15. Versteckspiel?

Wort für Wort las ich mir die Seite durch. Fasziniert über jeden Satz und geschockt vom Inhalt.

Ich wollte eine Seite weiter blättern, den Inhalt weiter lesen, doch dann durchbrach Luccas Stimme die Stille der Nacht.

"Wer hat dir bitte erlaubt das Buch zu lesen, hm?" Seine Stimme klang wütend und präsent.

Ich erschrak und starrte in Luccas Augen, unfähig etwas zu argumentieren. Stille, nichts als Stille und die Geräusche der Natur. Ich versuchte nicht einmal ihm zu antworten. Meine Augen starrten ihn nur an und hofften, dass es er einfach wieder ging - was er natürlich nicht tun wird.

Kann ich nicht einfach im Boden versinken?

"Gib mir das scheiß Buch!" Monoton und wütend sprach er die Aufforderung.

Keinen Zentimeter bewegte ich mich. Es fühlte sich so an, als ob mein Körper festgefroren wäre.

Warum musste meine Neugier auch siegen?

"May, Antworte mir."

"Ich, ehm... Tut mir leid" Mehr kam nicht aber es stimmte. Das Ganze tat mir wirklich leid... Irgendwie.

"Du sollst mir das verdammte Buch geben und mich nicht nerven mit deinen Entschuldigungen. Ändern wird sich eh nichts. Du bist und bleibst neugierig! Hör auf dich für Sachen zu entschuldigen, die du eh nie ändern wirst!"

Ich war überrascht, über seine Worte. Sonst sprach er doch nur das, was für ihn am Wichtigsten erschien.

Wie von selbst nahm ich das Buch und gab es ihm. Er riss es mir aus der Hand.

"Geh und lass uns niemals über dieses Buch reden."

Ich nickte und mit einem letzten Blick in seine Augen, ging ich aus dem Auto und dachte nach.

Meine Füß führten mich den See entlang, wo zuvor Lucca sein T-Shirt gewaschen hatte.

Was ist, wenn er kein Mörder ist, der aus Lust und Laune tötet? Er meint immer; er tötet nur, wenn ein Grund dafür existiert. Und bei seiner mum existierte ein Grund.

Ich blickte in mein Wasserspiegelbild. Meine Haare waren völlig durcheinander und meine Augen sahen müde aus. Ihr ehemaliger Glanz, existierte schon lange nicht mehr.

Was wäre passiert, wenn Askim nie nach Berlin gezogen wäre? Würde ich dann glücklicher sein, als ich es jetzt bin?

Fragen über Fragen tummelten sich in meinem Kopf, Fragen ohne Antworten und wenn es Antworten gab, dann eher welche, die nicht zufriedenstellend waren.

Verträumt blickte ich in die wunderschöne Natur. Die kleinen Sterne umzingelten den Halbmond und das Leuchten spiegelte sich auf dem Wasser ab.

Früher dachte ich, dass auf jeden dieser Sterne ein kleiner Mensch lebt. Ein Mensch, der auf mich aufpasste und mir sagen würde, wie ich meinen Weg richtig entlang gehen solle. Dumm und trotzdem die einzige Möglichkeit positive Gedanken zu haben.

Früher war eine schöne Zeit. Nichts und niemand konnte einem die schönen Gedanken zerstören. Ohne unnötigen Fragen und ohne Sorgen lief man mit den frisch gewaschenen Klamotten durch den Matsch und beschwerte sich dann, dass es so kalt sei.

Für einen war das Leben unendlich und unerreichbar. Das Leben war atemberaubend - voller Rätsel, die wir versuchten zu lösen und gleichzeitig konnte die Zeit so schmerzhaft sein, dass man am Liebsten aufgeben wollte.

Doch aufgeben wäre nie eine Option. Du hattest keine Motivation? Gut, mach Pause, doch fang wieder an! Mach weiter! Du hast ein Ziel? Dann steh dafür und verfolge es.

Ohne ein gewisses Ziel durch das Leben zu laufen, würde niemals eine Option sein. Du brauchtest einen Weg, um vorran zu kommen.

Jeder besitzte andere Erinnerungen - Erfahrungen, an die vergangene Zeit. Dem Ein oder Anderen passierte in der Zeit auch etwas, was man nie hätte erahnen können. Denn es konnte auch sein, dass etwas unvorstellbares geschah. Etwas was einem das ganze Leben vorherbestimmt. Etwas was dich lebenslang verfolgt und prägt.

Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie schlimm es für Mariam sein musste, als sie ihre eigene Schwester tot neben sich liegen sah. Es musste ein unbeschreibliches Gefühl sein, einen Menschen den man liebt, so sehen zu müssen. Man könnte meinen, es sei ein Traum - ein nie existierender Moment.

'Gleich mach ich die Augen zu, und liege im Bett neben ihr.'

Doch so war es nie und so wird es niemals sein.

Mein Herz schmerzte, als ich an Mariam dachte. Dieses Ereignis - diese Bilder würden sie wohl ein Leben lang begleiten.

"Wo ist sie überhaupt?", fing ich an laut mit mir zu reden. "Oh Gott, nicht wenn sie von einem Bär gefressen wurde!"

May, in diesem Wald sind keine Bären. Denk ein bisschen nach.

"Stimmt auch wieder. Trotzdem; Ich muss sie finden!"

Ich stand auf und begab mich auf die Suche. Vorsichtig wanderte ich durch den dichten Wald, dessen Bäume über mir zu einem undurchdringlichen Blätterdach vereinten.

Die Mondstrahlen kämpfen sich mürrisch hindurch und tauchen den Waldboden in ein leichtes, beruhigendes Licht. Die Blätter unter meinen Schuhen knisterte leise, während ich mich durch das Unterholz kämpfte.

"Mariam? Wo bis du?"

Meine Stimme schallte durch den Wald. Der Blick schweifte über moosbewachsene Steine ​​und ein Boden aus Farnen. Die Stille wurde nur von gelegentlichen Vogelrufen und dem Rascheln von Blättern durchbrochen.

Die Luft roch nach feuchtem Laub und Erde, während ich meinen Weg fortsetzte. Die Anspannung wächst, und Gedanken wirbelten in meinem Kopf.

Wo steckt sie? Eine verlorene gegangene Mariam brauch' ich jetzt echt nicht.

Durch den gesamten Wald streifend, durchdrang der Klang ihres Namens immer wieder die Stille, verhallte zwischen den Bäumen und hing wie ein leises Echo in der Luft.

Nichts

Sie war wie vom Erdboden verschluckt. Die Frustration nagte an mir, als ich das kleine Mädchen nicht fand. Jeder Schritt fühlte sich an wie ein Kampf gegen die Unsicherheit. Meine Füße fingen langsam an zu brennen und mein Magen knurrte.

Ich schaute den Baumkronen empor und erkannte, dass ein Eichhörnchen von der einen Baumkrone zur anderen Huschte. Ich lief weiter auf der suche nach Mariam. Ich hörte ein Rascheln. Mariam?

Ich ging näher und erkannte eine Gestalt. Braunes Haar, klein und... "Mariam! Ich habe dich endlich gefun-" Mein Atem stockte. Das war nicht Mariam. Diese Person schaute mich verwirrt an und leckte den Kopf schief. "Tschuldige, aber mein Name ist nicht Mariam." Sie lächelte und ich erkannte, dass ihre Haare heller - oranger wurden.

"Was- was machst du hier? Warum sind hier so viele Kinder in dem Wald?" Föllig verwirrt blickte diesmal ich sie an. Sie fing an zu lächeln und erklärte mir, dass sie Nahrung suchte. "Und für Nahrung musste ich halt ein Mensch sein." Beendete sie ihre Erklärung. Warte mal?!

"Wie; Dafür musstest du ein Mensch sein?"

Sie schlug sich die Hand auf die Stirn und schüttelte den Kopf. "Eigentlich darf ich nichts davon sagen... Na ja, egal. Ich geh dann mal, meine Liebe."

Völlig verwirrt starrte ich sie an, wie sie mit schnellen Schritt davon lief. Wie unrealistisch diese Begegnung war. Träume ich? Was war das?

"Hey, warte mal. Du kannst nicht einfach gehen. Der Wald ist gefährlich."

"Quatsch! Ich weiß, wie ich mich zu verteidigen habe." Schneller als ich gucken konnte, verschwand sie. So als wäre sie nie da gewesen. Halluzination? Traum? Was war das?

Ich stand eine Weile schockiert da und schüttelte den Kopf. Ich musste Mariam finden. Wer weiß, was ihr passiert war. Daraufhin ging ich weiter. Weiter auf die Suche nach Mariam. So ein kleines Kind konnte doch nicht so schnell verschwunden sein.

"Mariam." Schallte meine Stimme wieder einmal durch den Wald. "Wo bist du?"

Plötzlich vernahm ich ein leises Knistern, und mein Herzschlag beschleunigte sich. Ich folgte dem Geräusch und hoffte, dass er mich zu Mariam führen würde.

Die Bäume waren gut übersichtlich und man erkannte eine kleine Straße und einen Menschen.

Warte mal, schon wieder ein Mensch?

Diese Person war definitiv zu groß und muskulös für Mariam.

Definitiv ein Mann.

Die Wolken zogen sich vom Halbmond zurück, und sein Licht fiel direkt auf diesen Mann. Vertraute schwarze Schafslocken wurden sichtbar, und ich erkannte sein Gesicht.

Nein... Ist das?

Doch, May.

"Marcel!"

Laut und voller Freude rannte ich zu ihm und ich umarmte ihn. Gedanken... Ausgeschaltet.

Seine Arme umschlangen mich nicht - wie schon gewohnt. Doch das kümmerte mich nicht. Tränen stiegen in mir auf, und sein graues Shirt wurde nach und nach von diesen durchnässt. Langsam fing mein Gehirn wieder an, zu arbeiten. Er war meine Rettung.

"Marcel, du musst mich retten!", feuerte es aus meinen Mund, ohne dass ich weiter darüber nach dachte.

Was soll schon passieren?

Ein Schweigen lag zwischen uns. Ich hob meinen Blick zu ihm, und er erwiderte ihn nur starr. Sein Blick schien mich zu durchdringen, als ob... Als ob er mich hassen würde.

"Al-Alles gut?"

Ein plötzliches Lächeln war auf seinem Gesicht erkennbar. Gruselig. "Aber natürlich, May. Ich war nur überrascht dich hier zu sehen."

Ich spürte seine Arme die sich um mich schmiegten. Sie umschlangen mich wie feine Blätter, doch es fühlte sich so... fremd an. Als ob er eine Schlange wäre, die sich langsam zuzieht, bereit, mich zu erwürgen.

"VERSCHWINDE VON IHM!"

Eine plötzliche mir nicht bekannte Stimme, durchschalte mein Kopf - mein Körper.

In meiner Verzweiflung krümmte ich mich auf dem Boden, meine Hände umklammerten meinen Kopf, während die quälende Stimme in meinem Inneren mich zu erdrücken schien.

Kopfschmerzen! Was... Wer ist das?

In mir schrie alles, dass ich mich von ihm fernhalten sollte. Eine Warnung pulsierte durch meinen Körper, als wäre sie ein lauter Alarm, der mich vor einer unsichtbaren Gefahr warnte.

Er tat mir doch garnichts!

"RENN, FLIEH"

Eine schrille Stimme durchzog erneut die Luft, durchdrang jeden einzelnen Nerv. In diesem Moment fühlte ich mich plötzlich so schwach, als hätte die Klangwelle meine Energie ausgesaugt. Übelkeit überkam mich, und die Welt begann sich zu drehen.

"Marcel...", flüsterte ich.

"Hilf' mir."

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𝑀𝑖𝑀𝑖💛

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