Kapitel 7 - Ohne Schlüssel
Die nächsten Tage liefen alle gleich ab. Maren schlich über eine Stunde früher, als sie es müsste, aus dem Haus und blieb länger, als es nötig gewesen wäre im LoveStone. So schlief Caleb noch und wenn sie nach Hause kam, war er entweder schon weg oder es dauerte zumindest nicht mehr lange, bis er die Wohnung verließ. Sie sprachen nicht miteinander und so war die Zeit mehr oder minder zu ertragen, was Maren zumindest, was diese Richtung ihres Lebens betraf, friedlicher stimmte.
Es war Freitag und das Café war wie immer mehr als gut besucht, trotz dass Frau Holle es dieses Jahr mehr als gut mit ihnen meinte. Seit einer Woche schneite es ohne Unterbrechung und verwandelte Hexham in ein wahres Winterwunderland. Fast zu schön um wahr zu sein, denn während die Schneemassen immer größer wurden, schien sich das Leben in der Stadt, mit jedem Tag, der verging, etwas mehr zu entschleunigen. Nichts war von dem alljährlichen Vorweihnachtsstress zu spüren, welcher Maren jedes Jahr gegen den Strich ging. Vielleicht lag es daran, dass sie versuchte alles noch konsequenter zu ignorieren oder aber, dass die Stadt durch den vielen Schnee tatsächlich langsam zum Erliegen kam. So oder so, Maren hatte das Gefühl, dass dieses Ende des Jahres entspannter werden könnte.
Sie servierte gerade einem jungen Mann einen Kaffee, als Grand aus der Küche getreten kam und sie mit mürrischer Miene ansah.
„Was ist los?“, fragte Maren.
Grand seufzte.
„Darius hat sich gerade krankgemeldet. Er liegt mit Fieber im Bett und kann morgen nicht arbeiten kommen.“
Maren runzelte die Stirn. Darius war selten krank, aber das war es nicht, was sie verwirrte. Es lag eher daran, dass Darius, ebenso wie sie, am Wochenende eigentlich nicht arbeitete.
„Warum sollte er arbeiten?“, fragte Maren.
Grand rieb sich durchs Gesicht und seufzte.
„Ruby und ich wollten morgen Geschenke kaufen gehen, so wie jedes Jahr zum zweiten Adventswochenende“, erklärte er.
Stimmt, jetzt kam es ihr wieder. Sie sah Grand an und lächelte.
„Na dann übernehme ich seine Sicht und dann passt es.“
Grand hob den Blick und schüttelte den Kopf.
„Nein, du bist doch schon die ganze Woche da.“
Maren wischte über die Theke und zuckte mit den Schultern.
„Was soll’s. Ich bin gern hier und ich habe nichts vor“, erklärte sie.
Sie sah, wie Grands Augen anfingen zu leuchten. Er liebte diese Shoppingausflüge mit seiner Frau. Maren konnte es zwar nicht verstehen, musste sie aber auch nicht. Wichtig war für sie nur, dass sie den beiden etwas Gutes tun konnte, so wie sie es ständig für sie taten.
„Und du bist dir sicher?“, fragte Grand ein letztes Mal.
Maren schenkte ihm ein breites Lächeln und nickte.
„Sicher und jetzt geh und sag es Ruby“, raunte sie.
Grand grinste über beide Ohren, drückte Maren einen Kuss auf die Wange und flitzte strahlend in die Küche zu seiner Frau. Maren schüttelte gedankenverloren den Kopf und war erleichtert, dass sie schon mal den Samstag eine Beschäftigung hatte und nicht mit Caleb in einer Wohnung eingesperrt war. Nun und der Sonntag würde wohl wieder auf dem Weihnachtsmarkt enden, auch wenn sie es diesmal ohne Darius überstehen musste.
Sie kassierte gerade eine junge Frau ab, als sie die Glöckchen der Tür hinter sich vernahm und sich zu dieser drehte. Sie stockte, denn sie starrte in eisblaue Augen, welche sie ebenso fixierten. Caleb stand in der Tür. Seine langen Haare und sein Bart waren benetzt mit kleinen Schneeflocken. Er wirkte angespannt und ließ die Tür hinter sich langsam zufallen. Maren runzelte die Stirn, denn er stand in einem durchweichten, kurzem Shirt, einer Jogginghose und Sneakers vor ihr. Etwas kalt, für dieses Outfit, aber wenn er meinte. Sie lief zurück zur Theke und sah ihn an.
„Was darf es sein?“, fragte sie eine Spur zu förmlich, was ihm den Kiefer anspannen ließ.
„Einen Wohnungsschlüssel“, knurrte er ihr entgegen.
Sie runzelte die Stirn.
„Haben wir nicht auf der Karte, aber einen Kaffee kann ich dir anbieten.“
Sie neigte den Kopf und lehnte sich näher zu ihm.
„Willst du mir gerade sagen, dass du meinen Schlüssel verloren hast?“, zischte sie ihm leise entgegen.
Caleb lehnte sich an die Theke und Maren vernahm seine Gänsehaut, welche sich über seine muskulösen Arme ausbreitete.
„Nein. Ich wurde ausgesperrt“, raunte er zurück.
Maren stutzte und sah ihn fragend an.
„Was?“
Caleb seufzte und rieb sich übers Gesicht.
„Ich wollte den Müll hinausbringen, habe die Tür nur angelehnt, aber irgendjemand hat hinter mir die Haustür zu gemacht“, erklärte er.
Maren biss sich auf die Wange, um ihm kein Lächeln zu schenken.
„Und dann bist du hierhergelaufen?“, fragte sie nach.
Er nickte.
„Klingeln bei den Nachbarn war zu einfach?“
Caleb hob den Blick und sah sie giftig an.
„Ich bin nicht dämlich. Gabi ist nicht da und diese Zicke von Miller hat nur gegackert“, fuhr er sie an.
Maren verkniff sich eine Antwort, das würde sie klären, sobald sie zu Hause war. Erst mal aber musste er verschwinden, bevor Grand und Ruby ihn bemerkten. Sie mochte die beiden, aber sie mussten nicht alles wissen. Sie suchte ihren Beutel, kramte nach ihrem Schlüssel und wollte ihn gerade Caleb in die Hand drücken, als sie Rubys Stimme vernahm.
„Himmel, Jungchen. Bist du deinem Leben überdrüssig? Du holst dir noch eine Lungenentzündung!“
Maren kniff die Augen zusammen, ließ den Schlüssel auf die Theke fallen und seufzte. Sie öffnete ihre Augen langsam und sah, wie Ruby um die Theke gelaufen war und Caleb schon am Arm gepackt hatte.
„Komm mein Junge. Setz dich ans Feuer“, quasselte sie und zog Caleb hinter sich her in Richtung Kamin.
Sein Blick wanderte zu Maren. Er sah sie zu gleichen Teilen hilflos, wie auch fragend an. Sie seufzte, rieb sich über die Stirn und zeigte ihm an mitzugehen.
„Diskussionen bringen nichts“, sagte sie und sofort nickte Ruby.
„Hör auf sie, Junge. Kaffee oder eine heiße Schokolade?“, fragte Ruby und lächelte ihn freundlich an.
„Kaffee“, stotterte Caleb etwas überfordert.
Ruby nickte zufrieden und sah zu Maren.
„Du hast es gehört, Liebes. Einen Kaffee für den netten jungen Mann.“
Maren warf Ruby ein gezwungenes Lächeln zu.
„Aber natürlich“, murmelte sie und als ihr Blick zu Caleb wanderte, kniff sie die Augen zusammen.
Ein amüsiertes Grinsen lag um seine Lippen, was Maren direkt wieder ein komisches Gefühl verpasste. Sie ließ den Kaffee aus der Maschine und brachte ihn widerwillig zu dem braunen Sessel, in welchen Caleb saß. Sie stellte den Kaffee auf dem Tisch vor ihm ab und wollte gerade wieder zurück, als Caleb durch zwei kleine Worte, alles versaute.
„Danke, Maren“, sagte er und sah sie an.
Ruby bekam ein teuflisches Grinsen ins Gesicht und spitzte die Lippen.
„Ihr kennt euch?“
Maren rollte die Augen, doch sie wusste, wann sie verloren hatte. Sie kannte diesen Blick von Ruby und so seufzte sie.
„Ruby. Das ist Caleb. Der Bekannte meines Bruders“, erklärte sie.
Rubys Blick ging zu Caleb und er wanderte über seinen muskulösen Körper. Sie zog die Brauen nach oben und sah zurück zu Maren.
„Das ist Mr. Nichtnennenswert? Also meine Liebe. Ein solches Schmuckstück wie ihn kannst du doch nicht so bezeichnen.“
Okay, das war es. Maren lief feuerrot an und konnte nichts dagegen tun. Caleb trieb es ein breites Grinsen ins Gesicht, als er sah, dass Maren sich verlegen abdrehte und Ruby schenkte ihm ein breites Lächeln.
„Was ist denn hier los?“, tönte plötzlich Grands Stimme durch das Café.
Er lief auf die drei zu, doch sein mürrischer Blick lag auf Caleb.
„Wer ist das?“, fragte er im scharfen Ton.
Ruby stand auf, strich sich ihre Schürze glatt und stellte sich vor ihren Mann.
„Artus Stone, senke deine Stimme und zieh die Stirn glatt. Das ist Caleb. Der neue Mitbewohner von Maren“, raunte seine Frau ihn an.
Grand hob die Brauen und sah an Ruby vorbei, um einen weiteren Blick auf Caleb zu erhaschen. Maren brummte.
„Er ist nicht mein neuer Mitbewohner. Er ist ein Freund von meinem Bruder und er wollte gerade wieder gehen“, maulte sie und griff nach Caleb, um ihn aus dem Sessel zu ziehen.
Dass Caleb sich bei ihrer Aussage verspannte, bemerkte sie nicht mal im Rausch ihrer Genervtheit und so sprach sie einfach weiter.
„Er braucht nur einen Schlüssel, weil er sich ausgesperrt hat. Stimmts?“, fragte sie und sah Caleb dabei an, der neben ihr stand.
Er räusperte sich.
„Eigentlich bin ich …“, doch er stoppte, als er den Todesblick von Maren sah und nickte nur.
„Ja, ähm. Ich wollte gehen“, sagte er und sah zwischen Grand und Ruby hin und her.
„Nett, sie kennengelernt zu haben. Ich komme dann morgen und bezahle meinen Kaffee“, schob er noch nach.
Ruby winkte ab.
„Nein, Blödsinn. Der geht natürlich aufs Haus und warte einen Moment“, sagte Ruby und verschwand.
Maren rollte mit den Augen und verschwand wieder hinter die Theke, während Caleb da stand, wie bestellt und nicht abgeholt. Doch Ruby kam unmittelbar zurück und hatte einen schwarzen Mantel in der Hand.
„Hier mein Junge. Du kannst doch nicht so halb nackt durch den Schnee laufen“, sagte sie und hielt ihm den Mantel entgegen.
Er sah sie mit aufgerissenen Augen an.
„Das darf doch nicht wahr sein“, murmelte Maren, schnappte sich den Schlüssel und ging zu Caleb.
Sie lehnte sich an sein Ohr.
„Nimm die Jacke und hau ab, verstanden?“
Er sah sie mit zusammengekniffenen Augen an und ein leises Brummen drang von seiner Brust. Doch er schwieg, sah Ruby dankbar an und lächelte.
„Ich danke dir.“
Er zog den Mantel über und riss Maren den Schlüssel förmlich aus der Hand, als Grand wieder hinter ihnen auftauchte.
„Maren. Mach doch Feierabend. Als Dankeschön, dass du uns morgen hilfst.“
Maren vernahm seine Worte und sackte förmlich in sich zusammen. Ihr Blick huschte durch das Café, welches völlig leer war. Also würde die Ausrede von noch zu viel Arbeit nicht zählen. Sie gab sich geschlagen und nickte.
„Okay, danke Grand“, säuselte sie, trat hinter die Theke und zog sich ihre Jacke über.
„Hier. Für euch“, sagte Ruby plötzlich und reichte Maren eine Dose mit Apfelküchlein.
Maren nahm sie dankbar entgegen.
„Aber teilen“, ermahnte Ruby sie und sah dabei zwinkernd zu Caleb, der Ruby breit anlächelte.
„Sicher“, sagte Maren und nahm mit der anderen Hand ihren Beutel.
„Na dann danke und einen schönen Nachmittag euch noch“, sagte Maren und verabschiedete sich damit bei Grand und Ruby.
Caleb tat es ihr gleich und hielt Maren die Tür auf, damit sie hinaustreten konnte.
„Sieh dir das an, Grand. Es gibt noch wahre Gentlemans“, hörten sie Ruby schwärmen.
Caleb musste schmunzeln und trat nach Maren durch die Tür nach draußen.
„Die zwei sind wirklich nett“, sagte er und folgte Maren, die schlagartig stehen blieb und sich zu ihm drehte.
Ihr Zeigefinger bohrte sich auf Brusthöhe in den festen Stoff.
„Halt dich aus meinem Leben raus“, zischte sie ihn an, warf ihm einen giftigen Blick zu und wandte sich dann wieder ab.
Er seufzte und sah ihr nach. Tja, zu früh gefreut, Kumpel, dachte er und machte sich daran, ihr zu folgen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top