16. ...Nein, Fangspiel
Diese fremde Stimme durchzuckte meinen ganzen Körper. Alles schrie in mir, dass ich von ihm davon rennen sollte, und was tat ich?
Ich bat ihm um Hilfe...
Hast du super gemacht, May.
"Bei was brauchst du Hilfe, Schatz?" Sein Lächeln wirkt so... unnatürlich - gefälscht.
Und dieses Wort Schatz - Im Ernst?
Was sollte ich tun?
Was war richtig und was falsch?
Sollte ich ihm vertrauen?
Wieso stellt er sich direkt bereit dafür, mir zu helfen? Wir haben uns unfassbar lange nicht mehr gesehen und er tut so, als ob wir nie getrennt wären. An sich gut... In dieser Situation aber hatte ich ein ungutes Gefühl.
"Ich, ehm... Habe mich verlaufen-... Im Wald, also ich weiß selbst nicht so recht wie aber..."
Sein Blick war skeptisch und er fragte nochmal: "Wie kann ich dir helfen, May."
Immerhin nicht mehr Schatz!
Was sollte ich sagen? Sollte ich auf mein Bauchgefühl hören? Ihm nichts über Lucca erzählen oder einfach verschwinden?
Nein, dass macht kein Sinn.
Er ist meine Rettung! Er ist bestimmt nur selbst nervös und kommt nur so komisch rüber.
"Es ist eine lange Geschichte. Aber hier ist ein-" Ich unterbrach mich selbst. Wie sollte ich das erklären, ohne dass er mich komisch hielt? Immerhin entschied ich mich mehr oder weniger freiwillig dazu, mit diesem Lucca zu gehen.
"May, bitte, ich werd sonst noch wütend und das wollen wir doch nicht, oder?"
Wütend? Wie meint er das?
"MAY, FLIEH!"
Unbeschreiblich dieses Gefühl der Stimme. Nannte man das noch Bauchgefühl? Dafür war es doch zu intensiv oder nicht?
Nein, ich konnte ihm nichts sagen.
Ich hör' auf dich, du komische Stimme!
"Ich suche ein kleines Mädchen. Wir wollten Pilze suchen gehen und... Dann hab' ich sie irgendwie verloren- bisschen unangenehm."
Eine gute Lügnerin war ich schon immer. Und jetzt mal im Ernst, wer würde denken, dass das gelogen war? Dazu musste ich sowieso Mariam suchen.
Oh Gott, was ist wenn er sie findet und umbringt? Scheiße!
"Ich... Also du brauchst mir nicht helfen." Meine Stimme klang verzweifelt.
Wie soll ich das jetzt machen? Wie soll ich sie finden, ohne Lucca über den Weg zu laufen? Es schaffen, dass Marcel Mariam nicht zuerst entdeckt?
Ich brauch' ein Plan, aber schnell!
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Der Plan stand fest. Er half mir, sie zu suchen. Ich zeigte ihm aber die entgegengesetzte Richtung, wo ich sie zuletzt sah. Und ich hoffte, dass das Glück auf meiner Seite war.
Ich erwähnte nichts mit Lucca. Soll Lucca allein zurecht kommen. Vielleicht bringt Lucca Marcel um oder andersrum. Wär doch spannend zu sehen!
Währenddessen ich bei der Richtung suchte, wo ich Mariam zuletzt sah. Das Mädchen konnte doch nicht einfach so verschwunden sein.
Nachdem ich sie dann gefunden habe, würden wir in das Auto von Marcel, oder wie ich ihn gerne nannte; Celi, einsteigen und davonfahren.
Und dann? Ich wusste es auch nicht. Einfach wegfahren. Flucht war die einzige Möglichkeit.
Also, bitte, Mariam. Lass dich von mir finden und wir verschwinden!
Was ist, wenn sie tot ist?
Ist sie schon nicht.
Was wenn doch?
"FUCK MICH NICHT AB. Sie wird schon noch am Leben sein!!" Schrie ich in den Wald hinein.
Wut. Angst.
"Mariam, bitte! Komm doch einfach her."
Verzweiflung.
Aufeinmal kam alles an Gefühlen in mir hoch. Am Liebsten hätte ich mich in eine Ecke verkrochen und bitterlich geweint.
"Hiii."
Diese plötzliche zierliche Stimme, diese junge Stimme. Wie in Zeitlupe drehte sich mein Körper um 180 Grad und ich erblickte die kleine Mariam.
Oh mein Gott! Endlich.
Sie rannte mit ihren winzigen Füßen zu mir. In dem Moment sah es so aus, als wär ich ihre Mum.
"Mariam...", hauchte ich. "Wo warst du?!"
"Ich- Tut mir leid. Ich wollte dieses eine Eichhörnchen fangen... Es hat mit mir gerede-"
"Mariam, diese Tiere gehören in den Wald. Komm, wir müssen von hier verschwinden!", unterbrach ich sie. Ich nahm ihr Arm sampft und ging Richtung Celi's Auto.
Man konnte nicht in Worte fassen, wie glücklich ich war, sie zu sehen - sie lebend gefunden zu haben.
Ich würde es mir niemals verzeihen, sie allein bei einem oder sogar zwei Mördern zu lassen. Geschweige denn, das Gewissen, dass sie tot wäre. Ich fühlte mich verantwortlich für sie. Absurd
Kurz vor Marcel's Auto entglitt die Hand der Kleinen aus meiner. Und sie begab sich dann zielstrebig zu einem nahegelegenen Baum.
"Mariam, komm her!" Mein Ruf durchdrang den Wald, fast schon brüllend, aber von ihr keine Reaktion.
Auf dem Moosboden niedergelassen, hielt sie kleine Käfer in ihren Händen. Bevor ich begriff, was genau sie vorhatte, zerquetschte sie einen der winzigen Käfer, scheinbar ohne jegliche Gnade. Ein Lächeln zierte ihr Gesicht, als würde sie dabei eine eigene Art von Freude empfinden.
"Mariam, lass die kleinen Käfer in Ruhe."
Ihr Blick richtete sich zu mir nach oben, und ein Lächeln spielte auf ihren Lippen. Dann legte sie sich vollständig auf den Waldboden und schlief ein.
Jap, sie schlief ein. Einfach so - ohne Grund.
"Mariam!"
Ich werd' niemals Kinder haben. Niemals! Das ist ja anstrengend.
Ich hockte mich zu ihr runter und schüttelte sie, damit sie wieder wach wurde - keine Reaktion. Was'n
Scheiß.
Verstand sie den Ernst der Lage nicht? Nein, woher auch. Sie war ein Kind, für sie ist alles ein Spaß.
"Komm, ich nehm' dich Huckepack."
Plötzlich sprang sie auf und sprach voller Freude:
"Wirklich? Wie cool!"
Muss ich das verstehen?
Ein plötzliches Rascheln hörte ich. Vielleicht ein Tier oder...
Meine ganze Aufmerksamkeit fiel auf die Umgebung, wärenddessen mich Mairam damit nervte, dass sie auf meinen Rücken wollte.
"Mariam, sei kurz leise", versuchte ich so sanft wie möglich zu sagen, doch sie hörte nicht. Immer wieder kam aus ihrem Mund:
"May, lass mich auf dein Rücken."
"Du hast gesagt, ich darf."
"Mayyy, ich hab Hunger!"
"Darf ich jetzt auf dein Rücken?"
"Warum ignorierst du mich?"
Meine Geduld war zum Reißen gespannt.
"Mariam, nerv jetzt nicht, sonst lass ich dich hier sterben!"
Wie in schock starrte sie mich an. Und ihre Augen wurden glasig. Auch das noch.
"Hey, hey, tut mir leid." Ich versuchte sie zu beruhigen, doch es klappte nicht.
Ich hockte mich hin und symbolisierte ihr, dass sie auf mein Rücken klettern konnte. Ihr glaubt mir gar nicht, wie rasch sich ihr trauriges Gesicht in ein fröhliches verwandelte.
Nicht mal eine Sekunde, nachdem sie auf diesen war, erblickte ich Luccas Gesicht.
Oh Gott. Den gibt's ja auch noch.
"Mariam, festhalten!"
Ich rannte los. Das Knistern trockener Blätter unter meinen Stiefeln begleitete mein hektisches Rennen. Panik pulsierte in mir, während ich unserer Flucht durch den dichten Wald navigierte.
Mariam presste ihr Gesicht an meinen Nacken. Die Rufe von Lucca hallten in meinem Kopf wider, während meine Muskeln sich anspannten.
"Warum rennst du weg, Sonnenschein?", schrie er. Es hallte durch den Wald - durch meinen Kopf.
Jeder Schritt war eine Herausforderung, aber der Gedanke, Mariam zu beschützen, trieb mich voran.
"Du brauchst keine Angst zu haben."
Die Bäume flogen vorbei, ein verschwommener Farbklecks aus roten, gelben und orangefarbenen Blättern. Der Geruch von feuchter Erde und modrigem Laub erfüllte die Luft.
"Ich tuh dir nichts!"
Mein Herzschlag übertönte alles, als wir endlich die Lichtung erreichten. Sein Auto stand dort, die rettende Zuflucht. Meine Lungen brannten vor Anstrengung, als ich Mariam von meinem Rücken nahm und sie ins Auto setzte. Meine Finger zitterten, als ich ihren Sicherheitsgurt festzog.
Die Motoren heulten auf, als ich das Auto startete, und wir rasten davon. Der Wald verschwamm zu einem Grün und Braun. Mariam klammerte sich an ihren Sitz. Der Ausdruck der Erleichterung in meinen Augen war nicht allzu schwer zu erkennen, als wir endlich Marcel und Lucca hinter uns ließen und dem herbstlichen Wald entflohen.
Jetzt geht's auf zur Stadt Berlin.
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