Kapitel 5 - Weihnachtsmarkt
„Was glaubst du, wofür du die zwei Knöpfe im Schädel hast?", fuhr Maren den Typen an, der sie gerade angerempelt hatte. Er sah ungläubig über seine Schulter zurück und schüttelte den Kopf, was Maren schon nach Luft schnappen ließ, während sie sich ihre klebrige Hand an ihrer Jeans abwischte. „Penner", knurrte sie und wurde von einem Lachen zu ihrer Rechten aus ihrem Maulgelager gerissen. „Meine Güte bist du heute wieder ein Sonnenschein", lachte Darius und nahm einen Schluck von seinem Glühwein. Maren schnaubte. „Ich stehe zum ersten Advent auf einem beschissenen Weihnachtsmarkt. Was sagt dir das?" Darius sah sie mit seinen braun leuchtenden Augen an und schmunzelte. „Dass du mich so sehr liebst und es mir nicht abschlagen konntest, herzukommen." „Ja, natürlich und gleich wachsen mir Engelsflügel aus dem Arsch und ich verkünde die Frohe Botschaft", raunte Maren. „Welche?", fragte Darius breit grinsend.„Dass es hier gleich ein Massaker gibt, wenn ich nicht sofort Nachschub bekomme", zischte Maren und wackelte mit ihrer leeren Tasse. Darius schnaubte, nahm ihr die Tasse ab und wandte sich zu der kleinen süßen Holzbude hinter ihnen. Maren seufzte und konnte es selbst nicht glauben, dass sie sich in diese Lichterhölle gewagt hatte, aber was blieb ihr anders übrig? Zu Hause bleiben, war dank des Geschenks ihres Bruders keine Option. Sie wollte diesem Caleb so wenig wie möglich unter die Augen treten. Sie hatte den Großteil des Vormittags damit verbracht, ihre Klamottenberge zu verräumen und Wäsche zu waschen. Doch auch wenn man es kaum glauben mochte, damit war sie noch vor 12 Uhr fertig gewesen und suchte dann verzweifelt nach einer Möglichkeit den Rest vom Tag irgendwie sinnvoll rumzubekommen. Also hatte sie widerwillig Darius geschrieben, dass sie mit ihm auf diesen verdammten, völlig überlaufenen Weihnachtsmarkt gehen würde. Sie ließ ihren Blick schweifen und ein leichtes Schütteln durchfuhr sie. Menschen. Viel zu viele davon. Alle mit einem völlig übertriebenen Lächeln im Gesicht, als würden sie sich nicht auch fragen, ob die hier alle Lack gesoffen hatten. 8 Pfund für einen Glühwein? Denen war doch nicht mehr zu helfen. Doch dieser war der einzige Grund, warum Maren noch nicht durchgedreht war und der ihr etwas Wärme in den Körper schickte. Schreiende Kinder rannten an ihr vorbei, von der anderen Seite drang weihnachtliche Popmusik und der Schnee, welcher einfach nicht aufhörte, vom Himmel zu fallen, gaben ihr den Rest. Sie seufzte und rieb sich gerade die einzelnen Schneekristalle aus den Brauen, als Darius wieder neben ihr auftauchte und ihr eine dampfende Tasse vor die Nase stellte. „Danke", murmelte sie, während sie die Tasse ansetzte und sich mit einem schmerzhaften Stöhnen die Zunge verbrannte.„Immer noch heiß. Wie schon die zwei Tassen davor", raunte Darius und sah sie irritiert an. Sie rieb sich mit dem Mittelfinger über den Nasenrücken und schob dann die Tasse etwas von sich weg. Darius schmunzelte, stützte sich auf dem Tisch ab und sah Maren an. „Also, was ist los? Es muss schrecklich sein, wenn du freiwillig hierher kommst." Maren rollte mit den Augen.„Nichts. Alles prima. Ich hatte nur Lust darauf, ein halbes Vermögen loszuwerden und mich von wildfremden Menschen schubsen zu lassen", erwiderte sie. Darius lachte auf. „Dafür gehen wir für gewöhnlich auf Konzerte, Beany. Also, noch ein Versuch. Was ist los?", hakte Darius nach. Maren seufzte, nahm diesmal einen vorsichtigen Schluck von ihrem Glühwein und sah Darius dann an. Eigentlich hatte sie keine Lust über ihren Bruder oder diesen Caleb zu sprechen, aber Darius würde keine Ruhe geben. Also begann sie ihm zu erzählen, was sich am Vorabend ereignet hatte.„Wow. Du hast also einen Halbgott auf deiner Couch sitzen und bis lieber hier, als bei ihm?", fragte Darius, nachdem sie fertig war mit erzählen. Maren schüttelte den Kopf. War ja klar, dass Darius spätestens bei der Beschreibung von Caleb alles andere vergaß. „Ich kann ihn gern zu dir bringen für die nächsten vier Wochen", knurrte sie und leerte ihre Tasse. Darius sah sie mit leuchtenden Augen an und nickte eifrig. „Klar, bring mir das Zuckerstück." Maren lachte auf. „Nein, du notgeiler Bock. Was ist mit dem Typen vom letzten Mal?" Darius stöhnte auf und winkte ab. „Du meinst Marc. Hör mir auf mit dem. Selten so eine Zicke im Bett gehabt." Maren schüttelte den Kopf. „Hat man gar nicht gemerkt", erwiderte sie und beide mussten lachen, als sie daran zurückdachten, wie Marc sich aufgeführt hatte, weil Maren ihm versehentlich einen Kaffee über seinen Designerschal geschüttet hatte. „Also, stell mir Caleb vor", bettelte Darius schon fast, doch Maren schüttelte den Kopf. „Nein", sagte sie mit fester Stimme. Darius schob seine Unterlippe nach vorn und sah sie mit einem Schmollmund an.„Warum?" Maren stöhnte. „Weil er in irgendeiner Verbindung mit meinem Bruder steht und ich dich liebe. Also, vergiss diesen Caleb ganz schnell. So wie ich es auch tun werde, sobald er nicht mehr meine Couch blockiert." Darius gab sich geschlagen und sah Maren an. „Weißt du, was er mit deinem Bruder zu schaffen hat?", fragte Darius. Maren schüttelte den Kopf. „Nein. Interessiert mich auch nicht und jetzt ... will ich Karussell fahren", und ehe sie ausgesprochen hatte, packte sie Darius am Arm und zog ihn hinter sich her. Darius lachte und ab diesem Moment wurde der Nachmittag tatsächlich noch lustig. Mit jedem Glühwein, den Maren in sich hinein kippte, verlor sie etwas von ihrem Grinchverhalten und hatte Spaß. Sie fuhren unzählige Runden mit einem kleinen Karussell, für welches die beiden eigentlich schon zu groß waren. Aber da Maren den Besitzer aus dem LoveStone kannte, drückte dieser ein, na ja oder eher zwei Augen inklusive der nicht vorhandenen Hühneraugen zu. Wie ein kleines Mädchen kichernd und mit leuchtenden Augen saß Maren auf einem kleinen Elefanten und lieferte sich ein Wettrennen mit Darius, dessen Hintern Platz auf einer Schildkröte gefunden hatte. Er liebte es, Maren so zu sehen, was leider viel zu selten der Fall war und so entschied er sich auf Kinderpunsch umzusteigen. Es war meistens besser, wenn einer der beiden noch bei halbwegs klaren Verstand blieb. Der Nachmittag verging, wie im Flug und nachdem Maren sich noch eine hitzige Diskussion mit dem Weihnachtsmann geliefert hatte, dem Rentier neben ihm die Nase geklaut hatte und damit drohte, diese dem Weihnachtsmann in den Allerwertesten zu schieben, wenn er noch ein mal fröhliche Weihnachten über den Platz riefe. Nun, das war der Moment, an dem Darius entschied, dass es Zeit wurde, den Ausflug zu beenden. Er packte Maren und musste all seine Kraft aufwenden, sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Während sie vor sich hin tobte, zog er sie über den Weihnachtsmarkt und erst, als die Lichter schon kaum noch zu sehen waren, beruhigte sich Maren und beide begannen herzlich zu lachen. „Wie in alten Zeiten", sagte Darius, der Maren fest im Arm hielt. Sie hob die Braue und sah ihn fragend an.„Klingt, als wäre es jemals anders gewesen", erwiderte sie. Darius lachte und schüttelte den Kopf. „Nein, wobei du deinen Weihnachtskollaps sonst erst wenige Tage vor dem Heiligabend hast." Maren zuckte mit den Schultern. „Ich gehe stark davon aus, dass es dieses Jahr, mehr als einen geben wird", erwiderte sie und schwankte leicht. Der Glühwein hatte seine Wirkung nicht verfehlt und hatte sie in ein weiches, watteähnliches Gefühl gesteckt. Probleme wurden in einem dicken Schleier von Desinteresse verschlungen und das wärmende Brennen in ihrem Magen sorgte für ein angenehmes Wohlfühlempfinden.„Soll ich dich noch nach oben bringen?", fragte Darius, als sie vor Marens Wohnhaus zum Stehen kamen. Sie grinste ihn breit an und tippte ihm mit dem Zeigefinger auf die Nase. „Nein. Du willst nur den Halbgott sehen", erwiderte sie leicht lallend. Darius grinste, nickte und ließ sie aus seiner Umarmung. „Erwischt. Hab einen schönen Abend", raunte er, während Maren schon auf ihre Haustür zu schwankte. „Werde ich", erwiderte sie und verschwand nach drinnen. Leise summend stieg sie die Treppe nach oben, brauchte mehrere Versuche, um ihre Wohnungstür zu öffnen, und stolperte in das Wohnzimmer, begleitet von lautem Scherbeln, denn ihr Beutel landete nicht auf der Kommode, wie geplant, sondern krachte auf den alten Holzboden. Caleb schreckte zusammen und sah zu ihr auf. Er lag auf der Couch, seine Beine auf den Tisch abgelegt und zugedeckt mit einer der weichen Flauschedecken. Maren gab ein leises Knurren von sich, als sie sah, wie ein Weihnachtsmann durch das Bild des Fernsehers lief. Sie stolperte auf die Couch zu, was Caleb seine Beine zurückziehen ließ. Doch Maren ließ sich nicht auf ebendiese fallen, wie Caleb es vermutet hatte, sondern griff nach der Fernbedienung. „Keine Weihnachtsfilme in meiner Wohnung", brummte sie ihm entgegen, während sie den Fernseher ausschaltete. Caleb runzelte die Stirn und musterte sie. Ihre dunkle Mütze hing leicht schief auf ihrem Kopf und ihre leuchtend rote Nase, gepaart mit dem beißenden Geruch von Alkohol, zeigte ihm, dass sie wohl eindeutig einen Glühwein zu viel hatte. „Okay", flüsterte er. Maren warf ihm die Fernbedingung auf den Bauch und wollte sich gerade abwenden. „Maren?", vibrierte seine Stimme durch ihren Körper und schickte ihr einen elektrischen Impuls durch den Körper. Sie schluckte und sah langsam wieder zu ihm. Seine eisblauen Augen lagen auf ihr und irgendwie sah er müde aus. Müde oder traurig? Maren kniff ein Auge zusammen, was aber nicht dabei half, seinen Blick deuten zu können. Sie schüttelte sich. Was interessierte es sie? „Was?", knurrte sie ihm entgegen. Er seufzte leise, als er ihren garstigen Ton vernahm und sie sah, wie sich die Muskulatur in seinem Halsbereich für einen Moment anspannte, bevor er sich räusperte und sich wieder entspannte. „Hast du einen Schlüssel für mich?", fragte er plötzlich und Maren sah ihn irritiert an. „Schlüssel?" Er nickte. „Ja, damit ich die Wohnung auch abschließen kann, wenn ich gehe", sagte er leise. „Gehen?", fragte Maren nach. Caleb rollte die Augen und setzt sich auf. „Ja. Arbeiten." Langsam wurde der Nebel in Marens Hirn klarer und sie nickte. „Du hast also einen Job?", fragte sie, obwohl sie es eigentlich gar nicht wissen wollte. Er nickte und fixierte sie, mit seinem Blick. „Ja, Security. Ich arbeite nachts. Wir werden uns also nicht viel sehen", erklärte er sich. Maren nickte. „Ist ja fast wie ein Weihnachtswunder", warf sie ihm giftig entgegen, bevor sie in den Flur verschwand. Als sie zurückkam, warf sie ihm den Schlüssel ebenfalls auf den Bauch. Caleb nahm ihn und sah zu ihr auf.„Danke." Maren schnaubte. „Spar es dir", raunte sie und wollte erneut gehen, als er sie wieder aufhielt. „Maren?" Sie rollte die Augen und sah ihn genervt an. „Ich kenne meinen Namen!" Caleb musterte sie erneut und legte den Kopf schief.„Habe ich dir etwas getan?", fragte er leise, aber fordernd. Maren lachte schon fast hysterisch auf.„Du? Niemals. Abgesehen, dass du meine Couch belagerst und irgendwas mit meinem Arschloch von Bruder zu tun hast, ist alles Prima. Oder?" Sie fixierte ihn ebenfalls, nur dass in ihrem Blick die reine Verachtung lag. Caleb hielt ihrem Blick stand, doch als er gerade etwas erwidern wollte, hob Maren die Hand und zeigte ihm an zu schweigen. „Keine Erklärung. Es interessiert mich nicht. 4 Wochen und dann verschwindest du. Alles andere rutscht mir buchstäblich den Buckel runter", und mit diesen Worten wandte sie sich endgültig ab und ließ Caleb erneut zurück. Er starrte noch eine Weile auf die Tür, durch welche sie gerade verschwunden war, schüttelte dann den Kopf und ließ sich wieder tiefer in die Couch rutschen. „Die Verwandtschaft zueinander können sie wohl nicht abstreiten", murmelte er in seinen Bart, legte die Beine wieder auf den Tisch und schaltete sich seinen Film wieder an.
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