𝐾𝑎𝑝𝑖𝑡𝑒𝑙: 𝟕

𝐾𝑎𝑝𝑖𝑡𝑒𝑙: 𝟕

𝔦𝔫𝔫𝔢𝔯𝔥𝔞𝔩𝔟 𝔡𝔢𝔯 𝔉𝔢𝔰𝔱𝔲𝔫𝔤𝔢𝔫 𝔳𝔬𝔫 𝔞𝔰𝔨𝔞𝔟𝔞𝔫

Er atmete so schwer, dass es mit jedem neuen Atemzug in seinem Brustkorb stach. Er hatte sie gesehen... Er hatte mit ihr gesprochen, er wusste, dass es ihr gut ging. Ihr - und ihrem Kind. Seinem Kind. Doch die Bestrafung dafür sollte Sirius Black beinahe seinen Verstand kosten. Mittlerweile schmerzte sein ganzer Körper und Schlafmangel ließ ihn beinahe durchdrehen, ließ ihn wütend mit den Fäusten gegen die Steinwände seiner Zelle schlagen, bis er sie blutüberströmt wieder zurückzog. Sie ließen ihn nicht mehr schlafen. Kaum wagte er es die Augen zu schließen, tauchte ein Dementor vor seiner Zellentür auf und ließ ihn jedes Leid durchleben, das ihm jemals widerfahren war. Nahm ihm jedes positive Gefühl, das er sich zuvor schmerzhaft und lange errungen hatte. Langsam begann er zu halluzinieren. Er durchlebte Dinge, die gar nicht passiert waren. Und doch waren sie so schrecklich und grauenvoll, dass er schrie und weinte wie ein kleines Kind. Eine Zeit lang, als der Schlafmangel seine Augen noch nicht hatte brennen lassen oder sein Magen noch nicht geknurrt hatte wie ein ausgehungertes und wildes Tier, hatte er sich mit ihr beruhigen können. Damit, dass er sich endlich wieder an den Klang ihrer zarten Stimme hatte erinnern können. Doch das hielt nicht lange. Er war müde. Sein Magen knurrte unerbittlich, sie gaben ihm keine Mahlzeiten mehr, quälten ihn mit Schlaflosigkeit, Hunger und Albträumen. Er hatte die strengen Regeln verletzt, gleich mehrere davon und nun musste er leiden. ,,Wie lange noch...", flüsterte er und zerrte an den Fesseln, die seine Schultern umschlossen und seinen Körper in einer schmerzhaft aufrechten Position auf den Knien hielten. Sie waren wund und brannten unter seinem Gewicht, scharfer Schmerz kroch klamm seine Wirbelsäule hinauf und er hatte das Gefühl, Granit prügelte auf seinen Schädel ein.

,,Wie lange noch...", flehte er mit bebender Stimme. Der große Sirius Black, der begehrte Rumtreiber und angehender Auror und Abteilungsleiter im Ministerium, Mitglied des Ordens und damit des Widerstands gegen die Todesser. Hier kniete er und brach. Er wusste noch, wie Mary ihn aufgezogen hatte. ,,Der rebellische Sirius Black schert sich nun um Gesetz und Ordnung, mein furchtloser Auror", hatte sie kichernd gesagt und sein Gesicht mit Küssen bedeckt. Doch soweit war es nie gekommen. Weder für James, noch für ihn. James war tot... Einfach fort. Und er selbst? Wie lange ertrug er selbst seinen eigenen Atem noch, bevor er auch starb? Die Vorstellung  einfach loszulassen war so verlockend, dass ihm heiße Tränen in die trockenen Augen traten. Er wollte weg von hier, wollte schlafen, seine Geliebte in seine Arme ziehen, wollte sein Leben zurück, dass ihm Anschuldigungen und gestellte Beweise entrissen hatten. Doch nichts davon, rein gar nichts davon, würde jemals wieder ihm gehören... ,,Ich habe es dir gesagt, habe dich gewarnt." Sirius hob den Kopf. Er kniff die Augen zusammen, um hinüber in die Zelle auf der anderen Gangseite zu sehen. Der alte Zauberer hatte mit beiden Händen die Gitterstäbe umschlossen und fixierte ihn genau. ,,Du darfst dich nicht auflehnen, du musst dich Ihnen fügen. Glaub mir, ich bin schon lange hier. Sehr lange", fügte er hinzu und Sirius schnaubte, schüttelte den Kopf und biss sich auf die trockenen Lippen. Er hatte Durst. Seine ganze Kehle brannte und die kalte Luft in seiner Zelle, die sich anfangs noch schmerzlindernd angefühlt hatte, stach nun scharf in seinen Rippen. 

Er brachte kein Wort hervor und der Zauberer gegenüber lehnte sich zurück. Es stank nach Verwesung... Sirius drehte den Kopf. Noch am selben Abend, als er Maryana mit Hilfe des Hauselfen kontaktiert hatte, war der Gefangene neben ihm gestorben. Und sie waren nicht gekommen, um die Leiche zu holen. Sirius hatte die Tage nicht zählen können, er hatte jegliches Zeitgefühl verloren, während sie ihm den Schlaf raubten und er sich somit in einer endlos anfühlenden Zeitschleife verlor. Sie hatten ihn nicht mal aus dieser Position gelassen, um für sie zu arbeiten... Und er begann sich plötzlich nach dem Brennen seiner Handflächen zu sehnen, das auftrat wenn er die Wäsche schrubbte. Es war ihm alles recht, sie sollten ihn nur losmachen... Seinen wütenden Magen beruhigen, seine Fesseln lösen und die Dementoren wieder Abstand von seiner Zelle halten. Sirius schluchzte heiser auf und sein Gegenüber seufzte leise. ,,Wie lange? Wie lange quälen sie mich schon", flüsterte er und auf der anderen Korridorseite rutschte die knochige Gestalt des Alten über den Boden. ,,Es sind nun sechs Tage. Sie hindern dich mit einem Zauber daran, zu sterben. Du sollst den Tod im Nacken fühlen, aber er darf dich nicht holen kommen. Sie wollen, dass du verrückt wirst", antwortete er und Sirius keuchte heiser. Sechs Tage... Sechs Tage war es her, dass er sie gesehen hatte. Er schüttelte leicht den Kopf. ,,Die Ratten fressen ihn", meinte der Zauberer dann und nickte zur Zelle neben der von Sirius. ,,Wenn sie die Leiche nicht holen, wird bald nicht mehr viel davon übrig sein... Aber was schert sie das... Was schert sie das schon noch..." 

Diese Worte sorgten dafür, dass sich ihm die Nackenhaare aufstellten und er gleichsam eine Wut verspürte, für die er eigentlich nicht einmal mehr Kraft verspüren sollte. Er begann zu brüllen und schlug mit der Eisenkette seiner Fesseln gegen die Wand, um auf sich aufmerksam zu machen, denn er hatte wie durch einen Schleier mitbekommen, dass heute Zauberer des Ministeriums hier waren. Sie mussten die Leiche entsorgen. Sonst würde sie Krankheiten verbreiten, die den ganzen Trakt infizieren würden. Und wer auch immer neben ihm inhaftiert worden war... Er verdiente es im Tod nicht, von Ratten zerfressen zu werden. Gereizt wurde eine Tür am Korridorende aufgestoßen und Licht flutete ihn so abrupt, dass Sirius seine empfindlichen Augen mit einem Schmerzenslaut zusammenkneifen musste. Mit erhobenem Zauberstab trat ein Zauberer an seiner Zelle. ,,Was soll der Lärm?!", fauchte er und Sirius kauerte sich in seiner Zelle zusammen. ,,Der Gefangene nebenan ist tot", brachte er hervor. ,,Eine ganze Weile schon... Er beginnt zu verwesen", fügte er heiser hinzu und der Zauberer warf einen Blick in die Zelle neben seiner. ,,Na und?", gab er achselzuckend zurück und Sirius spürte den Zorn erneut seinen Rachen empor steigen. ,,Er wird uns alle mit Krankheiten infizieren... Und wenn das dieses Gefängnis verlässt, wie steht das Zaubereiministerium dann wohl da?", flüsterte er brüchig und der Zauberer vor seiner Zelle schwieg einen Moment. 

,,Du hast recht", meinte er dann und überrascht hob Sirius den Kopf. Er winkte einen Elfen heran, der einen schwarzen Leichensack hinter sich über den Boden schleifte und bedeutete ihm, Sirius' Zelle aufzuschließen. ,,Lass ihn da raus", wies er ihn an und Sirius spürte nun nackte Angst sein Herz umklammern, als der Schlüssel knirschend im Schloss gedreht und die Gittertür aufgestoßen wurde. Der Elf trat auf ihn zu und öffnete seine Fesseln. Sofort fiel Sirius vornüber und landete mit einem dumpfen Laut, der ihm sämtliche Luft aus den Lungenflügeln presste auf dem kalten Gestein. ,,Aufstehen", raunte der Elf und trat ihm unsanft in die Seite. Sirius keuchte. Er versuchte sich aufzurichten, immer wieder brach er zusammen. Schweigsam wurde ihm dabei zugesehen, bis er mit letzter Kraft in den Gang taumelte. Der Zauberer nickte dem Hauselfen zu und reichte Sirius dann den schwarzen Leichensack und ein Paar zerschlissener Handschuhe, an welchen Blutflecken hafteten, wenn er sich nicht irrte... ,,Du wirst sie entfernen", befahl er ihm und Sirius schnappte nach Luft, spürte Galle seinen Rachen empor steigen. ,,Entferne sie und du darfst zurück in deine eigene Zelle - und bekommst Wasser. Entferne sie nicht und die Ratten werden sich deiner als nächstes annehmen", fügte er kühl hinzu, ehe Sirius in die Zelle des Toten gestoßen wurde und auf allen vieren landete. Knirschend fiel die Tür wieder hinter ihm zu, während er verzweifelt nach Kraft suchte, um zu protestieren. Um sich zu wehren. Er fand keine. 

,,Du musst es tun", keifte der Elf ihn an, während seine knochigen Finger die Gitter umschlossen. Sirius schluchzte auf, schüttelte den Kopf. Er konnte nicht. ,,Du musst!", schrie der Elf weiter und sah auf, als er gerufen wurde. ,,Du musst!", zischte er noch, ehe er hastig den Korridor runter rannte. Du musst es tun... Sirius hob den Kopf. Leblos lag der Tote auf seiner Pritsche, eine Ratte hatte sich direkt in seinem Gesicht niedergelassen, eine andere hatte den Stoff seiner zerschlissenen Hose durchgebissen und nagte an dem wenigen Fleisch, das an seinem mageren Körper noch übrig war. Sirius wandte den Blick wieder ab. Ein Schwall Magenflüssigkeit ergoss sich auf den Zellenboden, kroch seinen Rachen hinauf und ließ seine Augen tränen. Hiernach würde er freiwillig sechs weitere Tage keine Mahlzeit mehr anrühren... Er zog sich die Handschuhe über und trat hinter das Opfer der Dementoren. Er war jung. Beinahe kam es ihm vor, als sei der junge Mann noch jünger als Sirius selbst gewesen. Sirius öffnete den Sack. Er musste es tun... Deinem Kind geht es gut, ich konnte heute sein Herz schlagen hören... Oh Sirius, ich vermisse dich so sehr... Mit zusammengekniffenen Augen begann er den Leichnam zu entsorgen. Er musste stark sein... Für sie. 




An diesem Abend rührte er die Blechschale nicht an, die in seine Zelle geschoben wurde. Er drückte seinen Hinterkopf gegen die Zellenwand und starrte mit leeren Augen an die ihm gegenüber. Er hatte mit letzter Kraft die sechs Einkerbungen nachgetragen. Achtundzwanzig Tage. Er war nun einen Monat hier und es kam ihm schon jetzt vor wie eine Ewigkeit. Blieb nur noch sein restliches Leben... Sirius kam nicht drum herum zu hoffen, dass es kurz ausfallen würde. Seine Hand legte sich auf seine Brust, doch das Lederband mit seinem Ring war nicht mehr da. Er hatte immerhin den Elfen bezahlen müssen. Er schloss die Augen und versuchte angestrengt den Geruch zu verdrängen, welcher seit der Entsorgung des Toten in seiner Nase lag und nicht mehr verschwinden wollte. Was würde er für eine Zigarette geben... Oh, was hatten Lily und Maryana auf ihnen rumgehackt, weil sie dieses Muggel-Gift auch noch freiwillig konsumierten. Seine Verlobte hatte sich geweigert ihn zu küssen, wann immer Sirius geraucht hatte... Und ihr zur Liebe hatte er es dann auch immer seltener getan. Doch was würde er jetzt gerade dafür geben...? Nicht so viel, wie er dafür zahlen würde, seine Nase in ihrem gutriechenden, wallenden Locken zu vergraben... Er vergrub das Gesicht in den Händen und versuchte langsam zu atmen, flacher und durch den Mund. 

Bemüht rief er sich ihr Abbild in seine Erinnerung. Ihr Lächeln, es würde ihm schon genügen, um einen ruhigen Schlaf zu finden. Verzweifelt schüttelte er den Kopf, es funktionierte nicht. Alles was er vor sich sah, war der kalte leere Blick des Toten, bevor er seinen Körper in dem schwarzen Sack verschwinden lassen hatte. Sicher würde man ihn einfach in die wilde, rauschende See werfen. Doch das war ein besseres Schicksal als das, was ihm ohne Sirius wohl bevorgestanden hätte... Wer würde sich seiner Leiche annehmen, wenn er eines Tages nicht mehr wieder aufwachen würde? Ein eiskalter Schauder kroch seinen noch immer schmerzenden Rücken hinab und er erhob sich, um sich zu seiner harten Pritsche zu schleppen, deren Holz teils so scharfkantig war, dass es Löcher in seine Gefängniskleidung riss oder Schieber unter seiner Haut hinterließ, die brannten und sich zu großflächigen Wunden entzündeten. Dennoch legte er sich hin, drehte sich auf die Seite und kauerte sich zusammen, schlang die Arme um die angezogenen Beine, um die Kälte zu vertreiben. Dennoch kroch sie unnachgiebig unter seine Sachen, ließ ihn zittern. Ihm war so kalt... 

Vollkommen erschöpft versuchte er es ein erneutes, ein letztes Mal. Versuchte er an sie zu denken. An ihre vollen und roten Lippen, die sich zu einem Lächeln verzogen, wann immer er nach Hause kam. Doch es gelang ihm nicht... Er fror, jeder Knochen schmerzte ihm, seine Kehle dürstete nach Wasser und der Becher, den man ihm gegeben hatte, hatte seinen Durst nicht stillen können. Heiße Tränen rannen über seine Wangen und er begann sich zu fragen, wann keine mehr kommen würden. Wann würde er aufhören sich selbst zu bemitleiden? Gelang ihm das überhaupt, inmitten der wahrhaftigen Hölle? Er wünschte sich tot zu sein. Er liebte seine Freunde, seine Verlobte, sein Kind... Trotzdem sehnte er sich Erlösung herbei. Er würde niemals wieder zurück in sein Leben können, niemals mehr diese Festungen verlassen. Seine Verlobte nie wieder küssen, sein Kind niemals aufwachsen sehen. Keine Tadel mehr von Remus, weil Sirius oft erst handelte und hinterher dann nachdachte...  Eine Flucht? Zwecklos. Er warf sich dann nur direkt in den Kuss der Dementoren. Seine Gedanken überschlugen sich erst, ehe sie komplett verstummten. Und dann schlief er ein - eine Hoffnungslosigkeit im Herzen, die jeden Lebenswillen in ihm nach gerade einmal achtundzwanzig grauenvollen, langen Tagen vollkommen dahin schwinden ließ. 



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Und ein weiteres Update! Irgendwie hab ich das Gefühl, ihr kommt meinem Tempo gar nicht mehr hinterher... Upsi! :D
Aber hier ein weiteres Kapitel... Und ich hoffe, es hat euch gefallen (soweit das hierbei möglich gewesen ist)
Über Kommentare freue ich mich sehr- denn beißen tue ich nicht! Höchstens bei Vollmond, vielleicht...

Liebe Grüße,
Eure wingsofeden


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