24. Sternenregen

Nachdem sich heraustellte, dass ich von May eiskalt hinters Licht geführt wurde, und es hier keineswegs ein kleines Mädchen zum Suchen gab, lief ich zurück zu meinem Auto... Zumindest war das mein Plan. Wer hätte ahnen können, dass die freche May mir einfach mein Auto einkassiert?

Ganz davon abgesehen, verstand ich nicht wirklich, wieso sie es tat. Gut möglich, dass sie den Verdacht besaß, dass ich ein Mörder bin, und deswegen fliehen wollte, jedoch konnte sie auch ganz einfach zu Fuß von hier verschwinden - das wären keine zehn Minuten, um bei sich Zuhause zu sein. Ich würde ich auch niemals weh tun, dafür hätte ich mich dann doch unter Kontrolle... Oder?

Ich verstand einfach nicht, was May davon hatte, mir mein Auto zu stehlen... Was mir jedoch viel mehr Sorgen bereitete, war, dass es einerseits nicht mein Auto war; Bekomme bestimmt deswegen noch Anschiss, aber auch mein kleines Opfer im Kofferraum. Natürlich rechnete ich nicht damit, dass sie mir einfach eiskalt weggenommen wird und das auch noch von meiner alten besten Freundin... Wer rechnet schon mit sowas?

Ich musste schnellstmöglich herausfinden, wo sie sich befand. Und mit sie, meine ich die kleine Leiche. So etwas darf nicht passieren. Wenn May das kleine Meisterweg im Kofferraum sah, würde ihr dann mehr als bewusst sein, dass ich ein Mörder war.

Vielleicht käme auch die Polizei dazwischen, und dann wäre ich richtig am Arsch. Wenn die Bullen das tote Mädchen sehen würden, landete ich wohl oder übel schneller im Knast, als ich gucken könnte.

Glücklicherweise stellte sich das Orten meines Autos als sehr einfach heraus, weil ich eine Ortungsapp installiert hatte. Und Gott verdammt, war ich dann wütend. Dort stand, dass sie sich in Berlin befand... In Berlin!

Ich war definitiv völlig am Arsch!

Wie zum Fick sollte ich dort schnellstmöglich und unauffällig hin gelangen?
Dazu war ich eigentlich immernoch auf der Suche nach Emery... Wieso verstecken sich immer alle vor mir?

Es musste ein Plan her und das sehr schnell. Doch gleichzeitig kam Sekunde für Sekunde immer mehr das Bedürfnis, jemanden das Leben zu nehmen. Es fühlte sich wie ein kleines Männchen in meinem Kopf an, welches mir immer wieder zuflüsterte, dass ich jemanden quälen, leiden, ersticken.. würgen solle. Ein himmlisches Gefühl, an das ich garnicht denken darf; Es verpasste mir immer wieder eine Gänsehaut.

Und nach jedem toten Sternchen, fühlte es sich zuerst an, wie ein Sternschnuppenfall. Als könne man sich alles wünschen; als wäre man allmächtig. Doch danach fiel der Sternenregen, wie Hagel auf meine Oberfläche, und zerstörten mich Stück für Stück immer mehr.

Ich hatte ein schlechtes Gewissen - jedesmal, nach jedem Sternschnuppenschauer. Und gleichzeitig konnte ich nicht aufhören, mir immer und immer wieder diesen bemerkenswerten Himmel anzuschauen und mich zu fühlen, wie Gott.

Es ist ein Geschehen, welches nur Menschen verstehen, die es selbst einmal ausprobiert haben. Doch anstatt sie versuchen zu verstehen - meine Geschichte dahinter zu begreifen, zeigen sie nur mit dem Finger auf einen und sagen, man wäre ein Monster.

Warum beschweren sich andere, dass ich ein Monster bin? Wieso frag sich keiner, wer oder was mich zum Monster gemacht hatte? Ich wollte das nie und trotzdem war es passiert. Wieso urteilen die Menschen, bevor sie einen kennen? Ich kann dafür doch garnichts.

Leise lief ich aus dem Wald, schaute mich um und ging geradewegs den Feldweg entlang. Jetzt war Vorsicht geboten. Ein Fehler, eine Auffälligkeit und es könnte der Fall ins Gefängnis sein.

Ich war paranoid und das ohne einen wirklichen Grund. Es war unwahrscheinlich, dass die Polizei mir jetzt schon auf den Fersen war, jedoch war mir klar, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis es passierte. Und Gott verdammt, hätte ich doch lieber anders gehandelt, als diesem einem Mädchen das Leben zu nehmen und es achtlos in meinem Auto zu lassen, während mich meine Mordsucht, zum weiteren Mädchen, antrieb.

Doch es geschah, und ich musste jetzt fliehen. Am Besten ganz weit weg von Hamburg und Berlin. Doch wie? Wie zum Fick hätte ich das anstellen sollen?

Meine Frustration lastete mir schwer auf den Schultern. Ich ging den einen Plan durch, und schmiss ihn dann wieder weg, weil er zu auffällig wäre. Dann kam der nächste, welcher sich aber auch schnell als sinnlos entpuppte. Und so lief ich immer weiter gerade aus, noch ein Haus, noch ein Haus, mit den Gedanken völlig woanders. Noch ein Haus, noch ein Haus.

Hamburg war solch eine schöne Stadt. Alles funkelte wie ein Juwel. Ein Juwel, welcher aber zu viele scharfe Ecken und Kanten besaß, um es wirklich als makellos bezeichnen zu können.

Mein Blick ging nach vorne, während eine ängstliche Katze von der einen Straßenseite zur anderen huschte. Nach und nach verdichteten sich die Wolken immer mehr. Sekunde für Sekunde übernahm die Dunkelheit nicht nur die Umgebung, sondern auch meine Gedanken, bis ich völlig blind war. Blind vor dem, was und wem ich es tat.

Ich lief in eine Seitengasse, während das Verlangen nach Mord riesig war. Es nützte rein garnichts, sich dagegen zu wehren. Und so lief ich keine fünf Minuten in der Seitenstraße und fand schnell mein kleines Opfer.

Sie war ungefähr siebzehn Jahre alt. Auch hier spielte wie immer das Alter eine große Rolle. Zu jung oder zu alt? Nicht optimal für meinen Mord.

Ich setzte mir die Kapuze auf und schneller als ich es wahr nehmen konnte, krächzte die arme Frau in meinen Händen.

Wütend fokussierte ich sie und nahm jedes Geräusch und jede Bewegung wahr, welche sie voller Hilflosigkeit tat. Adrenalin und weitere unbeschreibliche Gefühle durchströmten meinen Körper; meine Seele.

Nach jeder einzelnen Bewegung, verschwand immer mehr die Gegenwehr und schließlich bewegte sie sich kaum, jedoch schlossen sich die Augen nicht.
Glanzlos? Ja.
Müde? Ja, doch tot?

Sie starb einfach nicht. Egal wie lange ich zudrückte und wie stark ich sie würgte, ihr Körper viel einfach nicht schlapp runter.

Lass sie los! Lass sie frei!

Das kleine Männchen. Ich erzählte doch von ihm. Er sagte mir, wann ich wen umbringen sollte. Doch das ich es lassen solle, sagte mir das kleine Männchen in meinem Kopf noch nie. Jedoch ließ ich ohne zu zögern den Druck an ihrem Hals los und setzte sie behutsam ab.

Was war das? Wieso fühlte ich aufeinmal so ein Schuldgefühl?

Ich flüsterte nur noch ein "Es tut mir leid, Schönheit" und verschwand in die Dunkelheit.

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