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Direkt nachdem das immer wiederkommende, kontinuierliche Piepen der Freizeichen erlosch, platze der Blondhaarige ohne zu zögern mit der Neuigkeit heraus. Er ließ seinem besten Freund nicht mal die Chance, ihn zu begrüßen, geschweige denn was anderes zu fragen.
Call: Tae/Kookie/Jimin
„Ich habe sie ihm gegeben."
Nervlich am Ende hockte Jungkook auf dem Boden vor Yoongis Krankenbett. Die leere Spritze, um die er sich mit Seokjin vor Minuten und jetzt wahrscheinlich schon vor Stunden gestritten hatte, lag leer und für andere unbedeutend neben ihm auf dem typisch grauen Krankenhausboden mit den schwarzen Punkten.
„I-ich habe sie ihm gegeben, Tae ... und ich habe Angst."
Es war mehr das Zugeständnis, vor dem er Angst hatte, als vor den Folgen, die das Ergebnis seiner Tat für ihn und sein Leben mit sich ziehen konnte. Er, der, der vor fast nichts Angst hatte, wurde mit einem Mal so sehr von seinem Schatten eingeholt, dass sich der Raum gruselig groß und gleichzeitig unfassbar klein anfühlte.
„Kook, wem hast du was gegeben?"
Taehyungs Stimme klang für den 23-Jährigen ruhig. Zu ruhig.
Oder war er diesmal der, der maßlos übertrieb und in einer anderen Geschwindigkeit alles um sich herum verarbeitete.
„Yoongi... Namjoon war hier..."
Zitternd musste sich der Jüngere noch einmal fangen, bevor er sich erschöpft gegen das Bett fallen ließ und es einfach nur noch Yoongi, das stetige Piepen und ihn selbst gab. Es kehrte eine Ruhe ein, die er so nicht kannte. Vielleicht gab sein Körper auch einfach nur auf. Vielleicht war sein Stresslimit erreicht und sein Körper zog einen Schlussstrich.
Doch was es auch war, er wollte sich nicht beschweren. Er würde diesen Moment einfach nur genießen, indem seine Gefühle einfach nur taub waren.
Zur Kontrolle zog er sich auch einige seiner Haarsträhnen in die Stirn, um sicherzugehen, dass seine Seele keinen Schaden nehmen würde. Doch zu seiner Erleichterung schimmerten sie in demselben Blond, wie sie es schon immer taten.
„Ich hoffe einfach, er wacht auf."
Das Seufzen am anderen Ende der Leitung gab ihm zwar nicht unbedingt große Hoffnung, dass es die richtige Wahl gewesen war, doch musste er sich wenigstens nicht weiter erklären.
„Bist du allein?"
„Hmm, halt mit Yoongi. Aber ansonsten treibt sich hier niemand freiwillig rum. Seokjin ist vor einer Weile gegangen. Ich weiß nicht, ob es ein Notfall war oder er wieder zu seinem Fick-Freund gegangen ist."
Seufzend, da er dem Strohblonden ja auch kein unnötiger Klotz am Bein sein und sich in dessen Bettgeschichten einmischen wollte, zuckte er zum Ende hin mit den Schultern. Taehyung konnte es zwar nicht sehen, aber das war ihm egal. Ihm sollte nur Yoongis Wohlbefinden wichtig sein. Yoongis und das von seinem kleinen Chim...
„Ich will ihm ja auch nichts vorschreiben, aber in was auch immer für eine Beziehung der Chefarzt mit Dr. Kwon steht, ... Jin sollte auf sich aufpassen."
„Gefühle und Beziehungen sind unerklärlich. Er wird schon auf sich aufpassen, mach dir da keine Sorgen. Außerdem ist er ja nicht allein."
„Er sollte sich trotzdem nicht instrumentalisieren lassen."
Sich an ihren ewigen Streit zurückerinnernd, was denn nun das richtige sei und dabei das 24-Stunden-Limit im Nacken sitzend, knickte Jungkook letztendlich ein. Er hatte keine Wahl. Selbst hier in Daegu entkam er den Adleraugen aus Seoul nicht.
„Am Ende sitzt der Chefarzt am längeren Hebel. So ist das in einer Hierarchie nun mal."
„Danke. Du machst mir hier echte Hoffnungen."
Ein müdes, unverkennbar ironisches Lachen entfuhr dem 23-Jährigen, während er seine Sitzposition änderte, sodass er den Herzschlag seines Schützlings im Auge hatte. Die schwarzen Haare lagen inzwischen schon lange nicht mehr ordentlich auf dessen Kopf. Viel zu häufig war er durch die seidig glänzenden Haare gefahren und hatte sich mehr als einmal versichert, dass die weiße Strähne, die er ab heute Suga nennen würde, noch vorhanden war. Suga war das einzige, an was er sich gerade klammern könnte. Er und der Herzschlag gaben ihm die Bestätigung noch nicht versagt zu haben.
„Wie sieht es eigentlich bei dir aus?"
Die Schuldgefühle, dass er Jimin verletz hatte, traten nun Stück für Stück wieder in den Vordergrund. Sollte er bei seinen Nachrichten den Älteren verletzt haben, könnte er sich das niemals verzeihen. Er musste ihn irgendwie beschützen.
„Bin mit Tanie und Chim spazieren."
„Chim ist bei dir?"
Hoffnung, dass er wenigstens das klären könnte, keimte in ihm auf. Schließlich wollte er den Kleineren niemals verlieren. Dafür war er ihm viel zu wichtig, wenn auch nicht im romantischen Sinne.
„Ja, schon die ganze Zeit. Willst du mit ihm reden?"
„Wenn er es denn will, sehr gerne."
Kurz waren gedämpfte Stimmen zu hören. Taehyung hatte offensichtlich mal wieder das Handy abgedeckt und auch wenn es nur wenige Sekunden waren, reichten sie aus, dass Jungkook sich mit Gewalt seine Unterlippe blutig gebissen hatte. Der metallische Geschmack machte dem 23-Jährigen schon lange nichts mehr aus. Es war eine ungesunde Angewohnheit aus seiner Kindheit, die er bis heute noch nicht ganz ablegen konnte.
„Kook?"
„Minnie."
Erleichtert aufseufzend fasste sich der Größere an die Brust und wartete vorerst geduldig. Doch als keiner etwas sagte, musste er sich durchringen. Jimin war noch nie die Person gewesen, die ein Gespräch führte, und dennoch war er meist wortgewandter als die Menschen, die ihn umgaben.
„I-ich... wie geht es dir wirklich? Ich hätte mich viel früher melden sollen und ich weiß, meine Nachrichten waren nicht die besten. Aber du musst wissen, dass ich dich unfassbar doll lieb habe. Ich würde dich gerade so gerne knuddeln, aber es geht einfach nicht. Und ich habe es mir selbst eingebrockt. Ich bin gegangen und habe dich zurückgelassen. Ich hätte -..."
„Ich habe dich auch lieb."
Noch bevor Jungkook sich weiter schlecht reden konnte, unterbrach die sanfte Stimme des Kleineren ihn. Und das war alles, was er gebraucht hatte.
Außenstehende würde wieder auf die Idee kommen, sie würden eine Dreiecksbeziehung führen. Dabei waren Jimin und Jungkook viel eher wie Brüder füreinander und Taehyung, dem die innige Beziehung der beiden durchaus bewusst war, machte daraus kein Drama.
Der Hellblonde wusste, dass diese Bindung etwas war, was sein fester Freund zum Überleben brauchte, und er würde seinem Chim bestimmt nicht aus blinder, unbegründeter Eifersucht das Leben noch schwerer machen, als es für ihn sowieso schon war.
Jungkook hatte zum Beginn der Beziehung von Taehyung und Jimin mehr als einmal klar gemacht, dass er den Kleinsten niemals romantisch lieben könnte. Dementsprechend konnte der Blondhaarige auch nichts gegen das große und fast schon schmerzhafte Grinsen tun, als er ein paar Kussgeräusche und die Stimme seines besten Freundes hören konnte, wie er Jimin immer wieder versicherte, dass er ihn liebte.
Das Kichern des Grauhaarigen war ebenfalls wie Balsam für der 23-Jährigen. Andere würden es nicht verstehen können, aber die Sicherheit von dem Mochi stand schon immer ganz oben auf seiner Prioritätenliste, und dass er es jetzt vernachlässigt hatte, tat ihm fast schon physisch weh.
„Ich merk schon, Tae passt auf dich auf."
„Natürlich! Was hast du denn gedacht."
„Ich habe es nur gesagt."
„Ja, aber mit was für einem Unterton."
Der Hellblonde auf der anderen Leitung verschränkte anhand von seinem schmollenden Tonfall zu hundert Prozent die Arme. Dafür würde Jungkook seine Hand ins Feuer legen.
„Wie dem auch sei. Chim-..."
Wartend, bis ein ‚Hmm' von der anderen Seite kam, zog der 23-Jährige unruhig an einem Deckenzipfel seines Patienten.
„..., wenn du willst, kannst du mich jederzeit besuchen kommen."
Die Stille auf der anderen Seite machte den Jüngeren fast schon verrückt. Hatte er dem Kleineren mit seinem Angebot zu viel zugemutet. Sollte er ihn lieber nur bei Taehyung lassen? Aber vielleicht tat ein Tapetenwechsel auch ganz gut und wenn Yoongi aufwachen sollte,... sie könnten sich helfen, selbst wenn die Wahrscheinlichkeit einer Besserung noch so gering war, könnte es einmal guttun, mit jemanden zu reden, der den Schmerz nachvollziehen konnte.
Gerade als Jungkook zurückrudern wollte, sein Angebot und somit die letzten Worte ungeschehen zu machen, erklang wieder die sanfte Stimme des Grauhaarigen, wobei er noch immer der Meinung war, Jimin hatte sie von einem Engel gestohlen.
„Danke. Vielleicht in den nächsten Wochen. Mal sehen und wenn Tae Urlaub bekommt-..."
„...- kann er natürlich mitkommen. Jin freut sich sicher auch auf euch."
„Okay, wir müssen dann auch weiter oder Tanie pisst einer Frau gleich an den Kinderwagen."
„Seid ihr nicht weitergegangen?"
„Nein, Multitasking ist nicht immer möglich."
„Tae, gerade du solltest das aber können."
„Er ist aus Solidarität stehen geblieben."
„Hmm, natürlich."
Grinsend erhob sich Jungkook von dem inzwischen doch sehr kühlen Boden, bevor er sich zu der Ablage begab und die leere Spritze, die er gleich mitgenommen hatte, dort entsorgte.
„Geht ihr mal weiter. Ich werde mich dann mal der Nachtwache widmen."
Das Buch, was er von Yoongis Familie bekommen hatte, lächelte ihn dabei schon fast an.
„Überanstrenge dich aber nicht."
Der besorgte Unterton, der von dem Grauhaarigen ausging, ließ in dem Jüngeren eine angenehme Wärme entstehen. Jimin machte sich immer mehr Sorgen um andere als um sich selbst und das war eventuell auch einfach eine Schwäche. Er sollte die Energie, die er in andere steckte, viel lieber in sich selbst stecken, doch würde ihn das, wenn man es ihm sagen würde, nur mehr verletzen. Und somit schwieg der Blondhaarige mit der Sicherheit, dass Taehyung schon genug auf den Mochi aufpassen würde, selbst wenn dieser gelegentlich ein bisschen zu hart die Wahrheit auf den Tisch haute.
„Mach ich nicht. Gute Nacht, ich hab' euch lieb."
„Danke, wir dich auch."
Und bevor noch eine unangenehme Stille entstand, indem sich niemand so recht sicher war, wer nun auflegte, drückte Jungkook schnell auf den roten Button, bevor er das Handy ebenfalls auf den Tisch mit den Medikamenten legte.
Es tat gut, mal wieder mit seinen besten Freunden zu telefonieren. Denn auch wenn er es nicht offen zugeben würde, sie fehlten ihm und eine weitere, weitestgehend neutrale Person zum Diskutieren war manchmal auch nicht schlecht.
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Was mache ich hier eigentlich...
Und ich will nur noch mal sagen, dass das hier eine FF ist und medizinisch natürlich nicht alles stimmt. Ich nehme mir die Freiheit im Bezug auf das Koma und eventuell einige andere Sachen es etwas anders zu handhaben. (Ich studiere nicht Medizin.) Ich war auch mal der Meinung, ich hatte mal was gelesen, also im Bezug auf viele Sachen, die das Thema angeht aber ich finde weder die Quelle wieder noch weite Artikel. Dementsprechend bediene ich mich meiner künstlerischen Freiheit.
<3
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