05 - Let me know
Zugegeben, besonders viel machte das alte Gebäude nicht mehr her, an dem mein Blick seit geraumer Zeit nun schon hängen blieb. Sicherlich war es einst schön gewesen, doch auch vor diesem Gebäude machte die Zeit einfach keinen Halt. Der Regen hatte den angesammelten Dreck das Gebäude wie Tränen runter laufen lassen, die Lininen zogen sich samt vereinzelter kleiner Risse über den gesamten Gebäudekomplex. Es wirkte geradezu traurig, zu sehen wie machtlos die Fassaden dies hinnehmen mussten, aber noch traurger fand ich die Tatsache, dass selbst die schönen Sommertage mit ihren warmen Strahlen dafür sorgte, dass das Gebäude alt und verbraucht aussah, weil es das, an manchem Stellen noch kräftige Gelb, total verlassen ließ.
Je länger ich auf die Fassade des Schulgebäudes starrte, desto bewusster wurde mir, wie viel Ähnlichkeit ich doch mit dem Geäude aufwies. Auch ich hatte längst meinen Glanz verloren, und auch wenn ich daran selbst Schuld trug, machte es mich traurig, den letzten Tag der Sommerferien hier zu sitzen und vergens darauf zu hoffen, dass er doch noch auftauchte.
Ich wusste, dass wir keine Chance mehr hatten, aber noch keimte in mir ein letzter Restfunken Hoffnung, der erst dann zum Erliegen kommen würde, wenn Taehyung dies endgültig beendete.
"Taehyung? Stimmt es? Was die anderen sagen?!", fragte ich außer Atem, stützte meine Hände auf den Knien ab und versuchte meinen Puls wieder halbwegs auf Normallevel zu bekommen. Es hatte seit Stunden geregnet, dennoch war ich ohne nachzudenken einfach zu Taehyung gelaufen, der gute zwanzig Minuten entfernt wohnte und selbstverständlich völlig vergessen einen Regenschirm oder wenigstens regenfeste Sachen anzuziehen.
Völlig durchnässt stand ich also vor meinem Freund, der mich auf meine Frage hin nur verwundert anblickte und sich wahrscheinlich fragte, wieso ich schutzlos durch den Regen gelaufen war.
"Was meinst du?", hackte er nach, nachdem ich ihm noch immer nicht geantwortet hatte, wie auch, wenn ich noch immer damit beschäftigt war, wieder Luft zu bekommen. Ich atmete noch ein paar Mal durch, ehe ich meine Frage endlich erläuterte. "Wirst du dich wirklich von mir trennen?"
Taehyungs Miene verfinsterte sich schlagartig, denn immerhin war es nicht das erste Mal, dass meine Selbstzweifel dafür sorgten, dass ich unsere Beziehung in Frage stellte. "Fängt das wieder an?", knurrte mich der Junge vor mir an. Sein Blick schmerzte, jedoch weniger, weil er sauer auf mich war, sondern viel mehr weil ich in seinen Augen erkennen konnte, wie sehr ich ihn damit verletzte, seine Liebe einmal mehr zu hinterfragen.
"Bitte. Ich muss es wissen!", flehte ich, sah ihn mit verweinten Augen an, woraufhin er nur resignierend schnaubte. "Jeongguk. Wie kann es sein, dass ich dir Tag für Tag sage und zeige, wie sehr ich dich liebe und du mir einfach nicht glaubst. Egal, was ich mache, du glaubst eher irgendwelchen Spinnern, die Gerüchte in die Welt setzen. Was soll ich denn bitte noch machen?"
Ich wusste, dass er Recht hatte und es nicht fair von mir war, alles so in Frage zu stellen. Dennoch, als Taemin mir erzählte, dass er sich ganz sicher war, weil er angeblich mit Taehyung geredet hatte, da konnte ich nicht mehr rationl denken, sondernä lief einfach los.
"Ich...", setzte ich an, verstummte augenblicklich, als Taehyung mir ins Wort fiel und den Satz für mich beendete. "Ich weiß, du hast einfach Angst. Das sagst du jedes Mal. Aber Jeongguk, mal ganz ehrlich. Wenn das so weiter geht, werden sie irgendwann Recht haben! Ich habe ja mittlerweile Angst, wenn du anrufst oder vorbeikommst, weil ich direkt denke, es ist wieder irgendwas vorgefallen. Es ist nicht mehr wie früher..."
Noch bevor ich seine Worte richtig realisiert hatte, liefen bereits weitere Tränen meine Wangen herunter. "Also... machst du wirklich Schluss, stimmts?" Ein trauriges Lächeln huschte über meine Lippen. "Ich will das ganze eigentlich nicht beenden, Jeongguk. Aber was soll ich denn bitte noch machen? Wie soll ich dir endlich begreiflich machen, dass ich niemand anderen außer dir will? Du... das alles schaffe ich nicht mehr!"
Kurz legte sich die Stille über uns, in der Taehyung nachzudenken schien. Als er mir endlich seine weiteren Gedanken mitteilte, hatte ich das Gefühl den Boden unter den Füßen zu verlieren.
"Ich weiß nicht, Jeongguk, ob ich das noch will."
Wie oft war mir sein letzter Satz, seit dem er ihn ausgesprochen hatte, nun schon durch den Kopf gegangen. Als hätte jemand eine kaputte Schallplatte auflegt, wiederholte sich der Satz wieder und wieder. Wieso hatte ich es einfach nicht geschafft, es zu akzeptieren? Hatten mich die Geschehnisse der Vergangenheit so sehr zerstört? Aber wie sollte man auch akzeptieren können, dass es jemanden gab, der einen wirklich so liebte, wie man war, wenn alle anderen Menschen um einen herum versuchten, einen vom Gegenteil zu überzeugen?
Meine Gedanken kehrten an jenen Tag zurück, an dem es begann richtig schlimm zu werden.
Baekhyun, Kai und Taemin hatten es mal wieder geschafft und mich auf einem der viel zu langen Schulflure festgehalten und gegen die Wand gepinnt. "Jeon! Sag schon. Wieviel zahlst du ihm, dass er sich mit dir Abschaum abgibt?", knurrte Baekhyun, während er mich immer weiter gegen die Wand presste. Er war der lauteste von den drein, Taemin war eher im Hintergrund tätig und sorgte dafür, dass die Gerüchte sich auch bloß schnell verbreiteten, ohne den Anschein zu machen, dass es sich nur um ein Gerücht hielt, während Kai meistens unbeteiligt am Rande stand und auf seine beiden Freunde aufpasste. Er wirkte am harmlosesten, doch gerade er konnte sehr schnell gefährlich werden, wenn man ihn zu sehr reizte oder einen seiner Freunde zu nah kam.
"Nichts. Lasst mich doch mal in Ruhe damit.", flehte ich in der Hoffnung, dass die Pause schnell vorüber ging und ich die drei endlich los werde würde. "Vielleicht macht unser hübscher Jeon Jeongguk auch öfters mal die Beine für ihn breit.", grinste Taemin in seiner lieblichen Stimme, die wohl sehr angenehm gewesen wäre, wenn nicht seine Worte so sehr verletzt hätten.
Irgendwann hatten sie rausgefunden, dass ich auf die Anmachversuche meiner Mitschülerinnen nicht wirklich einging und für einen Jungen zu viel Wert auf mein Äußeres legte. Dass ich mich eher zu Jungs hingezogen fühlte, wusste ich zwar schon länger, aber ich hatte es niemals jemanden erzählt und ich hatte es auch nicht vor es hier in der Schule zu tun.
"Taehyung ist wahrscheinlich genauso ein perverser Schwuler wie Jeon!", prustete Baekhyun los und ließ Taemin gleichwohl auflachen. "Hört endlich auf! Ihr wisst rein gar nichts über mich! Und schon gar nicht über Tae!", keifte ich nun, da sie einen wirklich wunden Punkt getroffen hatten. Ich war es gewohnt, dass sie mich nicht in Ruhe lassen konnten und hatte mich damit mittlerweile abgefunden, doch dass sie nun auch anfingen über Taehyung so zu reden, passte mir gar nicht.
Taemin klatschte fröhlich gelaunt in die Hände, als er mich hörte."Uhhh~ Seht mal wie der reagiert. Unser Jeongguk ist also wirklich ein Schwanzlutscher!" Natürlich rief er das so laut aus, dass es auch bloß viele der Mitschüler in den Fluren mitbekamen, was dazu führte, dass bereits die ersten anfingen zu tuscheln und mich anzustarren, auch wenn sie versuchten es heimlich zu machen.
Es verbreitete sich wie ein Lauffeuer.
Ich seufzte, als ich den Stein, den ich schon die ganze Zeit in der Hand hielt und damit herumspielte, fester packte und sauer in Richtund Schulgebäude warf. Ich hasste es, was sie mir angetan hatten. Danke Taemin. Er hatte seinem Talent der Gerüchteverbreitung mal wieder alle Ehre gemacht. Ich war seit dem Tag eine öffentlich bekannte Zeilscheibe für sämtliche Mobbingsversuche geworden und hatte keine ruhige Minute mehr.
Es gab nur einen Ort, an dem ich nicht von meinen Mitmenschen verletzt werden konnte.
Ich kauerte auf dem Steinboden unseres Geheimversteckes. Ich war in letzter Zeit öfter hier, als es mir lieb war, doch ich ertrug weder den anderen Mitschülern zu begegnen, noch Taehyung über den Weg zu laufen. Also beschloss ich ihm seit längerem mal wieder einen Brief zu hinterlassen, wie wir es vor einiger Zeit regelmäßig getan hatten.
Ich schrieb auf dem kleinen Stück Papier, dass ich in nächster Zeit einfach etwas Abstand bräuchte. Dass ich grade zu sehr mit mir selbst und einen Problemen beschäftigt sei, das ich ihn erst mal nicht mehr sehen wollte. Natürlich schrieb ich nicht rein, dass ich ihn deshalb nicht sehen wollte, weil ich mich total in ihn verliebt hatte. Aber immerhin musste ich ihm irgendwas sagen. Und ganz gelogen war es ja auch nicht. Nur dass er eben nicht wusste, dass mein Problem in dem Fall meine Liebe zu ihm war.
Es vergingen ganze zwei Tage in denen ich Taehyung weder gesehen hatte, noch eine Antwort auf den Brief erhielt. Ich wusste nicht, ob er mittlerweile hier gewesen war, zumindest hing der Brief noch immer an seinem Versteck.
Seufzend schleppte ich mich wieder ins Klassenzimmer. Es war zum verrückt werden. Ich wünschte mir Absstand von Taehyung, aber dass ich seit Tagen keine Antwort von ihm erhielt, wurmte mich fast noch mehr. Dabei war es das, was ich wollte.
Mein Blick hing an der Uhr, die mir aufzeigte, dass es nur noch 5 weitere Minuten dauerte, bis die Schulglocke endlich das lang ersehnte Wochenende einleutete. Ich hatte schon längst nicht mehr zugehört, als ich endlich das erlösende Klingeln vernahm und eilig meine Sachen zusammen packte. Mit als erstes verließ ich den Raum, wollte in de. Schulgeude unter keinen Umständen mehr Zeit verbringen, als wirklich nötig.
"Jeongguk!", vernahm ich eine mir bekannte Stimme und drehte mich schwer atmend um. "Taehyung. Tut mir Leid, ich hab eigentlich keine Zeit.", sagte ich abweisend, in der Hoffnung, dass Taehyung mir glauben schenkte und drehte mich schon wieder zum Weitergehen um. "Bis die Tage.", fügte ich noch hinzu und ließ die Lücke zwischen uns immer größer werden. Doch so ganz schien Taehyung damit nicht zufrieden. "Jeongguk!", rief er etwas lauter, damit seine Stimme mich aus der Entfernung, die mittlerweile zwischen uns klaffte, noch erreichte. "Jeon Jeongguk. Warte, ich hab dir was zu sagen!", rief er, doch ich ignorierte seine Stimme so gut es ging und ließ ihn stehen.
Ein Lachen entwich meiner Kehle, während ich mich nach hinten ins Gras fallen ließ, meinen Kopf auf die darunter verschrenkten Arme ablegte und den dämmernden Himmel über mir anstarrte. Es würde nicht mehr lange dauern und die letzten, ineinander verschmelzenden Farben der untergehenden Sonne würden von der Nacht verschlungen werden.
Und dann würde es feststehen.
Wenn Taehyung nicht innerhalb der nächsten Minuten auftauchen würde, wäre unsere Trennung nicht mehr länger ein konstrukt meiner negativen Gedanken sein, sondern die unbarmherzige Realität.
Wie konnte es sein, dass einem ein Mensch nach so kurzer Zeit nur so sehr ans Herz wuchs, dass man es selbst nicht mehr ertrug, ihn von sich zu weisen? Wie war es dazu gekommen, dass ich mich so dermaßen in diesen Jungen verlieben konnte? Dabei hatte alles so harmlos angefangen...
Glücklicherweise war ich in meinem Jahrgang nicht der einzige, der sich von der neuen Situation eingeschüchtert fühlte, daher bekamen wir eine Art Mentoren, die uns den ersten Tag die Schule zeigen sollten. Einige Schüler aus den höheren Jahrgängen meldeten sich freiwillig und so traf ich das erste Mal auf den zwei Jahre älteren Jungen, der im Gegensatz zu mir selbstbewusst, beliebt und offen schien.
"Also dann, Neuling. Ich werde dir mal alles zeigen.", sprach er mich an und sofort erschrack ich über die dunkle Färbung seiner Stimme, die mich sanft einlullte. Ich war viel zu nervös, als dass ich hätte antworten können, also nickte ich nur zum Zeichen, dass ich ihn verstanden hatte. "Wie heißt du denn?", fragte er mich mit der selben Stimmlage und ich fragte mich, ob ich nun jedes Mal eine Gänsehaut bekam, wenn er zu mir sprach oder ob sich das, hoffentlich schnell, legen würde.
"J...Jeon. Jeongguk.", murmelte ich leise, starrte den schlanken Mann vor mir an. "Freu mich, Jeongguk. Ich heiße übrigens Kim Taehyung. Aber du kannst mich auch TaeTae nennen, oder einfach Tae. Oder wie auch immer du willst.", brabbelte er direkt los, hielt mir seine Hand hin, die ich nur zaghaft berührte.
Dieser Mann war ebenso eindrucksvoll wie dieses, mir noch unbekannte Gebäude und diese ganze Situation.
"Na komm, ich zeig dir alles.", grinste er frech und das erste Mal zeigte er mir sein breites Kastenlächeln, welches mir sofort etwas von meiner Angespanntheit nahm und mich ebenfalls etwas zum lächeln brachte.
Taehyung führte mich durch die Schule, zeigte mir, wie die verschiedenen Stufen verteilt waren und wo sich Mensa, Toiletten und das übliche befand. Ich folgte ihm stillschweigend, ich war viel zu sehr damit beschäftigt, die ganzen Eindrücke auf mich wirken zu lassen. "Komm, ich zeig dir noch was.", grinste Taehyung frech, als ich dachte, ich hätte schon alles wissenswerte der Schule kennen gelernt.
Taehyung nahm meine Hand. Zuerst wollte ich protestieren, weil es sich äußerst komisch anfühlte die Hand des Älteren zu halten, doch ich gab schnell klein bei und folgte ihm.
"Wo... sind wir hier...?", fragte ich verunsichert, da ich mir nicht vorstellen konnte, das der Raum, vor dem wir uns befanden, öffentlich zugänglich war.
"Shht.", erhielt ich nur als Antwort, ehe wir auch durch die letzte Tür gingen und Taehyung freudig mitteilte, dass wir da wären.
Eigentlich war der Raum, wenn man das denn so nennen konnte, noch innerhalb des Gebäudes, aber auch der anderen Seite war hier kein normaler Bodenbelag mehr, sondern bereits der Asphalt, der sich auch auf dem Schulgelände befindet.
Ich sah fragend zu ihm, was er anscheinend sofort verstand, denn er erklörte mir umgehend mit einem breiten Lächeln, was an diesem Ort so besonders war für ihn. "Das ist mein Lieblingsort. Es ist der einzige Ort, an dem sich nicht alle Schüler versammeln und wo man mal seine Ruhe hat. Hier kann ich einfach abscgalten und nachdenken."
"Das liegt daran, weil man hier so ganz offiziell wahrscheinlich nicht hin darf oder?", hinterfragte ich, während ich mich zu ihm auf den kalten Aspaltboden setzte. "Kann sein, aber was passiert denn schon? Ich meine, ich tu ja hier nichts verbotenes. Außerdem kommt hier eh niemand hin und kontrolliert. Es ist mein geheimer Rückzugsort.", rechtfertigte er sich, während er näher an mich heran rutschte und seinen Kopf auf meiner Schulter ablegte.
"Naja. Jetzt ja nicht mehr.", stellte ich fest und hoffte, dass er nicht erkennen würde, wie mir durch seine Aktion leichte Röte ins Gesicht stieg.
"Nein, Jetzt ist es unser Geheimins."
Taehyung war ein großartiger Mensch, der es schaffte sich mit allen sofort anzufreunden. Er war darin sogar so überdurchschnittlich gut, dass sogar ich mich ihm anvertraute.
Wenn ich ehrlich war, war er sogar der Einzige auf der Schule, den ich wirklich mochte und der mich vor den Attacken meiner Mitschüler beschützte.
Wir waren bereits zusammen gewesen, als dieses ganze Mobbing überhand nahm. Ich hatte schon da Zweifel, dass er mich wirklich mochte, sondern Angst, dass es nur ein weiterer gemeiner Plan eines Menschen war, mich endgültig zu zerstören, sobald ich mich ihm geöffnet hatte.
Ich erkannte, wie der Himmel sich langsam immer weiter verdunkelte und konnte sogar schon den ersten Stern hervorblitzen sehen.
Und dann wurde mir schlagartig bewusst, wie absurd meine Ängste ihm gegenüber immer gewesen sind. Als ich hier im Grad liegend unsere gesamte, gemeinsame Zeit Revue passieren ließ, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Er hatte mir niemals auch nur einen wirklich existierenden Grund gegeben, an ihm zu zweifeln.
Im Gegenteil.
"Kai! Es reicht jetzt!", hörte ich eine bedrohliche Stimme hinter mir, die nicht nur durch die Tiefe, sondern auch der Betonung mehr als bedrohlich klang. Kai murmelte noch etwas unverständliches vor sich hin, ehe er gemeinsam mit Taemin wieder zurück an den Esstisch der Mensa ging und so tat, als wäre nie etwas gewesen. Auch die anderen Schüler machten sich langsam aus dem Staub.
Ich blieb mit meinem Retter allein zurück und versuchte noch immer zu verarbeiten, dass das Mobbing langsam ausartete. Die Schulwände waren geschmückt mit irgendwelchen Schwulenporno-Bildchen, in denen mein Gesicht eingefügt war oder irgendwelcher Aufschriften, wie pervers es war, dass ich schwul war. Die Krönung all dessen war nur noch, dass Baekhyun, Taemin und insbesondere Kai keine Pause mehr verstrichen ließen, ohne mich anzupöbeln oder bloß zu stellen.
"Jeon! Mitkommen.", befahl Taehyung mir und ich zuckte über die Härte seiner Worte zusammen. Ich hatte ihn niemals zurvor in einem solche strengen Ton mit mir reden gehört.
"Hyung...", stammelte ich, als er mich hinter sich her nach draußen zog und erst stoppte, als wir an der wenig belaufenen Gartenanlage ankamen.
"Spar dir dein 'hyung' Jeon!", ertönte erneut seine kräftige Stimme. Die Art, wie er mit mir sprach, versetzte mir bereits einen Stich, aber noch mehr litt ich darunter, dass er mich seit dem nicht einmal angesehen hatte.
"Kannst du mir mal verraten, was das sollte?" "Aber... Ich... was hätte ich denn machen sollen?", stammelte ich kleinlaut, während ich völlig überfordert war mit der Situation. "Dich Wehren, verdammt! Wieso lässt du zu, dass sie sowas mit dir machen!?", stieß Taehyung mit selber Lautstärke hervor und sah mich das erste Mal an, seit er mich aus der Mensa gezerrt hatte. Und dann endlich verstand ich, wieso Taehyung so sauer und aufgebracht war. Sein Blick verriet es. Er sorgte sich um mich. Es verletzte ihn genauso sehr, wie mich, was die Mitschüler taten.
Stille umhüllte uns schließlich, ich wusste nicht was ich darauf sagen sollte und auch Taehyung schien nichts weiter dazu sagen zu wollen. Stattdessen legte er eine Hand sanft an meinen Hinterkopf und zog mich daran zu sich. Ich ließ es zu und bettete meinen Kopf auf seine Brust, ehe ich meine Arme verunsichert um ihn legte und mich schließlich von der Wärme seiner Nähe einlullen ließ.
"Wenn Kai oder sonst wer dir nochmal zu nah kommt, dann sagst du mir sofort Bescheid, verstanden!?", hauchte er mir wesentlich sanfter als zuvor entgegen, nachdem wir einige Zeit einfach dort gestanden und uns in den Armen gehalten hatten. Ich nickte und dachte, damit sei die Sache erledigt, doch Taehyung ging, noch bevor die Pause endete, schnurstracks in den Klassenraum und versuchte Kai ausfindig zu machen.
Als er ihn an seinem Platz sitzend vorgefunden hatte ging er mit solch selbstsicheren, kräftigen Schritten auf ihn zu, dass selbst ich etwas Angst vor ihm bekam. Kai wollte gerade ansetzen etwas zu sagen, doch Taehyung kam ihm zuvor und verpasste ihm die heftigste Ohrfeige, die ich bislang gesehen hatte. Durch die Wucht knallte Kai samt Stuhl nach hinten und hielt verwundert seine Wange, während die Anderen zu tuscheln begannen und Taehyung anstarrten.
"Jetzt hört mal alle ganz genau zu!", rief Taehyung mit lauter Stimme, als er sich auf den Lehrerpult gestellt hatte und somit auch von den letzten verbliebenen Schülern ihre ungeteilte Aufmerksamheit erhielt. "Sollte irgendeiner von euch Spatzenhirnen es nochmal wagen, irgendwelche Gerüchte über Jeongguk zu verbreiten oder ihn anzupöbeln, bekommt er es mit mir persönlich zu tun!", fügte er harsch hinzu und sorgte dafür das alle anderen still wurden und seinem berohlichen Blick auswichen.
In meinen Augen sammelten sich schon wieder Tränen. Ich war einfach überwältigt davon, wie sehr sich Taehyung für mich einsetzte und wie stark er war. Es schien ihm nicht entgangen zu sein, denn bevor er wieder aus dem Klassenzimmer polterte, packte er mich an der Hand und zog mich mit sich, jedoch nicht ohne seiner Wut nochmal Ausdruck zu verleihen und Baekhyuns Tisch im vorbeigehen umzuwerfen.
Ich hatte ihn in all unseren Streits immer Unrecht getan.
Ich konnte meine Tränen nicht länger zurückhalten, als mir klar würde, was ich ihm die ganze angetan hatte.
Während er alles für mich tat und sogar einen Schulverweis riskierte, hatte ich nicht besseres zu tun, als seine Liebe in Frage zu stellen.
Ich rollte mich auf die Seite, während eines der unzähligen Streitgespräche durch meine Gedanken geisterte und versuchte gar nicht mehr meinen Heulkrampf zu unterdrücken.
"Du verstehst es halt nicht.", wiederholte ich mich. "Wie denn auch, wenn du einfach nicht mit der Sprache raus rückst? Ich hab keine Ahnung, was in dir vorgeht! Und ich kann nicht mehr tun, als hier einfach zu sitzen und zu hoffen, dass du es mir irgendwann doch mal sagst."
"Taehyung, das ist nicht so einfach. Ich bin nicht wie du."
"Das sollst du auch gar nicht sein."
"Aber genau das wirfst du mir vor!"
"Nein, ich werfe dir vor, dass du dich schlechter machst als du bist. Dass du nicht mit mir redest und das es mir dabei genauso schlecht geht wie dir, wenn du dich weiter so runter ziehen lässt."
"Ich... ich weiß, dass ich dir nicht gut tue, ok!? Du musst mir das nicht auch noch unter die Nase reiben."
"Mensch Kookie. Wann kapierst du es endlich? Ich liebe dich, auch wenn dein Kopf noch so sehr sagt, dass es nicht so ist."
Unsere Diskussion hatte sich mittlerweile festgefahren, so oft hatten wir sie schon geführt. Ich kam einfach nicht gegen die Stimmen in meinem Kopf an und Taehyung schien daran langsam aber sicher zu verzweifeln. Da konnte er noch die schönsten Worte wählen, die Stimme in meinem Kopf fand immer wieder Gegenargumente oder Hinweise, die dagegen sprachen.
"Ich glaube, du wärst ohne mich besser dran. Ich verstehe nicht, wie du das alles aushalten kannst. Ich verstehe nicht, wieso du gerade mich magst. Du könntest jede, beziehungsweise jeden haben! Wieso gerade ich?", sprach ich meine Gedanken aus, die sich in mir festgeankert hatten. So sehr Taehyung sich auch vorher in Rage geredet hatte, er wusste, dass es mir genauso schlecht damit ging. Er konnte es nicht ertragen zu sehen, wenn ich weinte, was mir einen weiteren Stich ins Herz versetzte. Trotz dass ich es wusste, konnte ich einfach nicht anders, als mal wieder weinend vor ihm zusammen zu brechen.
Taehyung ließ sich zu mir auf den Boden sinken und umschloss mich mit seinen Armen, ehe er beruhigend auf mich einredete. "Ich will aber niemand anderen haben, versteh das doch endlich. Ich liebe dich, einfach weil du du bist. Weil du mein Jeon Jeongguk bist. Deswegen. Ich wünschte das Kopf würde das endlich einsehen und aufhören, dir so ein Mist einzureden."
Ich hatte seine Worte niemals annehmen können und nun bereute ich es. Er hatte so oft versucht, mir das beizubringen und gegen die Stimmen in meinem Kopf zu kämpfen.
Und jetzt, wo ich endlich einsah, dass er anders war, als die Menschen, die ich bislang immer um mich hatte, da war er fort. Wenn selbst die eigenen Eltern einen verabscheuen, ist es verdammt schwer, das Gefühl geliebt zu werden, anzunehmen.
Jetzt wünschte ich, ich hätte noch einmal die Chance, mit ihm zu reden.
Ich raffte mich erschöpft auf, als ich endlich aufhören konnte, bitterlich zu weinen. Der Himmel war mittlerweile in ein dunkles Blauschwarz getaucht und hatte damit nicht nur die letzten Farben, sondern auch meine letzte Hoffnung davongetragen.
Ich hatte Taehyung endgültig verloren.
Ich schleppte mich, ein letztes Mal das verkommene Schulgebäude anblickend, zum großen Tor, um meinen Weg ins Alleinsein zu beschreiten, als ich eine Stimme hinter mir hörte.
"Jeongguk!"
Meine Augen weiteren sich, als ich den bildhübschen Jungen vor mir erkannte. Er schien eine ganzes Stück gerannt zu sein, denn seine von Schweiß getränkten Haare klebten ihm frech im Gesicht.
"Taehyung... wieso bist du hier?", fragte ich skeptisch, denn ich hatte meine Hoffnung gerade aufgegeben, da fiel es mir schwer, erneut zu hoffen.
"Frag nicht, zum reden natürlich! Ich will das nicht einfach aufgeben, Kookie.", sprach er abgehakt, da er noch immer etwas außer Atem war. Ich schluckte den Klos herunter, der sich erneut in meinem Hals bildete und versuchte so gut es ging, die wieder aufkommenden Stimmen in meinem Kopf zu vertreiben.
Sie hatten genug zerstört, nochmal würde ich es nicht zulassen, dass sie mir diesen Jungen wegnehmen.
"Okay, lass uns reden."
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Fast 4000 Wörter-_- ich sollte lernen, mich kürzer zu fassen.
Das war jetzt erst mal der letzte OS, der so depri ist :D
Morgen ist Nikolaus, da.hab ich etwas besonderes für euch vorbereitet ;)♡
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