Kapitel 10 - Jeder bekommt, was er verdient
Um Maren herum war noch alles völlig verschwommen. Sie lehnte immer noch an dem Baum und versuchte zu verstehen, was gerade vor ihr passierte. Sie vernahm ein leises Wimmern, welches immer wieder von Geräuschen unterbrochen wurde, welche klangen, als würde jemand einen Teppich ausklopfen. Sie griff sich an den Hals, denn sie hatte immer noch das Gefühl, als würden Matts Hände noch immer an ihrer Kehle liegen.
Matt, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf und endlich verzog sich der Nebel aus ihren Gedanken. Vorsichtig bewegte sie sich auf die dunkle Gestalt zu, welche über den am Boden liegenden Matt, gebeugt kniete. Für einen Moment glaubte sie, dass es Darius war, doch als sie nah genug herangetreten war, vernahm sie das breite Kreuz und schlagartig wusste sie, wer da vor ihr kniete.
„Wenn eine Frau sagt, du sollst dich verpissen. Nickst du. Gehst einen saufen und erträgst es, wie ein Mann", zerriss Calebs Stimme die Stille in dem Park und mit diesen Worten ließ er wiederholt seine Faust in Matts Gesicht einschlagen.
Maren trat hinter Calebs Schatten hervor und ihr Blick wanderte zu Matt, dem bereits das Blut aus der Nase quoll. Sein Kopf wippt leicht hin und her und Maren packte die Angst.
„Caleb, hör auf. Du tötest ihn", flüsterte sie.
„Als wäre es schade um ihn", knurrte Caleb zwischen seinen zusammengepressten Zähnen hervor und holte erneut aus.
Marens Herzschlag schoss in die Höhe, als sie das Knacken in Matts Gesicht hörte. Sie griff aus Reflex, nach Calebs Hand und versuchte, diese festzuhalten. Nun, für ihn fühlte sich das sicher an, als würde sich eine Fliege auf sein Handgelenk setzen.
„Caleb", raunte Maren.
„Was? Willst du sagen, er hätte es nicht verdient", brummte er ihr entgegen und Maren vernahm die Enttäuschung, welche in seinen Worten mitschwang.
„Doch, aber er ist es nicht wert, dass du dein Leben wegwirfst", schrie sie, denn Caleb hatte sich aus ihrem Griff befreit und wollte Matt gerade die Nächste verpassen, als er in der Bewegung innehielt.
Für einen Moment breitete sich Stille in der Dunkelheit aus. Caleb malmte mit dem Kiefer, ballte die Fäuste und schloss die Augen. Sein Atem raste und Maren musterte ihn.
„Bitte, Caleb", flüsterte sie, was ihm langsam nicken ließ.
Er schob sich von Matt, packte ihm am Kragen und zerrte ihn auf seine wackligen Beine. Calebs Mundwinkel zuckten und es kostete ihn alles an Selbstbeherrschung, diesem Wichser nicht noch eine zu verpassen. Dennoch verzichtete er darauf und zog Matt stattdessen etwas näher an sich.
„Ab dem heutigen Tag solltest du die Augen immer nach hinten in die Dunkelheit gerichtet haben. Ich werde dein Schatten sein und solltest du Maren auch nur noch einmal zu nahekommen, bringe ich dich um."
Caleb starrte Matt an, der nur leicht nickte.
„Ich habe dich nicht verstanden, Arschloch", knurrte Caleb und riss an Matts Kragen.
„Ja", presste Matt leise hervor.
Caleb knurrte und stieß Matt von sich.
„Verpiss dich", raunte er und sah dem stolpernden Matt zu, wie er langsam verschwand.
Sowie dieser aus seinem Sichtfeld verschwunden war, drehte er sich langsam zu Maren. Ihr Anblick verpasste ihm ein Stich ins Herz. Ihre Augen waren gerötet und schwarz verlaufen durch ihre Tränen. Ihre Wange war dunkelrot eingefärbt und auch ihre Kehle zeigte Matts Spuren. Ihr Blick lag auf ihm und er wusste diesen nicht zu deuten. Vorsichtig ging er auf sie zu und als er unmittelbar vor ihr stand, senkte sie plötzlich den Blick. Wieder durchfuhr ihm ein bitteres Gefühl. Schon fast in Zeitlupe legte er seine Hände vorsichtig an ihre Wangen und drückte ihren Kopf ganz sanft nach oben.
„Maren?", flüsterte er und wischte ihr ebenso sanft die letzten Tränen aus dem Gesicht.
„Maren. Geht es dir gut? Hat er dich verletzt?", fragte er und musterte sie mit besorgtem Blick.
Sie schluckte und fing plötzlich an zu zittern. Caleb wollte gerade seine Hände zurückziehen, denn wenn er ehrlich war, wusste er gerade nicht, was er machen sollte. War seine Nähe zu viel? Brauchte sie diese? Doch Maren nahm ihm die Entscheidung ab, indem sie seine Hand festhielt. Ein Kribbeln breitete sich unter ihrer Berührung aus und ließ Caleb schlucken. Er streichelte ihr sanft über die Wange und sah sie an.
„Sag mir, was ich tun soll?", flüsterte er.
Marens Unterlippe begann zu beben und ohne Caleb sein zutun, ließ sie sich an seine Brust fallen und begann zu weinen. Für einen kurzen Moment stand er regungslos da, bis er schließlich seine schützenden Arme um sie legte und ihren Körper an seinen drückte.
„Alles wird gut, Ma Vie", flüsterte er und streichelte ihr sanft über den Kopf.
Maren krallte sich an ihm fest und Caleb spürte im letzten Moment, dass sie zusammenrutschte. Er packte sie, nahm sie auf die Arme und presste sie zurück an seine Brust.
„Ich bring dich nach Hause", flüsterte er und vernahm ihr leichtes Nicken.
Der Heimweg verlief schweigend, nur Calebs Herz schlug wie wild in seiner Brust. Das Beben, welches von Marens Körper ausging, übertrug sich langsam auf ihn und umso fester drückte er sie an sich. Langsam stieg er die Treppen zur Wohnung nach oben und schloss die Tür auf. Maren hatte ihr Gesicht immer noch in seiner breiten Brust vergraben und schien daran nichts ändern zu wollen. Caleb ging langsam mit ihr ins Wohnzimmer und blieb vor der Couch stehen. Unfähig etwas zu tun, stand er mit ihr im Arm mitten im Raum und wartete.
Er wartete Sekunden, aus denen Minuten wurden, bis sie sich endlich bewegte.
„Du kannst mich runterlassen", flüsterte sie plötzlich.
Caleb, der die Augen geschlossen hatte, öffnete diese langsam und sah sie an. Ihre blauen Augen sahen ihn müde, aber voller Dankbarkeit an.
„Sicher?", fragte er zögerlich.
Sie nickte und Caleb ließ sie langsam zu Boden gleiten. Vorsichtig stellte Maren sich auf, zog sich verlegen ihre Ärmel über die Hände und sah zu Boden.
„Danke", flüsterte sie.
Caleb schüttelte sofort den Kopf.
„Nein. Dafür will ich keinen Dank."
Maren rieb sich über die Nase und schluckte.
„Ich ... ich will in die Wanne."
Caleb lächelte, auch wenn sie es nicht sehen konnte, denn sie starrte immer noch auf den Boden.
„Mach das", raunte er.
Sie nickte und lief langsam los.
„Maren?"
Sie stockte und sah zögerlich über ihre Schulter zurück zu ihm.
„Ja?"
„Kann ich dir noch etwas Gutes tun?"
Sie schüttelte den Kopf und wischte sich die letzten Tränen aus dem Gesicht.
„Nein, danke."
Er nickte und sie verschwand in das Badezimmer.
Caleb atmete tief ein und legte den Kopf in den Nacken. Das Adrenalin der letzten Minuten ließ langsam nach und die Anspannung, welche seinen Körper hatte funktionieren lassen, fiel langsam ab. Seine Knie wurden weich und er stützte sich an der Küchentheke ab.
„Fuck", murmelte er, als sein Blick auf seine Hände fiel.
Seine Knöchel waren aufgeplatzt und blutig. Sofort ging er zu dem Spülbecken und ließ warmes Wasser über seine Hände laufen. Ein unsagbares Brennen breitete sich in ihnen aus. Das Wasser brannte auf den offenen Wunden und ließ gleichzeitig sein gefrorenes Fleisch langsam auftauen. Erst als der Schmerz langsam nachließ und kein Blut mehr an seinen Händen klebte, stellte er das Wasser aus und trocknete sich ab.
Er hörte das Plätschern des Wassers im Badezimmer, schnappte sich das Feuerzeug, welches neben der Spüle lag und ging auf den Balkon. Das Nikotin, welches in seinen Kreislauf drang, beruhigte seine tobenden Nerven. Er stützte sich auf dem Geländer des Balkons ab und ließ seinen Blick über die blinkenden, bunten Lichter der Umgebung schweifen. Sein Herz sprang zwischen Demut und Verlangen hin und her. Maren so zu sehen, zerriss ihn fast und gleichzeitig war die Nähe zu ihr, dass Beste, was er die letzten Jahre erlebt hatte. Er stöhnte auf und rieb sich übers Gesicht.
„Was machst du nur mit mir?", flüsterte er in die Stille der Dunkelheit.
Maren lag so lange in der Wanne, bis das fast schon kochende heiße Wasser kalt geworden war. Mühselig hob sie sich aus der Wanne, denn ihr Körper war kurz davor, ihr den Dienst zu versagen. Jeder Knochen schien ihr weh zu tun und sie hatte das Gefühl, dass die Kälte ihr immer noch in diesem hing. Sie schlang das Handtuch um ihren Körper und stellte sich vor den Spiegel. Ihr Blick wanderte über ihre Wange, welche immer rot leuchtete, weiter zu ihrem Hals, an dem Matts Finger immer noch zu sehen waren. Sie schluckte und wendete den Blick schnell zur Seite.
„Arschloch", murmelte sie und verließ das Badezimmer, um in ihrem Schlafzimmer zu verschwinden.
Schnell schlüpfte sie in frische Unterwäsche, eine Leggings und warf sich einen Oversizedhoodie über. Ihr Blick blieb auf ihrem leeren Bett hängen. Ihr Körper schrie nach Schlaf, aber der Gedanke sich hineinzulegen, ließ ihr einen Schauer über den Rücken wandern. Sie sah zurück zu der Tür und hörte die leisen Stimmen des Fernsehers, der im Wohnzimmer lief. Sie wägte ab, was sie tun sollte, aber allein bleiben schien keine Option zu sein. Sie zog sich schnell ein paar flauschige Socken über die Leggings und lief durch den dunklen Flur.
„Es ist mir egal. Wir haben einen Deal. Vergiss das lieber nicht", hörte sie Calebs Stimme dunkel durch das Wohnzimmer schwingen.
Sie drückte langsam die Tür weiter auf und sah, wie er gerade das Handy auf den Couchtisch fallen ließ.
„Ich wollte nicht stören", sagte Maren mit belegter Stimme und blieb in der Tür stehen.
Caleb sah auf und lächelte sie an.
„Du störst nicht."
Sie nickte und trat langsam in das Wohnzimmer. Kerzenschein schlug ihr entgegen. Vor Caleb auf dem Tisch standen zwei Weingläser und eine Flasche Rotwein. Er selbst lag auf der Couch und hatte seine Beine auf dem Tisch neben den Gläsern abgelegt.
„Kann ich mich zu dir setzen?", fragte sie leise, was ihn nicken ließ.
„Es ist deine Wohnung."
Maren zog es den Magen zusammen, sie wusste nicht warum, aber diese Aussage traf sie, auch wenn sie einfach nur der Wahrheit entsprach. Schnell schnappte sie sich eine der Decken, schlug sie um ihren Körper und ließ sich neben Caleb auf die Couch fallen.
Er hob den Blick und musterte sie.
„Geht es besser?"
„Ja, danke noch mal", erwiderte sie und sah zu dem Wein.
Caleb folgte ihrem Blick und lächelte.
„Wein?", fragte er und Maren nickte.
Er griff nach der Flasche und wollte ihr gerade eins der Gläser füllen, als sie ihn stoppte.
„Mir reicht die Flasche. Weniger Abwasch", sagte sie und hielt ihm die Hand entgegen.
Er lachte auf, neigte den Kopf und sah sie für einen Augenblick an, bevor er ihr die Flasche reichte.
„Warum wundert mich das nicht?", fragte er, während Maren schon den ersten großen Schluck nahm.
Sie zuckte mit den Schultern.
„Manche Sachen liegen eben auf der Hand, andere hingegen ...", sie stockte und musterte das Etikett der Flasche.
„Kann ich dich was fragen?"
Caleb runzelte die Stirn.
„Sicher."
Maren räusperte sich und begann damit, das Etikett von der Flasche zu kratzen.
„Warum warst du in dem Park?"
Caleb sah erst sie an, richtete seinen Blick aber dann auf den Fernseher. Er schien zu überlegen, ob und was er antworten sollte. Unsicher rieb er sich mit dem Finger über die Schläfen, bevor er langsam anfing zu sprechen.
„Ich habe Matt gestern Abend noch in seinem Auto sitzen sehen, als ich mich auf den Weg zur Arbeit gemacht habe. Heute früh stand sein Wagen immer noch. Dann bin ich wach geworden, als du das Haus verlassen hast, und irgendwas hat mich nicht wieder einschlafen lassen. Ich bin auf den Balkon zum Rauchen und habe gesehen, dass sein Wagen endlich verschwunden war. Tja, nur leider bin ich diese Unruhe nicht losgeworden und als du nicht nach Hause gekommen bist ...", er stockte, nahm ihr die Flasche aus der Hand und nahm selbst einen großen Schluck.
Er reichte sie ihr zurück und sah sie an.
„Ich habe mir Sorgen gemacht und wollte sehen, ob bei dir alles okay ist."
Maren hielt seinem Blick stand und schluckte. Wieder bahnten sich Tränen den Weg nach oben.
„Ich will gar nicht darüber nachdenken, was passiert wäre, wenn du nicht ...", ihr versagte die Stimme unter den Tränen, die wieder über ihre Wange rollten.
Caleb richtete sich auf und griff nach ihrer Hand.
„Dann denk nicht darüber nach. Ich war da und jetzt bist du in Sicherheit. Okay?"
Er rieb ihr mit dem Daumen über den Handrücken und schenkte ihr ein weiteres Lächeln.
„Okay", flüsterte sie.
Er seufzte und ließ von ihrer Hand ab. Maren musterte ihn und sah, dass sein Kiefer zuckte. Irgendwas stresste ihn und das Verlangen es zu erfahren wurde immer größer.
„Musst du nicht los?", fragte sie vorsichtig.
Er schüttelte den Kopf.
„Nein. Habe mich krankgemeldet", raunte er und rutschte tiefer in die Couch.
„Danke", flüsterte sie leise, denn ihr war sehr wohl bewusst, dass er es für sie getan hatte.
„Gern", erwiderte er und schon fielen sie wieder ins Schweigen.
Maren leerte Schluck um Schluck die Flasche und langsam betäubte der Alkohol ihr Gedankenkarussell.
Matt. Der Angriff. Caleb. Er hatte sich Sorgen gemacht. Was für ein Deal hatte er?
All diese Gedanken verschwammen langsam zu einer großen breiten Masse und Maren versank darin. Ihre Augen fielen zu und sie schlief ein. Bis sie plötzlich spürte, wie sie von der Couch gehoben und aus dem Zimmer getragen wurde. Sie blinzelte und erkannte ihr Bett, in welches sie gerade sanft gelegt wurde. Verschlafen griff sie nach Calebs Arm.
„Bitte, ich will nicht allein sein", murmelte sie und sah in die blauen Augen, die sie voller Sorge ansahen.
„Okay", raunte er zurück und Maren ließ ihn los.
Sie spürte, wie er ihr sorgsam die Decke über den Körper zog, sich das Kissen und die zweite Decke von dem Bett nahm und sich langsam auf den Boden vor ihrem Bett niederließ.
Sie seufzte leise und schlief langsam wieder ein.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top