[5] 𝑅𝑢𝑘𝑖

Zumindest erklärte es, warum Ruki diesen Kerl hier nie zuvor gesehen hatte. Denn Reita wäre ihm aufgefallen, andernfalls musste man wirklich blind sein. Allerdings musste er sich noch Gedanken um das 'Wo' machen. Was im Grunde genommen ziemlich einfach zu beantworten war: Ruki schleppte Reita ab. Zu sich nach Hause. Nicht, weil er auf einen Fick aus war, sondern weil sein Apartment nicht allzu weit entfernt lag. Vielleicht mochte es nicht unbedingt kreativ sein, andererseits hegte Ruki nicht das Bedürfnis nach einer weiteren Ansammlung von Menschen. Damit musste er sich schon im Job herumschlagen. Außerdem gab es in seinem Apartment niemanden, der sie beide beobachten konnte. Also wurden prompt Nägel mit Köpfen gemacht. Während Reita seinem Kumpel Bescheid sagte, tat Ruki selbiges bei Aoi. Ruki hielt es für fair. Immerhin hatte er den Kerl genötigt, mitzukommen.
»Ernsthaft, Takanori? Erst schleifst du mich von einem Ort zum nächsten und dann willst du dich verpissen, nur um dich von einem dahergelaufenen Typen flachlegen zu lassen?«, fragte Aoi leicht angesäuert. Verübeln konnte der Jungdesigner es seinem langjährigen Freund nicht. Er hätte höchstwahrscheinlich nicht anders reagiert. Bloß in einer Sache konnte er diesem Mann unmöglich Recht geben: Es ging Ruki nicht immer um das Eine.
»Hör auf, mich in der Öffentlichkeit so zu nennen«, fauchte der Blondschopf, nachdem er Aoi endlich etwas Abseits vom Getümmel ziehen konnte. Dabei konnte er trotzdem die Blicke der Frau auf sich spüren, die seinen Freund damals aus der ganzen Scheiße gezogen hatte und er ihr dafür den Playboy miemen musste. Doch so war es nunmal in der Welt der Reichen, Schönen und Menschen, die genug Einfluss besaßen. Kaori zählte deutlich dazu und der Blick, den sie an ihnen haften ließ, kribbelte wirklich unangenehm auf der Haut. Allerdings wollte sich Ruki davon nicht verunsichern lassen. Als er Aoi wieder ins Gesicht sah, fühlte sich dessen Blick nicht unbedingt angenehmer an. Dennoch konnte er diesem standhalten.
»Du klebst doch die ganze Zeit an Kaoris Arsch. Also hör auf, dich zu beschweren!«, begann Ruki und verschränkte die Arme vor seiner Brust. Diese Diskussion führte definitiv zu nichts, worauf er jetzt Lust hatte. Er hätte gehen und sich eine Ausrede einfallen lassen sollen. Aber egal, wie Ruki das Blatt jetzt in seinem Kopf drehte und wendete, das Ergebnis wäre vermutlich dasselbe. Daher konnte er lediglich eines tun: Das Beste daraus machen.
»Ruki, Süßer, entschuldigst du? Ich muss deinen Freund jemandem vorstellen«, trällerte es plötzlich neben Ruki. Dass sich Kaori herangeschlichen haben musste, hatte er nicht kommen sehen. Trotzdem war das Bedürfnis gerade sehr hoch, diese Frau zu knutschen. Sie rettete ihn soeben vor einer möglichen Eskalation. Oder Kaori wollte einfach ihre Besitzansprüche nochmals demonstrieren. Egal, was es am Ende war, es war dem Blondschopf mehr als nur recht.
»Nein, ich wollte ohnehin gehen«, nutzte Ruki direkt die Chance, die Flucht zu ergreifen. Natürlich unter Aois vernichtenden Blick. Scheinbar gab es mehr Ärger im Paradies, als Ruki es hätte ahnen können. Vorerst schob er diesen Gedanken jedoch beiseite.

Reita schien dahingehend bereits auf ihn zu warten. Denn irgendwie sah der Mann aus, als würde er auf heißen Kohlen sitzen, so, wie dieser vor dem Fahrstuhl umhertigerte.
»Wollen wir?« Im Grunde genommen war es keine Frage, sondern ein Zeichen dafür, zu verschwinden. Jetzt sofort.
Nachdem sich die Fahrstuhltüren endlich schlossen, fühlte Ruki eine eigenartige Erschöpfung in den Knochen. Gespräche wie jenes, welches er vorhin mit Aoi begonnen hatte, schrien förmlich nach Eskalationen. Gleichzeitig strengten sie den Jungdesigner an. Er wollte nicht mit Aoi streiten, da er diesem vieles zu verdanken hatte. Dieser Kerl hatte es aber nahezu darauf angelegt.
»Habt ihr gestritten?«, riss Reita den Blondschopf aus seinen Gedanken. Ruki brauchte ein paar Sekunden, bis er sich gesammelt hatte und sich auf die Frage des anderen konzentrierte.
»Nicht mehr als sonst. Er ist lediglich davon überzeugt, dass ich dich abschleppe, um mich von dir flachlegen zu lassen«, gab Ruki offen zu. Nett mochte es nicht gewesen sein, auf diese Weise über einen Freund herzuziehen. Selbst wenn man es so gar nicht bezeichnen könnte. Sei's drum. Der Jungdesigner hörte darauf ein amüsiertes Auflachen.
»Und? Schleppst du mich deswegen ab?«
Warum dachten immer alle, er wäre ein oberflächlicher Arsch in Absätzen?
»Nein«, gab er schon als Protest zur Antwort. Reita schien es unverändert zu belustigen, auch wenn Ruki kurz der Meinung war, etwas Seltsames in den Augen dieses Mannes aufblitzen sehen zu können. Das sah er zum ersten Mal bei Reita und es kam wie aus dem Nichts. Wahrscheinlich hatten die Drinks von zuvor ein paar Umdrehungen zu viel, sodass sich ihrer beider Verstand den ein oder anderen Streich erlaubte. Überraschend wäre es jedenfalls nicht. Ruki war allerdings froh, dass Reita so viel Vernunft walten ließ und nicht weiter nachhakte.

Als sie das Gebäude im Anschluss endlich verlassen hatten, machte sich die Wirkung des Alkohols durch die frische Luft mehr als vorher bemerkbar. Aber Ruki versuchte, sich zusammenzureißen, damit es nicht noch peinlicher wurde.
»Und was treibt dich von den Staaten hierher? Dort hast du doch andere Möglichkeiten« , griff Ruki das Thema von vorhin wieder auf, während er sich wirklich bemühte, nicht zu taumeln. Es ging sogar nach einer Weile. Zumindest kamen sie unfallfrei bei dem Hochhaus an, in dem sein Apartment lag.
»Ein innerer Drang«, kam es aus dem Mund des Models. Ein ziemlich vage Antwort, wie Ruki fand. Das konnte in der Tat alles und nichts bedeuten. Daher blickte er seiner Begleitung mit erhobenen Brauen ins Gesicht.
»Ich möchte ganz einfach in meiner alten Heimat Fuß fassen« , erläuterte Reita seine Antwort schließlich näher. Damit konnte Ruki arbeiten, obgleich es weitere Fragen auftauchen ließ. Diese Gelegenheit würde der Jungdesigner nutzen, sobald sie in seinem Apartment angekommen waren.

Am Haupteingang gab Ruki zunächst den Sicherheitscode ein, damit sich die Tür mit einem hörbaren Surren öffnete.
»Das hier ist übrigens das 'Wo'. Ich hoffe nur, dass ich nicht gerade einen Serienmörder mit nach Hause gebracht habe« , grinste er Reita entgegen, dem er die Tür aufhielt. Danach ging es direkt mit dem Fahrstuhl bis fast ganz nach oben. Ruki liebte die Aussicht, die er von dort aus hatte.
»Normalerweise nehme ich niemanden mit hierher. Aber da ich weder Lust auf eine Bar, einen Club oder anderweitige Ansammlungen von Menschen habe, lag die Wahl am nächsten. Ich werde auch brav sein«, erklärte Ruki, nachdem er es schaffte, seine Wohnungstür zu öffnen. Im Flur trat er sich als erstes die Schuhe aus und schlüpfte in seine selbst designten Pantoffeln. Sogar für Reita standen welche zur Verfügung.
»Willst du was trinken oder essen? Irgendwas?« Ruki besaß nicht unbedingt die besten Gastgeberqualitäten, da sein Kühlschrank hauptsächlich als Dekoration in der Küche stand. Entweder bestellte er oder ging außerhalb essen. Dafür mangelte es nicht an Getränken. Von Orangenlimonade bis hin zu hartem Alkohol hatte er alles da.
»Erstens, nur potentielle Mörder locken ein Opfer mit in ihre Wohnung«, begann Reita, anstatt sofort auf die Frage einzugehen. Eher konnte Ruki beobachten, wie sich der andere neugierig umsah, bis er im Rahmen der Küchentür stehen blieb und sich dagegen lehnte. Im hellen Licht der Küchenbeleuchtung wirkte Reita ganz anders als auf der Party. Allerdings drohte Ruki mit solchen Gedanken erneut abzudriften, anstatt sich weiter auf das Wesentliche zu konzentrieren. Daher schaffte er es lediglich, über Reitas Aussage kopfschüttelnd zu lächeln. Sein Blick wanderte wieder in das Innere des Kühlschranks.
»Überrasch mich«, kam endlich die Antwort auf die Frage. Gerade eben wollte Ruki etwas darauf erwidern, konnte aber bloß dabei zusehen, wie sein Gast in Richtung Wohnzimmer verschwand.

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