~ Blind ~
Laut schmiss sie die Autotür zu und zupfte sich die langen blonden Locken zurecht. Missmut stand in ihrem schönen Gesicht und ihre Armreifen klirrten.
„Ich komme nicht zurück. Das kannst du vergessen, Papa! Ich werde diesen aufgeblasenen Lackaffen nicht heiraten. Eher sterbe ich!"
Thea brüllte so laut, dass jeder im Umkreis von zwanzig Metern sie hören konnte.
Leider zeigten ihre Eltern wenig Verständnis und so beendete sie hitzig das Telefonat. Sie steckte ihr Handy zurück in die Lederhandtasche und stolzierte auf ihren hohen Absätzen über den staubigen Asphalt.
„Entschuldigung", sprach sie den kauzigen alten Mann bei der Bushaltestelle an, „wann fährt der nächste Bus? Mein Wagen ist gerade liegen geblieben."
„In etwa zehn Minuten."
„Danke", sagte sie leicht genervt, weil sie es hasste zu warten, und setzte sich auf die Bank. Sie wühlte in der Handtasche und suchte nach ihren Zigaretten. Endlich fand sie die Schachtel, nur wo war das Feuerzeug?
Ein Stöhnen schlüpfte aus ihrem Mund. Heute war echt nicht ihr Tag. Erst diese bescheuerte Idee von ihrem Vater, dass sie diesen reichen Erben heiraten sollte und nun blieb ihr Auto mitten in der Pampa liegen. Weit und breit war nichts außer Feldern und vereinzelten Bäumen zu sehen. Immerhin schien hier ein Bus zu fahren.
Sie wandte den Kopf zur Seite zu dem jungen Mann, der neben ihr saß.
„Hey, haben Sie Feuer?"
Er sah sie nicht an, noch zeigte er Reaktion.
„Entschuldigen Sie bitte...", begann sie erneut und legte dem Mann die Hand an die Schulter, damit er sie beachtete.
Nun drehte er den Kopf in ihre Richtung, sah sie aber immer noch nicht an.
Seine kurzen schwarzen Haare vielen ihm locker ins Gesicht und er wirkte eigentlich sehr entspannt. Warum schaute er sie dann nicht an? Wahrscheinlich schämte er sich für diesen altmodischen und schlechten Haarschnitt.
Er sah von Kopf bis Fuß so aus, als habe er eine Wanderung über die dreckigen Felder gemacht. Seine Schuhe waren ausgelatscht und sein weißes Shirt war schmutzig. Ganz zu schweigen von der unvorteilhaften Jeans. Wusste der Typ wie lächerlich er aussah?
„Rauchen kann tödlich sein", bemerkte er nur mit seiner hellen Stimme und sah wieder weg.
Thea runzelte die Stirn.
„Ich habe nicht nach Ihrer Meinung gefragt, sondern nach Feuer."
„Ich kann Ihnen nicht helfen und selbst wenn, würde ich Sie nicht dabei unterstützen Ihr gesundes Leben zu zerstören", sagte er ganz ruhig.
Sie war baff. Was erlaubte er sich eigentlich?
Seine ovalen Augen zeigten, dass er asiatische Züge hatte. Jedoch wirkte er zu sehr wie ein Amerikaner. Außerdem sprach er fliesend Englisch.
Thea nutzte die Gelegenheit, als er in die andere Richtung schaute, um ihn zu mustern. Er schien nicht viel älter zu sein als sie. Vielleicht war er Ende Zwanzig oder Anfang Dreißig. Nur warum benahm er sich dann wie jemand, der alles besser wusste?
„Es ist mein Leben und ich habe die Schnauze voll davon zu hören, wie ich es leben soll."
„Sind sie deshalb abgehauen?"
Woher wusste er das?
„Das Telefonat", erklärte er mit einem schwachen Lächeln.
Der Typ war seltsam. Einfach nur seltsam.
„Sie kommen aus der Großstadt, nicht wahr?"
Thea nickte, sagte aber nichts. Sie wurde nicht schlau aus diesem Halbasiaten, der sie nicht einmal ansah, wenn er redete.
„Es muss ja ein schlimmes Leben sein, wenn Sie so sehr davor fliehen wollen."
Er stand auf, weil der Bus kam.
Der alte Mann stieg zuerst ein, dann folgte der komische Typ ihm. Auch Thea musste einsteigen, wenn sie nicht mitten auf dem Feld stranden wollte.
Wieso hatte der Fremde das eben gesagt? Es lies ihr keine Ruhe, dass er sich so direkt in ihr Leben einmischte. Sie wollte ihm die Meinung sagen, also kaufte sie eilig ein Ticket beim Fahrer und folgte ihm bis zu einem Doppelsitz. Dort setze sie sich ihm gegenüber. Auch jetzt sah der Typ ihr nicht in die Augen.
„Ich weiß ja nicht für wen Sie sich halten, Mister, aber..."
„Niemanden", unterbrach er sie gleich. „Aber wenn Sie es wissen wollen: Mein Name ist Kim Tan. Sie dürfen mich aber Tan nennen."
Sie lachte irritiert und fassungslos. Was war nur falsch mit dieser Welt?
Der Bus fuhr und Thea schmollte.
Erst als das Handy von Tan klingelte, wurde ihre Neugier geweckt.
Er holte das klingelnde und nervige Etwas aus der Hosentasche und drückte ohne aufs Display zu schauen auf irgendeinen Knopf.
Thea verstand die Worte nicht, die er sprach. Klang nach irgendeinem asiatischen Kauderwelsch.
Der Bus hielt und Tan beendete das Gespräch. Sobald die Türen aufgingen, stürmte ein kleiner Junge von etwa zehn Jahren in den Bus. Er sah sich kurz um und keine Sekunde später lächelte er erfreut.
„Onkel Tan!"
Er stürzte zu dem Asiaten und stolperte über Theas Tasche, die sie gerade abgestellt hatte.
„Pass doch auf!", schimpfte sie genervt. „Bist du blind oder was?"
Erschrocken wich der Junge von ihr zurück.
„Schon gut, Soha", beruhigte Tan ihn und wies ihn an Thea beim Aufsammeln ihrer Sachen zu helfen.
„Tut mir leid, Noona."
„Ich heiße Thea! Klar?"
Soha nickte verstört.
„Kümmere dich nicht um sie", flüsterte Tan so laut, das Thea es hören konnte. „Sie hat einen Groll auf die ganze Welt."
Er grinste dabei und Thea wurde noch wütender. Er sollte einfach die Klappe halten.
Sie wollte gerade aufstehen und sich einen anderen Platz suchen, als der Bus erneut hielt und mehrere Leute von einem Marktplatz einstiegen. Verschiedenen unangenehme Düfte stiegen ihr in die Nase und sie hielt sie sich mit zwei Fingern zu.
„Warum ist sie so wütend?", fragte Soha und setzte sich neben Tan.
„Sie hat wohl eine schwere Phase", erklärte Tan ganz ruhig.
Der Junge starrte daraufhin das Mädchen an und legte den Kopf schief.
„Was?", fragte Thea genervt von dem komische Blick des dunkelhaarigen Jungen.
„Was auch immer Sie quält, lassen Sie es hinter sich. Es gibt einige Leute, denen es schlechter geht als Ihnen."
Thea schnalzte spöttisch mit der Zunge.
„Ich brauche kein Dreikäsehoch, um mir das zu sagen. Du musst erst mal erwachsen werden, dann unterhalten wir uns nochmal über die Probleme der Welt."
Tan musste lachen, was Thea schon wieder irritierte. Abgesehen von seinem komischen Verhalten war er doch echt gut aussehend. Er hatte ein schönes Lachen und wirkte gar nicht so steif wie ihr Verlobter. Alles an ihm war natürlich. Er brauchte nur ganz dringend einen modischen Berater.
„Noona," sprach der Kurze sie schon wieder an, „Sie haben anscheinend alles, was man sich mit Geld kaufen kann. Sie sehen total hübsch aus, auch wenn Ihre Klamotten nicht in diese Gegend passen. Sie scheinen genug Geld für teuren Schmuck und einen Wagen zu haben."
Er deutete auf den Autoschlüssel, der halb aus ihrer Tasche hing und drohte bei der nächsten scharfen Kurve hinaus zu fallen und auf die klirrenden Armreifen.
„Also warum glauben Sie es schwer zu haben? Mein Onkel ist seit drei Jahren blind. Glauben Sie er hat es leicht?"
Thea hätte beinahe die Tasche erneut fallen gelassen. Sie schaute verdutzt zu Tan und forschte in seinen Augen. Das war es also. Irgendetwas an seinen Augen hatte sie ja von Anfang an gestört. Er war also blind. Das erklärte sein Verhalten.
Peinlich berührt zupfte Thea ihr dunkelblaues Sommerkleid zurecht, welches ihr knapp über die Knie reichte.
„Soha!", ermahnte Tan den Jungen ruhig.
Fortan war der Junge still.
Doch auch Thea war still. Sie traute sich nicht mehr irgendwas zu sagen. Es tat ihr leid so unhöflich gewesen zu sein. Das war auch gar nicht ihre Art. Nur hatte sie so viel Stress an der Backe, dass sie seit einiger Zeit nur noch um sich schlug. Darunter hatten auch schon ihre Freunde leiden müssen.
„Brauchen Sie Hilfe?", fragte Tan nach einer Weile des Schweigens.
„Wieso?"
„Ich könnte meinen Vater bitten Ihr Auto zu untersuchen. Bis dahin seien Sie gerne unser Gast."
Thea war wieder einmal erstaunt. Sie war doch so unhöflich gewesen und trotzdem bot er ihr Hilfe an.
„Onkel Tan hilft immer jedem", behauptete Soha stolz.
Am liebsten hätte sie „nicht nötig" gesagt, aber sie konnte ihr Auto auch nicht einfach an diesem Feldrand stehen lassen.
„Danke", murmelte sie leise, doch Tan hatte es vernommen und lächelte wieder. Auf einmal tat er Thea leid. Er war noch so jung und war so sehr gestraft.
Sie fuhren noch zwanzig Minuten an kleinen Häusern vorbei, passierten ein kleines Dorf nach dem anderen und langsam entspannte sich Thea. Sie hatte alles hinter sich gelassen; ihre Familie, ihren blöden Verlobten und sogar ihre Freunde. Ihre Brust schmerzte bei dem Gedanken an sie. Trotzdem würde sie nicht umkehren.
Tan und Soha begleiteten sie durch das laute Dorf. Sie gingen den Hügel hinauf zu einer Hütte. Tans Familie nahm Thea wie selbstverständlich auf und begrüßte sie so herzlich, als würde sie schon Jahre dazu gehören. Warum waren Fremde einem eigentlich manchmal mehr eine Familie als die eigene? Noch dazu Menschen die eine ganz andere Kultur hatten. Tans Familie stammte nämlich aus Seoul, der Hauptstadt von Südkorea. Wie so viele Menschen hatte sie auch der amerikanische Traum in dieses Land gezogen.
Nach einem stärkenden Essen mit fremdländischer, ausgezeichneter Küche und lustiger Unterhaltung mit Tans Schwester Ha-na, lief sie hinaus in den Sonnenuntergang. Vor dem Haus stand eine Bank, auf der saß Tan und schälte Nüsse. Dabei starrte er in die untergehende Sonne ohne etwas zu sehen.
„Warum machst du das?", fragte sie vorsichtig.
„Nun, Nüsse kann man nicht mit Schale essen", antwortete er neckend.
„Ich mache das immer wenn ich nervös bin" erklärte er anschließend.
Warum war er denn nervös? Er machte überhaupt nicht den Eindruck.
„Darf ich mich zu dir setzen?"
Er stellte eine Schale beiseite und machte ihr Platz. Thea war zugegeben sehr neugierig auf ihn geworden, seit sie seine Behinderung erkannt hatte. Doch war es nicht ausschließlich Mitleid, was sie anzog.
„Bitte entschuldige mein unmögliches Verhalten von vorhin."
„Schon gut", sagte er gleich mit einem Lächeln. Er war nicht nachtragend.
„Darf ich dich was fragen, Tan?"
„Ich weiß schon was du wissen willst."
„Ach ja?"
Er nickte immer noch lächelnd.
„Du willst wissen warum ich blind bin, richtig?"
Sie nickte und erinnerte sich gleich, dass er sie nicht sehen konnte. Doch Tan reagierte, als könnte er jede Regung von ihr erfassen.
„Ich habe keinen Grund es zu verschweigen. Aber du wirst bereuen gefragt zu haben."
„Werde ich nicht", behauptete sie überzeugt.
Er wartete einen Moment und stellte die Nüsse beiseite. Seine Bewegungen waren so flüssig und gleichzeitig unheimlich vorsichtig. Warum war ihr das zuvor nicht aufgefallen?
Sie hätte gleich sehen müssen, dass er blind war.
„Ich habe einen Hirntumor, der auf meinen Seenerv drückt."
Thea fiel aus allen Wolken. Das hatte sie nicht erwartet. Schockiert hielt sie sich die Hand vor den Mund und starrte den armen Tan mitleidig an.
„Leider ist der Tumor zu groß, um ihn wegzuoperieren. Außerdem liegt die Chance, dass ich die OP überlebe, bei nur vierzig Prozent. Deshalb habe ich mich dagegen entschieden."
Wie konnte er so einfach darüber reden? Er erzählte es so locker, als würde ihm das absolut nichts ausmachen.
„Aber Tan..."
„Ich komme damit zurecht", unterbrach er sie sofort. „Schließlich gibt Gott mir die Chance mein Leben in vollen Zügen zu genießen. Ich habe eine tolle Familie und trotzdem wir nicht reich sind immer genug zu essen, weil mein Vater täglich hart dafür arbeitet. Sie betrachten mich nicht als Last, mit meiner Behinderung, sondern als Segen, weil ich nur noch wenig Zeit mit ihnen habe."
Wieder lächelte er, als wollte er seine Unsicherheit dahinter verbergen. Doch Tan war nicht unsicher. Er wirkte auch nicht traurig.
„Wenn ich so krank wäre...", meinte Thea ruhig und sah auf ihre glänzenden Schuhe, dessen Absätze sich in den staubigen Boden bohrten.
„...würde ich verzweifeln", gestand sie ehrlich.
Der warme Abendwind formte immer wieder Wellen in den Rock ihres Kleides.
„Sag mir Thea, was an deinen Leben ist so furchtbar? Du hast doch die Zügel in der Hand. Niemand kann für dich bestimmen."
„Das meine ich ja. Sie wollen mir eine Ehe aufzwingen, die ich nicht will. Auch wenn sie nur das Beste für mich wollen, können sie doch nicht einfach..."
Sie bemerkte wie sie vor Aufregung lauter wurde und beruhigte sich ganz schnell.
„Thea, deine Familie will dir doch nichts Böses. Du solltest das mit ihnen klären. Es kann ihnen schon morgen am Tage etwas passieren. Und wer macht euren Streit dann wieder gut?"
Tan hatte recht. Auch wenn sie gerade ziemlich sauer auf ihre Eltern war, konnte sie nicht leugnen sie immer noch zu lieben.
„Ach Thea, du bist so beneidenswert. Du hast ein wundervolles Leben. Du siehst alles und kannst auch alles machen. Warum behinderst du dich selbst?"
Er klang nicht wie jemand mit Ende Zwanzig. Er klang so weise und erfahren auf eine gewisse Art und Weise.
„Man weiß immer erst dann zu schätzen, was man hat, wenn man es verliert. Jemand, der nicht hören kann, wird nie die Klänge einer Melodie erfassen oder ein Instrument spielen. Zumindest nur sehr schwer. Doch diejenigen die hören können, hören oftmals nicht zu wenn's drauf ankommt. Jemand, der nicht laufen kann, wird niemals an einem Marathon teilnehmen oder im Meer schwimmen.
Doch jemand, der laufen kann, lässt sich herumkutschieren und ist zu faul drei Meter zu laufen. Und jemand der nicht sehen kann, wird niemals diesen wunderschönen Sonnenuntergang bewundern können. Doch diejenigen, die sehen können, sehen nicht richtig hin. Sie sind in Wirklichkeit die Blinden."
Er schwieg eine Weile und gab Thea die Zeit darüber nachzudenken.
„Doch das Leben ist kostbar. Auch ich habe gelernt jeden Augenblick davon zu schätzen. Ich lebe nicht in den Tag hinein und lasse die Zeit verstreichen. Auch wenn ich nicht viel machen kann, versuche ich jeden Moment in vollen Zügen zu genießen."
Thea bewunderte Tan für seinen Lebenswillen und seine Art zu denken. Sie selbst gehörte zu den Menschen die weder laufen, noch hören oder sehen konnten. Alles war selbstverständlich für sie und sie wusste ihre Annehmlichkeiten und ihre Gesundheit gar nicht mehr zu schätzen. Warum musste ihr ausgerechnet ein todkranker Mensch die Augen öffnen?
„Wie lange glaubst du noch so leben zu können?"
Thea wusste nicht warum sie ihn das fragte. Vielleicht weil sie nicht wollte, dass so ein lieber Mensch von der Erde verschwand. Er hatte es einfach nicht verdient. Sie kannte ihn zwar noch nicht lange, aber sie glaubte einfach, dass er ein guter Mensch war. Was konnte er schon groß verbrochen haben, um so hart bestraft zu werden? Warum musste es immer die guten Menschen treffen?
„Die Ärzte meinten, sobald ich Schmerzen bekomme, habe ich nur noch einige Tage."
Und wieder umspielte seine blassen Lippen ein Lächeln. Der Wind hob ein paar Strähnen seines dunklen Haares und zeigte deutliche Sorgenfalten auf seiner Stirn.
„Bedauere mich nich, Thea. Bitte nicht. Ich tu mir ja selbst auch nicht leid."
Thea wollte ihn nicht bedauern, kam aber nicht drum herum. Sie wischte sich lautlos eine Träne von ihrem Auge und hoffte, dass Tan es nicht mitbekam.
„Ich fühle mich schlecht, Tan. Die ganze Zeit habe ich so ein erfülltes und sorgenfreies Leben gehabt. Ich habe meinen Eltern nie richtig zugehört und nicht ihre guten Absichten gesehen. Ich war..."
„...Blind?", beendete er ihren Satz, als sie nicht weitersprach.
„In gewisser Weise, ja. Dabei sollte ich mich freuen gesund zu sein und noch Eltern zu haben, mit denen ich mich hin und wieder streiten kann."
„Ja das solltest du. Und du solltest morgen früh zurück fahren."
Thea sah ihn verwundert an. Dann bemerkte sie seinen Vater, der gerade mit einem Werkzeugkoffer durchs Gartentor trat.
„Der Wagen läuft wieder, Miss", verkündete er stolz und stellte das Werkzeug ab.
Kim Jung-hoo war von der Sonne gebräunt und hatte einen leichten Bartschatten auf dem runden Gesicht. Er wirkte trotz der geringen Größe ziemlich kräftig, aber auch freundlich. Zudem sprach seine tiefe Stimme mit einem starken Akzent.
„Ich danke Ihnen, Mister Kim."
„Es war mir ein Vergnügen. Ich helfe gerne. Bleiben Sie ruhig über Nacht. Meine Frau hat bestimmt schon das Gästezimmer hergerichtet."
Thea war diesen freundlichen Menschen unheimlich dankbar und fragte sich, warum ihre Familie nicht so sein konnte. War es das Geld, was sie so einsam werden ließ?
„Ich wünschte, ich könnte noch länger bleiben", seufzte Thea, als Tans Vater im Haus verschwunden war.
„Dann würdest du nur weiter vor deinen Problemen weglaufen. Geh und kümmere dich darum. Erst dann kannst du wieder kommen."
„Echt, Ich darf wieder kommen?"
Sie lächelte erfreut zu ihm herüber.
„Ich bitte darum. Du bist ein sehr angenehmer Mensch, Thea."
Sie schnaubte ungläubig.
„Von wegen, ich bin ziemlich anstrengend."
„Das macht dich nicht zu einer unangenehmen Person."
Sagte er das nur, weil sie das hören wollte?
Die Sonne versank irgendwo im Feld und tauchte den Himmel in ein kräftiges Orange.
„Darf ich noch drei Tage bleiben, Tan? Ich verspreche dir, danach fahre ich nach Hause."
Er lächelte und Thea verstand es als Zustimmung. Also blieb sie noch zwei weitere Nächte bei Tans Familie. Zum Glück hatte sie ein paar frische Anziehsachen in der Tasche. Schließlich hatte sie sich eh darauf eingestellt in einem Hotel zu übernachten.
Sie verbrachte viel Zeit mit diesen offenen und herzlichen Menschen. Trotz Tans düsterem Schicksal, ließ die Familie ihn niemals spüren, wie schwer es für sie war.
„Sag mal Tan, hast du einen Wunsch?", fragte Thea halbwegs beiläufig, als sie mittags am Dorfbrunnen saßen und nach einem ausgiebigen Spaziergang über den Markt eine Pause machten.
Sie hätte ihm gerne einen Wunsch erfüllt, sofern es in ihren Möglichkeiten stand.
„Ich weiß nicht", meinte er unsicher und klappte seinen Blindenstock ein.
Hier auf dem Markt waren einfach zu viele Hindernisse, daher hatte er ihn mitgenommen.
Er dachte lange darüber nach. Sie gingen weiter und sprachen mit einigen Bekannten von Tan. Jeder im Dorf kannte ihn.
Erst als sie fast die letzten Häuser des Dorfes erreicht hatten, blieb er stehen und sah in ihre Richtung. Thea pustete gerade die kleinen Samen von der Pusteblume in die Luft. Tanzend schwebten sie gen Boden.
„Ich bin...noch nie mit einem Cabrio gefahren", bemerkte er ganz nüchtern.
Thea musste darüber lachen.
„Wenn's weiter nichts ist. Da kann ich dir helfen."
Natürlich hatte Tans Vater mit ihr den kaputten Wagen vom Feld geholt und ihn vor die Hütte gestellt. Ein blaues Mini Cabriolet glänzte in der starken Sonne und wartete schon auf sie.
Thea half Tan auf der Beifahrerseite einzusteigen und setzte sich voller Vorfreude hinters Steuer. Sie quiekte vergnügt, als der sportliche Motor die Hühner am Zaun erschreckte und sie den kleinen Wagen langsam über die holprigen Dorfstraßen lenkte. Kurz vor der Landstraße öffnete sie das Verdeck und genoss die warmen Sonnenstrahlen.
Auch Tan schien das zu gefallen. So gerne hätte Thea ihm noch weitere Wünsche erfüllt und ihm alles ermöglicht, was er alleine nicht tun konnte. Doch die Zeit lief beiden davon und sie hatte ihm ja versprochen nach drei Tagen wieder heim zu fahren. Sie wollte nicht. Seit einer Ewigkeit hatte sie endlich wieder das Gefühl zu leben. Warum sollte sie das so einfach eintauschen?
Tans Hand tastete nach dem Radio und schaltete es an. Dann streckte er lächelnd die Nase in den Wind und genoss die Fahrt.
Auf einem kleinen sandigen Parkplatz machten sie eine Rast.
Thea erinnerte sich an die Wasserflasche im hinteren Fußraum. Zu ihrer Überraschung war sie beinahe kalt, dadurch dass sie die ganze Zeit im Schatten gelegen hatte.
„Thea...", begann Tan zögerlich, nachdem sie die Hälfte des Wassers geteilt hatten.
„Ja?"
„Was wenn ich noch einen Wunsch habe?"
„Dann sag ihn mir."
„Den kannst du mir nicht erfüllen."
Oh, oh! Jetzt dachte er bestimmt daran wieder sehen zu wollen. Nein, er wollte einfach nur leben.
„Ich wünschte, ich könnte dich sehen."
Da war es auch schon. Diesen Wunsch konnte sie ihm wirklich nicht erfüllen. Nein halt! Natürlich konnte sie das.
Sie nahm behutsam seine Hand und legte sie an ihre Wange. Blinde sahen nicht mit den Augen. Sie nutzten alle anderen Sinne, um sich Bilder von den Menschen in ihrer Nähe zu machen.
Erst schien er überrascht über diese Geste, dann verstand er und drehte sich im Sitz zu ihr. Sie tat es ihm gleich und wartete still, als seine Hand ganz langsam über ihr Gesicht wanderte. Von der Stirn zu ihren Augen und von der Nase zu ihren vollen Lippen. Dann fühlte er ihre Wangen und den schmalen Kiefer. Hatte er nun ein Bild von ihr?
„Es funktioniert", stellte er lachend fest. „So mache ich das bei meiner Familie auch."
Thea empfand die leichte Berührung als kitzlig, aber nicht unangenehm. Es war auch überhaupt nicht seltsam sich von einem Fremden auf die Art berühren zu lassen. Schließlich war Tan blind.
„Ich möchte noch etwas mit dir machen, wenn du nichts dagegen hast."
Er schüttelte leicht den Kopf und zog seine Hand zurück.
Thea grinste insgeheim und startete wieder den Motor. Sie fuhr mit ihm in die nächst größere Stadt und parkte mitten in der City.
Tan hielt ihren Arm fest und ließ sich von ihr an den Geschäften vorbeiführen. Noch nie hatte Thea Geld für jemand anderes als sich selbst ausgegeben, aber diesmal machte es ihr nichts aus.
Sie führte ihn in ein Kleidergeschäft und suchte ein paar Sachen für ihn heraus. Er spielte einfach mit und schien sogar ein wenig Spaß dabei zu haben sich von ihr einen völlig neuen Look verpassen zu lassen.
Genau sowas wollte sie immer machen. Sie wollte Kleider entwerfen und andere Leute wie eine Designerin ankleiden. Leider wollten ihr Eltern, dass sie in die Aktienbranche einstieg und sich danach allein auf die Familie beschränkte. Dazu sollte sie diesen Affen Leonard heiraten. Zugegeben er war reich und sah gut aus. Er war sogar charmant und sie verstand sich auch ganz gut mit ihm. Daher war es vielleicht etwas übertrieben ihn als Affen zu bezeichnen. Trotzdem konnte sich Thea nicht vorstellen ihr Leben mit ihm zu verbringen.
Tan drehte sich vor ihr und sie konnte der Versuchung nicht wiedersehen ihm sogar die Haare anständig frisieren zu lassen.
„Du sieht's klasse aus!", meinte sie zufrieden mit ihrem Kunstwerk, als sie aus dem Salon kamen.
„Ich fühle mich auch irgendwie besonders", grinste er. Zu schade, dass er sich selbst nicht im Spiegel betrachten konnte. Er war wirklich attraktiv. Er hätte gut eine Karriere als Model machen können. Vielleicht nur als Fotomodel, Laufen fiel wohl eher aus.
„Du hast eine ganz andere Ausstrahlung."
„Du auch, yeoja chingu."
„Was heißt das?"
„Das bedeutet Freundin."
Theas Lächeln im Gesicht wurde immer breiter. Mit Tan Zeit zu verbringen machte unheimlich Spaß. Er war ihr fremd und doch gefühlsmäßig näher als ihre Familie es war. Dabei wusste sie noch nicht einmal was er mochte. Was war seine Lieblingsfarbe und was aß er gerne?
„Du strahlst, Ich kann es sehen."
„Quatsch", tat sie es lachend ab.
„Als du hier ankamst, warst du mürrisch und gestresst. Ich bin zwar blind, aber selbst ein Blinder kann die Veränderung bei dir sehen."
„Genau dafür bin ich abgehauen. Ich wollte alles hinter mir lassen und neu anfangen."
„Da spricht eigentlich auch nichts dagegen."
„Warum eigentlich?"
„Vergiss nicht wem du deinen Luxus verdankst. Wenn du gehst, wirst du alles verlieren. Das Geld, dein Auto, den Schmuck, einfach alles, Thea. Außerdem solltest du ein wenig mehr Respekt für die Menschen zeigen, die dich aufgezogen und seither alles mit dir geteilt haben. Ich bin meinen Eltern dankbar für alles, was sie mir bis heute geben."
Thea wurde wieder nachdenklich. Warum wollte Tan sie unbedingt davon überzeugen zurück zu gehen? Viel lieber wollte sie frei sein. Brauchte sie denn all das Geld und die Vorzüge?
Sie schaute auf die glänzenden silbernen Armreifen und den einen Ring, den sie von ihrer Mutter zum zwanzigsten Geburtstag bekommen hatte. Dann fiel ihr Blick auf das blaue Cabriolet. Sie liebte ihren kleinen Flitzer. So oft hatte sie mit ihrer besten Freundin Tanja darin Spritztouren gemacht - so wie jetzt mit Tan.
„Du bist also der Meinung ich mache einen Fehler?"
„Das kann man so nicht sagen. Du musst entscheiden was dir wichtig ist im Leben. Ich zeige dir nur auf, was du in deinem Frust vielleicht übersehen und später bereuen könntest."
Tan packte wieder seinen Gehstock aus und schlenderte langsam zum Auto hinüber.
Thea folgte ihm langsam.
„Übrigens...danke für die Sachen und für den schönen Tag. Ich hatte schon lange nicht mehr so viel Spaß."
Sie auch nicht. Wann hatte sie das letzte Mal wirklich gelebt? Sie war immer gut darin Geld auszugeben, wenn sie gestresst war, doch das konnte man nicht als leben bezeichnen.
„Fahren wir zurück?", wollte Tan wissen.
„Ja."
Es war still auf der Rückfahrt. Immer wieder schaute Thea vorsichtig in seine Richtung, weil Tan überhaupt nichts mehr sagte. Spürte er ihre Verwirrung? Sie war innerlich unruhig und zerstreut. Was machte sie bloß?
Es war so einfach vor den Problemen wegzulaufen. Ob Tan manchmal auch weglaufen wollte?
Sie konnte sich diese Frage nicht beantworten. Danach fragen wollte sie ihn auch nicht. Er schien nicht unglücklich zu sein. Überhaupt, war es ein Wunder wie er mit sich selbst im Reinen zu sein schien. Er machte einfach das Beste aus seiner Situation. Thea sollte sich daran ein Beispiel nehmen.
Sie kamen wieder bei der Hütte an und Thea half Tan dabei das Fahrzeug zu verlassen.
„Ehrlich, danke für den schönen Tag Thea. Ich hoffe du konntest auch etwas Abstand gewinnen. Diese Nacht solltest du dich ausruhen und noch einmal intensiv darüber nachdenken, was du willst", erklärte er ganz ruhig und wieder klang er wie ein weiser alter Mann und nicht wie jemand Anfang Dreißig.
Sie schloss den Wagen ab und sah ihn dann einen Moment lang an. Was wollte sie? Tan konnte ihr das wohl auch nicht sagen.
„Was ist?", fragte er. Hatte er bemerkt, dass sie ihn anstarrte? Er bemerkte auch alles. Tan war nicht blind. Zumindest sah er mit dem Herzen mehr als sie jemals mit den Augen gesehen hatte.
Thea kam auf ihn zu. Aus irgendeinem Grund dachte sie nicht nach, als sie ihm näher kam. Sie wollte nicht gehen. Sie hatte irgendwie das komische Gefühl ihn nie wieder zu sehen, wenn sie sich nun umdrehte.
„Du bist ein außergewöhnlicher Mensch, Kim Tan. Ich wünschte...ich wünschte wirklich du wärst nicht krank. Ich wünschte auch, ich hätte dich schon viel eher getroffen. Zu einer Zeit, wo du noch nicht blind warst."
„Dann hättest du vor drei Jahren kommen müssen", meinte er schmunzelnd, doch Thea blieb ernst. Vorsichtig griff ihre Hand nach seiner. Nein, sie durfte sich nicht der falschen Hoffnung hingeben und sich irreführen lassen. Kim Tan würde nicht mehr lange leben. Wie lange, konnte niemand sagen. Doch eines Tages würde er verschwinden. Deshalb sollte sie sich nicht an ihn binden. Doch hatte sie ihn als guten Freund bereits in ihr Herz geschlossen.
Wahrscheinlich würde sie so einem Mann nie wieder begegnen. So einen Menschen gab es nur einmal auf der Welt.
Auf einmal war sie traurig. Auch Tan spürte das, denn sein Lächeln verschwand.
„Alles geschieht aus einem Grund, Thea. Wir wissen nicht immer was der Grund ist, doch es gibt einen. Sei dir dessen bewusst."
War das die Erklärung, die er sich jeden Abend gab, bevor er schlafen ging? Hielt ihn diese Überzeugung aufrecht?
„Gut, dann habe ich dafür auch einen Grund", sagte sie, trat noch einen Schritt vor, hob etwas den Kopf und gab ihm einen Kuss auf die Lippen. Sie erwartete eine schockierte oder ablehnende Reaktion von ihm. Als sie sich wieder zurück zog, sah sie zwar leichte Verwirrung in seinem Gesicht, aber sonst nichts. Weder Ablehnung noch Unverständnis.
Thea wusste ja selbst nicht, warum sie das getan hatte. Sie konnte nicht sagen sich in Tan verliebt zu haben. Vielleicht war es einfach nur der Wunsch einmal in ihrem Leben so einen Mann zu küssen. Sie wusste, dass sie keine Gefühle für ihn haben durfte. Dennoch bereute sie den Kuss nicht.
„Versteh das nicht falsch, Tan."
„Ich verstehe das nicht falsch", sagte er gleich.
„Heißt das du vergibst mir?"
Er nickte und lächelte wie immer. Dann verabschiedete er sich von ihr und ging ins Haus.
Thea blies erleichtert die Luft aus und ging ebenfalls hinein in ihr Zimmer. In der Nacht lag sie noch lange wach und befolgte Tans Rat. Zwischendurch hörte sie ein leises Knarzen aus der Diele. Sie traute sich nicht nachzusehen und ignorierte es. Irgendwann, als der Mond schon wieder hinter den Hügeln verschwand, schlief sie ein und wachte erst am späten Morgen auf.
Als sie nach der leichten Morgentoilette in die Küche kam, sah sie Tans Eltern am Tisch sitzen. Jung-hoo hatte den Arm um seine weinende Frau gelegt und tröstete sie, obwohl er selbst aussah, als wäre der Himmel schwarz geworden. Sofort wusste Thea, dass etwas nicht stimmte. Ein kalter Schauer lief ihr die Arme hinunter und Thea blickte auf Tans Stock in den Händen der weinenden Frau.
„Was...ist passiert?"
Jung-hoo blickte zu ihr auf und bemühte sich noch freundlich zu gucken. Vergebens. Er war so bleich und wirkte mehr als nur verzweifelt.
„Tan..."
Oh nein! Was war mit Tan? Thea trat an den Tisch heran und sah den Mann mit den schlimmsten Erwartungen an.
„Tan ist gestern Nacht von uns gegangen", erklärte er mit bebender Stimme und konnte seine Tränen nicht mehr zurück halten.
Thea wollte sich auf den Stuhl setzen, weil ihre Beine unter ihr nachzugeben drohten. Doch sie kam nicht mehr dazu. Entsetzt sank sie auf den hölzernen Küchenboden.
„Seine Schwester ist heute morgen hinaus gegangen, weil er nicht in seinem Zimmer war. Sie hat den Stock hinterm Haus am Rande der Klippen gefunden. Es...ist anzunehmen, dass er sich dort das Leben nahm."
„Was? Aber...warum?"
Thea konnte es nicht fassen.
„Er hat uns eine Nachricht hinterlassen, in der er erklärt, dass er gestern ziemlich starke Kopfschmerzen bekommen hat."
Tans Mutter schluchzte noch lauter und Thea sah gerade so, wie sie einen Zettel an ihre Brust drückte.
„Er hätte nur noch wenige Tage gehabt und hat deshalb beschlossen sein Leben vorzeitig zu beenden, bevor...bevor er zu sehr leiden musste."
Theas Hände zitterten. Ebenso ihre Lippen. Sie stand völlig neben sich und etwas schnürte ihr die Luft ab.
Gestern Abend war er noch so lebendig gewesen. Nichts hatte darauf hingedeutet, dass es ihm nicht gut ging. Hatte er die Schmerzen schon den ganzen Tag über gehabt? Wenn, dann hatte er sich das nicht eine Sekunde anmerken lassen.
„Die Polizei sucht jetzt nach ihm. Sobald sie seine...ihn finden...können wir ihn angemessen verabschieden", erklärte Jung-hoo unter lautem Schluchzen.
Auch Thea begann herzhaft zu weinen. Das war einfach viel zu grausam. Warum war das Leben so beschissen? Tan hatte es nicht verdient so zu verschwinden. Hatte es denn nicht gereicht ihm das Augenlicht zu nehmen? Musste Gott ihm auch noch das Leben nehmen?
Das war der traurigste Tag, den sie bis dahin erleben durfte. Trotz allem, war sie froh Kim Tan kennen gelernt zu haben. Er war ihr ein Berater und ein guter Freund gewesen. Er hatte ihre Welt zu einer Besseren gemacht, obwohl er nur ein Wimpernschlag, ein Augenblick in ihrer Zeitspanne gewesen war.
Deshalb blieb Thea noch bis zu seiner Beerdigung. Sie lieh sich ein schwarzes Outfit, von seiner Schwester und drückte den kleinen traurigen Soha ganz fest an sich.
Tan wurde angemessen beerdigt und viele Menschen aus dem Dorf kamen zur Trauerfeier. Doch anstelle weiße Blumen unter sein Bild zu legen - wie es traditionell in Korea üblich war - gingen die Leute an den Ort, wo Tan sich das Leben genommen hatte und warfen die Blumen die Klippe hinunter.
Thea folgte ihrem Beispiel und unterdrückte ihre Tränen. So traurig sie auch war, sie war gleichzeitig auch glücklich. Glücklich darüber diesen Menschen für drei Tage gekannt haben zu dürfen.
Noch während der Feier verabschiedete sich Thea von Tans Familie.
„Ich hoffe du vergisst uns nicht, Noona", sagte Soha zum Abschied.
Thea hockte sich vor ihn und legte ihm die Hand auf die kleine Schulter.
„Das werde ich nicht. Euch und Tan werde ich nie vergessen."
Mittlerweile wusste sie auch was das Wort Noona bedeutete. Es war die Anrede für ältere Schwester. Soha hatte sie sofort als seine Schwester angesehen, noch bevor er sie näher kannte. Er war genauso freundlich und aufgeschlossen wie Tan.
Jung-hoo lächelte freundlich, als sie sich erhob.
„Falls es Sie irgendwann wieder in diese ruhige Gegend treibt, dann scheuen Sie sich nicht uns zu besuchen. Sie haben meinem Sohn so viel Freude geschenkt. Danke dafür!"
„Ich müsste mich eigentlich schämen, weil ich Ihnen die letzten Tage mit Tan gestohlen habe", sagte Thea unsicher und machte sich unbewusst etwas klein.
„Ach was, wir haben ihn immer bei uns."
Er legte sich die Hand aufs Herz und nickte beruhigend. „Wer konnte ahnen, dass das so schnell passieren würde? Doch seinen wir nicht allzu traurig über seine Entscheidung. So sehr er das Leben auch geliebt hat, er wollte mit diesen guten Erinnerungen von uns gehen und nicht leiden."
Er machte eine Pause, als seine Frau dazu kam und legte den Arm um sie.
„Tun Sie sich selbst einen Gefallen und schätzen Sie ihr Leben, Miss Thea", sagte die dunkelhaarige kleine Asiatin.
Diesen Ratschlag nahm sich die junge Frau zu Herzen. Sie dachte nun ganz anders über die Dinge. Ganz gleich welche Entscheidungen sie in Zukunft auch treffen würde, sie würde mit sich selbst im Reinen bleiben.
Mit diesem Vorsatz schwang sie sich in ihr Cabrio, machte das Verdeck auf und setzte sie Sonnenbrille auf. Dann fuhr sie nach Hause.
Sie war nicht traurig. Sie hatte eine Lektion erhalten und wenn es sie nun zu ihrer Familie zurück zog, so würde sie Kim Tan niemals vergessen.
Ende
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