16.

Ran pov.

Ich lächelte, als ich ihre Worte vernahm. Manchmal konnte diese kleine Streberin mit ihrem losen Mundwerk auch süß sein. Auch wenn sie gerade wie eine Leiche aussah, mit ihrer viel zu blassen Haut, dem verwischten Make-up, den glasigen Augen und den verwuschelten Haaren - konnte ich nicht leugnen, dass ihr die untergehende Sonne einen einzigartigen Glanz verpasste. Der Sonnenuntergang - vielleicht hatten wir doch mehr gemeinsam, als nur auf die selbe Schule zu gehen und in die selbe Klasse.

,,Ich mag auch Sonnenuntergänge", fing ich an, schluckte, als ich darüber nachdachte - sollte ich ihr etwas aus meinem Leben erzählen? Ich erzählte ungern Dinge aus meinem Privatleben und ich war mir einfach nicht sicher, ob sie mich mochte oder einfach nur als einen Mitmenschen hinnahm.

,,Warum?", fragte sie, sah zu mir. Ihre a/f Augen wurden durch das Sonnenlicht erstrahlt und funkelten mich friedvoll an.

,,Ich glaube erst musst du mir was über dich erzählen. Sieh es als weitere Entschädigung dafür, dass du in meinem Bett geschlafen hast", meinte ich schmunzelnd, nahm einen Zug der Zigarette, aschte ab. Wenn sie mir etwas über sich erzählte, würde ich es ihr vielleicht erzählen.

,,Was will der Herr denn Hören?", lachte sie, setzte sich etwas gemütlicher hin, nahm ebenfalls einen Zug des Zylinders. Einen Moment lang schwieg ich, überlegte mir gut, was ich fragen wollte.

,,Warum bist du damals nach Roppongi gezogen und warum und wann hast du mit dem Rauchen angefangen?"

Sie schwieg. Sie schwieg einige Minuten. Gerade als ich ihr sagen wollte, dass sie darauf nicht antworten müsse, setzte sie zu sprechen an.

,,Eine Frage hätte für den Anfang gereicht. Meine Mutter und ich sind nach Roppongi gezogen, weil mein Vater an Krebs gestorben ist und meine Mutter schon immer hier in Roppongi gearbeitet hatte. Mit dem Rauchen - puh ich glaube mit 12 und warum? Naja ich bin anfang der Mittelstufe hergezogen, heißt als ich 12 war und du weißt am besten was in Roppongi ab geht, da kommt man als Minderjährige nicht nur an Zigaretten", erklärte sie stumpf, wich meinem Blick aus. Es verletzte sie und man merkte, dass sie selten darüber sprach und es vermutlich noch immer nicht verarbeitet hatte.

,,Das tut mir leid", murmelte ich wahrheitsgemäß, ließ den Blick senken, richtete ihn aber wieder auf, als mir eine andere Frage in den Sinn kam, als ich über ihre gesprochenen Worte nachdachte. Noch immer sah sie der Sonne beim Untergehen zu. Irgendwie waren wir doch alle wie die Sonne oder wie der Mond. Manchmal gehen wir auf und erleben eine Hochphase  und dann kommen wieder Phasen in denen wir untergehen. Einige Menschen scheinen für sich selbst, wie die Sonne und andere brauchten jemanden der ihnen ein Licht gab, damit sie schienen, genau wie der Mond. Y/n war wie der Mond, kühl und konnte nicht wirklich von alleine strahlen.

,,Was hast du alles genommen?"

,,Ich bin dran mit Fragen stellen. Warum magst du Sonnenuntergänge?", fragte sie, durchbohrte mich mit ihren noch immer etwas verschlafenen Augen. Man sah ihr deutlich an, dass die Erschöpfung noch an ihr zerrte. Die Decke, die ich ihr vorhin gegeben hatte, hatte sie sich etwas dichter um den Körper geschlungen, suchte darin etwas Wärme.

,,Man sagt, dass die Dämmerung, das Diesseits mit dem Jenseits verbindet und man mit den Toten in Kontakt treten kann", setzte ich an, blickte zu der noch immer untergehenden Sonne. Man konnte schon vereinzelte Sterne am Himmel sehen und allmählich verkroch sich die Sonne hinter den Hochhäusern. Y/n schwieg, vermutlich wartete sie, dass ich weiter erzählte, was ich auch tat.

,,Es spendet mir Trost und lässt mich nicht alleine fühlen - als Kind, dachte ich-", sprach ich, brach meinen Satz jedoch schnell ab, da ich spürte wie sich Emotionen in mir breit machten. Ich wollte nicht schwach wirken - vor keinem und vor niemanden.

,,Rin ruft an", ließ ich mir schnell als Ausrede einfallen, schnappte mein Handy und verließ fluchtartig den Balkon. Ich musste mich erstmal abreagieren, bevor ich weiter mit ihr sprechen konnte. Schnellen Schrittes begab ich mich in Rindous Zimmer, schmiss die Tür hinter mir zu, lehnte mich an diese. Mein Bruder sah mich mit einem abwertenden Blick an. Er senkte leicht seinen Blick, schielte über den Rand seiner Brille. Seine Haare fielen ihm leicht ins Gesicht.

,,Hast du einen Geist gesehen?", fragte er, drehte sich in seinem Schreibtischstuhl zu mir. Ich sah, dass er Apex geöffnet hatte. Das Headset hatte er sich von den Ohren geschoben und ruhte nun um sein Genick.

,,Nein, ich hab Y/n nur gesagt, dass du mich angerufen hast und jetzt bin ich hier."

Der kleine Haitani verringerte seine Augen, verschränkte seine Arme ineinander, sah mich vielsagend an.

,,Wieso?", hakte er nach. Ich wusste, dass diese kleine Nervensäge nicht locker lassen würde, bis ich es ihm sagen würde, weswegen ich es ihm erzählte, was ihn nur zum Lachen brachte. Er war so ein Hund, was war daran bitte lustig?

,,Man bist du eine Lusche. Jetzt beweg deinen Arsch wieder zu ihr und beende deine Unterhaltung. Was denkst du denn was sie tut? Dir den Kopf abschlagen, wenn du dich nicht, wie der "Herrscher" Roppongis aufführst - die Nummer hast du doch eh schon verkackt, du bist eher ihr Babysitter, als irgendwas anderes - oh und noch ihr dummer Sitznachbar", lachte mich mein kleiner Bruder aus, drehte sich wieder zu seinem Pc, setzte sich das Headset auf und spielte weiter. Wow sowas nennt sich Geschwisterliebe - einen tollen Bruder hatte ich. Wie konnte man nur so viel gefallen daran finden, sich über das Leben seines älteren Bruders lustig zu machen?

Tief atmete ich durch, bevor ich mich von Rindous Tür abstieß, mich herumdrehte und sein Zimmer wieder verließ. Aus dem Augenwinkel konnte ich ein kleines Grinsen seinerseits erkennen. So ein Arsch - dachte ich mir, als ich seine Zimmertür wieder schloss. Gerade als ich mich auf den Weg zu Y/n machen wollte, kam mir diese entgegen geschlendert. Die Decke hing noch immer über ihren Schultern und schliff etwas über den Boden. Das Kippen-Etui hielt sie in der Hand ebenso wie das Feuerzeug.

,,Ich würde mich nochmal hinlegen, wenn das ok ist", murmelte sie, sah mich mit müden Augen an. Man konnte deutlich erkennen, dass die letzten Wochen nicht spurlos an ihr vorbeigegangen waren. Müde schloss sie ihre Augen, wartete geduldig auf meine Antwort.

,,Klar, wolltest du nicht noch einen Tee?", fragte ich, was sie mit einem Kopfschütteln verneinte und sich zu meinem Zimmer begab. Mit einem leisen Seufzen folgte ich ihr, prompt ließ sie sich ins Bett fallen, kuschelte sich in meine Bettdecke. Das Kippen-Etui und das Feuerzeug legte sie auf meinen Nachtschrank.

,,Hast du noch andere Klamotten?", fragte sie, sah mich fragend an. Die Decke hatte sie sich bis zur Nase hochgezogen.

,,Klar", meinte ich stumpf, ging zu meinem Kleiderschrank und holte ihr eine kurze Hose und ein T-shirt. Ich legte ihr die Sache auf das Bett, ließ mich auf der Couch nieder und sah zu ihr. Langsam richtete sie sich auf, murmelte ein leises ,,Danke", als sie anfing sich umzuziehen.

Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Die Kleine war wohl noch immer nicht recht bei Sinnen. Ich riskierte einen letzten Blick auf ihren Körper, als sie sich ihr Oberteil auszog, bevor ich mich von ihr weg drehte, damit sie sich in Ruhe umziehen konnte. Ehrlich gesagt war ich selbst ziemlich müde. Ich hatte seit gestern Abend kein Auge zu gemacht. Die ganze Nacht und den ganzen Tag war ich ihr nicht von der Seite gewichen, zu sehr plagte mich der Gedanke, sie würde beim schlafen draufgehen, wegen diesen scheiß Drogen, die ihr untergejubelt wurden.

,,Ich glaub ich leg mich auch noch mal hin", sprach ich, hatte mich noch immer nicht zu ihr hingedreht. Jedoch reflektierte der Bildschirm meines Fernsehers mein Zimmer und dementsprechend auch sie. Auch wenn ich nicht hinsehen wollte, tat ich es dennoch. Viel erkennen konnte ich so oder so nicht, da sie zu weit weg war und ein Fernseher nun mal kein Spiegel war. Ihre alte Kleidung hatte sie achtlos neben das Bett geschmissen, ließ sich zurück ins Bett fallen.

,,Dann komm her und halt endlich den Mund. Ich will schlafen, mein Kopf pocht voll", jammerte sie, drehte sich zu der Wand und gab keinen weiteren Ton von sich. Ms. L/n Sie sollten nicht so leichtfertig mit einem Haitani umgehen - dachte ich mir, bevor ich mich von dem kleinen Sofa erhob und auf das Bett zuschritt.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top