𝐯𝐢𝐞𝐫 | die göttin der zeit brennt
»Wie wärs mit noch ein paar Ersatzmessern, Ember? Ich glaube du hast noch nicht genug«, schnaubte Evangeline von der Seite, als Elodie gerade die fünfzehnte Klinge an ihrem Gürtel befestigte. Ihren bösen Blick tat die Schützin nur mit einem Schulterzucken ab. Sie hatte ja keine Ahnung.
Schon in einem Tempel der Götter konnte man nie genug Messer haben, da wollte sie gar nicht wissen, wie es im Himmel aussah.
»Sei leise und gib mir meine Pistolen, sonst brauche ich gleich doch noch Ersatzmesser.« Noch ein letztes Mal zog sie alle Schnallen fest, dann lief sie mit verschränkten Armen in Evangelines Richtung.
»Ach, weil du deine anderen in meinen Schädel gerammt hast? Dafür bist du doch viel zu langsam-«
»Pistolen. Jetzt.«
Fast schon ein wenig beleidigt zog ihre langjährige Mitkämpferin zwei schwarze Bündel hervor und warf sie. »Ja, ja. Hier. Poliert, kontrolliert, repariert. Wie du wolltest, du Spaßverderberin.«
Elodie fing sie zufrieden, packte sie aus und hängte sie an die letzten zwei freien Plätze. Wenn sie schon in den Himmel musste, dann nur bis zu den Zähnen bewaffnet. Die sollten ruhig wissen, was sie von ihrem falschen Frieden hielt. Was sie von ihren Palästen hielt, die auf den Knochen ihrer tausenden Opfer gebaut waren.
»Wie seh ich aus?«, fragte sie und drehte sich mit einem Schwung um. Jules und Ronny, die bisher so schlau gewesen waren zu schweigen, zeigten fast synchron einen Daumen nach oben. Was auch anders. Zufrieden sah sie in den kleinen, von Rissen durchzogenen Handspiegel in ihrer Hand.
Ihre rotblonden Haare hatte sie extra für den Himmel noch einmal kurz geschnitten. Und die orangenen Strähnen, die waren auch extra für die Götter. Orange wie Gefahr, wie eine Warnung. Hoffentlich waren die Himmelsbewohner schlau genug, diese auch zu beachten, sonst konnte sie für nichts garantieren.
»Und du hast wirklich vor, das durchzuziehen? Deinen ... kleinen Streich?« Evangeline lugte ihr über die Schulter und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Zweifel standen ihr quer übers Gesicht geschrieben. Andere hätte das vielleicht entmutigt, schließlich kannten sie sich sehr gut und Evangeline wusste sicher, was ihr zuzutrauen war und was nicht.
Elodie grinste nur und steckte den Spiegel weg. Sie war nicht wie Andere, ganz sicher nicht. Und wenn Evangeline ihr das nicht zutraute, war das nur noch ein Anreiz mehr, das Gegenteil zu beweisen.
»Okay, du musst nicht sagen. Du wirst es durchziehen.« Sie hörte ihre Freundin seufzen, dann zuckte sie mit den Schultern und ging zu den Anderen rüber. »Ich hatte aber auch nicht anderes erwartet, seien wir ehrlich.«
»Gut so. Du solltest mich mittlerweile gut genug kennen, um zu wissen, dass Herausforderungen sozusagen mein Hobby sind.«
Lachend nickte Evangeline. Als ihr Gesicht dann plötzlich ernst wurde, verzog Elodie den Mund zu einer geraden Linie. Sie wusste, was jetzt kommen würde. Der Abschied. Der Moment, den sie ignoriert und gleichzeitig gefürchtet hatte.
»Ach komm, schau nicht so. Ich will nur kurz Tschüss sagen, du bist schließlich nicht nur für eine Woche oder so weg.«
»Eine Woche? Pah. Zwei Tage, mehr nicht.«
»Sicher«, schmunzelte die Schützin, dann trat sie einen Schritt vor und umarmte Elodie. Das Ganze ging so schnell, dass sie sich nicht wehren konnte. Erst stand sie wie erstarrt da, doch irgendwann wagte sie es doch, beide Arme um Evangeline zu legen. Ein komisches Gefühl. Normalerweise traute sich niemand, sie zu umarmen.
»Ich werde dich vermissen, Ember. Verprügle ein paar Idioten für mich.« Nachdem sie sich wieder losgelassen hatten, drehte Evangeline sich mit einer Kusshand um und tauschte mit Ronny Platz. Sie hätte nie gedacht, dass sie so etwas mal sagen würde, doch schon jetzt vermisste sie diese idiotische Frau.
Auch Ronny umarmte sie kurz, klopfte ihr auf die Schulter und zwinkerte ihr dann zu. »Ich bin mir sicher wir sehen und bald schon wieder, Ember. Vergiss nicht das du jemanden hast, der hier unten auf dich wartet.«
Der Kloß in ihrem Hals wuchs mit jeder Sekunde, und sie hasst es. Deswegen waren Abschiede das schlimmste. Dabei war es doch gar kein Abschied für immer. Oder?
Als sie wieder aufsah, stand Jules gegenüber von ihr. Seine grauen Augen sahen traurig zu ihr herunter, und sie schluckte leise. Dann trat sie eine Schritt vor und umarmte ihn. Keiner von ihnen sagte ein Wort, und das brauchten sie auch nicht. Sie hatten nie wirklich viele Worte gebraucht, um sich zu verstehen.
»Wenn du zurückkommst, klauen wir zusammen die Mona Lisa und ganz viel anderen unnötigen Kram, okay?«
Zum ersten Mal seit langem brachte sie kein Wort heraus und nickte nur. Das letzte Mal hatte sie sich so gefühlt, als sie mit aufgeschürften Füßen und blutigen Händen aus dem Tempel gerannt war, gerannt und einen Teil von sich dort zurückgelassen hatte, zusammen mit-
Nein. Das war nicht das Gleiche.
»Klingt nach einem Plan«, flüsterte sie. Dann lösten sie sich voneinander, und es fühlte sich schrecklich endgültig an. Sie wollte sich gerade umdrehen, als Jules noch einmal an ihrem Ärmel zog und ihr dann etwas in die Hand drückte. Ein kleines, ordentlich verpacktes Päckchen.
»Nur öffnen, wenn du die Hoffnung verlierst.« Lächelnd entfernte er sich, und sie ließ das Geschenk in ihrer Jackentasche gleiten. Sie würde es auf jeden Fall immer ganz nah bei sich behalten, das hatte sie schon jetzt entschieden.
Noch einmal atmete sie tief durch, dann drehte sie sich zu ihrer Familie um. Denn das waren sie geworden, ob sie wollte oder nicht. Ausnahmsweise viel es ihr nicht schwer, ehrlich zu lächeln. »Wir sehen uns.«
Dann machte sie sich auf den Weg, winkend und eine Hand fest um ihr letztes Geschenk geklammert.
Es war genau 9:58 Uhr, als sie die letzte Minibombe platziert hatte und sich auf einen der vielen Reifentürme fallen ließ, die hier herumstanden. Erst blieb sie sitzen, tippte ungeduldig auf die schwarze Fläche unter sich. Dann stand sie um genau 10:00 Uhr wieder auf und begann stattdessen, hin und her zu laufen, wie ein Raubtier in einem Käfig. Ach, wie sie warten hasste.
Und vor allem hier, auf diesem leeren, völlig vereinsamten Schrotplatz. Außer ein paar Würmern und vereinzelten Ratten lebte hier nichts mehr. Die Menschen kamen höchsten hier her, um ihren Müll auszuleeren. Oder natürlich um einen Gott in die Luft zu jagen, so wie sie.
Schlamm spritze auf ihre Hose, als sie noch einmal einen Kreis um einen Reifenhaufen drehte. Sie wollte gar nicht wissen, was hier alles auf dem Boden herumschwamm. Schnell zog sie ihrer schwarze, etwas zu weite Hose nach oben und schnallte den Gürtel noch einmal neu fest. Die Götter sollten hier im Schlamm verrecken, nicht sie.
Missmutig starrte sie in den Himmel, der von grauen Wolken nur so wimmelte. Wie ein Gemälde, in dem jemand mit dem Pinsel ausgerutscht war und aus Versehen das eigentlich Kunstwerk übermalt hatte. Kamen diese nutzlosen 'Herrscher des Himmels' deswegen zu spät? Weil sie nicht mit ein paar angehäuften Wassertropfen klarkamen?
Sie wollte gerade abdrehen, um noch eine kleine Runde zu laufen, als sie plötzlich ein lautes Brüllen hörte. Zuckend suchten ihre Pupillen den Boden ab, während sich ihre Hand um ihre Pistole legte. Ein Monster? Den Göttern war alles zuzutrauen.
Erst als sie eine Gruppe Vögel sah, die panisch den Himmel überquerten und im umliegenden Wald verschwanden, hob sie den Blick. Wolken, Wolken, Wolken ... Sie erstarrte. Ein Fleck Grau. Ein Fleck mit Fledermausflügeln, Krallen und Schuppen.
Sie hatte mit einigem gerechnet, aber nicht mit einem Drachen.
Erst als sie schon den Reiter auf dem Rücken des riesigen Ungetüms erkannte, setzte sich ihr Körper endlich in Bewegung. Mit einem Satz war sie hinter einem der Reifentürme, direkt neben dem kleinen Bunker, den sie sich gebaut hatte. Der Drache brüllte noch einmal.
Bei der Ironie der ganzen Situation hätte sie beinah gelacht. Jahrelang hatten Farins Anhänger sie trainiert und abgehärtet, damit sie irgendwann mal in der Lage wäre, für den Gott des Raumes zu kämpfen. Und jetzt stand sie hier und beobachtet seine größte Feindin dabei, wie sie gemächlich auf dem Schrotplatz landete.
Clores schien zwar einen annehmbaren Sinn für Humor zu haben, die Bomben löste sie jedoch trotzdem aus, als ihr Drache den Boden berührte.
Ihre Ohren klingelten trotz Ohrschützer, während sie sich in ihrem Bunker zusammenkauerte. Trümmer flogen an ihr vorbei, eine Hitzewelle brannte in ihrem Gesicht. Volltreffer. Obwohl es immer noch rauschte und sie das Knistern von Flammen hörte, hob sie den Kopf und lugte hinter ihrem Reifenturm hervor.
In ungefähr fünfzehn Meter Entfernung lag der Drache, seine Reiterin direkt neben ihm. Beide brannten lichterloh. Elodie legte den Kopf schief. So einfach? Bei dem Gedanken, eine der großen Fünf getötet zu haben, schlug ihr Herz sofort schneller. Wenn Götter wirklich so einfach zu töten wären, könnte sie zum Tempel zurückkehren und vielleicht den Teil von sich befreien, den sie damals zurückgelassen hatte-
»Und ich dachte, ich mit meinem Drachen lege einen feurigen ersten Auftritt hin«, seufzte es neben ihr.
Es dauerte keine Sekunde, bis der Lauf der Pistole auf den Kopf der Göttin zeigte. Elodie trat einen Schritt zurück, um Abstand zwischen sich und diesem ... Geschöpf zu schaffen. Clores lachte und hob die Arme, und das, während ihre verbrannte Haut sich langsam von ihrem Gesicht löste und durch Neue ersetzt wurde.
Hätte Elodie nicht schon schlimmeres in ihrem Leben gesehen, hätte sie sich jetzt definitiv übergeben.
»Nicht so feindselig, Elodie. Oder Ember, so willst du doch genannt werden, oder? Ich habe wirklich keine schlechten Absichten, ich bin nur hier um dich abzuholen.«
»Und was, wenn ich nicht abgeholt werden will?«
»Dann ... Nun, dann ...« Sie seufzte betrübt und zuckte mit den Schultern. »Dann fürchte ich, du wirst trotzdem mitkommen müssen.«
Sie hatte immer gedacht, im Laufe der Jahre wäre ihr Hass abgekühlt. Doch als sie jetzt in dieses mitleidig lächelnde Gesicht sah, diese widerlich Verkörperung aller Unterdrückung, flammte die Flamme so intensiv wieder auf, dass sie beinah den Abzug gedrückt hatte. Nur der kleine Rest Verstand, der noch nicht verbrannt war, hielt sie davon ab.
Es war ohnehin hoffnungslos. Bomben hatten die Göttin nicht getötet, dann würde es auch keine Patrone tun, kein Messer. So sehr sie es auch hasste, Clores war zu mächtig. Sie war ausgeliefert. Sie musste mitkommen.
Als sie ihre Pistole langsam senkte, schwor sie sich, dass es nur für kurze Zeit war. Sie würde einen Weg finden, einen Weg um die Götter auszuradieren. Und dann war es vorbei mit diesem Lächeln.
Dieses Kapitel ist bisher glaub ich mein Lieblingskapitel. Ich mag Elodie und Vivien einfach zu sehr hhgjghgjhbjzgjh
Aber genug davon, ich melde mich mit einer (für die meisten hier) wahrscheinlich eher schlechten Nachricht (denke ich zumindest lmao). Nichts das mit dem Abbruch dieser Story zu tun hat, auf keinen Fall, aber ...
Ab diesem Kapitel gibt es eine Kommentarpflicht.
Ja, ihr habt richtig gelesen, und ja, irgendwie tut es mir leid. Aber es macht einfach nicht halb so viel Spaß eine Mmg zu schreiben, wenn man kaum eine Reaktion von den Lesern bekommt (das betrifft natürlich nicht alle). Ich will mir einfach nicht umsonst die Mühe geben, Steckbriefe fünfmal zu lesen und mich in die Ocs anderer Leute reinzufühlen, wenn ich dafür nichts zurückbekomme.
Diese Pflicht wird wie folgt aussehen: Mindestens drei Kommentare pro Kapitel, dieses Kapitel mit eingeschlossen. Die vorherigen nicht. Natürlich kann ich euch zu nicht zwingen, aber ich sehe ja, wer sich daran hält und wer nicht. Und wer sich nicht daran hält, nicht einmal mit einem Kommentar oder so, dessen Charaktere werden dann halt schlicht und einfach nicht auftauchen.
Ich verstehe natürlich, wenn man mal nicht so viel Zeit hat, aber Kommentare schreiben ist wirklich nicht schwer. Ein Wort reicht ja schon. Und das ist ja wohl nichts, im vergleich zu den 1500 Wörtern pro Kapitel, die ich ungefähr schreibe. Falls ihr es mal einfach nicht schafft (mag vorkommen, kenne ich selber lmao) ist das auch nicht schlimm, sollte aber nicht bei jedem Kapitel passieren.
Und jetzt genug rumheulen, erstmal will ich noch denen danken, die jetzt schon fleißig kommentieren. Das macht mich immer sehr glücklich und pusht ehrlich gesagt auch meine Motivation noch einmal deutlich mehr als ein Vote (Tut mir ja leid, aber man kann auch voten wenn man das Kapitel nicht mal liest. Woher soll ich dann bitte wissen ob es gut war oder nicht?)
Undddd jetzt switchen wir mal wieder zu einem völlig anderem Thema. Von den großen fünf sieht jetzt alle durch, die ein eigenes Kapitel bekommen, und da wollte ich mal fragen, wen ihr von den Göttern bisher am besten findet. Und schon eine der drei Kommentare geschafft :0
Byeeee~
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