𝐾𝑎𝑝𝑖𝑡𝑒𝑙: 𝟖
𝐾𝑎𝑝𝑖𝑡𝑒𝑙: 𝟖
𝙼𝚊𝚛𝚢𝚊𝚗𝚊
Ich kam mir so verdammt leer vor... Seitdem ich Sirius direkt vor mir gesehen hatte, war ich nur ein erneutes Mal zusammengebrochen. Es fühlte sich an, als wäre er mir ein zweites Mal entglitten, als hätte ich ihn bloß nochmal verloren. Ich hatte ihn nochmal gehen sehen - und nachts weckten mich meine eigenen Schreie, wenn mich Albträume heimsuchten, Bilder in meinem Unterbewusstsein entstanden, auf welche Art und Weise er wohl nach unserem Gespräch gefoltert worden war. Und ich war schuld... Weil er mich hatte sehen wollen, sich um mich gesorgt hatte und weil er geahnt hatte, dass ich ohne ihn bloß nichts war. Er hatte richtig gelegen. Ich war nichts ohne Sirius. Nur noch ein Schatten meiner selbst. ,,Es ist noch schlimmer geworden, Remus... Als du in den letzten zwei Tagen fort gewesen bist, hat sie sich kaum aus ihrem Bett bewegt. Wir sollten darüber nachdenken, sie in die Hände eines Heilers zu geben. Arthur könnte sie ins St. Mungos bringen", hatte ich Molly an diesem Morgen sagen hören, während die beiden nach mir gesehen und ich schweißgebadet in meinem Bett gekauert und an die gegenüberliegende Wand gestarrt hatte. ,,Nein, Molly... Gib ihr noch ein wenig Zeit. Irgendwas muss vorgefallen sein, sie wird sich wieder aufraffen", hatte er kopfschüttelnd und übermüdet zurückgegeben, ehe die beiden mich wieder alleine gelassen hatten.
Meine Schlafzimmertür stand eigentlich immer offen. Nicht mehr alle Mitglieder des Ordens waren hier, doch es gab dennoch einige, die immer mal wieder nach mir sahen. Die versuchten, mich aufzubauen. ,,Wir holen ihn zurück, aber wir brauchen deine Hilfe dafür..." oder ,,Sirius ist so stark, er hat so viel überlebt, Askaban wird auch dazugehören!" Doch das alles hatte keine Bedeutung, denn in ihren Stimmen lagen Zweifel. Zweifel, die mich zerrissen, mich zerstörten. Ich hatte nur noch ein einziges Bedürfnis, das mich nicht zu einem vollkommenen Zombie machte. Das Wohlergehen meines Kindes. Ich hatte Sirius gegenüber gestanden und in dem Sturmgrau seiner Augen gesehen, dass ich unser Kind vor all dem beschützen musste. Deshalb aß und trank ich genug, ließ mich von Molly bemuttern, während ich mit leerem Blick Löcher in die Luft starrte und verzweifelt überlegte, wie ich das tiefe Loch in meinem Herzen füllen konnte. Eine ganze Woche war vergangen, seitdem ich ihn direkt vor mir gesehen, mit ihm gesprochen hatte. Sieben Tage. Eine viel zu lange Zeit. Ich ertappte mich dabei, wie ich jeden Abend über den Dielenboden schlich und mich auf den Boden des großen Badezimmers setzte, hoffte, dass er noch einmal zurückkam, wir noch einen kurzen Moment miteinander hätten. Doch er kam nicht. Und ich wartete weiterhin.
Remus hatte den Vollmond hinter sich gebracht und in diesen zwei Tagen war Molly für mich da gewesen. Doch sie hatte Sirius' und meinen Freund nicht ersetzen können, so dass ich ohne den Halt von Remus nur noch weiter in das endlos schwarze Tief gerutscht war. Ich hatte gehört, wie der Werwolf heute morgen zurückgekehrt war und sich ächzend und mit Hilfe seines Gehstocks die Treppen hochgeschleppt hatte, um nach mir zu sehen. Leise hatte er geseufzt, dann hatte Molly sich an seine Seite geschoben und beide hatten mich betrachtet. Auch nach dem Vollmond war Remus noch leicht reizbar, das brachte seine Erschöpfung mit sich. Gegen Nachmittag verlor er dann die Geduld mit mir. ,,Du musst dich waschen, Mary", versuchte er mir gerade ernst zu erklären und ich schüttelte den Kopf. ,,Ich fühle mich okay so, ich muss nicht...", flüsterte ich heiser und Remus seufzte, ehe er mit einem Kopfschütteln nach mir griff und mich aus der Matratze hob. Nicht zum ersten Mal. Keifend versuchte ich mich gegen seinen Griff zu wehren, kratzte ihn sogar, während er mich bloß eisern festhielt und den Flur runter ins Badezimmer trug. ,,Ich weiß selbst was ich brauche. Und es ist keine Dusche...", flüsterte ich, doch er stellte mich bloß vor dem Standspiegel auf die Füße und hielt mich an der Taille fest, als meine Beine ihren Dienst vernachlässigten und ich beinahe wieder zusammengesackt wäre. ,,Sieh dich doch nur mal an... Was tust du dir nur an?", fragte er mich heiser und ich folgte ängstlich seinem Blick. Ich war blass, tiefe Schatten lagen unter meinen Augen und meine Wangen wirkten trotz meiner regelmäßigen und bedachten Ernährung eingefallen.
,,Remus...", flüsterte ich gebrochen und er schüttelte den Kopf. ,,Nein... Versuch gar nicht erst Ausreden zu finden. Denkst du, so schadest du deinem Kind nicht? Oh, da irrst du dich", gab er reserviert zurück und sein angespannter Kiefer zeigte mir deutlich, dass er wütend war. Wütend auf mich... Ich senkte den Kopf. Meinen eigenen Anblick nicht länger ertragend. Die fettigen, wirren Haare, die mir in platten, gewellten Strähnen im Gesicht hingen und die zitternden Hände und Knie... Ich wollte sie nicht länger mustern müssen, die Schreckgestalt im Spiegel. ,,Er war hier...", flüsterte ich heiser, griff in seinen Cardigan und drehte mich wankend zu Remus um. ,,Er ist hier gewesen, er stand direkt da", hauchte ich, meine Stimme kam ins Schwanken und er folgte schluckend meinem Blick. ,,Sirius war hier... Er war hier... Und er wird zurückkommen", wisperte ich und der Werwolf schloss einen Moment die Augen, schüttelte leicht den Kopf und griff nach meinen Oberarmen. ,,Zeit zu duschen, Maryana", meinte er mit fester Stimme und half mir, mich aus meinem Shirt zu schälen. Immer wieder huschte mein Blick an ihm vorbei und irgendwann, er hatte mir gerade aus meiner Leggins geholfen, griff Remus entschieden nach meinem Kinn und sah mich mit gefährlichem Blick an. ,,Wach auf, bei Merlin! Er war nicht hier, er wird nicht kommen!", fuhr er mich verzweifelt an und mein Herz stürzte eine Klippe hinab und zerschellte auf spitzen Felsen, die aus einem tobenden Meer der Sehnsucht ragten. In meinen Augen sammelten sich Tränen und schluchzend kämpfte ich mich aus seinen Armen. ,,Er war hier!", schrie ich ihn weinend an und er griff nach meinen Händen, die nach ihm schlugen, ignorierte meinen linken Fuß, der ihn immer wieder trat. ,,Er ist hier gewesen...", schluchzte ich. Das alles zerriss mich. Ich konnte selbst nicht mehr sagen, ob das was ich gesehen hatte wirklich echt gewesen war... Und das machte mich verrückt.
Remus zog mich an seine Brust. ,,Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll... Du entgleitest mir...", brachte er heiser hervor, seine Schultern bebten und alles in mir verkrampfte sich, als ein Schluchzen seine Kehle hinaufkroch und er mich fester an sich drückte. ,,Remus...", wimmerte ich und er versteifte sich, ehe er tief durchatmete und mich langsam losließ. ,,Komm jetzt..." Er fuhr sich mit dem Unterarm übers Gesicht und zog mich dann mit sich zu der Dusche. Ich beobachtete ihn, wie er das Wasser aufdrehte und schlang fröstelnd die Arme um meinen nackten Körper. Ein Seitenblick in den Spiegel ließ mich einen Moment inne halten. Mein Bauch begann langsam zu wachsen, eine feste Rundung anzunehmen. ,,So, das Wasser müsste warm genug sein. Geh schon...", seufzte Remus leise und ich schüttelte den Kopf. ,,Remus...", flüsterte ich und er schloss erneut die Augen. Es schien ihm nach Vollmond sichtlich schwer zu fallen, sich zusammenzureißen. Schwach griff ich nach seinem Arm. ,,Sieh nur.. Sieh hin...", wimmerte ich und legte seine große, warme Hand auf meinen Bauch. Man begann mir wirklich anzusehen, dass ich schwanger war. Remus schluckte hörbar. ,,Komm, Mary, bevor das warme Wasser aufgebraucht ist", flüsterte er und ich zog den Kopf wieder ein, entzog mich seiner Hand und stieg in die Dusche. Das warme Wasser prasselte auf meinen Körper hinab und einen Moment stand ich bloß da, schloss die Augen und versuchte meinen eigenen Verstand zu ordnen. Alles war so wirr... Und ich konnte Realität und Illusion nicht mehr trennen. Traum oder Albtraum...
Ich wusch mich mit fahrigen, zittrigen Bewegungen und Remus, der mit dem Rücken zu mir gewartet und sich prüfend im Badezimmer umgesehen hatte, drehte sich wieder um, als ich das Wasser ausdrehte. Still reichte er mir zwei Handtücher und langsam begann ich, mich abzutrocknen. ,,Er war wirklich hier, Remus. Ich habe mit ihm gesprochen", hauchte ich erneut und Remus sah mich an. ,,Das ist unmöglich, Mary... Er ist in Askaban. Durch diese Mauern kommt nichts, nicht ein Zauber..." Er griff nach einem der Bademäntel und half mir, mich darin einzuwickeln. ,,Du musst aufhören, dir sowas einzubilden. Das ist nicht gut für dein Kind und dich", fügte er hinzu und ich schüttelte den Kopf. ,,Das ist keine Einbildung gewesen...", wimmerte ich, doch er hörte mich nicht. Er warf die Handtücher in die Wäsche und öffnete das Fenster einen Spalt, ehe er nach mir griff. ,,Jetzt komm. Molly hat gebacken. Apfelkuchen, weißt du noch? Den mochtest du immer am liebsten", murmelte Remus und ich folgte ihm auf nackten Füßen über die Dielen. Apfelkuchen... Süßlicher Duft drang mir aus der Küche entgegen und Molly hob den Kopf. Erleichterung stand in ihrem Gesicht als sie sah, dass Remus mich aus dem Schlafzimmer geholt hatte. ,,Setzt euch, meine Lieben. Ich frage mal nebenan, ob noch wer ein Stück will", flötete sie, wischte sich die Hände in ihrer Schürze sauber und schob sich aus dem Raum. Ich starrte auf die Tischplatte... Es war angenehm warm, der Backofen hatte die Küche aufgeheizt und endlich war mir nicht mehr kalt und das Zittern legte sich. Remus räusperte sich. ,,Molly hat vorgeschlagen, dass du mal mit jemandem redest...", begann er leise und musterte mich mit ernstem Blick. ,,Jemandem, der dir wirklich helfen kann. Nicht so wie ich, nicht so wie sie. Wir sorgen uns sehr um dich, Mary", setzte er nach und ich wollte aufspringen, wollte ihn anschreien, wollte ihm vorhalten, weshalb er jetzt an meinem Verstand zweifelte.
Doch mir fehlte die Kraft dazu. Und wenn ich ehrlich war, dann wusste ich auch, weshalb er Zweifel hatte. Still umklammerte ich mein eigenes Handgelenk, grub meine Fingernägel in meinen Unterarm. ,,Ein Seelenklempner?", würgte ich hervor und Remus nickte. ,,Ja... Wir fürchten um die Gesundheit deiner Seele... Und so sehr ich das auch verhindern wollte, ich sehe keinen anderen Weg mehr, um dich vor dem Wahnsinn zu bewahren..." Ich hob den Kopf und sah ihn an. Seine eigentlich blauen Augen, die zu Vollmond in hellem Grün erglühten hatten noch immer einen leicht smaragdfarbenen Schimmer. ,,Ich werde nicht zu so einem Esoteriker gehen, weil ihr mir nicht glauben wollt, dass Sirius es geschafft hat, mir eine Nachricht aus Askaban zu schicken", meinte ich kühl und Remus wollte gerade etwas entgegnen, als Molly die Küche betrat. ,,Den anderen ist nicht nach Apfelkuchen... Aber gut, dann bleibt mehr für uns!" Ein warmes Lächeln lag auf ihren Lippen und mit einem kleinen Wink ihres Zauberstabs deckte sich der Tisch, sodass Remus hastig seine Unterarme zurückzog, auf welchen er sich zuvor abgestützt hatte. ,,Ich hoffe er schmeckt euch... Mein letzter Apfelkuchen liegt schon eine Weile zurück, Arthur bevorzugt Pflaumen", erklärte Molly uns leise lachend, während sie jedem von uns ein großes Stück Kuchen auf den Teller legte und mir dann eine Tasse Tee zuschob, während sie Remus einen Kaffee ausschenkte.
Ich nahm eine Gabel und schloss die Augen. Apfelkuchen... Ich wusste noch genau, dass James ihn immer genauso gerne gemocht hatte wie ich - und dass wir uns teilweise um letzte Stücke gestritten hatten. ,,Er schmeckt sehr gut, Molly", hörte ich Remus höflich sagen und sah wieder auf, nickte zustimmend. ,,Ich möchte zum Grab von Lily und James", meinte ich dann heiser. ,,Ich möchte nach Godric's Hollow." Remus verschluckte sich an seinem Kaffee und Molly sah mich in ihrer mütterlichen Fürsorge verwundert an. ,,Bist du dir da sicher, Liebes? Du konntest es nicht mal ertragen, auf ihre Beerdigung zu gehen", warf sie skeptisch ein und hustend ließ Remus seine Tasse sinken. ,,Das kommt nicht in Frage, du bist noch zu schwach dafür", meinte er sofort, entschieden den Kopf schüttelnd und ich spürte, wie Wut sich in meinem Magen verkrampfte und ließ die Kuchengabel sinken. ,,Ach, aber ich bin nicht zu schwach, um zu einem Hippie-Esoteriker zu gehen? Wenn Sirius hier wäre, würde er euch beide für verrückt halten, nicht mich!", fauchte ich, sprang auf und wollte aus der Küche fliehen - doch Remus erhob sich ebenfalls und hielt mich am Arm zurück. ,,Wir sorgen uns um dich! Wir wollen, dass ein Arzt dich untersucht! Könnte Sirius dich sehen, würde er diesen Gedanken niemals für verrückt halten!", raunte er und ich starrte ihn an, dann entriss ich mich seinem Griff. ,,Sirius ist nicht hier und er kann mich nicht sehen. Das versucht ihr mir doch die ganze Zeit klar zu machen, oder nicht?", schnaubte ich, ehe ich in den Flur schlüpfte und zögerte, ehe ich nebenan ins Wohnzimmer trat und mich auf den Sessel vor dem Kamin sinken ließ, über dessen Lehne Sirius' Pelzmantel lag, den ich bebend vor Verzweiflung wieder über mich zog, meine Nase darin vergrub.
Wenn Remus mich nicht nach Godric's Hollow begleitete, würde ich alleine gehen.
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