1. Ein faszinierender Ort
Marcel und ich standen vor Askims Haus, das in den warmen Farben des Sonnenuntergangs erstrahlte. Die Gedanken daran, dass mein bester Freund, Askim, nach Berlin fahren würde, drängten sich in den Vordergrund.
Eine spürbare Spannung lag in der Luft, als Marcel und ich uns vor dem Haus positionierten. Askim lief aus der Tür, seine kastanienbraunen Haare strahlten wie poliert... Naja, mehr fettig.
Seine Erscheinung war nicht gerade athletisch, sondern eher übergewichtig. Er hatte einmal scherzhaft erwähnt, dass sein Gewicht irgendwo zwischen 100 und 130 Kilo pendelte, während ich es nur belächelte, und nichts weiter dazu sagte, weil ich mir ziemlich sicher war, dass es ihm etwas ausmachte.
Er lief geradewegs auf Marcel zu. "Bro, ich sorge dafür, dass ich auch nach Berlin ziehe", flüsterte Marcel Askim ins Ohr. "Ich bin bald fertig mit der zehnten Klasse, dann kann ich zu dir nachkommen und dort meine Ausbildung machen." Denken die, dass ich sie nicht höre? Askim schüttelte leicht den Kopf.
"Bleib bei Mini, sie wird dich brauchen."
"Alexi, ich komm auch alleine zurecht. Du bist immerhin nicht meine Mutter."
Askim schaute mich skeptisch an. "Nenn mich nicht Alexi!"
"Dann nenn du mich nicht Mini!" Ich verschränkte meine Arme.
Im Hintergrund legte Askims Mutter eine Sporttasche in den Kofferraum. Seine Mutter sah irgendwie sehr traurig aus. Sie tat mir ein wenig leid, weil sie keine andere Möglichkeit hatte, als diese.
"Wieso denn? Du bist doch so miniklein." Seine angenehme Stimme durchbrach meine Gedanken. Ich konnte in diesem Moment einfach nicht realisieren, dass ich Askim eine ganz schön lange Zeit nicht mehr sehen würde. Für mich fühlte sich die Situation so an, als wäre er nur für ein Wochenende weg und hätte einfach nur zu viel Reisegepäck mit. Was nicht zu ihn passen würde. T-Shirt, Hose. Aus mehr besteht sein Gepäck nicht.
Ich sah, wie der neue Freund von Askims Mutter aus dem Haus ging und hörte, wie er nach Askim rief. Daraufhin tätschelte er meinen Kopf, als wäre ich ein Hund und sagte, dass er meine aufgebrachte Art vermissen würde. Hallo?! Stimmt überhaupt nicht!
Er drehte sich um und stieg unelegant in den weißen Mercedes ein. Nachdem das Auto nicht mehr zusehen war, fing ich langsam aber sicher an zu realisieren, dass die schöne Zeit vorbei war. Meine Augen begannen leichte Tränen zu bilden. Ich versuchte sie zu unterdrücken, zu verdrängen, doch es funktionierte nicht.
Askim bedeutete uns beiden alles. Ich kannte Marcel seit ich denken konnte, aber Askim war seit seinem sechsten Lebensjahr in meinem Leben. Damals, als ich ihn kennenlernte, war er gerade erst nach Deutschland gekommen, weil er aus der Türkei hierher geflohen war. Er hatte mich sehr unterstützt, vorallem mit dem Problem meiner Mutter. Warum musste er auch ausgerechnet nach Berlin ziehen?
Ich ließ eine Träne zu. Plötzlich spürte ich so einen leichten Druck um meinen Körper und... Ich konnte es nicht glauben. Marcel schlang seine Arme um mich. Normalerweise umarmten wir uns sehr selten und wenn es dann eine gab, war diese nur eine flüchtige Umarmung, bei der er steif dastand und auf das Ende der Umarmung wartete. Doch jetzt? Ich war überrascht. Aber positiv.
Erschöpft vom Tag sah ich in seine fast schwarzen Augen. Doch dann erhielt er unerwartet eine Nachricht und schwupps, der schöne Moment war vorbei. Wahrscheinlich wieder eines seiner tollen Weiber.
Skeptisch warf ich einen Blick auf sein Handy. Irgendwann würde er es bereuen, jedes zweite Mädchen flach zu legen nur um sie schlussendlich allein zu lassen.
"May, du kommst alleine zurecht, oder?" Seufzend antwortete ich: "Ja, natürlich, kümmere dich um dein kleines Problemchen", und zwinkerte ihm zu.
Wie wohl seine Antwort gewesen wäre, wenn ich gesagt hätte: 'Nein, Bro, ich komme nicht alleine zurecht'.
Bevor ich jedoch realisierte, war er auch schon verschwunden. Es wäre nett gewesen, wenn er sich wenigstens verabschiedet hätte. Sein rätselhaftes Verschwinden faszinierte mich schon immer. Auch hatte ich schon Theorien aufgestellt, dass er ein Magier sei. Jedoch würde Hexer besser zu ihm passen.
Noch ein letztes Mal begutachtete ich das riesige Haus. Das Trampolin im Vorgarten erinnerte mich an Askims Armbruch, als wir versuchten, über das Netz des Trampolins zu fliegen. Die Überzeugung, fliegen zu können, war einfach zu gigantisch. Bevor es aber dazu gekommen war, stoßten wir beide aufeinander. Er versuchte sich mit seinem Arm abzufedern, und knack; er war angebrochen.
Weitere Tränen verließen meine Augen. Sie kullerte über meine Lippe und ich schmeckte das Salzige. Ich konnte nicht weiter hier bleiben, also lief ich durch meine wunderschöne Stadt Hamburg. Einfach Ablenken.
Die Stadt selbst war ein wahres Juwel. Eigendlich sollte ich nach Hause gehe, aber ich wollte nicht. Dort erwartete mich nur noch mehr Stress, den ich jetzt nicht zwangsweise bräuchte. Auch wenn ich meine Ma vom ganzen Herzen liebte und mich niemals gegen sie stellen würde, war unsere Beziehung kompliziert. Im Moment was es besser, ihr aus dem Weg zu gehen.
Wir hatten uns schon heute morgen gestritten. Sie meinte, sie wolle nicht, dass ich mich von Askim verabschiede. Und warum? Gute Frage. Sie tat Dinge, ohne wirklichen Grund und ließ oftmals Wut und Frust an mir aus. Doch lieben tue ich sie trotzdem!
Meine Gedanken waren so vertieft bei dessen was passiert war, dass ich in die falsche Richtung abbog. Als ich mich verwundert umsah, bemerkte ich, dass ich noch nie an diesen völlig fremden Ort gewesen war. Vor mir gabelte sich der Weg. Ohne zu zögern, entschied ich mich für den Weg, wo ich Entengeschnatter wahrnehmen konnte. Und ich wurde nicht enttäuscht. Als ich am Ende des Pfades ankam, entdeckte ich einen kleinen Teich mit vier, sechs... acht erwachsene Enten.
Es war ein zauberhafter Anblick, besonders weil es Frühling war und auch süße Entenküken im Wasser herumpaddelten. Leise und sanft näherte ich mich dem Teich. Das klare Wasser spiegelte mein Bild wider.
Meine braunen Haare flossen in Welle bis zu meiner Hüfte runter. Ich konnte nicht beschreiben, wie sehr ich meine Haare liebte. Sie waren aber auch das Einzige an mir, dass ich wirklich mochte.
Ich setzte mich auf den frisch gemähten Rasen, und breitete mein gelbes Kleid um meine Beine aus. Eine Ente schwamm direkt auf mich zu, als sie jedoch merkte, dass ich kein Futter für sie hatte, schwamm sie rasch wieder davon. Vermutlich fütterte viele die Enten mit Brot. Bei dem Gedanken schüttelte ich den Kopf. Die Menschen müssen das unbedingt unterlassen.
Neugierig beobachtete ich, wie die Enten nach einer Zeit aus dem Teich flatterten und sich im hohen Gras versteckten. Links von diesem Teich erkannte ich ein altes, verrostetes Auto. Ich musste mir dieses Auto unbedingt mal anschauen!
Plötzlich wurde mir bewusst, wie dunkel es bereits geworden war. "Warte, so spät kann es doch noch nicht sein." Ich warf einen Blick auf mein Handy und sah, dass es erst sieben war. Als ich in den Himmel schaute, traf mich ein Regentropfen mitten ins Auge. "Okay, das tat weh. Danke auch", murmelte ich vor mich hin.
Oh mein Gott, es regnete! Ich liebte den Regen. Vielleicht waren deshalb die Enten aus dem Teich gewarschelt? Ich erinnerte mich daran, dass Enten oft aus Gewässern verschwanden, wenn es gewitterte.
"Aber es regnet doch nur?" Gerade als ich das laut aussprach, folgte ein lautes Donnern. Okay, manchmal sollte ich vielleicht besser den Mund halten.
Vielleicht solltest du besser aufstehen und nach Hause gehen.
Da war sie wieder, diese lästige Stimme in meinen Kopf, welche sich immer wieder in mein Geschehen einmischte. Einfach nur nervig.
Ich verstand selbst nicht genau wieso, doch mein Inneres bekam plötzlich ein ungutes Gefühl; als müsse ich hier weg.
Und plötzlich bekam ich es mit der Angst zu tun und wollte so schnell wie möglich Nachhause.
Verwirrt sah ich mich um, während mein linker Arm zitterte. Der Pfad, auf dem ich ursprünglich gegangen war, schien verschwunden zu sein. Es gab nur noch den Teich und eine dichte Baumreihe. Auf einer Eiche sah ich den Umriss eines Eichhörnchens, das von Ast zu Ast sprang.
"Naa, hat da jemand Angst?" Mein Atem stockte und ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals. Ich wusste nicht mehr wo vorne und hinten war. Alles drehte sich und ich verspürte eine unfassbare Übelkeit.
Ich nahm hinter mir eine dunkle Aura war. Jetzt bekam ich nur noch mehr Furcht vor dem Kommenden.
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𝑀𝑖𝑀𝑖44 💛
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