〈𝟑.𝟏〉

» Es ist wunderschön. Gedämmtes Licht, strahlende Sterne, leise Musik und nur die beiden. Ein leichter Wind weht über die große Tanzfläche, welche von großen runden Säulen umgeben ist. Florence und Colin, in der Mitte, ganz allein. Arm in Arm tanzen sie, näher als eigentlich gewünscht. Doch das interessiert sie nicht. Colins Hand wandert immer wieder zärtlich über ihren Rücken und verpasst ihr eine Gänsehaut. Schmetterlinge fliegen wie wild in Florences Bauch. Florence will mehr davon, am liebsten jetzt sofort. Die Blicke der beiden lassen nicht eine Sekunde voneinander ab. Ihre Gesichter kommen sich immer näher. Florence kann Colins Atem auf ihren Lippen spüren. Ihre Hände liegen auf seiner Brust und seine Arme schlingen sich gänzlich um ihren zierlichen Körper. Nur noch einen Millimeter sind Florence und Colins Gesichter voneinander entfernt. Dann wacht sie mit hektischem Atme auf. Es ist dunkel in Florences Zimmer, die großen schweren Vorhänge sind zugezogen. Florences großes Zimmer sieht angsteinflößen aus, so ganz im Dunkeln. Der Atem der jungen Frau geht noch immer hektisch, eine Gänsehaut überzieht ihren ganzen Körper, eine angenehme und doch kalte. Ihre langen blonden Haare hängen ihr verschwitzt im Gesicht.

‚Geneigte Leserschaft, es wird oft gesagt, dass diejenigen, die in Eile heiraten, in Muße bereuen werden. Eine Meinung, die von Miss Daphne Bridgerton eindeutig geteilt wird. Da sie in dieser Woche augenscheinlich nicht einen, nicht zwei, sondern bereits drei Anträge abgelehnt hat. Einige glauben, sie zeigt bewundernswerte Voraussicht bei ihren Überlegungen. Aber ich würde eine andere Vermutung wagen. Dass sie, wie diese Autorin, immer noch auf den einzigen infrage kommenden Verehrer wartet.'

Nach einem ziemlich verwirrenden Traum ist Florence den ganzen Tag nicht vollkommen bei der Sache. Sie ist für den Nachmittag mit Niclas verabredet. Sie wollen in das kleine Eiskaffee gehen. Doch nach dem Traum, den sie in der Nacht hatte, ist sie gar nicht mehr so sicher, ob sie sich mit Niclas treffen will. Sie würde gerne mit jemandem über die Bedeutung des Traumes reden, doch traut Florence sich nicht es anzusprechen. Ob es nur aus Angst vor den Reaktionen ist oder aus Angst vor der Bedeutung. Nachdem Florence lange nachgedacht hat, kommt sie zu dem Entschluss sich, wie verabredet mit Niclas zu treffen. Vielleicht kann er ihr helfen nicht mehr über den Traum nachzudenken und sie ablenken. Wenn sie sich nun mit Colin treffen würde, sie wüsste nicht, was sie sagen sollte.

In Begleitung ihrer Gouvernanten, Mary, sitzt Florence schließlich am Nachmittag im kleinen Eiskaffee der Stadt. Ihr gegenüber sitzt Niclas. Es stehen mehrere kleine Naschereien auf dem kleinen Tisch, eine Kanne Tee und natürlich zwei Eisbecher. Florence hat sich einen Zitronen Eisbecher bestellt, während Niclas sich für einen mit Schokolade entschieden hat. „Es tut mir übrigens sehr leid, dass ich zum vergangenen Ball nicht erschienen bin.", spricht Niclas ein Thema an, was Florence auch beschäftigt hat. Noch lange nicht so sehr, wie der Traum, aber trotzdem. „Ich hatte viele Erledigungen mit meinem Vater zu machen, sodass ich am Ende des Tages viel zu ausgelaugt war, um noch auf einem Ball zu erscheinen. Ich hoffe es hat sie nicht allzu sehr enttäuscht!" Er leckt seinen Löffel ab und schaut Florence erwartungsvoll an. „Oh, nein! Keinesfalls. Ich hatte trotz ihrer Abwesenheit Spaß.", erzählt sie mit einem Lächeln. Ihre zierlichen Hände wandern zur Teetasse. Das war wahrlich nicht das, was Niclas erwartet hätte, doch er bleibt bei seiner Rolle. „Es freut mich das zu hören." Bevor sich die Wege des Fürsten und Florence wieder trennen, fragt er sie noch: „Kann ich damit rechnen, dass ihr mir heute Abend einen Tanz freihaltet?" „Wenn ihr so nett fragt, dann kann ich gar nicht anders, als ja zu sagen!", antwortet Florence freundlich. Ihr hat das Treffen mit Niclas heute äußerst gefallen und er ist immer höflich zu ihr, warum sollte sie dann nicht mit ihm tanzen.

Der Ball des heutigen Abend fing genauso an, wie jeder andere in dieser Ballsaison auch. Es wird getanzt, getrunken und ausgiebig gelästert. Auch Elodie Marquise ist wie immer von der Partie. Florence schenkte dem Fürsten, wie versprochen einen Tanz, der beiden ausgezeichnet gefallen hat. Doch etwas ist an dem heutigen Ball anders als bei den anderen, denn es gibt königlichen Besuch. Die Königin erscheint mit dem Prinz aus Preußen. Er sieht gut aus, keine Frage, doch Florence interessiert sich nicht großartig für ihn. Doch dies scheint ihrer Tante egal zu sein, denn sie zieht ihre Nichte mit in die Reihe der ganzen anderen Frauen, in der Hoffnung der Prinz würde ein Auge auf Florence werfen. Miss Cowper scheint genau das gelungen zu sein. Sie tritt mit viel Selbstbewusstsein vor den Prinzen, einen Fächer in ihrer Hand. Sie knickst anmutig vor ihm und der Königin. Sie lässt ihre Augen ganz langsam aufwärts wandern, schaut dann ganz schnell zur Seite und beginnt sich über den Busen zu fächeln, bevor sie ihren Blick wieder senkt. Miss Cowper gibt sich viel zu schüchtern, um dem Prinzen in die Augen zu schauen. Dieser nimmt die Hand der Blondine in seine und anschließend einen Kuss auf den Handschuh. Der Prinz von Preußen beugt sich leicht zu der jungen Dame und flüstert ihr etwas für die Gäste Unverständliches ins Ohr, vorauf Miss Cowper ganz damenhaft kichert. Die Viscountess von Marquise ist ganz außer sich, als der Prinz und die Königin ohne sie eines Blickes zu würdigen an ihnen vorbei geht. Florence stört das nicht so sehr, wie ihre Tante. „Ein Prinz wäre die perfekte Partie für dich!", beschwert Elodie sich, während sie ihre Nichte wieder in Richtung Tanzfläche zieht. „Das er dir keinen einzigen Blick gewürdigt hat, empfinde ich als respektlos!" Die Frau redet sich ganz in Rage und Florence versucht alles, um ihre Tante wieder zu beruhigen. „Aber, Tante, ich will doch gar keinen Prinzen", sagt sie. „Ich habe doch schon zwei Verehrer, die eine gute Partie für mich sind." „Wenn einer der beiden Männer endlich mit einen Antrag ankommen würden, würde ich vielleicht dasselbe sagen, wie du!", murt Elodie. „Seit nun mehr als zwei Monaten machen sie dir den Hof und keine einzige Andeutung, auf einen Antrag!" Florence gibt es auf, zu versuchen, ihre Tante zu beruhigen. Wenn sie einmal in vollkommender Rage ist, gibt es nicht, was helfen könnte. Außer vielleicht ein Heiratsantrag, von einem Prinzen, wenn möglich.

Colin erschien an diesem Abend nicht mehr. Florence versucht sich so wenig Gedanken darum zu machen, wie möglich, was nicht wirklich funktioniert. Vielleicht hatte er viel zu tun, oder er fühlte sich nicht gut. Und so wandern Florences Gedanken noch die ganze Nacht darum, was es für einen Grund haben könnte, dass Colin nicht erschien.

‚Ich dachte immer, dass es die Wertschätzung der Künste ist, die uns über die bloßen Tiere hinaushebt. Sie weckt die Leidenschaft und beflügelt den Geist. Und, so hofft diese Autorin, sie inspiriert zu mehr Berichtenswertem. Heute soll ein neuer Flügel im Somerset House eröffnet werden, in dem es mehrere Attraktionen zu sehen geben, wird. So zum Beispiel die reizende Miss Marina Thompson, die sich grade von ihrer mysteriösen Krankheit erholt hat und voraussichtlich dieser Saison wieder beiwohnen wird. Und natürlich gibt es auch die heutige königliche Attraktion: Prinz Friedrich von Preußen. Seine Hoheit ist an unsere Gestade gekommen, weil er ein feines Fräulein sucht. Könnte dies der Grund dafür sein, dass ein gewisser Sprachlehrer die ganze Woche im Cowper-Haus zu Besuch war?'

„Ich bin so froh, dass wir mal wieder als ganze Familie zusammen aus gehen!", freut sich Florence, als sie und ihre Familie, plus Tante Elodie, im Somerset House erscheinen. Hätte sie doch vorher gewusst, dass der Prinz von Preußen anwesend sein wird, dann hätte sie vermutlich eine Krankheit vorgespielt. Ihre Tante ist immer noch erpicht darauf, ihre Nichte mit dem Prinzen zu verkuppeln. So wie viele andere Mütter auf. Und so muss sie es über sich ergehen lassen, noch bevor sie den neuen Flügel betritt, von ihrer Tante zu Friedrich gezogen zu werden. Da sie aber Manieren gelernt hat, benimmt sie sich, wie man es von ihr erwartet, höflich und nett. Auch, wenn sie hinter ihrer Fassade keine Lust hat, dem Prinzen vorgestellt zu werden. Nach einer Ewigkeit schafft sie es sich aus den Klauen ihrer Tante zu befreien und erkundet mit ihren jüngsten Geschwistern an ihren Händen die Galerie.

Florence genießt die Zeit mit ihren Geschwistern. Sie fühlt sich schlecht, dass sie in letzter Zeit nicht so viel mit ihnen unternommen hat, und nur damit beschäftigt war, einen Ehemann zu finden und sich zwischen zwei ausgezeichneten Männern zu entscheiden. Da erblickt sie Colin. „Entschuldigt ihr mich für einen kurzen Augenblick, Narzissa, Clover.", bittet Florence ihre Geschwister. Diese schauen ihre große Schwester nur verwundert an, die jetzt auf Colin Bridgerton zu geht. Er steht abseits in einem Raum, fast alleine. Nur ein anderer Mann und eine andere Frau stehen in dem Raum und betrachten die Bilder. „Mr. Bridgerton.", begrüßt sie den jungen Mann. Überrascht dreht Colin sich um, jetzt erblickt auch er Florence. „Miss Wellington!", er verbeugt sich vor ihr. Florence stellt sich mit genügend Abstand neben ihn, so, wie es sich gehört. „Ich wollte ihnen nur mitteilen, dass auch wenn ich ihre Anwesenheit sehr schätze, ich mich gerne in den nächsten Tagen mehr um meine Geschwister kümmern möchte. Also falls ihr vorhättet euch mit mir zu treffen, oder ähnliches.", berichtet sie. Das Paar, welches bis jetzt noch mit im Raum stand, verlässt diesen nun. Colin und Florence sind alleine. „Warum sollte ich vorhaben, euch zu treffen, oder ähnliches?", fragt Colin ernst, was Florence erschreckt. Was ist mit ihm? Sie dreht sich zu ihm und erkennt ein Lachen auf seinem Gesicht. „Das war nur ein Scherz, ich hoffe das wisst ihr!" Kurz ist es still, dann fängt Florence an zu lachen. Aber nicht so, wie sie es in der großen Gesellschaft tun würde, nein, ganz ausgelassen. Auch Colin muss lachen, ihm gefällt es, dass Florence über seine Witze lachen kann. Und sie sieht auch noch so süß dabei aus! Nachdem die beiden sich endlich beruhigt haben, drehen sie sich wieder zu den Bildern. Ihre Hände nahe beieinander. Fast berühren sie sich. Colin beginnt wieder zu sprechen: „Aber natürlich verstehe ich euch, Florence. Auch meine Geschwister sind mir sehr wichtig. Doch ich hoffe, dass sie sich nicht nur um ihre Geschwister kümmern werden, sondern vielleicht auch um gewisse Verehrer." Florence versteht sofort, dass er damit sich meint. Zumindest hofft sie das. „Nun, ich denke dafür werde ich Zeit finden müssen!" Ein Lächeln liegt auf den Gesichtern von beiden. Ihre Hände berühren sich nun vollständig. Sie passen perfekt ineinander. Colins große warme Hand umschließt Florences kleine weiche Hand. Ein Kunstwerk für sich, wahrlich.

‚Heutzutage muss die moderne junge Dame auf der Suche nach einem Verehrer eine Vielzahl von Talenten zeigen. Sie muss geistreiche Gesprächspartnerin, versierte Musikerin und Expertin in der Kunst der Ohnmacht sein. Denn es zu schaffen in Ohnmacht zu fallen, ohne dass auch nur ein Unterrock verrutscht, ist in der Tat ein sehr wertvolles Talent. Natürlich sind nicht alle dem königlichen Fieber zum Opfer gefallen, dass in London grassiert. Ein Juwel im Besonderen scheint immun zu sein. Sodass sich die Autorin fragt, ob die Krone ihren Glanz verloren hat.'

Am nächsten Tag ist die gesamte Familie Wellington im Salon versammelt. Vater und Tante sitzen gemütlich auf jeweils einem Sessel und die Kinder sind allesamt um das Klavier verteilt, an dem Florence mit ihrem jüngsten Bruder sitzt und spielt. Cataleya steht neben ihrer kleinen Schwester Narzissa, sie mit einer Geige, Narzissa mit einer Flöte. Zusammen spielen die Kinder Musik. Die Jungs klatschen freudig in die Hände und tanzen um die Mädchen herum. Es ist laut und ausgelassen. Viscountess Elodie scheint der Lärm während ihrer Stickerei zu stören, sie grummelt immer mal wieder vor sich herum. Marcus Wellington stört die Musik und das Lachen seiner Kinder keineswegs. Er freut sich, dass seine Kinder nach längerer Zeit wieder miteinander musizieren. Das haben sie früher regelmäßig gemacht, immer mit ihrer Mutter zusammen. Seine Frau, Primrose, hat die Musik geliebt. Sie freute sich immer, wenn all ihre Kinder zusammen waren und Spaß hatten. Marcus saß immer nebenbei, wenn Primrose mit ihren Kindern tanzte. Er liebte es, seiner Frau dabei zuzusehen. Er vermisst sie und ihre Präsenz. Manchmal spürt er sie noch neben sich, so auch jetzt. Er fühlt einen Schauer, seinen Körper überziehen. Immer wenn das passiert, stellt sich der Familienvater vor, seine tote Frau würde ihn umarmen, bei ihm sein und helfen.

Auf dem nächsten Ball treffen sich Colin und Florence das nächste Mal. Sie unterhalten sich während dem Tanzen über ihre Geschwister. „Mein ältester Bruder, William, kommt ganz nach meinem Vater. Nach außen hin unheimlich Stolz und Selbstbewusst und innerlich warmherzig und liebevoll. Er liebt die Kunst, ihn hat die Eröffnung des neuen Flügels im Sommerset House sehr gefallen.", erzählt Florence. Colin hört ihr gespannt zu. „Florian, kommt wie alle meine Geschwister dagegen voll und ganz nach meiner Mutter. Immer gut drauf, freundlich und witzig. Wie auch ich, liebt er die Natur und ist ganz vernarrt in allerlei Arten von Gewächsen und Blumen." „Meine großen Brüder ähneln deinen fast absolut!", bemerkt Colin. „Anthony, das Familienoberhaupt hat eine harte Schale, aber einen weichen Kern. Und Benedict liebt die Kunst ebenso. Er zeichnet für sein Leben gerne, auch wenn er sehr streng mit sich ist." Florence muss darüber schmunzeln. „Wie steht es mit deinen kleinen Geschwistern. Also von Daphne lese ich ja regelmäßig von Lady Whistledown, aber du hast ja auch noch andere Geschwister!", erkundigt sich Florence interessiert. Colin beginnt offen und ehrlich über seine kleinen Geschwister, Eloise, Francesca, Gregory und Hyacint. Er spricht gut über sie, plaudert auch das ein oder andere skandalöse aus. Florence erzählt Colin auch von ihren jüngeren Geschwistern. Cataleya ähnelt Eloise sehr. Beide freuen sich nicht auf ihre Zeit, als Debütanten. Clover und Narzissa gönnen sich den Dreck unter den Nägeln nicht, doch lieben sich gegenseitig über alles und würden sich sofort für den anderen opfern. Alles in allem haben die beiden, so wie eigentlich jedes Mal eine Menge Spaß und erfahren viel über den anderen. Ist das denn nicht wunderbar?

‚Könnte das sein? Ist das Juwel der Saison ein noch kostbarerer und seltenerer Stein als bisher angenommen? Denn nun scheint es, als würde sich dieser Schatz zu den so sehr geschätzten Kronjuwelen der Königin selbst gesellen. Der Duke of Hastings soll, wie ich hörte, gestern Abend ziemlich sprachlos ausgesehen haben, denn anscheinend ist Miss Bridgerton es endlich müde geworden, darauf zu warten, dass er die wichtigste aller Fragen stellt. Oder vielleicht war diese Partie einfach zu verlockend? Überraschend? Ziemlich. Unvernünftig? Ganz im Gegenteil. Denn... Warum sich mit einem Herzog zufriedengeben, wenn man einen Prinzen haben kann? «



⦃Erstveröffentlichung: 15.02.2021⦄

⦃Überarbeitet: 29.05.2021⦄

⦃gif: pinterest⦄

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