𝐾𝑎𝑝𝑖𝑡𝑒𝑙: 𝟏
𝐾𝑎𝑝𝑖𝑡𝑒𝑙: 𝟏
1981
Er roch nach Kaminrauch, Feuerwhiskey und Kiefernzapfen.
Sein langer, auberginefarbener Mantel tat das auch. Ich hatte ihn mir übergestreift, während ich in der Küche saß und es so still war, dass ich die Standuhr im Wohnzimmer ticken und das Feuer im Kamin knistern hören konnte. Als er noch hier gewesen war, war es nie so still gewesen... Ich lauschte dem leisen Kratzen der rauen und harten Borsten eines der Besen, die Kreacher leise murmelnd über den Holzdielenboden im Flur zog. Selbst der alte, verbitterte Hauself war stiller geworden und hielt sich mit trockenen Sprüchen zurück, seitdem der letzte der Blacks nach Askaban exekutiert worden und Regulus nun genau vor zwei Jahren von den Todessern ermordet worden war. Er hatte versucht Voldemorts Horkruxe zu zerstören - und er war gescheitert. Noch heute glaubte ich sicher, dass der Tod seines jüngeren Bruders Sirius mehr mitgenommen hatte, als er damals wirklich hatte zugeben wollen...
Dafür hatte ihn die Nachricht, unsere Freunde James und Lily seien ermordet worden, umso härter getroffen. Das hatte sie uns beide... Und dann hatte man ihn auch schon nach Askaban gebracht. Fort von mir, fort von unserem Kind, das ich nun seit fünf Wochen in mir trug. Wir hatten es so lange versucht - und dass es nun endlich geklappt hatte, hatte Sirius überglücklich gemacht. Und mich auch...
Noch gestern Abend hatte sich der ganze Orden hier versammelt - oder viel mehr, was noch davon übrig geblieben war. Remus war sowieso schon hier gewesen, von allen Seiten aufgrund seines Daseins als Werwolf verstoßen und damit momentan auch komplett bankrott, hatten Sirius und ich ihn mit offenen Armen im Hause der Blacks, das er vor kurzem geerbt hatte und eigentlich dem Orden vermachen wollte, aufgenommen. Leise seufzend betrachtete ich meine blassen Handflächen und hob den Kopf, als der Holzboden leise knarrte und wenig später Remus Lupin zu mir in die kleine, geräumige Küche trat. ,,Du bist ja schon auf... Hast du überhaupt geschlafen?", erkundigte er sich ernst und sorgenvoll. Einmal wieder lag etwas trauriges in seinem Blick. Ein grauer Schleier, der seine Augen seit seiner Jugend noch nicht einmal richtig verlassen hatte.
Ich biss mir auf die Unterlippe. ,,Ein wenig", log ich und vergrub meine Nase wieder in dem hochwertigen Stoff des Mantels, den Krone und Moons damals so lächerlich gefunden hatten, weil er in ihren Augen einfach schrecklich war. Ich dagegen hatte es geliebt, wenn Sirius ihn getragen hatte... Er hatte seine sturmgrauen Augen regelrecht strahlen lassen. Remus seufzte leise ,,Wie wärs mit einem Tee?", schlug er vor und mit einem gekonnten Schwung seines Zauberstabs beförderte er den vollen Wasserkocher auf die Platte des Gasherds. Sicher hatte er meine Lüge schon anhand meiner Augenringe enttarnt - oder an den Schwielen meiner Finger, die die ganze Nacht an so vielen Buchseiten geklebt hatten, verzweifelt nach einem Weg suchend, meinen Geliebten aus den Fängen der Dementoren zu befreien... Den Fängen, des krankhaft naiven Ministeriums, das die wirkliche Größe des Krieges noch immer nicht verstanden hatte.
,,Würde es etwas bringen, abzulehnen?", gab ich leise zurück und Remus schüttelte den Kopf. ,,Eher weniger..." Langsam trat er hinter mich, um seine Hand auf meine Schulter zu legen. Er hinkte etwas, der letzte Vollmond lag noch nicht weit zurück und es fiel ihm schwer, sich auf den Beinen zu halten. Er lehnte seinen Gehstock gegen die Tischkante, ehe er sich langsam neben mich setzte. ,,Er würde dich so nicht sehen wollen, Mary...", seufzte er und ich nickte. ,,Ich weiß... So wie ich ihn niemals hatte in Askaban sehen wollen, zwischen Todessern und Hochverrat", flüsterte ich gebrochen, räusperte mich hastig und erhob mich dann ruckartig. Der Wasserkocher hatte zu pfeifen begonnen und ohne den Gebrauch jeglicher Magie, nahm ich ihn vom Herd. Remus schluckte hörbar, während ich zwei Tassen mit Kräutern füllte und heißes Wasser nachkippte.
,,Du weißt, er hat es nicht getan", fügte ich hinzu. Ich wusste nicht, wie oft ich diesen Satz in den letzten Stunden schon benutzt hatte. Ich hatte irgendwann aufgehört mitzuzählen... Verzweifelt redete ich mir und allen anderen die Wahrheit ein, fürchtend, dass wir all die erlogenen Schlagzeilen im Tages- und Nachtpropheten vielleicht irgendwann, geblendet von Schmerz und Sehnsucht, doch glauben würden, um es uns selbst leichter zu machen. ,,Selbstverständlich weiß ich das!", gab Remus sofort zurück und mit einer Handbewegung ließ ich die Tassen zum Tisch schweben. Es hatte lange gedauert, ungesagt zu zaubern - doch zauberstablose Magie beherrschte ich nur teilweise... Sirius war darin deutlich besser als ich, schon immer gewesen.
Ich hatte es auch nie geschafft, mich in einen Animagus zu verwandeln... Die Vorbereitung des Zaubers war langwierig, kompliziert und bedurfte einer ganze Menge an zufällig zusammenlaufender Kriterien. Und Zufall hatte mir noch nie wirklich in die Karten gespielt - genauso wenig wie Schicksal, wie sich jetzt zeigte... Das Schicksal hatte meinen geliebten Sirius von mir fort - und gnadenlos in die Arme der Dementoren getrieben. Dementoren, in deren Natur es niemals lag, Gnade walten zu lassen.
Langsam ließ ich mich wieder auf den Stuhl sinken. Sirius hatte hier oft gesessen, doch noch öfter am Kamin, mit einem Glas Feuerwhiskey in der Hand. Er verband nicht viele gute Erinnerungen mit diesem Haus... Also sorgten wir dafür, dass ein paar Gute dazu kamen. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als das Gefühl seiner Lippen auf meinen tief in meinem Inneren aufloderte. Ich starrte die dampfende Teetasse an, während ich bemüht versuchte, Leere in meine Gedanken zu bringen - und alles, was mit Sirius und mir zutun hatte in Kisten und Schubladen zu verbannen, um mir selbst Schmerz zu ersparen, der dennoch unausweichlich war...
,,Wir finden einen Weg, Mary", meinte Remus nun leise und ich sah ihn an. ,,Die Rumtreiber haben immer einen Weg gefunden", fügte er hinzu und meine Augen füllten sich mit Tränen. ,,Es sind nicht mehr viele übrig, meinst du nicht?", gab ich weinerlich zurück und er schluckte ein weiteres Mal schwer, ehe er langsam seine Hand auf meine legte und ich augenblicklich zusammenzuckte und aufsprang, so abrupt, dass sich heißes Teewasser aus meiner Tasse über die Tischkante ergoss. ,,Nicht anfassen...", flüsterte ich heiser und Remus seufzte leise, als ich an die Spüle trat und den Wasserhahn aufdrehte, damit wenigstens Kreacher oder einer der anderen nicht mitbekam, dass ich schon wieder beinahe weinte.
Mit einem leise geflüsterten Zauber beseitigte Remus die Sauerei auf dem Tisch und erhob sich, um hinter mich zu treten. ,,Lass mich dir helfen... Tatze hätte es nicht anders gewollt", meinte er sanft und ich stieß mich von der Küchentheke ab und drehte den Wasserhahn zu. ,,Kann sein", gab ich nur weinerlich zurück, ehe ich Remus in der Küche alleine ließ. Er wusste, dass ich es nicht böse meinte. Remus kannte meine komplizierte Art, dass ich nicht gerne über meine Sorgen sprach - und dass ich, wenn ich traurig oder niedergeschlagen war, meist sowieso kein Wort raus bekam.
Ich verkroch mich auf den Ohrensessel am Kamin, der Ohrensessel, in dem Sirius immer gesessen hatte. Seine Flasche Feuerwhiskey stand auf dem kleinen, hölzernen Beistelltisch und sein benutztes Glas direkt daneben. Ich hatte Kreacher strengstens verboten, es wegzunehmen... Zitternd griff ich danach und drückte das Glas an meine Lippen, versuchte mir einzubilden oder eher vorzustellen, wie Sirius' Lippen es berührt hatten, wenn er einen Schluck der sündhaft brennenden Flüssigkeit da raus genommen hatte. Es klappte mit jeder Stunde, die er in Askaban war, weniger... Träge öffnete ich die Augen, um in die Flammen des Kamins zu starren, so wie auch er es oft getan hatte, versunken in einer Welt, die nur ihm gehörte.
Oh, Sirius... Du fehlst mir so sehr...
Mit schmerzendem Brustkorb versenkte ich meine Nasenspitze in dem Kragen seines auberginefarbenen Mantels. Er roch nach Kaminrauch, Feuerwhiskey und Kiefernzapfen...
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