𝟏𝟐.𝟏𝟐.𝟐𝟎𝟐𝟑 ⧽ 𝐲𝐨𝐮'𝐯𝐞 𝐠𝐨𝐭 𝐭𝐡𝐞 𝐥𝐨𝐯𝐞

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Mina_951

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Mit letzter Kraft schleppte sie sich zu dem erleuchteten Haus und hob eine zittrige Hand, um anzuklopfen. Das verursachte Geräusch war leise, hallte aber in der Stille der kalten Nacht durch die engen Gassen. Die Frau konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und sackte auf dem vereisten Boden zusammen. Als ihr schon langsam die Sinne schwanden, hörte sie näher kommende Schritte und die Tür wurde geöffnet.

Eine Frau in ihrem Alter stand in der Türöffnung und zuckte vor Schreck zusammen, als sie die zusammengekrümmte Gestalt sah. "Jack komm und hilf mir, diese Frau ist halb erfroren", rief sie und sofort kam ihr Mann zu Hilfe und gemeinsam trugen sie die geschwächte Frau ins warme Haus. "Sieh doch, sie bekommt ein Kind", bemerkte die Frau und deutete auf den stark angeschwellten Bauch der Hilfsbedürftigen.

In dem Moment schlug die bislang ohnmächtige Frau ihre Augen auf und schaute das Ehepaar eindringlich an. "Ich bitte euch, rettet mein Kind", sprach sie so leise, dass die beiden sie kaum verstanden. Der Mann holte eine Schüssel mit warmem Wasser und ein Stück Brot, doch für die Schwangere kam jede Hilfe zu spät. Sie verstarb noch in jenem Augenblick, nur ihr Kind konnte wie durch ein Wunder gerettet werden.

Es wuchs bei dem Ehepaar auf und die Frau nannte den kleinen Jungen Yuri. Sie selber hatte einen nur wenige Monate älteren Sohn namens Miro und sie behandelte und liebte beide gleich sehr. Der Mann musste noch mehr arbeiten, um für den Unterhalt der Familie zu sorgen und er begann den kleinen Yuri zu verabscheuen.

Nicht nur war dieser hübscher als sein eigener Sohn, er benötigte viel Aufmerksamkeit, die seine Frau ihm schenkte. Dadurch wurde der Mann vernachlässigt und er begann die Abende in Gaststätten zu verbringen, um sich zu besaufen und für kurze Zeit Yuri zu vergessen. Sein Hass auf das kleine unschuldige Kind ging so weit, dass er ihn eines Tages aus seinem kleinen Kinderbettchen zerrte und nach draußen in den Wald vor die Stadt brachte.

Dort stand ein hoher Wachturm, der allerdings nicht mehr benutzt wurde. Der Mann trug den zweijährigen Yuri die vielen hundert Treppenstufen hinauf und schloss ihn im obersten Zimmer ein. Zufrieden mit sich selbst kehrte er zurück in sein Haus. Erst am frühen Abend bemerkte die Frau, dass eines ihrer Kinder nicht mehr im Hause war.

Verzweifelt suchte die Frau nach ihrem Kind, doch es blieb unauffindbar. An jenem Tag verlor sie ihr Lächeln, was den Hass ihres Mannes auf Yuri allerdings noch weiter verstärkte. Sein Plan ihn im Turm verhungern zu lassen, wurde durch einen anderen ersetzt. Er stellte eine alte Frau ein, die blind und stumm war. Sie kümmerte sich fortan um den kleinen Jungen und sorgte dafür, dass er am Leben blieb.

Immer, wenn der Mann nicht mit seiner Wut umzugehen wusste, ging er für ein paar Stunden in den Wald. Zu dieser Zeit wurde die alte Frau freigestellt und durfte sich dem Turm nicht nähern. An den darauffolgenden Tagen stellte sie jedoch immer fest, dass der kleine Yuri empfindlicher war und öfter schrie, wenn sie ihn anfasste, um seine Sachen zu wechseln.

Einige Jahre vergingen und Yuri wuchs zu einem hübschen, jungen Mann heran. Er wusste kaum etwas über die Welt, nur das bisschen was ihm die alte Frau erzählte. Sie war außer dem Mann seine einzige Bezugsperson und da sie ihn nie schlug, fühlte er sich wohl bei ihr. Yuri hatte zwar nicht viel im Leben, doch er war zufrieden, weil er nichts anderes gewohnt war.

Manchmal träumte er von seltsamen fantasievollen Dingen und kurz nach dem Aufwachen kam es ihm so vor, als wären sie vor einer langen Zeit wirklich geschehen. Doch dann besann er sich wieder der Realität und lebte sein wenig abwechslungsreiches Leben weiter.

Der alten Frau war es nicht erlaubt jegliche spitze Gegenstände mitzubringen, weshalb Yuris Haare noch nie geschnitten wurden. Mittlerweile gingen sie ihm fast bis zu seinen Knöcheln, doch er mochte die langen, sonnenfarbenen Haare und oft saß er stundenlang da und zauberte die kunstvollsten Frisuren aus ihnen.

An einem wunderschönen Wintermorgen schaute Yuri aus den breiten Fenstern des Turmes und beobachtete verträumt die dichte, weiße Schneedecke die alles umhüllte. Auf einmal hörte er ein Zwitschern, doch es klang anders als alles Vogelgezwitscher das Yuri jemals gehört hatte. Aufmerksam betrachtete er die weiße Landschaft und überlegte woher das geheimnisvolle Geräusch wohl kommen mochte, als eine Gestalt die Lichtung vor dem Turm betrat.

Zuerst dachte er es wäre die alte Frau oder der Mann, doch die Gestalt sah schlanker und größer aus. Neugierig beugte Yuri sich noch weiter nach vorne, um einen besseren Blick auf die Gestalt zu erhaschen, als diese ihren Kopf nach oben wandte und ihn direkt anschaute. Helle grüne Augen blitzten unter kurzen schwarzen Haaren hervor und Yuri erschrak und zuckte mit klopfendem Herzen vom Fenster zurück.

Er wusste nicht wer das war, doch der Blick dieser Person berührte etwas in seinem Inneren. Yuri beschloss sich in eine Ecke zu verziehen und nach einigen Minuten dachte er, die Person wäre wieder weg. Doch gerade als er zum Fenster gehen und nachschauen wollte, klopfte es laut an die Tür. Die alte Frau klopfte als einzige an seine Tür, um ihre Ankunft zu verkünden, aber Yuri hatte das Gefühl dieses Mal wäre sie es nicht.

Leise lief er zur Tür und fragte am ganzen Leib zitternd: "Wer seid Ihr?"
"Mein Name ist Miro", antwortete eine sanfte Stimme und er hatte sofort das Bild der Gestalt von eben im Kopf.
"Was wollt Ihr?", fragte Yuri weiter.
"Darf man erfahren was Ihr in diesem Turm macht?" Yuri setzte sich vor die Tür auf den Boden und lehnte sich an diese. Der Fremde schien ihm wohlgesonnen und er könnte eh nicht hereinkommen, deshalb ließ er sich auf das Gespräch ein.

"Ich wohne hier seit ich denken kann", erwiderte er und lauschte auf die Geräusche vor der Tür. Es klang als hätte sich der Fremde ebenfalls auf dem Boden niedergelassen und an die Tür gelehnt. "Wie heißt Ihr?"
"Yuri", antwortete er und spürte ein wohles Gefühl in sich aufsteigen.
"Wer hat euch hier hereingebracht?" Yuri wusste es nicht, doch er hatte eine Vermutung, bei der er sich kaum irren konnte."

Ein Mann, aber ich kenne seinen Namen nicht", erwiderte er und wünschte sich plötzlich, die Tür aufmachen und Miro richtig sehen zu können.

"Wie gerne würde ich Euch da rausholen", sprach Miro und Yuris Wangen röteten sich vor Freude. Sie sprachen noch eine Weile miteinander bis Miro sich auf den Weg nach Hause machen musste. Ab diesem Tag kam sein neuer Freund oft vorbei und sie setzten sich beide an die Tür und erzählten sich gegenseitig Geschichten. Miro, der die Welt besser kannte als Yuri, war ein geborener Geschichtenerzähler und Yuri liebte die Abenteuer auf die er ihn mitnahm.
Eines Tages als sie gerade miteinander sprachen, erklangen neue Schritte auf der Treppe und Yuri brach in Panik aus. Der Mann durfte Miro nicht sehen. Er würde ihn ihm wegnehmen und dann wäre sein Leben wieder so trist wie zuvor. Yuri hatte seit Miro ihn besuchte das Gefühl, ein unbemerktes Loch in seinem Inneren wäre wieder ausgefüllt. Er konnte ihn nicht verlieren.
"WAS ZUM TEUFEL MACHST DU HIER?", brüllte der Mann los und Yuri lauschte ängstlich auf die Stimmen vor der Tür.

"Das könnte ich dich auch fragen, Vater", erwiderte Miro kalt und dann ertönte ein lauter Schlag. Yuri wimmerte leise und kauerte sich auf seiner Matratze zusammen. Ein Schlüssel drehte sich im Schloss und die Tür quietschte als sie geöffnet wurde. Yuri dachte es könnte nur der Mann sein, doch dann ertönte Miros Stimme.

"Er ist umgefallen, weil er so betrunken war und ich habe ihm den Schlüssel weggenommen." Yuri schaute auf und sah Miro wie er lächelnd auf ihn zukam. Er warf sich in seine Arme und schmiegte sich an ihn. Ein für Yuri unbeschreiblicher Duft stieg ihm in die Nase und er atmete tief ein, um sich an Miros Geruch erinnern zu können.
"Yuri, ich bin so froh, dich endlich zu sehen", strahlte Miro und küsste ihn sanft. Yuri wusste erst nichts damit anzufangen, doch es fühlte sich gut an, also stieß er Miro nicht von sich weg.

"Komm mit mir zu meiner liebevollen Mutter", bat Miro und nahm Yuris Hände in seine. Sofort stimmte Yuri zu und gemeinsam gingen sie nach draußen, liefen die schneebedeckten Wege entlang und Yuri bestaunte alles was er bisher nur aus der Ferne sehen konnte. Er bekam nicht genug von dem Schnee und kicherte als sich eine Flocke auf seine Fingerspitze setzte und langsam schmolz.

Miro beobachtete ihn lächelnd und bewunderte die golden leuchtenden mit funkelnden Eiskristallen bedeckten Haare von Yuri. Bald erreichten sie die Mauern der Stadt und Miro führte ihn herum, zeigte ihm die mit bunten Lichtern geschmückten Marktstände und die engen, verzweigten Gassen, welche von niedlichen roten Fachwerkhäuschen eingerahmt wurden. Bei jedem ihrer Schritte knirschte der dichte Schnee unter ihren Schuhen und es hatte schon wieder begonnen zu schneien, als sie ein kleines Häuschen am Rande der Stadt erreichten.

Miro nahm Yuris Hand in seine und verwob ihre Finger eng ineinander. Dann klopfte er an die Tür und schenkte Yuri ein ermutigendes Lächeln. Eine ältere Frau öffnete die Tür und sie winkte Miro herein, stoppte allerdings sofort, als ihr Blick auf Yuri fiel.
"Yuri...?", fragte sie stockend und er nickte, seine Erinnerungen an sie wieder lebhaft vor sich sehend.
"Mein Kind", schluchzte die Frau und zog Yuri eng an sich.

Nachdem sie sich wieder beruhigte betraten sie das Haus und Yuri erzählte ihr wo er die letzten Jahre lang war. Die Frau weinte immer noch als sie ihm sagte, er war zwar nicht ihr leiblicher Sohn, würde aber in ihrem Herzen ihr zweiter Sohn sein. Yuri und Miro lebten fortan glücklich miteinander zusammen mit der Frau in dem kleinen Haus und auch als sie Jahre später in ein eigenes Haus zogen, trafen sie sich regelmäßig mit der wunderbaren Frau, die sie beide aufgezogen hatte.

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