Kapitel 18 - Stille und heilige Nacht am Arsch

In Maren übernahm sofort wieder die Wut ihr Handeln, denn für wenige Sekunden sah sie ihren Bruder vor sich stehen. Sie riss sich aus Calebs Hand und schlug ihm gegen die Brust.

„ARSCHLOCH!", brüllte sie ihm entgegen und stellte sich hinter die Couch.

Caleb taumelte rückwärts und krachte in die Wand. Er zog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein und funkelte Maren bissig an.

„Ich dachte, du bist anders als der Rest deiner Familie", raunte er und trotz, dass er gut einen sitzen hatte, sah er die Trauer in ihren Augen aufblitzen und schon tat es ihm wieder leid.

Er rieb sich übers Gesicht und sah sie verzweifelt an.

„Maren. Es tut mir leid."

Doch die sah ihn nur giftig an.

„Weißt du was, schieb dir deine Entschuldigung sonst wohin", raunte sie und griff nach seiner Tasche.

Sie warf sie ihm an die Brust.

„Hau ab und trete mir nie wieder unter die Augen."

Caleb knirschte mit den Zähnen und ließ die Tasche zu Boden fallen.

„Nein, verflucht. Hör mir zu", forderte er, doch Maren schüttelte nur mit dem Kopf.

„Nein, warum sollte ich? Ich habe es satt. Ich hätte dich niemals in meine Wohnung lassen sollen. Du und Marian, ihr seid euch so gleich!", fauchte sie und damit hatte sie eindeutig einen Nerv von Caleb getroffen, den sein Blick wurde sofort dunkel.

Sein ganzer Körper spannte sich an und er schüttelte fassungslos den Kopf.

„Ach, sind wir das? Sind wir das wirklich? Wäre dein Bruder jeden verdammten Tag in dem beschissenen Park gewesen, nur um sicherzugehen, dass dir nichts passiert. Und das, obwohl du kein Wort mit mir gewechselt hast?"

Maren klappte der Mund auf. Er war trotz allem jeden Tag da gewesen und hatte ein Auge auf sie gehabt. Sie schluckte und die Wut fing an, mit ihrer Schuld zu kämpfen. Caleb vernahm es und lachte enttäuscht.

„Ja genau. Ich Idiot habe mir Sorgen um dich gemacht. Aber du willst scheinbar nur das Schlechte in mir sehen. Wie jeder andere auch."

Er fing an, sich in Rasche zu reden und überlegte nicht mehr, was er von sich gab.

„Weißt du, warum ich nicht bei der Beerdigung meiner Mutter und bei der meines Bruders sein konnte? Weil ich wegen deines verdammten Bruders im Knast gesessen habe. 5 verdammte Jahre. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich diesen Menschen hasse, und trotzdem war er der Einzige, der mir helfen konnte. Ich konnte nicht ahnen, dass er mich einfach bei dir ablädt, weil ich ihm scheinbar seine idyllisch, verlogene Familie zerstören würde. Aber das Thema hat sich erledigt, denn er hat mir heute gezeigt, was für ein Arschloch er sein kann. Glückwunsch, du bist mich los."

Caleb zitterte am ganzen Körper und langsam verschwand die Wut aus diesem und Traurigkeit fraß sich durch seine Zellen. Maren versuchte noch, seine Worte zu begreifen, und langsam verstand sie, dass sie beide ein völlig falsches Bild von sich hatten. Sie seufzte und als Caleb plötzlich nach seiner Tasche griff und im Begriff war, die Wohnung zu verlassen, begann ihr Herz zu rasen.

„Caleb?"

Er blieb stehen und sah sie müde über seine Schulter hinweg an.

„Ich kann nicht mehr, Maren. Der Tag war mies genug. Ich ... Ich bin durch...", flüsterte er.

Sie nickte, lief zu der Küchentheke und griff nach der Flasche.

„Ich hab' uns Glühwein geholt. Vielleicht willst du einen und wir fangen mit dem Gespräch noch mal von vorn an?"

Caleb sah sie ungläubig an.

„Sicher?"

Maren schenkte ihm ein Lächeln.

„Sicher, außer du willst lieber schlafen, dann ist das auch okay."

Er kam zurück ins Wohnzimmer und stellte seine Tasche wieder ab.

„Nein, ich würde gern den Glühwein nehmen."

Maren nickte und während sie einen Topf auf den Herd stellte und sich um Alkohol kümmerte, zog Caleb sich bequeme Kleidung an.

„Balkon?", fragte Maren und schon schnappte sich Caleb zwei der Decken und öffnete ihr die Tür, damit sie mit den Tassen direkt nach draußen gehen konnte.

Beide wickelten sich in eine der Decken und setzten sich auf die kleine Bank. Sie schwiegen eine Weile und starrten in ihre dampfenden Tassen. Marens Herz schlug ihr bis zum Hals und doch wusste sie, dass es sie war, die den nächsten Schritt machen musste. Also nahm sie einen Schluck von dem Glühwein und räusperte sich.

„Ich war schon immer anders. Schon als Kind fand ich diesen übertriebenen Schnickschnack und das übertriebene Verhalten meiner Eltern affig. Thomas, mein großer Bruder sah es ebenso wie ich, deswegen hatten wir eine ziemlich starke Bindung. Marian hingegen war schon immer ein Arschkriecher und wollte unbedingt werden wie unser Vater. Ich kam klar damit, denn ich hatte Thomas. Ich wurde älter und brach mich aus den goldenen Ketten meiner Eltern frei. Ich war Feiern, hatte viele lange Nächte. Drogen. Alkohol... na ja, alles, was dazugehörte. Na ja, und vor sechzehn Jahren artete es aus, doch Thomas stand immer hinter mir. Er wusste, dass ich Weihnachten mittlerweile abgrundtief hasste, denn meine Eltern handhabten es schon immer so, dass sie am dritten Advent das Familienessen veranstalteten, damit sie am Heiligen Abend eine Party für ihre verdammten Freunde abhalten konnten. Thomas hat mich am Vorabend mit in einen Club genommen und wir feierten die Party unseres Lebens. Na ja, zumindest so lange, bis ich einen Cocktail zu viel hatte und einfach durch den Hintereingang verschwand, um frische Luft zu schnappen."

Maren stockte kurz und zog die Decke etwas fester um sich. Caleb saß still neben ihr und schwieg. Sie nahm einen weiteren Schluck und sprach weiter.

„Danach wurde alles dunkel und das Nächste, was ich weiß, ist, dass ich in einem verdammten Kofferraum geworfen wurde. Ich weiß nicht, was alles passierte, nur, dass ich irgendwann unter einer beschissenen Brücke wieder abgeladen wurde und Thomas plötzlich vor mir stand. Auf dem Heimweg hat er mir erzählt, dass er mich gesucht und plötzlich einen Anruf bekommen hatte. Sie wollten Geld. Jede Menge Geld, damit ich am Leben bleibe. Thomas hat daraufhin unsere Eltern angerufen, aber die taten es als unwichtig ab. Vielleicht lerne ich ja daraus und mir würde schon nichts passieren. Thomas hat alles, was er an Geld auftreiben konnte, zusammengekratzt und hat mich freigekauft."

Wieder stockte sie, denn sie sah, wie Calebs Hände sich zu Fäusten ballte. Sie seufzte.

„Als wir zu Hause ankamen, wurde kein Wort über meine Entführung verloren. Thomas aber hat sich Marian geschnappt und darauf bestanden, dass sie die Typen ausfindig machen. Er lehnte ab. 3 Wochen später fand man Thomas erschossen unter der Brücke, wo ich damals abgelegt wurde. Die Täter wurden nie gefunden, aber ich bin mir sicher, es waren meine Entführer. Marian kam nach der Beerdigung zu mir und sagte ... wir wissen beide, dass Thomas deinetwegen gestorben ist ... du schuldest mir was, dafür, dass ich es unseren Eltern nicht erzähle. Ich willigte damals ein, was hätte ich auch sonst machen sollen. Ich verbrachte noch ein Jahr unter ihrem Dach und habe Punkt null Uhr an meinen 18. Geburtstag das Haus verlassen und nie wieder betreten."

Stille breitete sich aus, bis Caleb sich räusperte.

„Und diese Karte?", fragte er.

Maren lachte kalt auf.

„Die schreibt, die Assistentin meines Vaters. Anstand, damit die Angestellten denken, sie sind gute Eltern. Ich bin mir sicher, dass sie nicht mal wissen, was drinsteht."

Caleb schüttelte fassungslos den Kopf.

„Er macht nicht mal vor seiner Familie halt."

Maren zog eine Braue nach oben.

„Marian? Der würde seine Kinder verkaufen, wenn er einen Vorteil daraus ziehen würde", erwiderte Maren kalt.

Caleb hob den Blick und sah sie an. Schuld spiegelte sich in seinen Augen und er gab ein leises Stöhnen von sich.

„Es tut mir leid, dass ich dich in diese Hölle gebracht habe."

Maren winkte ab.

„Schon gut. Du konntest es nicht wissen und eigentlich war es ja ganz nett von dir. Ich hätte ja auch einfach in dem verdammten Auto sitzen bleiben und dich bitten können wieder zu fahren. Tja und es war mir schon klar, wie das Ganze endet, als ich den ersten Fuß in diese Hütte gesetzt habe, aber was soll ich sagen, du liegst wohl mit dem Miststück gar nicht so falsch."

Sie lächelte ihn an, was auch Caleb fast schon dazu zwang, dieses zu erwidern.

„Trotzdem, ich hätte mich raushalten sollen, so wie du es verlangt hast."

Wieder zuckte sie mit den Schultern.

„Ist Vergangenheit. Mach es in der Zukunft besser", sagte sie, ohne darüber nachzudenken.

Caleb nickte.

„Werde ich", flüsterte er und griff nach ihrer leeren Tasse.

„Nachschub?"

Maren nickte.

Es dauerte nur Minuten und er kam mit zwei neuen Tassen zurück. Er reichte eine davon Maren und setzte sich wieder neben sie. Er zündete sich eine Zigarette an und reichte eine Weitere an Maren. Er nahm einen tiefen Zug und lehnte sich zurück.

„Jetzt bin wohl ich dran?", fragte er und Maren nahm einen Schluck aus der Tasse.

„Nur, wenn du willst", erwiderte sie.

Er seufzte und zog ein weiteres Mal an der Zigarette, bevor er anfing zusprechen.

„Ich kenne deinen Bruder seit 15 Jahren. Wir gehörten damals zu seiner Gang. Nun wir wurden älter und dein Bruder Anwalt und während viele der Jungs ihren eigenen Weg fanden, blieb ich. Ich war einer der Leute, der dafür sorgte, dass dein Bruder seine Prozesse gewann. Ich schüchterte Zeugen ein."

Er zuckte mit den Schultern.

„Er zahlte gut und so konnte ich meiner Mum wenigstens etwas zurückgeben, wenn ich schon nicht der beste Sohn war. Vor fünf Jahren hatte ich eben einen solchen Auftrag. Irgendein Zeuge sollte seine Aussage zurückziehen. Ich fand ihn, erklärte ihm das und hab ihn vielleicht die Nase kaputtgeschlagen, aber er lebte, als ich ihn verlassen habe. Nun, nur dass der Idiot danach zu Marian gerannt ist. Ihm gedroht hat und danach nie wieder gesehen wurde. Das habe ich aber alles erst erfahren, als ich schon im Knast saß. Sie konnten mir keinen Mord nachweisen. Ich habe gestanden, ihm eine übergezogen zu haben und dafür gab es dann 5 Jahre. Während ich im Knast saß, kam Marian mich besuchen und erzählte mir, den Rest. Ich sollte dankbar sein, dass es nur 5 Jahre waren und dass er aufgrund der Geschehnisse nun aber die Zusammenarbeit beenden musste. Ich glaube, das war der Moment, als ich kapierte, dass er ein Arschloch war. Aber kurz vor meiner Entlassung drehte sich das Blatt."

Er stockte und sah zu Maren.

„Ich will nicht zu viel erzählen, aber ich habe die Möglichkeit bekommen, Marian unter Druck zusetzten. Und das habe ich, denn ich bin pleite, habe keine Wohnung und brauchte einen Gefallen."

„Und er hat dich zu mir abgeschoben", sagte Maren.

Caleb nickte.

„Ja, aber das war nur ein Teil unseres Deals. Er sollte...", wieder stockte er und nahm sich eine neue Zigarette.

Maren spürte, dass er mit sich kämpfte, und so legte sie ihm ihre Hand auf den Oberschenkel und drückte leicht zu.

„Du musst es mir nicht erzählen", sagte sie leise.

Er atmete tief ein.

„Doch ... Ich hatte eine Freundin, bevor ich in den Knast kam. Es war nicht die Liebe, also tat es nicht sonderlich weh, als sie Schluss machte und nichts mehr mit einem, wie mir, zu tun haben wollte. Aber ich erfuhr irgendwann, dass sie schwanger war, von mir."

Maren schluckte.

„Sie will nicht, dass du dein Kind siehst?"

Wieder nickte Caleb.

„Richtig und dein Bruder sollte das für mich klären. Ich weiß nicht, ob er es jemals ernsthaft in Erwägung gezogen hat, aber das ist jetzt auch egal. Denn mein Druckmittel hat gestern das Land verlassen und will nichts mehr mit mir zu tun haben."

Caleb nahm den letzten Schluck Glühwein und legte den Kopf in den Nacken.

„Wir sind also alle Deals und Gefallen los", sagte er und Maren nickte.

„Was hast du jetzt vor?", fragte sie.

Caleb zuckte mit den Schultern, während er gähnte.

„Weiß nicht. Ich brauche erst mal eine Wohnung und wenn ich irgendwann das Geld habe, werde ich mir einen neuen Anwalt suchen. Und bis das alles läuft, suche ich mir dann wohl ein Motel, damit du mich endlich los bist", raunte er.

Maren zog ihre Hand von seinem Oberschenkel zurück und lächelte ihn an.

„Bleib so lange du, willst. Ich denke, ich komme noch eine Weile mit deiner Anwesenheit aus."

Caleb hob den Blick und sah sie mit großen Augen an.

„Eigentlich will ich dir nicht weiter zur Last fallen", erwiderte er.

Maren schüttelte den Kopf.

„Passt schon, bleib wenigstens bis zum Neuen Jahr. Du musst nicht an den Feiertagen in irgendeinem Motel vergammeln und jetzt gehst du am besten schlafen."

Caleb gähnte erneut.

„Danke."

Sie lächelte und stand auf.

„Es tut mir leid, dass du auch unter die Räder meines Bruders gekommen bist."

Caleb winkte ab.

„Ich bin selbst schuld. Ich habe es bei dem Besuch im Höllenhaus übertrieben. Ich wusste, dass ich eine Grenze übertreten hatte. Nun und wer mit dem Teufel einen Pakt eingeht, muss wohl auch den Preis dafür zahlen."

„Ja, mag sein. Trotzdem", gab Maren leise zurück.

Caleb wollte sich gerade auf die Couch legen, als Maren ihn ansah.

„Geh ins Schlafzimmer. Da hast du deine Ruhe."

Caleb runzelte die Stirn.

„Du kannst ja wirklich nett sein."

Maren zeigte ihm den Mittelfinger und lachte.

„Geh lieber, bevor ich es mir anders überlege."

„Danke, erneut", sagte er und verschwand.

Maren sah ihn noch kurz nach und als sie hörte, dass er die Tür geschlossen hatte, nahm sie sich ihre Schlüssel und verließ die Wohnung. 

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