Kapitel 4 - Ungebetener Gast

Es war weit nach Samstagmittag, als Maren endlich aufwachte. Sie fühlte sich müde, erschöpft und jeder Zentimeter ihres Körpers brannte. Ja, die wirklichen Nachwehen eines Konzertes kamen erste zwei Tage später und so hatte sie sich dazu entschieden, dass sie an dem heutigen Tag genau nichts machen würde. Sie hatte ihren Tag mit einem ausgiebigen Bad begonnen, hatte sich Essen von ihrem Lieblingsitaliener bestellt, denn sie wollte gern eine Pizza ohne Röstaroma und hatte sich dann mit dieser wieder zurück auf die Couch gelegt. Sie hatte gerade den dritten langweiligen Horrorfilm eingeschaltet, als es ihr langsam die Augen zuzog. Die Dämmerung setzte bereits ein und eigentlich hatte sie sich vorgenommen, die nächste Nacht in ihrem Bett zu verbringen, aber die Müdigkeit hatte sie fest im Griff und so driftete sie langsam wieder ins Reich der Träume ab. „Maren?" Sie zuckte zusammen und blinzelte. Hatte da gerade jemand ihren Namen gerufen? Nein, unmöglich, dachte sie sich, seufzte zufrieden und zog die Decke ein wenig höher. „Maren!" Da war es wieder. Diesmal öffnete sie die Augen und sah über den Rand ihrer Decke. Sie runzelte die Stirn und sah sich um. Hatte sie es geträumt? Wenn ja, warum saßen dann Erna und Bernd mit erhobenen Köpfen auf ihr und sahen in den Flur. Doch ehe sie sich weiterfragen konnte, was los war, zerriss das Klingeln ihrer Tür und ein darauffolgendes Klopfen die Stille ums sie. „Maren", hörte sie durch die Tür dringen und als sie die Stimme endlich erkannte, schoss ihr Puls sofort in die Höhe. Sie knurrte und blieb bewegungslos liegen. Er würde sicher einfach wieder gehen. Doch das Klingeln und Klopfen ebbte nicht ab und bevor sich Zimtzicke Miller noch einmischen würde, erhob sie sich widerwillig von der Couch. Erna und Bernd rutschten herunter und meckerten zornig vor sich hin. „Ab", raunte Maren und die beiden verzogen sich in eins ihrer Körbchen. Sie schlang sich die Decke um den Körper und stampfte in Richtung der Tür, vor welcher immer noch höllischer Lärm tobte. Ohne Vorwarnung riss sie die Tür auf und funkelte den Ruhestörer bösartig an. „Was verschafft mir den Besuch aus der Hölle?", knurrte sie. Kalte, grüne Augen starrten sie an. Zorn schien darin zu funkeln und Maren ärgerte sich, dass sie diese Tür überhaupt geöffnet hatte. „Warum bist du nicht zu erreichen?", wurde ihr entgegen geraunt. Sie schnaubte abwertend. „Nicht gehört", erwiderte sie. Ein Schnauben, welches ihrem verdammt ähnlich klang, ging durch den Raum. „Und die Nachrichten?" Maren rollte die Augen und hob den Blick. „Gelöscht. Aber da du jetzt hier stehst, muss es ja dringend sein oder warum lässt du dich zum Fußvolk nieder, Bruder?" Maren starrte ihren Bruder an, der seine Stirn in tiefe Falten gelegt hatte. Er malmte mit dem Kiefer und Maren wusste, dass er es hasste, wenn sie so mit ihm sprach. Nur waren ihr die Empfindungen ihres Bruders ebenso egal, wie diese verdammte Meckerziege Miller. „Rede nicht in diesem Ton mit mir", knurrte Marian ihr entgegen und fuhr sich dabei durch seine dunklen kurzen Haare. Maren grinste schief und zeigte ihm den Mittelfinger. „Besser?", fragte sie und wollte bereits die Tür wieder schließen, als er seinen Fuß dazwischenschob und sie aufhielt. „Nimm deine Schuhe aus meiner Tür oder du benötigst neue." „Wir müssen reden", raunte er und ließ den Fuß im Türrahmen stehen. „Ich wüsste nicht worüber und jetzt hau ab und geh mir nicht auf den Sack", erwiderte Maren. Marian schien die Geduld zu verlieren und drückte die Tür mit Schwung auf. Maren stolperte zurück, fing sich aber diesmal und sofort schoss ihr Wut durch die Adern. Sie ließ die Decke von ihrem Körper rutschen, öffnete die Tür vollständig und trat ihm entgegen. Ihr Blick wanderte über seinen teuren, maßgeschneiderten Anzug, zu seinem beschissenen, glattrasiertem Kinn, weiter zu seinen vor Wut tobenden Augen. Marens Nasenflügel bebten und sie schien von ihren 1,65 cm auf zwei Meter anzuwachsen. Sie fixierte ihren Bruder mit kaltem Blick und knurrte diesem entgegen. „Wenn du es noch einmal wagst, auch nur einen Schritt in meine Wohnung ...", sie stockte, als sie die Bewegung hinter ihrem Bruder wahrnahm. Ein großer, breiter Muskelberg trat neben ihn. Eisblaue Augen, welche in einem markanten, eckigen Gesicht gebettet waren, starrten sie an. Sie scannte ihn, bin von Sekunden ab und jap, eigentlich würde er ihre Libido zum Ausrasten bringen. Seine blonden langen Haare, waren zu einem Zopf gebunden, seine Wangen und Kinn waren mit einem hellen Bart überzogen. Die Muskeln, welche sich durch seinen engen Hoodie abzeichneten, schrien sie förmlich an, aber in ihr regte sich nichts, außer noch mehr Wut und Zorn. Die Anwesenheit ihres Bruders schien ihr sämtliche positiven Gefühle zu entziehen und Maren wusste gerade nicht, ob sie ihren Bruder dafür hasste oder schon allein für seine Frechheit hier aufzutauchen. „Wer ist das?", brummte sie und sah zurück zu ihrem Bruder. Dieser trat einen Schritt zur Seite und sah zu dem Typen neben sich. „Das ist Caleb", raunte ihr Bruder und sah zurück zu ihr. Maren zog die Brauen nach oben und sah ihren Bruder an. „Brauchst du schon Personenschutz? Würde mich nicht wundern." Marians Kiefer spannte sich immer mehr an. Caleb hingegen stand teilnahmslos daneben und schien die Situation einfach zu ignorieren. Maren war langsam genervt und trat wieder zurück in ihre Wohnung. „Also, auch wenn es mich nicht interessiert. Was willst du hier?" Marian sah sie an. „Caleb benötigt für die nächsten 4 Wochen eine Unterkunft. Die wirst du ihm bieten", raunte er völlig emotionslos. Maren sah ihn an, lachte und griff nach der Tür. „Sicher, dies wird gleich passieren, nachdem die Hölle zugefroren ist, aus der du immer wieder gekrochen kommst." Diesmal warf sie die Tür zu und wandte sich gerade ab, als sie die nächsten Worte ihres Bruders vernahm. „Du schuldest mir was!" Maren erstarrte und ein reißender Schmerz zog sich durch ihr Herz. Sie brauchte einen Moment, um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. Widerwillig griff sie erneut nach der Klinke und öffnete die Tür. Marian grinste sie widerlich an. „Du bist nicht nur die Ausgeburt der Hölle. Du bist deren Meister", warf sie ihm zu und sah dann zu Caleb. „Du. Reinkommen." Dieser nickte nur, lief an Marian vorbei, ohne ihn auch nur einen Blick zu würdigen, und betrat die Wohnung von Maren. Diese tat es ihm gleich, ignorierte ihren Bruder und warf ihm die Tür vor der Nase zu. Sie atmete tief ein und kniff sich dabei in den Nasenrücken. Caleb stand völlig still, mit einer kleinen Reisetasche in der Hand in dem Flur und wartete. Nachdem Maren sich halbwegs wieder im Griff hatte, sah sie ihn an und zeigte in Richtung Wohnzimmer. Langsam setzte er sich in Bewegung und Maren folgte ihm. Er ließ seinen Blick durch das Zimmer gleiten. Das Wohnzimmer war recht groß. Die Wände waren mit Pflanzen behangen, dazwischen ein Fernseher. Mittig ihm Raum stand eine braune Couch, dahinter in der einen Ecke ein Regal voller Bücher und in der anderen Ecke ein Schreibtisch mit zwei Bildschirmen. Der andere Teil des Raumes war mit einer Küchenzeile ausgestattet. Davor eine kleine Insel, welche scheinbar gleichzeitig als Tisch diente. Maren schob sich an ihm vorbei und warf die Decke auf die Couch. „Küche. Wohnzimmer. Dein Schlafplatz", raunte sie und zeigte auf die Couch. „Kaffeemaschine ist mein Heiligtum. Zerstör sie und ich werde das Gleiche mit dir tun. Badezimmer liegt gegenüber der Eingangstür. Rauchen nur auf dem Balkon. Keine Frauen. Keine Freunde. Kein Schritt in mein Schlafzimmer. 4 Wochen ab heute. Dann will ich dein Gesicht nie wieder sehen. Verstanden?" Caleb nickte nur und stellte seine Tasche auf dem Boden ab. „Ach und ich bin weder dein Koch noch deine Putzfrau. Mach dein Dreck selbst weg. Waschen werde ich auch nicht und wenn du Bier willst. Kauf dir welches", schob Maren nach, während sie sich ein Bier aus dem Kühlschrank nahm. Da Caleb ihr nicht antwortete, schloss sie die Tür und sah ihn an. „Verstanden?" Er drehte sich zu ihr und sein ausdrucksloser Blick, schickte ihr ein seltsames Gefühl durch den Körper. „Verstanden", erwiderte er und seine tiefe Stimme, verpasste ihr eine Gänsehaut. Sie schluckte, öffnete das Bier und ging zur Balkontür. „Willst du nicht wissen, warum ich hier bin?", brummte es dunkel hinter ihr. Maren öffnete die Tür und sah zurück zu ihm. „Weil mein Bruder ein Arschloch ist." Maulend und leise vor sich hin fluchend trat Maren auf den Balkon. Sie ließ sich auf die Sitzbank fallen und leerte das Bier Schluck um Schluck. „Na, immer noch Weltuntergangsstimmung?", raunte es zu ihr herüber. Maren seufzte auf und hob die Hand.„Nicht heute, Gabi", zischte sie bösartiger, als sie es eigentlich wollte. Gabi zog eine Braue nach oben, schüttelte den Kopf und verschwand in ihre Wohnung. Maren rieb sich übers Gesicht und konnte es einfach nicht fassen. „35 und seit 17 Jahren fernab von diesem Penner und er macht mir das Leben immer noch zur Hölle." Sie hasste ihn mit jeder Faser ihres Körpers. 17 verdammte Jahre hatte er gewartet, um diese Karte auszuspielen, und dann kam er ausgerechnet jetzt damit. Zur schlimmsten Zeit des Jahres. Natürlich wäre es interessant zu wissen, was es mit diesem Caleb auf sich hatte. Aber er stand im Zusammenhang mit ihrem Bruder, also würde sie so viel Abstand, wie nur möglich, halten. Als ihr Bier leer war und sie das Gefühl hatte, dass ihre Zehen bereits abgestorben waren, dank der Kälte, betrat sie ihre Wohnung. Caleb saß an dem Küchentisch und sah sie an. Zu lange, wenn es nach Maren ging. „Was?", raunte sie ihn an. Caleb musterte sie aufmerksam, schüttelte dann aber mit dem Kopf. „Nichts", gab er zurück und sah wieder auf sein Handy. Maren schnaubte. „Erna. Bernd. Los." Die Frettchen sprangen aus ihrem Körbchen und bahnten sich direkt den Weg ins Schlafzimmer. Maren schnappte sich ihr Handy, welches immer noch aus war, und ließ Caleb allein im Wohnzimmer sitzen.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top