Fragen

Ich hatte den Job und nun konnte ich meinen Auftrag endlich beginnen. Meine Aufgaben würden wohl größtenteils daraus bestehen, Dinge auszudrucken, Anrufe entgegen zu nehmen und Termine zu arrangieren. All das klang so einfach, dass ich bloß fröhlich genickt hatte, als die junge Frau mir alles erklärt hatte. Es wäre ein Klacks an Charon ranzukommen, was danach käme, dass wäre wohl dann der schwierige Teil.

Mrs. Howard hatte mir gesagt ich würde in drei Tagen offiziell beginnen, also am nächsten Montag. Morgen würde ich jedoch bereits eingearbeitet werden, sowie die zwei darauffolgenden Tage ebenfalls, da für den guten Cerberus zu arbeiten scheinbar so wichtig sei, dass ich mir keinerlei Fehler erlauben durfte. Genial. Ich musste also bei meinem Job ständig volle Konzentration zeigen, sonst lief ich Gefahr ihn und somit meinen Auftrag zu verlieren.

Es dauerte, bis ich in dieser Nacht endlich in den Schlaf fand. Zu viele Gedanken verschwendete ich daran, ob ich nicht etwas übersehen hatte oder was alles schief gehen könnte. So war das vor jedem Auftrag. Egal wie leicht oder schwer, ich dachte über jedes Detail nach und machte mir viel zu viele Sorgen. Naja, war ja auch kein Wunder bei dem Druck unter dem ich stand.

Am nächsten morgen stand ich erneut im Bad und machte mich fertig. Auch wenn ich etwas übermüdet war, gab ich mir trotzdem Mühe bei meinem Aussehen, da ich vermeiden wollte, direkt am ersten Tag zu lässig auszusehen. Ich trug ein wenig Make up auf und band meine Haare zu einem strengen Dutt, um möglichst professionell zu wirken. Dazu zog ich mir einen anthrazitgrauen Rock an und einen passenden Blazer. Meine schwarzen High heels kombinierte ich mit der schwarzen Bluse, die ich unter dem Blazer trug. Das Grau brachte meine eisblauen Augen zum Vorschein, die mir durchaus schon die ein oder andere Tür geöffnet hatten.

20 Minuten später lief ich durch New Yorks belebte Straße und hörte Musik. Zugegeben, Kopfhörer und Handys waren eine sehr praktische Erfindung, die ich immer dabei hatte, seit ich zum ersten Mal einen Song von Imagine Dragons gehört hatte. Ja, das war definitiv meine Lieblingsband, doch ich hatte viele Songs, die mir ein Lächeln aufs Gesicht zauberten.

Mit erhobenem Kinn betrat ich das Gebäude der Black Mamba Company und lief direkt zum Fahrstuhl, der mich in den 19ten Stock brachte. Miss Howard erwartete mich bereits und brachte mich auch direkt zu meinem Schreibtisch. Dieser lag schräg vor der Tür von Mr. Ajax. Er war ziemlich groß und durchaus luxuriös. Helles Holz und das neuste Equipment. Mir standen zwei brandneue Computer, Fax, Drucker und Telefon zur Verfügung, sowie allerlei Ordner, Klebezettel und Notizblöcke. Alles was man als Sekretärin eines so wichtigen Mannes nun mal brauchte.

Es dauerte ganze 2 Stunden bis Miss Howard mir endlich alle Programme des Computers erklärt hatte, sowie die Funktionen der ganzen Order und ähnlichem. Als Grund, wieso ich das alles nicht kannte, nannte ich ihr einfach, dass ich vorher für ausländische Firmen gearbeitet hatte oder Firmen, die einfach sehr altmodisch gewesen war. Glücklicherweise war die gute Frau sehr gutgläubig, weshalb sie mich bloß fragte, welche Sprachen ich denn sprach und wo ich überall schon gewesen war. Natürlich hatte ich für all das Antworten parat, die sie zufrieden zu stellen schienen. Perfekt. Alles lief nach Plan.

"Haben Sie alles verstanden Miss Rivers?" fragte sie mich und ich lächelte ganz brav, wobei ich mir nicht anmerken ließ, dass ich langsam doch etwas mehr Respekt vor Sekretärinnen bekam. Ich war mir immer noch sicher, dass ich das schaffen würde, doch es würde wohl doch nicht sooo leicht werden.

"Vielen Dank für die Einweisung. Falls ich weitere Fragen habe, soll ich Sie aufsuchen, richtig?" fragte ich nochmal nach. Immerhin ließen sie mich nicht gleich ins kalte Wasser fallen mit all den Aufgaben.

"Richtig. Ich bin dort hinten in meinem Büro, falls Sie mich benötigen. Ich bin zudem für die Kommunikation mit der Rechtsabteilung zuständig, also, falls Sie etwas von ihnen benötigen, wenden Sie sich bitte an mich, Miss Rivers" erklärte sie mir noch, bevor sie sich dann auf den Weg zurück in ihr Büro machte. Die Rechtsabteilung also? Interessant. So ein Mensch wie Charon machte sicher ständig Dinge, die moralisch eher... grau waren.

Die nächsten Stunden verbrachte ich damit zu versuchen meine neuen Aufgaben zu machen. Zu Anfang lief es durchaus ganz gut. Mr. Ajax ließ sich den ganzen Tag nicht blicken, so hatte ich die Möglichkeit mich einzuarbeiten. Ich sortierte zuerst die Ordner. Ich hatte keine Ahnung nach welchen Kategorien, also begann ich einfach mit "Termine", "Dringlich", "Noch zu erledigen" und "weniger Wichtig". So konnte ich anfangen Dokumente zu sortieren und langsam aber sicher stellte ich eine gewisse Ordnung her. Ich war immer ordentlich gewesen, also war das kein großes Problem für mich. Irgendwann war es 6 Uhr und ich hatte alles geschafft. Überall hingen kleine Post-its, alle Termine waren geordnet und ich hatte jegliche Dokumente einsortiert. Diese Arbeit war also wirklich nicht so schwer.

"Bis morgen" rief ich Miss Howards noch zu, bevor ich das Büro verließ und somit die Black Mamba Company, ohne auch nur einmal auf mein Zielobjekt gestoßen zu sein. Morgen würde ich das Gespräch mit ihm suchen. Über Charon gab es leider kaum Informationen, außer denen, die sowieso öffentlich waren, was bedeutete, es war schwierig mehr über seine Gewohnheiten herauszufinden.

Die folgende Nacht und auch den nächsten Morgen verbrachte ich ähnlich wie die anderen Tage auch. Duschen, lesen, nachdenken, schlafen und sich am nächsten morgen wieder fertig machen. Ich hatte gerne einen festen Ablauf, weil mich das irgendwie beruhigte, wenn ich wusste, dass ich alles wichtige erledigt hatte und ich mich dann entspannen konnte. Besonders das Lesen half mir dabei. Niemand wusste davon, doch eigentlich war ich ein totaler Bücher-Fan. Von fantasy bis Romantik und New Adult lass ich alles. Es sorgte dafür, dass ich einfach mal abschalten konnte um danach wieder klarer zu denken.

Nun war ich wieder auf dem Weg ins Büro und eigentlich freute ich mich sogar etwas darüber. Natürlich war es bloß für den Auftrag, doch ich hatte vielleicht doch ein wenig Freude daran gefunden. Ich lief also mit einem Lächeln durch die Eingangstür und direkt zum Fahrstuhl, der mich innerhalb kurzer Zeit in den 19. Stock brachte. Es war echt erstaunlich, wie modern hier alles war. Die Böden glänzten, die Glaswände waren so hoch, dass man beinahe Nackenschmerzen bekam, wenn man das Ende suchte und überall gab es Technologie, die von der NASA stammen könnte. Unglaublich, wie reich diese Firma war.

"Guten Morgen Miss Rivers" begrüßte Miss Howards mich, als ich durch die Fahrstuhltür trat und an ihrem Büro vorbeilief. Ich grüßte sie zurück und begab mich dann zu meinem Platz. Heute würde ich beginnen Anrufe entgegen zu nehmen und Aufträge für Mr. Ajax zu erledigen. Da ich bereits eine gewisse Ordnung hatte, würde das ein Klacks werden, davon war ich überzeugt.

Bereits 5 Minuten nach 8 klingelte das Telefon das erste Mal und ich nahm ab. "Guten Tag, Büro von Mr. Ajax, was kann ich für Sie tun?" fragte ich freundlich und keinen Atemzug später begann die männliche Stimme zu sprechen.

"Ich will sofort mit Mr. Ajax reden. Er kann mir so etwas nicht antun. Er wird mich ruiniere. Holen Sie ihn ans Telefon Miss!" brüllte der Mann regelrecht ins Telefon und ich verfiel für einige Sekunden in überfordertes Schweigen, bevor ich daran dachte, was die Sekretärinnen in Serien immer taten.

"Tut mir leid Sir aber Mr. Ajax ist gerade nicht im Haus. Wenn Sie möchten, dann kann ich ihm eine Nachricht zukommen lassen" bot ich an, doch der aufgebrachte Mann, schien das ganz und gar nicht gut zu finden, denn er begann direkt wieder sich aufzuregen.

"Wie bitte? Eine Nachricht? Entweder Sie holen diesen arroganten Dreckssack jetzt ans Telefon oder ich komme persönlich vorbei" drohte er und mir blieb doch kurz der Mund offen stehen. Wie konnte ein Mensch so wenig Manieren haben und dann drohte er mir auch noch.

"Ich wiederhole mich nur ungern aber Mr. Ajax ist gerade nicht zu sprechen. Ich werde ihm sagen, dass Sie angerufen haben Mr...?" bot ich erneut an und versuchte ruhig zu bleiben. Dummerweise hatte ich ein ganz schönes Temperament, wenn Leute so mit mir umgingen, doch das durfte ich keinesfalls rauslassen.

"Mr. Moore, merken Sie sich diesen Name, weil ich dafür sorgen werde, dass Sie bald keinen Job mehr haben! Ich will endlich mit Mr. Ajax reden. Wir wissen beide, dass er im Haus ist und bloß keinen Mut dazu hat mit mir zu reden, von Mann zu Mann" meckerte Mr. Moore und vor Empörung vergaß ich dann auch schnell meinen Anstand. Wie konnte er es wagen so mit mir zu reden?

"Jetzt hören Sie mal zu, ich weiß ja nicht, was Sie denken wer Sie sind, doch Sie können mich weder feuern noch bestrafen lassen, also beruhigen Sie sich entweder und diktieren mir eine Nachricht oder Sie halten ihren vorlauten Mund und warten auf Mr. Ajax Rückruf" erwiderte ich zornig und wartete auf eine Antwort, doch alles was ich bekam war Schweigen. Dann legte der Mann einfach auf.

Unverschämtheit. Noch immer wütend kritzelte ich auf einen Zettel ein "Mr. Moore zurückrufen" und machte mich dann wieder an meine Arbeit. Zugegeben, ich hatte gedacht, dass es sicherlich nur einen Menschen gab, der so unfreundlich am Telefon war, doch ich hatte mich definitiv geirrt. Den ganzen Tag bekam ich Anrufe, wie die von Mr. Moore. Während ich dabei war, diese zu beantworten, kamen dann ständig irgendwelche Leute zu mir, die irgendwas von mir wollten und mit jeder Stunde wurde die Zahl der unbeantworteten E-Mails größer und größer. Ich hatte unzählige Papiere und Dokumente, die alle von Mr. Ajax unterschrieben werden mussten und ein Duzend Leute, die auf einen Rückruf von ihm warteten, doch der gute Herr kam nicht mal auf die Idee hier aufzutauchen.

Genervt und gestresst sortierte ich einige Akten, die gerade aus einer Abteilung gebracht wurde, deren Name ich bereits wieder vergessen hatte, als ich schwere Schritte hörte und kurz darauf das kalte Gesicht von Kyon entdeckte. Na endlich. Völlig lässig lief er zu meinem Schreibtisch und blickte mich von oben herab an, als würde er auf etwas warten. Allein dafür wollte ich ihm eine kleben.

"13 Herren warten auf einen Rückruf von ihnen, die meisten klangen sehr aufgebracht. Hier sind ein Stapel Dokumente die Sie unterzeichnen müssen und sie sollen sich diese Akten ansehen" fasste ich kurz zusammen und versuchte dabei so professionell wie möglich zu wirken, doch Kyon machte es einem nicht wirklich leicht.

"Und wieso liegen die Dokumente und Akten noch nicht auf meinem Tisch? Haben Sie wenigstens eine Liste mit den Namen der "Herren", die mich sprechen wollten?" fragte er in einem eiskalten Ton, als wäre ich ein völlig unfähiges Wesen. Ich musste mich anstrengen, dass die Wut, die in mir brodelte nicht zu einer Explosion führte, die den Auftrag ruinierte. Dummerweise waren Höllenwesen Profis darin andere auf die Palme zu bringen.

"Entschuldigen Sie bitte Mr. Ajax, das werde ich sofort tun" erwiderte ich und musste mich beherrschen keine bissige Bemerkung zu machen, als ich ihm wenige Minuten später die Dokumente und Akten brachte. Der Typ war wirklich ein Arsch. Kein Wunder dass Charon und er sich so gut verstanden.

Mittlerweile war es halb 10 und ich war endlich fertig. Ich hatte völlig falsch gelegen. Die Arbeit einer Sekretärin war einfach? Ganz sicher nicht. Die letzten Stunden waren die stressigsten in meinem Leben und ich hatte keine Ahnung, wie ich das durchstehen sollte. Morgen würde das ganze wieder von vorne losgehen. Wann sollte ich Zeit für Charon habe?

Nachdem ich alle Geräte ausgemacht hatte und mir meinen Blazer wieder übergezogen hatte, verließ ich meinen Schreibtisch und lief Schnurstracks zum Fahrstuhl. Hauptsache raus hier und nach Hause. Dort würde ich mir erstmal ein schön warmes Bad gönnen und entspannen. Etwas, was ich jetzt wirklich brauchte.

Erschöpft drückte ich den Knopf des Fahrstuhls und nur wenige Sekunden später ging die Tür mit einem leisen "Ping" auf. Ich hatte erwartet, dass er um diese Zeit bereits leer sein würde, doch genau vor mir stand Charon Black und musterte mich mit kaltem Blick. Beim Vorstellungsgespräch war er eigentlich recht... nett gewesen, wenn man seine Abstammung betrachtete, doch jetzt war er bloß das kalte Arschloch.

"Mr. Black" murmelte ich und nickte ihm zu, bevor ich in den Fahrstuhl einstieg und den Knopf für das Erdgeschoss drückte. Selbst mit dem Rücken zu ihm gedreht, konnte ich seine einschüchternde und durchaus mächtige Präsenz spüren.

"Neoma, richtig? Ich hab gesehen, wie Sie mit dem werten Herrn Moore am Telefon gesprochen haben..." begann er. Shit. Ich hatte gehofft, dass niemand diesen kleinen Ausfall bemerkt hatte, doch ausgerechnet er? Das war nicht gut.

Plötzlich beugte er sich hinunter zu meinem Ohr und ich konnte seinen heißen Atem auf meiner Haut spüren. Was sollte das denn werden? Meine Hand war zu einer Faust geballt und ich war bereit mich zu wehren, falls er etwas Unsittliches versuchte.

"Tsk Tsk Tsk. Das war sehr unprofessionell. Wir wollen doch hoffen, dass ich Kyon nichts davon erzähle hm?" hauchte er mir eiskalt ins Ohr und ich bekam eine Gänsehaut. War das eine Drohung? Wollte er mir damit sagen, dass er mich durchschaut hatte?

Bevor ich jedoch reagieren konnte, öffnete sich erneut die Tür und er stieg aus. Charon drehte sich nochmal um. Wieso? Nun stand er vor der Fahrstuhltür, die sich langsam zu schließen begann und da sah ich es. Er grinste. Es war kein böses Grinsen. Eher... herausfordernd oder vielleicht auch drohend. ich wusste es nicht.

Charon ließ mich in dem Fahrstuhl zurück.

Allein.

Voller Fragen.

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