leute, weiß einer von euch, wie spät es ist?", fragte ich. In der Dunkelheit konnte ich kaum etwas erkennen und am liebsten hätte ich Lumos Maxima gesprochen, um auch die entlegensten Winkel mit Licht füllen zu können. Ich verfluchte mich selbst langsam dafür mitgegangen zu sein. Ich konnte mich sowieso nicht entspannen und die anderen schienen sich auch ohne mich köstlich zu amüsieren. Zu meiner Frage kam nämlich auch keine Antwort.
„Leute, wir-"
Als ich mich zurück nach vorne drehte, stockte ich. Die Lichter von Nott und Zabini waren verschwunden und hören tat ich sie auch nicht mehr. Mein Herz raste so heftig in meiner Brust, dass es fast wehtat.
„Hallo?", flüsterte ich in die Schwärze, doch nichts regte sich. Ich leuchtete noch einmal kurz nach hinten, als plötzlich Malfoy wie ein Geist vor mir auftauchte. Beinahe wäre mir ein Schrei entfahren, stattdessen zuckte ich heftig zusammen. „Scheiße, Malfoy!"
„Was ist denn los, Avery? Zuerst bleibst du zurück und jetzt zuckst du bei meinem Anblick auch noch zusammen. Hast du etwa Angst vor mir?" Ein selbstgefälliges Grinsen legte sich auf seine Lippen und zu meinem Bedauern sah er dazu auch noch auf mich herab. Es waren nur einige Zentimeter, doch selbst diese nutzte er schamlos aus, um mich besonders klein und zerbrechlich fühlen zu lassen. Ich atmete tief durch. Egal, was für einen Schrecken er mir eingejagt hatte, es war nur Malfoy mit seinen üblichen Sticheleien.
„Angst vor dir? Das ich nicht lache." Ich musterte ihn demonstrativ, dabei blitzte mir das silber-grüne Abzeichen auf seiner Brust entgegen, und sah dann gleichgültig wieder nach vorne, wo die Türen Hogwarts langsam aus der Schwärze der Nacht auftauchten. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass wir schon so nah an der Schule waren.
„Ach, ja?", fragte er. Ich spürte seinen Blick förmlich auf mir und aus den Augenwinkeln sah ich, dass sein Grinsen immer noch nicht verflogen war.
„Warum starrst du denn so?", fragte ich zurück, ohne auf seine wohl eher rhetorisch gemeinte Frage einzugehen. Ich hatte das seltsame Gefühl das auf dieses „Ach, ja" noch etwas folgen würde, doch er beließ es dabei.
„Ich starre nicht. Jemand wie Blaise starrt. Ich betrachte höchstens noch.", erwiderte er. „Außerdem kann ich ja wohl nichts dafür, dass du meine Aufmerksamkeit wie ein Magnet auf dich ziehst."
Meine Augen weiteten sich vor Überraschung und Hitze schoss mir ins Gesicht. Sofort ließ ich das Licht auf meinem Zauberstab verlöschen und blieb stehen, damit er nicht sehen konnte, dass er mich zum zweiten Mal diesen Abend erröten ließ. Was war das denn bitte? Er konnte sich doch nicht damit rechtfertig, dass ich seine Aufmerksamkeit auf mich ziehen würde. Außerdem tat ich das überhaupt nicht! Wie konnte er- Und warum sollte ich? Wollte er irgendetwas von mir?
„Avery, ob du's glaubst oder nicht, aber ich kann nicht im Dunklen sehen. Wenn du also so freundlich wärst uns wieder zu leuchten."
Dieser Idiot. Jetzt klang er wieder absolut abgeklärt, nachdem er so etwas von sich gegeben hatte.
„Es sei denn, Madame möchte etwas vor mir verbergen.", sagte Malfoy direkt neben meinem Ohr und aus einem Reflex heraus, schubste ich ihn von mir weg.
„Hör auf damit, du Psychopath! Bei dir ist doch irgendwas kaputt gegangen.", zischte ich. Als Antwort darauf bekam ich nur ein leises Lachen zu hören. Seine raue Stimme ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Er wollte mich doch nur auf den Arm nehmen und in die Irre führen. Solche Spielchen machten jemanden wie Malfoy sehr viel Spaß. Er konnte gar nichts Gutes im Schilde führen. Es war immerhin Malfoy. Licht leuchtete auf und ich sah, dass er wieder in einem normalen Abstand neben mir stand. Ich erkannte die Eingangstür vor uns und setzte mich erleichtert wieder in Bewegung.
„Lass uns jetzt reingehen. Hoffentlich ist es noch nicht nach Acht. Ich will unserem Haus keine unnötigen Punkte abziehen."
„Es ist mit ziemlicher Sicherheit schon nach Acht. Die Hauptsache ist doch, dass uns kein Lehrer erwischt. Dann werden uns auch keine Punkte abgezogen."
Ich warf Malfoy einen genervten Blick zu und merkte, dass ich diesen Ausdruck auf seinem Gesicht mochte. Wenn er etwas vorhatte, was aber niemandem schadete. Dieses Funkeln war unglaublich schön.
——×××——
Soo, es ist zwar nicht Samstag, aber who cares. Ich habe zwei lange Tage gewartet und weil heute ein ganz besonderer Tag für mich ist poste ich das zweite Kapitel jetzt schon.
Die erste Interaktion Marrys mit Draco. Ulala. Mein Lieblingssatz dieses Kapitels; „Ich starre nicht. Jemand wie Blaise starrt." Nun gut, es sind zwei Sätze. Aber diese Erwiderung erinnert mich nur zu gut an meinen eigenen Freundeskreis.
xo Alex
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top