5. ...nein Schicksal.
Zwei Jahre waren vergangen, seitdem ich die Welt in einem gelben Kleid, das locker an meinem Körper lag, geistig verlassen hatte.
In diesen Jahren hatte sich so vieles verändert, und ich konnte es kaum fassen, wie anders alles geworden war, seitdem Askim nach Berlin ziehen musste. Meine Eltern, die einst ein glückliches Paar waren, hatten sich nach diesem Jahr getrennt. Ihre Liebe erlosch, wie eine Kerze im Wind, und sie gingen getrennte Wege.
Ich erinnerte mich an den Tag, an dem sie mir die Neuigkeiten mitteilten, als wäre es gestern gewesen. Die Worte ihrer Erklärung hallten in meinen Ohren wider, während ich in meinem gelben Kleid da stand und versuchte, die Tränen zurückzuhalten.
Meine Mutter, zu der ich sowieso keine gute Bindung hatte, verlor sich nach dem Jahr in einer düsteren Welt. Die Sucht ergriff von ihr Besitz, und sie vergaß mich oft, während sie nach ihrem nächsten Rausch suchte. Sie schlug mich, wenn ich nicht das tat, was sie verlangte. Mein gelbes Kleid verblasste im Vergleich zu den dunklen Schatten, die sich über unser Zuhause legten.
Ich hatte Askim seit dem Tag seines Abschieds nicht mehr wiedergesehen. Sein Gesicht, seine Stimme, all die Abenteuer die wir beide zusammen mit Marcel erlebt hatten, sind zu verschwommenen Erinnerungen geworden.
Auch Marcel war vor kurzem nach Berlin gefahren. Er sagte, er würde wieder kommen. Ob er Wort hielt, bezweifelte ich.
In diesen Jahren hatte ich gelernt, dass das Leben nicht immer so verläuft, wie man es sich erträumte. Manchmal bringt es einen in unerwartete Abgründe, und man müsste stark sein, um nicht darin zu versinken.
Trotz all der Verluste und Veränderungen trug ich die Farbe gelb jeden Tag an mir, als ein Symbol für die Erinnerungen an die schöne Zeit.
Und während ich in der Vergangenheit verweilte, fragte ich mich, wie ich das alles schaffen sollte. Ich konnte nur hoffen, dass mich die Zukunft zu einem besseren Ort führen wird, wo ich wieder strahlen konnte und das in meinem gelben Kleid.
Ich lief, mit den Gedanken daran, was in den letzten Jahren war, in meiner Gegend umher, weil ich nicht nach Hause wollte.
Ich ging in eine Seitengasse. Es war kurz vor Mitternacht doch ich hatte keinerlei Angst. Denn selbst wenn mir was passieren würde, wär es mir völlig egal. Mich brauchte niemand.
Ich bog nach links und sah den Mann, den ich vor einem Jahr zum ersten Mal am Teich getroffen hatte, wieder. War sein Name nicht Lucca?
Die Erinnerung daran, was an diesem Abend geschah, überrumpelten mich. Ich hatte seit diesem Tag diese Erinnerung verdrängt und das würde ich jetzt weiter können. So war es und so geschah es. Ich unterdrückte das passierte und schaute Lucca von hinten, in Deckung an. Die Worte, die er mir sagte, kamen ebenfalls wieder hoch: "Man sieht sich immer zweimal im Leben." Wie wahr.
Doch dann bemerkte ich, dass er am Telefonieren war. Ich konnte nicht anders, ich lauschte seinem Gespräch, obwohl es unhöflich war. Ich hörte ihn sagen: "Er hat nichts notwendiges ausgespuckt?!"
Die Antwort von dem Anderem am Telefon konnte ich nicht hören, aber dann sagte er: "Was machen wir mit ihm? Wir können ihn ja einfach umbringen."
Ich war fassungslos über das, was ich da gehört hatte. Mein Herz raste, und ich wollte einfach nur weg, diese dunklen Geheimnisse nicht in mein Leben lassen. Ich drehte mich, um zu gehen, doch in meiner Eile trat ich auf etwas. Es war ein abgebrochener Ast, der laut knackte.
Lucca hörte das Geräusch. Sein Blick war zuerst ernst, als er das Geräusch wahrnahm. Doch als er mich dann sah, war sein Gesicht direkt wieder gelassen. "Hübsche, man belauscht anderen nicht", sagte er ruhig und legte, ohne ein weiteres Wort zu dem am Telefon, auf.
"Was war das für ein Gespräch?", fragte ich, meine Stimme zittrig vor Angst und Verwirrung.
Er seufzte und trat näher. "Es ist kompliziert." "Ach was du nicht sagst."
Er legte sanft seine Hand um meine Taille. Ich starrte auf sie doch konnte nichts sagen. Ich war wie in Schockstarre.
"May, du hast bereits zu viel gehört und schon früher zu viel gesehen. Du bist jetzt in diesem Netz meiner Geheimnisse gefangen, egal ob du willst oder nicht. Es wäre besser, wenn du auf unserer Seite wärst, sonst muss ich dich leider umbringen. Und das wär wirklich schade um so ein schönes Mädchen wie dir", erklärte er gelassen, als würde er es jeder zweiten Person sagen. "Ganz davon abgesehen, sehe ich, wenn Menschen den Drang entwickeln zu töten."Wie meint er das denn jetzt? Und wie sollte man sowas erkennen?
Vielleicht bekommst du ja Geld?
Diese nervige Stimme... Sie war zwei Jahre nicht mehr da und tauchte jetzt plötzlich wieder auf. Jedoch gefiel mir der Gedanke, also sagte ich: "Gut, ich helfe dir, aber unter einer Bedingung: Ich möchte Geld dafür haben."
Es war dumm, ich weiß. Ich dachte aber ich in dem Moment ausschließlich daran, endlich mal Abwechslung zu haben. Ich wusste in dem Moment nicht, dass diese Entscheidung sehr viel mehr bedeuten würde.
Er zog überrascht die Augenbrauen hoch - schien nicht großartig über seine nächste Antwort nachgedacht zu haben. Er sprach gelassen: "Klar, ich hab' genug Geld. Zwar verstehe ich nicht ganz, wieso du Geld verlangst, obwohl ich dir gerade gedroht habe, dich umzubringen aber den Gefallen tue ich dir trotzdem." Wie nett von ihm, dachte ich ironisch.
Ich rang mit mir selbst, unsicher über meine Entscheidung.
Was hast du schon zu verlieren? Niemand würde dich vermissen.
Also fühlte ich letztlich, dass ich keine andere Wahl hatte, als mich auf diese gefährliche Reise einzulassen. Ich dachte an die Worte meiner Großmutter: "Das Schicksal wirft die Karten und du spielst das Spiel."
"Gut, ich mach es und jetzt Pfoten weg von mir!", sagte ich überzeugend und deutete auf seine Hände, an meine Taille. Er nickte, ließ mich los und ging voran.
Ob man diese Situation, noch Zufall nennen konnte, wagte ich zu bezweifeln.
Es war mehr Schicksal...
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