Nur eine Sekretärin

Solch ein Auftrag bedeutete eine große Verantwortung. Die Götter setzten ein großes Vertrauen in mich. Alle taten das. Ich sollte sie vor ihm bewahren. Dem Sohn Hades. Doch was sie nicht sahen, war die Angst, die gerade durch meine Venen pumpte. Die Angst, dass ich aufgeflogen war und wenn Charon mich nicht erledigen würde, dann würde ich zum Olymp zurückkehren als Versagerin. Allein der Gedanke daran ließ mein Herz schneller schlagen.

Doch ich durfte mir genau jetzt keinen Fehler erlauben. Ich musste nachdenken. Eine Erklärung. ich brauchte eine Erklärung. Doch was wenn er gar nicht fragte? Was, wenn er es nicht ansprach. Wenn ich etwas dazu sagte, dann wusste er, dass daran etwas faul war.

"Sie sind eine interessante Frau Miss Rivers" begann Charon plötzlich und grinste mich an. "Wissen Sie, Ich wollte sehen, ob Sie auch was hinter ihrer großen Klappe haben" erklärte er, doch ich glaubte ihm nicht. Er wollte sehen, was hinter meiner großen Klappe steckte? Ernsthaft? Das konnte nicht alles sein.

Ohne das ich damit rechnete, lehnte Charon sich vor und ich verspannte mich. Er hatte die Kontrolle über die Situation und er spielte bloß mit mir. Ich konnte seine dunkle Präsenz spüren, die den ganzen Raum ausfüllte und dafür sorgte, dass mein Herz immer schneller schlug. Ich hatte keine Angst vor ihm, doch irgendwas an ihm brachte mich dazu an meinem Plan zu zweifeln. An mir und meinem Plan.

"Immerhin weiß ich jetzt, dass in ihrem hübschen Kopf mehr ist, als ich gedacht hatte" hauchte Charon mir gegen meine Lippen. Hübscher Kopf? Komplimente? Ernsthaft? Nein. Das würde ich nicht zulassen. Er war zu nah. Viel zu nah. Ich musste mich wehren.

"Zu schade, dass mein hübscher Kopf ihnen nicht zur Verfügung steht Mr. Black" erwiderte ich bissig. "Ich bin weder IHRE Sekretärin, noch bin ich ihre Dienerin, also würde ich sie bitten zurückzutreten" fügte ich hinzu und versuchte so professionell wie möglich zu wirken. Wie ein ganz normaler Mensch und nichts anderes. Gerade war ich keine Halbgöttin. Ich war bloß eine Sekretärin mit einem Geheimnis.

Mit einem Mal ließ er von mir ab. Charon trat zurück und nickte dann in Richtung der Tür. "Sie dürfen gehen Miss Rivers" erlaubte er mir und ich versuchte meine Verwunderung zu verstecken. So leicht ließ er mich gehen? Scheiße dieser Typ schaffte es wirklich innerhalb so kurzer Zeit meine Gedanken völlig durcheinander zu bringen. Noch immer hatte ich keine Ahnung, ob er wusste, wer ich war oder ob er bloß mit mir spielen wollte.

Einige Sekunden lang sahen wir uns bloß in die Augen und seine Mundwinkel zuckten auf diese Weise, die mich an ihm so verunsicherte. War es Herausforderung? Wollte er sehen, was ich konnte oder war es eine Drohung? Wollte Charon mir sagen, dass er mich durchschaut hatte und nur d

arauf wartete mich endlich in seine Fänge zu kriegen. Ich wusste es nicht und das machte mich so unglaublich wütend.

Ohne ein weiteres Wort zu sagen, verließ ich sein Büro. Ich schaute nicht zurück, sondern lief direkt zum Fahrstuhl, um diesen Ort zu verlassen. Ich wollte nach Hause, um endlich über all das Nachdenken zu können. Ich brauchte Zeit um zu verstehen, wie ich jetzt weiter machen sollte. Defensive sein und versuchen mich einzuschleimen? Oder sollte ich versuchen auf der Spur zu bleiben und hoffen, dass ich so seine Aufmerksamkeit bekam?

Zuhause angekommen, schmiss ich mich direkt auf mein Bett. Was sollte ich nur tun? Wie sollte ich diesen Auftrag erledigen? Ich war so einen Gegner nicht gewohnt. Natürlich war ich Hades Sohn nicht unterlegen. Er war auch nur ein Halbgott, doch ein sehr starker. Charon war extrem intelligent und es war bekannt, dass er dem ähnelte, was viele Psychologen wohl als Psychopathen bezeichnen würden. Es war unmöglich ihn zu durchschauen und das machte es so schwer. Normalerweise war meine Beute nicht so Hochintelligent. Sicher, ich hatte schon viele schwere Aufträge gehabt. Ich war schon durch den Himalaya geklettert und hatte mich mit Wesen angelegt, die drei Mal so groß waren wie ich, doch Charon? Der war auf einer ganz anderen Ebene gefährlich.

Wie sollte ich also gegen so einen Mann ankommen? Wie sollte ich ihn überlisten, wenn ich nicht einmal wusste, ob ich bereits aufgeflogen war. Wusste er es wirklich? Oder wusste er es nicht und dachte ich wäre bloß eine sehr schlagfertige Sekretärin? Vielleicht vermutete Charon ja tatsächlich, dass ich mehr als eine einfache Sekretärin war aber jemand wie er hatte viele Feinde. Ich könnte doch genauso gut eine Auftragskillerin sein, die von einer anderen Firma angeheuert wurde oder einer der Geschäftsmänner, die er täglich verärgerte, hatte mich geschickt, um ihn zu bedrohen. Es gab so viele Möglichkeiten. Wieso sollte er also direkt darauf kommen, dass ich eine Halbgöttin war. Es gab dafür keinerlei Hinweise. Gut, das vorhin im Büro, doch das würde eine gute Auftragskillerin auch schaffen. Es gab keine eindeutigen Beweise.

Aber was wenn er doch darauf kam?

Mit diesem Gedanken schlief ich irgendwann völlig erschöpft ein. Noch einen Tag musste ich durchalten und dann hätte ich frei. Laut Vertrag hatte ich einen freien Tag, das bedeutete in meinem Fall Donnerstag. Endlich einen Tag weg von diesem Horror. Vermutlich würde ich meinen Cousin Jairus besuchen gehen. Er war Besitzer eines Kunstmuseums hier in New York und ich hatte ihn schon lange nicht mehr gesehen.

Dummerweise musste ich jetzt allerdings erstmal meinen Arbeitstag rumkriegen. Gerade hatte ich mich fertig gemacht, da erschien eine neue Nachricht auf dem Display meines Handys. Kirian. Natürlich! Ich hatte vollkommen vergessen ihm zu schreiben, dass ich zuhause war. Mist. Er hatte sich sicher Sorgen gemacht.

"Guten Morgen kleiner Mondschein" lautete die Nachricht. Mit der Zahnbürste in der Hand antwortete ich ihm. Kirian war nämlich jemand, der schnell mal etwas ungeduldig werden konnte und das wollte ich vermeiden.

"Guten Morgen. Tut mir leid, dass ich gestern nicht mehr geschrieben habe. Ich war bis halb 1 im Büro und bin zuhause sofort eingeschlafen" schrieb ich. Von der Sache mit Charon erzählte ich ihm nichts. Wenn Kiri wüsste, dass er mich womöglich bereits durchschaut hatte, dann würde er sich garantiert Sorgen machen und das konnte ich ganz und gar nicht gebrauchen. Also beschloss ich erstmal abzuwarten und ihm davon zu erzählen, sobald es nötig war.

"So lange? Pass auf, dass du genug schläfst, sonst lässt du deinen Ärger wieder an mir aus" antwortete er und ich musste grinsen. Er spielte darauf ab, dass ich schnell etwas gereizt werden konnte und meistens musste Kirian das ausbaden. Früher waren wir häufig zusammen im Einsatz gewesen und ich hatte oft nur wenig geschlafen, weshalb er dann auch mal den ein oder anderen Spruch hatte einstecken müssen. Wir wussten beide, dass ich das nicht so meinte und trotzdem hatte ich oft ein schlechtes Gewissen, was ich jedoch einfach überspielte.

"Jaja, ich tu dir schon nichts. Morgen hab ich sowieso frei, da hol ich meinen Schlaf wieder auf" erklärte ich in meiner Nachricht und betrachtete mich kurz im Spiegel, ob ich nicht irgendwas vergessen hatte, doch ich sah aus wie gebügelt. Perfekt. So musste ich aussehen. Wenn ich nicht wenigstens elegant wie eine Sekretärin aussah, dann konnte ich meine Lüge wohl ganz vergessen.

„Du hast morgen frei? Dann hol ich dich ab und wir gehen was essen. Ich muss dir so viel von Griechenland erzählen" bot er an und das klang wirklich verlockend. Ich wusste, dass Kiri mich auf andere Gedanken bringen wollte. Er tat das immer, wenn es mir schlecht ging und es half mir unglaublich.

„Sehr gerne. Ich will Jairus noch besuchen gehen, also sagen wir du holst mich um 6 ab?" antwortete ich und hatte ein Lächeln auf den Lippen. Ich liebte es, wenn Kirian mich zum Essen ausführte. Er kannte die besten Restaurants, auch wenn er dummerweise einen extrem komischen Geschmack hatte. Er aß Dinge, die wohl sonst niemand essen würde. Aber naja, damit musste man wohl leben.

„Jairus? Er hat hier ein Museum aufgemacht, richtig?" schrieb er zurück. Jairus Vater war Apollon, der Gott der Künste. Es war also kein Wunder, dass er die Leidenschaft seines Vaters übernommen hatte und ein Museum aufgemacht hatte. Früher, als wir noch Kinder waren hatte ich ihn oft besucht, da unsere Eltern schließlich Zwillinge waren. Meistens hatte er irgendwo gesessen und einfach nur gemalt. Es schien als würde ihm das helfen seine Gefühle auszudrücken, denn menschlich gesehen... Jairus war ein wundervoller Mensch, doch er konnte seine Gefühle einfach nicht ausdrücken und wirkte dadurch oft etwas emotionslos, was die Menschen nicht mochten.

„Richtig. Es ist eine große Galerie, mit vielen seiner Bilder. Aber er meinte, dass er dort auch viele andere Bilder ausgestellt hätte und wohl auch öfter Treffen organisiert, um neue Künstler kennenzulernen. Du weißt ja wie er ist... inspiriert von allem und jedem" schrieb ich und zog mir dann einen Mantel an. Ich schnappte mir meine Schlüssel und wollte gerade aus der Haustür gehen, da bekam ich eine weitere Nachricht von Kirian.

„Sag ihm liebe Grüße von mir. Wir sehen uns morgen um 6 und zieh dein schönstes Kleid an kleiner Mondschein". Und mit dieser Nachricht ging er offline. So so, ich sollte mich also schick machen. Er wusste, dass er einer der wenigen Menschen war, für die ich das tat.

Mit einem Lächeln und dem Gedanken an den morgigen Tag lief ich aus dem Haus.

Nun war ich auf dem Weg,

Zu einem weiteren Stressvollen Arbeitstag.

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