Prolog
November 2021
Ich hörte es krachen und schluchzen, sowie gefährliche Schreie aus dem Zimmer, neben mir, wovon uns nur eine Tür trennte und zuckte bei jedem meiner eigenen Atemzüge. "Është i gjithë faji juaj!", hörte ich meinen alkoholisierten Vater schreien und Tränen flossen mir aus meinen Augen, ich konnte sie einfach nicht mehr stoppen. Vermutlich, wie immer, machte er meine Mutter für alles verantwortlich, obwohl er derjenige war, der für das alles hier die Schuld trug.
Aber nein. Das würde ja seinem Stolz schaden. Ich hörte mich selbst schluchzen und versuchte aufzuhören und mich zu beruhigen. Jedoch war das leichter gesagt, als getan. Ich betrachtete mich im Spiegel, der vor mir an meinen Schrank gelehnt war. Ich, wie ich auf dem Boden, meine Arme fest um meine Beine verschlungen und meinen Kopf versteckt unter meinen Armen hatte, sah aus, als bräuchte ich mehr als nur Hilfe. Aber sobald man Hilfe holen würde, würde es mit Sicherheit im Leben noch schlimmer werden.
Ich musste hiermit alleine fertig werden.
Plötzlich hörte ich es lauter Krachen, als wäre etwas geschleudert worden. Ich erhob meinen Kopf und hielt für ein paar Sekunden inne mit meiner Atmung. Es war so ruhig. So schön ruhig. Ich spürte, wie einer meine Mundwinkel zuckte. Es ist alles so schön, wenn es ruhig ist. Wenn ich nicht atme.
Abrupt hörte ich, wie Glas zersplitterte und zuckte mit meinem ganzen Körper. Nicht nur Gänsehaut verbreitete sich, sondern auch viele Fragen im Kopf, warum das gerade so war, und vor allem, was es war.
Ich atmete wieder ein und aus, das hörbar. Ich musste mich jetzt zusammenreißen.
Ich stand mit aller Kraft auf und musste erstmal mein Gleichgewicht finden. Als ich dann auch nicht mehr hin-und-herschwankte, stellte ich mich aufrichtig hin und drückte den Türgriff nach unten. Ich zog an der Tür, langsam und leise. Von den Geräuschen von gerade war nichts mehr zu hören, nur noch Stille. Und mein Atem.
Ich machte bedächtigte Schritte, welche auf dem Fußboden, leise, und auch manchmal etwas lauter quietschten. Ich sah mich in der Küche um und entdeckte den Esstisch umgedreht, sowie die Stühle auf dem Boden, liegend, alle ungleichmäßig.
Dann schaute ich auf den Boden.
Splitter, vermutlich aus Glas waren auf dem Boden verteilt. Ich hörte sofort auf zu gehen und blieb erschrocken stehen. "Was zum-" Ich verfolgte die Glassplitter mit meinen Augen und sie führten zum Schlafzimmer.
"Fuck. Nein...", flüsterte ich ungewollt und wieder kamen die ersten Tränen. Ich hielt mir den Mund mit meiner Hand zu, in der Hoffnung, nicht laut zu Schluchzen, wenn doch, dann unbemerkbar.
Ich ging weiter in Richtung Schlafzimmer und passte dabei auf, nicht auf irgendwelche Scherben zu treten, da ich vor allem Barfuß war. Ich hörte einen lauten Knall, bei dem fast auf eine Glasscherbe tritt, weil es mich so erschreckte. Dieser Laut erinnerte mich an die Tür und ich war mir sicher, es war die Eingangstür. Aber ich ging weiter, bis ich an der Schlafzimmertür stehen blieb. Ich schaute noch einmal nach rechts, der Weg, der zur Eingangtür führte, und noch einmal zurück, zu meinem Zimmer.
Jetzt oder nie.
Ich atmete noch einmal hörbar ein und aus ehe ich die Tür öffnete und erst langsam und dann schneller aufmachte.
Mein Herz schlug schneller, als ich etwas sah, was ich eigentlich nicht sehen wollte.
"Mama...nein..." Mein Herz machte einen Satz nach unten und meine Kehle schien wie zugeschnürt. Ich konnte kaum atmen. Ich spürte heiße Tränen über mein Gesicht laufen, eine, dann zwei, dann drei, dann 30.
Auf dem Boden sah ich meine Mutter, die die ganze Zeit versuchte aufzustehen, es aber nicht alleine schaffen konnte. Ein wenig Blut auf dem Boden, sowie vielleicht hunderte Blätter waren dort verteilt und ich fragte mich, was es damit auf sich hatte.
Ich erwachte aus meiner Stillstarre, als ich wieder zu meiner Mutter sah. Ich ging vorsichtig zu ihr, nahm ihre Hand und ihre Rücken, zog sie vorsichtig nach oben, wobei sie mehrmals schmerzvoll aufstöhnte.
Langsam legte ich sie, so gut ich konnte aufs Bett, entfernte die ganzen Scherben mit einem Besen und deckte sie zu. "Mama, ich krieg das schon wieder hin.", versicherte ich es ihr, wusste jedoch nicht, ob ich das konnte.
"Ku është babi?"
"Ai nuk është më këtu.", flüsterte sie. Ich atmete erleichtert auf. Wenn er ja nicht mehr hier war, konnte sie wenigstens Ruhe von ihm haben. Vielleicht nur kurz, aber immerhin.
Ich hatte für jeden Fall ein Verband-Set in meinem Zimmer. Ich holte es und wickelte den Oberschenkel meiner Mutter damit ein.
"Të gjitha faturat janë këtu në dysheme. Ata thjesht nuk mund të paguhen.", sagte sie mir so leise, dass ich sie fast nicht verstehen konnte. Ich schaute auf den Boden. Das alles waren Rechnungen. Unbezahlte Rechnungen. Überall sah ich Zahlen. Sie hatte Recht. Verdammt.
Ich bückte mich, um eine Rechnung aufzuheben und las sie mir kurz durch.
-3,597€
Fuck.
Auf den anderen Zetteln, höhere Zahlen.
"Mama, mach dir keine Sorgen. Ich werde seine Schulden bezahlen. Uns wird es gut gehen. Versprochen." Ich hielt ihre Hand fester als je zuvor. Tränen überkamen mich wieder und ich fragte mich, wie ich das überhaupt schaffen sollte. Ich hatte schon einen Job, der mir schon die ganze Zeit nahm und jetzt noch einen dazu, der mich absolut überfordern würde?
Alles nur für Mumje (Mama).
Ich hasste meinen Vater so sehr.
So, so sehr.
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