Kronprinz der Hölle

Morgen hatte ich also erst ein Treffen mit Jairus und dann würde ich mich Kirian essen gehen. War das ein date? Nein. Bloß essen gehen. Wir waren schließlich nur Freunde. Wir waren schon immer nur Freunde gewesen, doch ich musste zugeben, dass in den letzten Monaten immer mehr Kontakt zwischen uns entstanden war. Vielleicht war es ja bloß... eine sehr enge Freundschaft. Doch was wenn nicht? Was wenn für ihn dieses Treffen mehr bedeutete? Und was bedeutete es eigentlich für mich? Bloß ein Essen? Mehr nicht?

Ich hasste es mir so viele Gedanken zu machen, also hörte ich einfach meine Musik und lief durch die engen Straßen New Yorks, auf dem Weg zur Black Mamba Company. Ich wusste, dass heute sicher wieder ein anstrengender Tag werden würde, weshalb ich mich beeilte zu meinem Schreibtisch zu kommen, um so schnell wie möglich anfangen zu können. Ich wollte diesen Tag einfach nur beenden und mich für morgen ausruhen.

Kaum hatte ich mich an meinen Schreibtisch gesetzt, tauchte auch schon das markante Gesicht von Mr. Ajax vor mir auf. Große Klasse. Der Mann hatte mir noch gefehlt. Sicher wollte er mich bloß wieder terrorisieren, so, wie es sich für den Hund der Hölle gehörte.

"Miss Rivers" begann Mr. Ajax und musterte mich extrem kritisch. Wahrscheinlich war mein Eyeliner etwas verrutscht oder eine Strähne stand ab. "Ich habe einige Dinge, die Sie erledigen müssten" meinte er kalt und nickte in Richtung einer der Ordner, die er scheinbar dort platziert hatte. Noch mehr Arbeit. Genial.

"Die Dokumente müssen bis heute Nachmittag alle überprüft und sortiert werden. Wenn Sie damit fertig sind, dann rufen sie noch einige Leute an, die gerne einen Termin bei mir wollen, doch geben sie keinem einen Früheren als in einem Monat" erklärte mir die Verkörperung von Cerberus. Natürlich waren es bloß solche ätzenden Aufgaben. Gott, wer machte so einen Job bitte freiwillig?

"Natürlich Mr. Ajax. Gibt es sonst noch etwas, was ich für Sie tun kann?" fragte ich höflich, auch wenn es mich ankotzte so nett zu ihm zu sein. Wahrscheinlich würde er sowieso sowas sagen, wie "Hätte ich das gewollt, hätte ich es gesagt" oder sowas aber dennoch, wenn Charon mich schon nicht mochte, dann musste doch wenigstens meine Arbeit gut sein.

Kyon schien zu zögern, denn er lehnte sich gegen die Kante meines Schreibtischs und sah mich bloß an, als wäre er sich nicht sicher, ob er das aussprechen sollte, was gerade in seinem Kopf umherging. Ungewöhnlich. Wenn es wohl eine Sache gab, die Kyon nicht tat, dann war es seine Meinung für sich zu behalten.

"Was findet Charon so interessant an dir" brummte er plötzlich und ich konnte sehen, dass er sich das wirklich fragte. Nun, Halbgötter wirkten tatsächlich oft anziehend auf andere Menschen. Das lag einfach daran, dass wir etwas mystisches an uns hatten und die Menschen dadurch oft das Bedürfnis hatten herauszufinden, wer wir wirklich waren. Vielleicht war es bei Charon aber auch einfach meine Schlagfertigkeit und meine vorlaute Klappe gewesen, die ich mir für solche Auftrage angeeignet hatte. Dass konnte ich Kyon aber logischerweise nicht sagen.

"Ich weiß nicht wovon Sie sprechen Mr. Ajax, doch falls ihre Annahme richtig wäre, dann würde ich wohl sagen meine Fähigkeiten im Büro" erwiderte ich ruhig und konnte sehen, dass Kyon sich eine andere Antwort erhofft hatte. Dennoch nickte er und wollte gerade gehen, da fiel ihm scheinbar noch etwas ein.

"Sie spielen ein gefährliches Spiel, wenn Sie sich mit Mr. Black anlegen, andererseits... Vielleicht können Sie ihm ja die Stirn bieten Mrs. Rivers" brummte er noch, bevor er sich in sein Büro verzog. Ein gefährliches Spiel? Hatte Charon mit ihm gesprochen? Gott, wie sehr es mich doch nervte, dass ich nicht wusste, ob ich aufgeflogen war oder nicht. Was dachten die beiden wirklich von mir? Wussten sie wer ich war? Und wieso hatte Kyon mir das gesagt? Es schien, als würde er wirklich wissen wollen, was Charon an mir fand. Aber wieso? Wusste er etwas, was ich nicht wusste?

Schon wieder so viele Fragen, die mir durch den Kopf schwirrten und mich von der Arbeit abhielten. Das nervte mich, weshalb ich versuchte mich ganz auf die Dokumente zu konzentrieren. Es würde dauern, bis ich alle durch hatte, also wollte ich so schnell wie möglich damit anfangen.

Nach drei Stunden hatte ich die meisten Akten durch. Es ging wohl um ein neues Projekt und in den Akten waren vordergründig Lebensläufe, Bilder und Notizen zu den Mitarbeitern. Wieso hatten sie sowas? Es war eigentlich recht interessant zu wissen, was die beiden in dieser Firma so trieben. Offenbar wurden sie so erfolgreich durch das aufkaufen von anderen Firmen, die sie dann zu ihren Gunsten veränderten und damit dann noch mehr Geld machten. Charon wusste wirklich, wie die Menschenwelt funktionierte.

Geordnet und sortiert brachte ich die Akten dann in Mr. Ajax Büro, der natürlich so arrogant, wie immer aussah. Am liebsten hätte ich bloß bei seinem Anblick die Augen gerollt, doch das würde mir wohl nur Ärger einbringen. Ich blickte ihn also emotionslos aber mit höflichem Lächeln an, als ich ihm die Akten auf den Tisch legte.

„Hier sind die Akten, die Sie gewünscht hatten Mr. Ajax" murrte ich und sah ihm in die Augen. Er musterte mich kurz. Irgendwas hatte er, wenn er mich so musterte. Fast, wie ein Hund, der versuchte herauszufinden, ob ich eine Bedrohung war oder nicht. Wie recht er damit doch hatte. Ich war eine Bedrohung, für ihn und vor allem für Charon, doch ob er das Ausmaß davon bereits ahnte? Sicherlich nicht.

„Sie können dann wieder zurück zu ihrem Arbeitsplatz gehen. Ich bin sicher Sie haben noch viel zu tun" sagte er und sagte damit quasi „verzieh dich, ich brauch dich nicht mehr", doch ich erwiderte darauf natürlich nichts. Stattdessen nickte ich bloß und verließ sein Büro wieder. Arroganter Drecksack. Wenn es eine Sache gab, die mich motivierte diesen Auftrag so schnell, wie möglich abzuschließen, dann war es wohl der Fakt, dass ich danach Kyon nie wieder sehen musste.

Genervt ging ich zurück an die Arbeit. Wie lange ich mich durch irgendwelche Akten, Anrufe und Termine wühlte, dass wusste ich nun wirklich nicht, doch irgendwann merkte ich, dass es immer dunkler um meinen Schreibtisch wurde und ich bald die Lichter anmachen musste. Etwas müde ab ich auf die Uhr und erkannte, dass es bereits halb neun war. Kein Wunder, dass es schon dunkel wurde. Andererseits bedeutete das aber auch, dass ich bald nach Hause konnte und dass das Abendessen mit Kirian immer näher rückte. Ich wusste nicht, wieso ich mich so freute, doch es kribbelte bereits in meinem Bauch, wenn ich bloß daran dachte, dass ich ihm bei all seinen Geschichten zuhören durfte. Irgendwie war sein Leben schon immer spannender gewesen als meins. Klar, auch ich sah viel von der Welt, doch es war immer bloß Teil eines Auftrages, um jemanden auszuschalten. Er hingegen lernte die Leute richtig kennen und verbrachte oft Monate in wunderschönen Städten und Ländern. Manchmal war ich neidisch darauf, dass er das alles genießen konnte.

„Miss Rivers" hörte ich plötzlich die dunkle Stimme von Charon. Sofort drehte ich meinen Kopf in seine Richtung und tatsächlich: er lief auf mich zu. Scheinbar war er gerade aus seinem Stockwerk gekommen und ich hatte den Fahrstuhl nicht gehört, weil ich so in Gedanken gewesen war. Ich hasste es, wenn man mich überraschte und ich nicht darauf vorbereitet war, dass jemand mich ansprach.

„Ja, Mr. Black?" erwiderte ich höflich und musterte ihn. Er hatte die obersten zwei seiner Knöpfe offen, wodurch sich einige Tattoos erkennen ließen. Natürlich war der Kronprinz der Hölle tätowiert. Irgendwie ließ es ihn noch etwas dunkler aber auch.... Attraktiver erscheinen. Ganz objektiv gesehen, natürlich. Ich war mir sicher, dass die meisten menschlichen Frauen auf solche Männer standen. Tätowiert, muskulös, reich und gefährlich. Als wüssten sie nicht, dass solch ein Mann nur Ärger brachte.

„Sie sind ja schon wieder so lange hier" begann Charon und kam zu meinem Schreibtisch gelaufen. „Lässt der gute Kyon Sie etwa so lange schuften?" fragte er und lehnte sich auf meinen Schreibtisch, so dass wir nun fast auf Augenhöhe waren. Dennoch musste ich zu ihm hochschauen, was ihm sehr viel Freude zu bereiten schien. Sicherlich war er es gewohnt, dass Leute zu ihm aufschauten beziehungsweise er auf sie hinab.

„Ich bin so lange hier, wie nötig, um meine Arbeit zu erledigen" erwiderte ich und erwiderte seinen durchdringenden Blick. Ich war niemand der so etwas auswich. Im Gegenteil. Ich liebte es zu beweisen, dass ich kein schüchternes kleines Mädchen war. Wenn es ernst wurde, dann konnte ich mich wehren und es schien, als würde Charon das wissen.

„So eine brave Sekretärin" grinste und allein diese Worte widerten mich an. „Brav". Als wäre ich ein dummes Hündchen, was auf ein Leckerchen oder ein Lob wartete. Gott, wie sehr mich solche Männer ankotzten. Dummerweise gab es mehr als genug Halbgötter, die so waren. Zum Beispiel der Sohn von Ares. Er behandelte mich, als wäre ich ein dummes Mädchen, was eigentlich ein Wunder war, wenn man daran dachte, wie eiskalt und dominant seine Schwester Alessia war.

„Ich fürchte, dass Sie nicht in der Position sind, um meine Arbeit zu bewerten Mr. Black" knurrte ich bissig und meine Augen ließen kurz ein kämpferisches Funkeln aufleuchten. Irgendwas in mir sagte mir, dass ich gegen diesen Mann ankämpfen musste. Vielleicht war es meine Moral oder auch bloß der Auftrag, doch ich wollte mich nicht von ihm unterkriegen lassen.

Charon jedoch schien alles andere als begeistert zu sein, denn seine Augen verdunkelten sich. „Nun, wenn das so ist, dann sollten Sie mich wohl begleiten. Jemand muss mir assistieren in meinem Meeting am Donnerstag. Morgen sind sie ja leider nicht im Büro" erklärte er und ich musste mich zusammenreißen, damit ich ihn nicht ungläubig anstarrte. Was zum Teufel? Ich sollte IHN begleiten bei einem Meeting? Das war doch nicht sein Ernst. Als hätte ich nicht schon genug Arbeit, außerdem arbeitete ich gar nicht für ihn.

Plötzlich lehnte er sich noch etwas weiter nach unten, so dass unsere Gesichter sich plötzlich näher waren. Er schien gefallen an sowas gefunden zu haben. Am liebsten hätte ich ihn weggedrückt, doch das durfte ich nicht und das wusste er. Es schien, als würde ihm das sogar noch mehr gefallen. Als würde er das ganz gezielt ausnutzten.

„Hat es ihnen etwa die Sprache verschlagen Miss Rivers?" hauchte er gegen mein Gesicht und mir stockte doch tatsächlich Atem. Tsk. Jetzt ließ er auch noch seine dämonische Kraft auf mich wirken. Wesen der Hölle hatten eine Fähigkeit, die es ihnen erlaubte anderen „den Atem zu rauben". Eigentlich wollte ich mich wehren, doch dann fiel mir etwas ein. Ich sollte ihm schließ näher kommen, also sollte ich vielleicht aufhören so defensiv zu sein und etwas tun, was ihn genauso überraschte und zum Nachdenken brachte.

Ohne nachzudenken, kam ich ihm plötzlich auch näher, so dass unsere Gesichter nur Zentimeter voneinander entfernt waren . „Wissen Sie Mr. Black..." hauchte ich gegen seine Lippen und betonte seinen Namen dabei absichtlich etwas mehr. „Ich wüsste, wie Sie mir die Sprache verschlagen könnten, doch da wir im Büro sind... müssen wir das wohl verschieben" meinte ich und versuchte mein Grinsen zu unterdrücken. Auch wenn meine Mutter die Göttin der Jungfräulichkeit war, konnte ich durchaus gut flirten. Ich hatte es mir bei einigen meiner Aufträge selbst beigebracht und nun schien es seine Wirkung zu zeigen.

Ich konnte die Überraschung in Charons Augen sehen, als er versuchte zu verstehen, warum ich plötzlich mit ihm flirtete, anstatt ihn wegzustoßen. Es schien ihm jedoch zu gefallen. Wahrscheinlich war das sein Ziel gewesen und so wie ich Charon einschätzte, wäre es für ihn bald langweilig geworden, wenn er bloß auf Resistenz gestoßen wäre.

„Sieh mal einer an... das Kätzchen will auf einmal kuscheln, statt ihre Krallen auszufahren" erwiderte er und blickte kurz auf meine Lippen. „Es gäbe vieles, was ich tun könnte, um ihnen die Sprache zu verschlagen, wenn wir nicht hier im Büro wären" fügte er hinzu, bevor er sich aufrichtete und mir noch einen langen Blick zuwarf. Es hatte also tatsächlich funktioniert. Interessant, so leicht konnte man den Sohn von Hades also rumkriegen.

„Gute Nacht Mr. Black" meinte ich mit einem verführerischen Lächeln auf den Lippen, bevor ich meinen Blick wieder auf den Computer richtete und ihm somit keine Aufmerksamkeit mehr schenkte. Unter anderem Umständen hätte er sicher et2as dagegen unternommen, doch gerade schien ihm das zu genügen, also beließ er es bei einem einfachen „Gute Nacht Miss Rivers" und verschwand dann in Richtung Fahrstuhl.

Kurz sah ich ihm nach.

Ihm, dem Kronprinzen der Hölle.

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