Kapitel 11 - Freundschaft auf Zeit
Seufzend wachte Maren auf und streckte sich behutsam. Ihr Körper war immer noch von einer scheinbar nicht enden wollenden Schwere befallen, trotzdem fühlte sie sich ausgeschlafen wie schon lang nicht mehr. Sie rollte sich auf die Seite und öffnete langsam die Augen. Ein blonder Dutt, der auf der Kante ihrer Matratze lag, fiel ihr ins Auge und unwillkürlich begann sie zu lächeln.
Er war also die ganze Nacht geblieben, dachte sie sich und sofort begann ihr Herz etwas schneller zu klopfen. Sie hielt für einen Moment inne, bevor sie sich langsam aufrichtete und aus dem Bett schlüpfte. Auf leisen Füßen schlich sie um das Bett und musste schmunzeln, als sie neben Caleb stehen blieb.
Da wird nachher wohl jemand Rückenschmerzen haben, schoss es ihr durch den Kopf, als sie ihn musterte. Sein Kopf war in den Nacken gelegt und lag wirklich nur auf der äußersten Kante auf dem Bett auf. Sein Oberkörper lag dadurch in einer Mischung aus Hohlkreuz und Fragezeichen an das Holzgestell gelehnt. Was sie aber wirklich zum Anbeißen süß fand, waren Erna und Bernd, die sich zu kleinen Häufchen zusammengerollt hatten und in die Decke eingekuschelt auf seinem Schoß lagen.
„Süß", flüsterte sie, doch die beiden schienen sie nicht zu bemerken und schnieften friedlich vor sich hin.
Für einen Moment überlegte Maren, ob sie ihn wecken sollte. Aber nachdem, was er alles für sie getan hatte, sollte er schlafen, bis die Rückenschmerzen ihn erweckten. Sie schlich also weiter aus dem Zimmer und ließ die Tür einen Spalt offen. Sie bog ins Bad ab und nachdem sie sich wieder wie ein Mensch fühlte, wandelte sie in die Küche. Sie stellte leise die Musik an und schlenderte summend durch die Küche. Maren ließ sich einen Kaffee aus der Maschine, schnappte sich eine der Decken und setzte sich dann an die Küchentheke. Schluck um Schluck leerte sie die Tasse, während sie durch Instagram scrollte.
„Pfff ...", war das Einzige, was ihr einfiel, nachdem die den hundertsten – habt einen schönen 2ten Advent – Post las und das Handy genervt zur Seite legte.
„Noch zwei Wochen, dann ist der Spuk endlich vorbei", raunte sie und wollte sich gerade einen weiteren Kaffee gönnen, als lautes Gepolter, untermalt mit einem „Verfluchte Scheiße", Schrei von Caleb durch die Wohnung hallte.
Sofort war das Getrippel der Frettchen zu hören, welche, wie angeschossen, in das Wohnzimmer gerast kamen. Maren sah dabei zu, wie sie auf die Couch sprangen, die Köpfe schief legten und in den Flur starrten.
„Caleb?", rief Maren mit gerunzelter Stirn und lehnte sich ebenfalls nach vorn, um in den Flur sehen zu können.
„Ja", hörte sie ein leises Knurren, bevor sie seine schweren Schritte vernahm.
„Ist alles okay?", fragte sie, als sie seinen Schatten im Flur vernahm.
„Nein", raunte es ihr entgegen.
Sie zog die Brauen nach oben und sah dabei zu, wie er langsam in das Wohnzimmer gelaufen kam. Er wirkte noch völlig verschlafen und band sich gerade seine langen Haare neu zusammen. Sein Blick schoss als Erstes zu Erna und Bernd, die ihn mit großen Kulleraugen ansahen.
„Das habt ihr mit Absicht gemacht. Ihr ...", er wedelte wüst mit den Zeigefingern in Richtung der beiden, was Maren in ihren Kaffee schauen ließ.
Hatte sie etwa die Milch mit Whiskey verwechselt oder was lief hier gerade schief. Unterhielt er sich gerade mit den beiden? Maren hatte eher das Gefühl, er setzte seit Tagen alles daran, sie zu ignorieren.
„Du weißt, dass sie dir nicht antworten können?", fragte Maren schließlich, was Calebs Aufmerksamkeit auf sie richtete.
Er kräuselte seine Nase und holte tief Luft.
„Sie wissen genau, dass ich sie nicht mag, und trotzdem hören sie nicht auf damit, zu mir zu kommen."
Maren musste kichern, denn Caleb sah gerade so aus, als würde er dem Wahnsinn verfallen.
„Du meinst, sie machen das mit purer Absicht?", fragte Maren ihn, während sie zur Kaffeemaschine lief.
Caleb nickte.
„Hundertprozentig", erwiderte er.
Maren sah über ihre Schulter zurück zu ihm.
„Du weißt, dass du klingst wie ein Irrer?"
Caleb schnaubte und ließ sich auf einen der Hocker an der Theke fallen. Maren nahm inzwischen die Tasse und ging langsam zurück.
„Ich denke eher sie mögen dich", sagte sie beinahe so leise, dass er es kaum hören konnte.
Er wollte schon etwas erwidern, als ihre Worte bei ihm ankamen, und so hob er stattdessen langsam den Blick. Maren starrte in die Tasse, als sie seinen brennenden Blick auf sich spürte. Sie räusperte sich und stellte die Tasse vor seine Nase, ohne ihn anzusehen. Caleb starrte einige Sekunden auf diese und sah dann zu ihr.
„Das ist schon fast freundlich von dir", sagte er und lächelte.
Maren schnaubte.
„Arsch", gab sie trotzig von sich und setzte sich selbst auch wieder an die Theke.
Caleb lachte und sah sie weiterhin an.
„Und da ist es wieder, das Miststück von Hexham", raunte er.
Maren verschluckte sich an ihrem Kaffee und sah ihn giftig an.
„Wie hast du mich gerade genannt?"
Caleb schmunzelte.
„Du hast mich schon verstanden. Ebenso, wie ich mir sicher bin, dass diese beiden mich dort verstehen", sagte er und zeigte auf Erna und Bernd.
Eigentlich wollte Maren ihm den Arsch dafür aufreißen, aber irgendwas an seiner Art und Weise ließ sie stattdessen auflachen.
„Ich habe also schon einen Spitznamen? Und das, obwohl du mich gar nicht kennst?", fragte sie und musterte ihn.
Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee und sah sie über den Rand seiner Tasse an.
„Tja, ich nehme das, was ich von dir kennengelernt habe. Und ich finde die Bezeichnung sehr treffend."
„Findest du also, ja?", fragte sie nach und schüttelte den Kopf.
„Finde ich", bestärkte Caleb seine Aussage.
„Also eigentlich wird mir nachgesagt, dass ich ziemlich witzig und umgänglich bin", erklärte Maren und streifte sich einige Strähnen ihrer Haare aus dem Gesicht.
Caleb sah sie mit geweiteten Augen an und ließ seinen Mund leicht aufklappen.
„Witzig und umgänglich?", fragte er fassungslos.
Sie rollte die Augen und schnaubte.
„Bin ich. Normalerweise, wenn nicht gerade ein Fremder in meiner Wohnung abgeladen wird."
Caleb nickte resignierend.
„Okay, der Punkt geht an dich."
Er drehte die Tasse vor sich und schob seine Unterlippe hin und her. Ihm lag etwas auf der Zunge, aber er war sich nicht sicher, ob er damit die gerade endlich entspannter werdende Stimmung gleich wieder versauen würde. Nun, aber Caleb war ein Mensch, der eigentlich gern aussprach, was er dachte. Er hob den Blick und sah Maren an.
„Scheinbar hat sich aber ja etwas geändert", flüsterte er.
Marens Blick wanderte zu seinen Händen und blieb auf seinen verkrusteten Knöcheln hängen.
„Hat es", murmelte sie zurück.
Caleb nickte.
„Du hättest das nicht tun müssen. Hast du aber. Alles. Also kann ich mich ja schlecht weiter, wie ein Miststück aufführen", erklärte sie.
Caleb rieb sich übers Kinn und seufzte.
„Du musst nicht nett zu mir sein. Nicht aus Anstand. Ich habe dir geholfen und würde es immer wieder tun. Egal, ob du mir meinen Kaffee vor die Nase stellst oder ich ihn mir selbst machen muss", raunte er und in seinen Worten schwang Verbitterung mit.
Er wollte nicht, dass Maren anfing, sich zu verstellen, nur weil er ihr geholfen hatte. Und dass sie das scheinbar tat, traf ihn härter als ihre abweisende Art der letzten Tage. Maren sah, wie er sich anspannte und sein Kiefer wieder zu zucken begann. Er hatte ihre Aussage wohl missverstanden und so seufzte sie auf.
„Caleb, ich bin nicht nur nett zu dir, weil du für mich da gewesen bist, sondern weil ich der Meinung bin, dass meine Art dir gegenüber nicht der richtige Weg gewesen ist, okay?"
Er musterte sie, als wäre er auf der Suche nach Anzeichen einer Lüge, doch scheinbar war er zufrieden mit dem, was er sah und nickte.
„Okay. Also sind wir jetzt so was wie Freunde?"
Maren sah ihn an und zuckte mit den Schultern.
„Nennen wir es Freundschaft auf Zeit. Du hast Kontakt zu meinem Bruder. Ich bin bereit für einen normalen Umgang, bis du gehst. Darüber hinaus will ich nichts von euch hören oder sehen."
Caleb seufzte auf und rieb sich über die Schläfen.
„Maren, ich ...", begann er sich zu erklären, doch Maren unterbrach ihn.
„Lass es bitte gut sein, bevor ich mich anfange aufzuregen und das Miststück zurückkommt."
Enttäuschung machte sich breit in Caleb, aber er würde ihre Anweisungen akzeptieren. Was hatte er auch für eine Wahl? Langsam musste er sich in Erinnerung rufen, warum er eigentlich hier war. Er stand von seinem Stuhl auf und streckte sich.
„Und was machen wir mit dem heutigen Tag, Freundin?"
Maren sah ihn fragend an.
„Wie, was machen wir?"
Caleb grinste sie an.
„Na, es ist der 2te Advent. Weihnachtsmarkt?", fragte er.
Maren legte ihre Stirn in Falten und schüttelte den Kopf.
„Niemals!", raunte sie ihm entgegen.
„Letztes Wochenende warst du doch auch", sagte er entrüstete.
„Ja, um vor dir zu flüchten, aber ...", sie stockte, stand auf und lief zu ihrer Couch.
„Da ich ja jetzt meine Wohnung wieder habe, ist das nicht mehr vonnöten, Freund", beendete sie den Satz und ließ sich auf die Couch fallen.
Caleb sah sie an.
„Also Glühwein und Weihnachtsfilme auf der Couch. Auch okay", sagte er.
Er vernahm das Schnauben von Maren.
„Höchstens Wein und Horrorfilme. Keine Weihnachtsscheiße in dieser Wohnung, verstanden?", raunte sie ihn an.
Caleb seufzte.
„Sorry, Miststück, war wohl doch falsch. Grinch scheint besser zu passen."
Maren sah ihn übertrieben grinsend an.
„Endlich verstehst du es."
Caleb winkte ab.
„Ich geh in die Wanne. Mein Kreuz bringt mich um und der halbe Spagat, weil ich mich in der Decke vor Schreck verwickelt habe, war auch nicht gerade hilfreich."
Maren sah fragend zu ihm und er zeigte zu Erna und Bernd, welche sich bereits an Maren gekuschelt hatten.
„Die beiden und ihre monströsen Glupschaugen sind schuld. Hab' mich fast zu Tode erschrocken."
Maren kraulte den beiden übers Fell.
„Habt ihr gehört. Morgen müsst ihr euch mehr Mühe geben. Er atmet noch", sagte sie und kicherte dabei.
Caleb gab nur noch ein Knurren von sich und verschwand ins Bad.
Maren sah noch einen Moment auf die Tür, durch welche er eben gegangen war. Sie rieb sich übers Gesicht und ließ dann den Kopf in den Nacken fallen. Sie fing an, ihn zu mögen, und das war nicht gut. Überhaupt nicht gut.
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