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„Na? Kritzelst du wieder die Korrekturränder voll?"

Es war Montagmorgen und Theo ließ gerade schwungvoll seinen Ranzen auf die Tischplatte fallen. Die Vibration des Aufpralls sorgte für eine holprige Linie auf dem Papier.

„Das ist unzulässig so schwer zu schleppen. Selbst halb so dick wären Schulbücher noch viel zu schwer."

Ich schmunzelte und drehte meinen Kuli in der Hand. „Guten Morgen."

„Ja, guten Morgen." Theo verdrehte die Augen, packte Federtasche, Lehrbuch und Hefter aus. „Aber ganz ehrlich, es ist doch nicht legitim, Schüler extrem schweres Zeug schleppen zu lassen. Als müssten wir nicht schon genug ertragen im Unterricht!" Er setzte sich neben mich. „So, jetzt hab ich mich genug beschwert. Wie war dein Wochenende?"

„Gut."

„Wie gut?"

„Wirklich gut. Aufschlussreich. Bewegend. Ich habe... einiges erlebt", meinte ich wage.

„Erzähl!" Theo änderte seine Sitzposition, um mich besser ansehen und zuhören zu können.

Ich holte tief Luft. „Also, ich habe eine Freundin meiner Mutter kennengelernt. Sie heißt Evelyn und sie und Mama waren lange Zeit gute Freunde gewesen, haben sich aber irgendwann zerstritten und sich seitdem nicht wiedergesehen. Evelyn hatte jahrelang kein Kontakt zu meiner Mutter. Der Streit war nie geschlichtet worden. Dennoch geht sie jeden Tag auf den Friedhof. Dort haben wir uns auch getroffen. Sie hat mir all das erzählt, und wir haben auch sonst noch über einiges gepludert. Es hat gut getan."

„Oh ha, das ist traurig, und irgendwie auch voll schön, die Geschichte, dass sie jeden Tag ans Grab geht." Er senkte die Stimme. „Wie geht es dir damit?"

Ich schloss kurz die Augen. „Es wird leichter. Es wird heller. Es geht weiter." Ich hob einen Mundwinkel. „Danke, dass du fragst. Und wie war die Feier gewesen?"

„Richtig klasse! Vor allem das Essen. Ich habe geglaubt, dass ich für die nächste Woche satt wäre. Pustekuchen! Ich könne schon wieder was vertragen."

Ich stieß Theo lachend in die Seite. „Du könntest immer was zu essen vertragen. Gab's denn Schokopudding?"

„Leider nein. Dafür eine riesige Schokocremetorte!" Er deutete mit seinen Händen die Große an – natürlich weitreichend übertrieben. „Was hast du eigentlich dieses Mal gezeichnet?"

Ich zog meinen Hefter heran und zeigte es ihn wortlos. Es waren Schmetterlinge, die über den Blattrand flatterten. Einer von ihnen war noch unfertig. Theo nahm mir den Stift aus der Hand und beendete den Schmetterling mit drei schnellen Strichen. Dann grinste er und legte den Kuli neben das Blatt.

„Jetzt ist das Kunstwerk fertig. Der Meister hat es für den Schüler beendet."

Ich zog die Augenbrauen hoch.

„Spaß, du bist natürlich der Meister und ich der Schüler."

Dann begann auch schon der Unterricht. Währenddessen zeichneten wir noch einige Schmetterlinge zusammen. Theo weigerte sich, seinen Zeichenstil aufzugeben wodurch sie alle ein wenig speziell aussahen.

„Mit zwei so ungleichen Flügeln kann doch kein Schmetterling fliegen", flüsterte ich irgendwann.

„Doch, natürlich kann er das. Schau, ich gebe ihm einfach noch ein weiteres Flügelpaar, dann wird es schon klappen." Theo kam sofort seinem Einfall nach.

„Vielleicht solltest du ihm zusätzlich noch ein paar Beine geben, dann kann er zur Not auch laufen."

„Gute Idee!"

Und so kam es, dass auf meinem Blatt anstatt eines Tafelbildes ein Wesen mit zwei sehr verschiedenen Flügelpaaren und zwei ungleichen Beinen entstand.

„Warte, jetzt brauch es aber auch noch zwei Arme! Damit er sich an einem Blumenstängel hochziehen kann."

„Warum nicht gleich vier?"

„Wie der Meister wünscht."

Wir bemühen uns, leise zu lachen, doch es gelang uns nur mittelmäßig. Dass wir vom Lehrer ermahnt wurden, sah Theo als Motivation weiter zu machen, und auch ich ließ mir nicht meinen Spaß nehmen.

Am Ende der Stunde meinte Theo: „Nur damit das klar ist. Ich zeichne eigentlich nie. Das würde ich höchstens für einen Freund machen."

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