𝗚𝗥𝗔𝗡𝗗 𝗧𝗛𝗘𝗙𝗧 𝗔𝗨𝗧𝗢

ICH DREHTE MICH UM. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie zwei Pogues den Parkplatz betraten.

Der Linke war ungefähr zwei Meter groß, hatte hellbraune mittellange Haare und karamelfarbene Augen. Ich kannte ihn aus dem Geschichtsunterricht.

Sein Name war John Booker Routledge, auch bekannt als John B. Sein Vater war vor ungefähr neun Monaten auf See verschwunden. Neben ihm stand Pope Heyward, Sohn von Mike Heyward, dem Inhaber des populärsten Seafood-Ladens in ganz Outer Banks.

Mein Blick schnellte zum Minivan.

Der Blonde lugte hinter den getönten Gläsern seiner Sonnenbrille hervor und musterte uns abschätzig. Auch ihn kannte ich aus der Schule. Sein Name war JJ Maybank - so einheimisch wie man nur sein konnte.

Der Letzte einer Reihe von angelnden, trinkenden, streitenden, schmuggelnden Strandbewohnern, die vom Meer lebten. Guter Surfer, soweit ich das beurteilen konnte. Sein Vater war in der Drogenszene aktiv - ganz übler Kerl, wenn man meinem Dad Glauben schenkte.

Mit verschränkten Armen kam er vor meinem großen Bruder zum Stehen. Die Anderen musterten ihn verwirrt. Auf einmal spürte ich Rafe's Hand an meiner Hüfte. Er zog mich näher an seinen Körper und hielt seinen Arm schützend um meine Schulter. Seine blauen Augen drohten JJ zu erdolchen. Mein Blick wanderte zu besagtem Pogue, der seine Freunde geflissentlich ignorierte und in unsere Richtung lief.

Er kam vor meinem Bruder zum Stehen und hob seine Sonnenbrille. Blaue Augen lugten hinter den dunklen Gläsern hervor, funkelten in der heißen Sonne. Anschließend streckte er seine Hand aus und nahm Nate's Joint.

Ungläubig verzog mein Bruder sein Gesicht und sah zu Rafe, Topper und Kelce. Letzterer zuckte mit den Schultern und schielte zu Topper, welcher Sarah unbewusst am Handgelenk gepackt hatte. Die Blondine war mit ihrer Aufmerksamkeit ganz woanders.

Schließlich räusperte sich mein Bruder und legte seinen Kopf schief. Währenddessen zog JJ am Joint, schien die Stille zu genießen.

„Das ist nicht dein scheiß Ernst, Alter.", zischte Nate und sah auf Maybank herab. Mein Bruder war ungefähr so groß wie John B - um die 1,90 Meter. Bedrohlich baute er sich vor dem Blonden auf. JJ schien desinteressiert. Er grinste, nahm den Joint, warf ihn zu Boden und zertrat ihn anschließend. Nate zog eine Grimasse.

„Was soll das denn? Weißt du wie teuer das war?" Er streckte seine Hand aus und schubste JJ in Richtung Bordsteinkante. Topper machte Anstalten sich zu bewegen, doch Sarah hielt ihn fest.

„Du bist eine Verschwendung von wertvollem Gras. Und das weißt du ganz genau, NayNay.", trällerte JJ und verschränkte seine Arme. Mein Blick schnellte zu John B und Pope, die ihren Freund konsterniert musterten. Nate's Gesicht verfinsterte sich.

„Ach, und wenn du die Scheiße auf den Boden wirfst nicht, oder was? Und nenn' mich nicht NayNay, mate.", zischte Nate verärgert. Er machte einen Schritt in JJ's Richtung.

Der Blonde lachte in sich hinein, flüsterte mate und schien sich zu amüsieren. Ich sah zu Rafe und zog an seinem Arm. Mit gehobener Augenbraue blickte er auf mich herab. Ich schielte zu meinem Bruder und signalisierte meinen Freund, mich loszulassen. Er schien zu verstehen, entfernte seinen Arm von mir.

Vorsichtig platzierte ich eine Hand auf Nate's rechter Schulter. Die Berührung ließ ihn zusammenfahren

„Hey, wie wäre es, wenn wir uns alle beruhigen?", fragte ich. Ungläubig blickte er auf mich - seine kleine Schwester - herab. Anschließend sah ich zu JJ. Er musterte mich belustigt. Mit seinem rechten Mittelfinger rückte er die Sonnenbrille zurecht. Seine blauen Iriden verschwanden hinter den dunklen Gläsern.

„Keine Sorge. Ich hatte nicht vor zu bleiben, Baby.", sagte er und hob eine Augenbraue. Überrascht öffnete ich meinen Mund. Nate's Lippen verzogen sich zu einem schmalen Strich. Und als ich zu Rafe sah, flammte pure Wut in seinen Augen auf.

„Hör' auf, meine Freundin Baby zu nennen, kleiner Pogue." Er wandte sich ab und kam vor dem Blonden zum Stehen. John B und Pope kamen in unsere Richtung gesprintet. Der Größere packte seinen Freund an der Schulter und zerrte ihn auf den Parkplatz.

„Komm' Alter, lass' uns surfen. Vergiss' die Kooks. Die Wellen auf der Southside sollen massig sein." Er schenkte uns einen flüchtigen Seitenblick, während Topper, Kelce und Rafe ihn mit ihren Blicken straften.

Währenddessen schien Nate JJ mit seinen Augen zu erdolchen. Ich glaubte ein kleines Lächeln auf Sarah's Lippen zu erkennen, als der Routledge-Sprössling durch seine Haare fuhr und ein blaues Bandana in seine Stirn zog.

Anschließend verschwanden er, Pope und JJ im Minivan und fuhren, die Surfbretter auf's Dach gespannt, davon.

Ich ließ meine Hand reglos neben meine Hüfte fallen und sah zu meinem Bruder. Er starrte auf die Straße, auf seinen Joint.

„Verfluchte Pogues.", murmelte er und die Anderen stimmten mit ein. Genervt schüttelte ich meinen Kopf und lief zurück zu Rafe. Das gesamte Jahr hatte ich solche Anfeindungen und Kinderspiele ertragen müssen - und es war mehr als furchtbar. Dieses ganze Pogues vs. Kooks - Gehabe ging mir gehörig auf den Sack. Augenrollend sah ich zu meinem Bruder.

Da du jetzt nichts mehr zu rauchen hast, können wir ja gehen."

Nate legte seine Stirn in Falten und schüttelte kaum merklich seinen Kopf. Er sah zu Rafe und lächelte verdächtig. Ich folgte dem Blick meines großen Bruders und stoppte - zu meiner Überraschung - bei Rafe's rechter Hand. Wie aus dem Nichts hatte er einen weiteren Joint herbeigezaubert. Ich seufzte. Mittlerweile zweifelte ich daran, dass ich heute nach Hause kommen, geschweige denn surfen würde.

Mir blieb eine letzte Option. Ich hatte meinen Führerschein letzten Herbst bestanden.

„Du hast anscheinend vergessen, dass ich auch einen Führerschein habe. Kann ich wenigstens alleine nach Hause fahren? Ich schrotte dein Auto nicht. Indianerehrenwort.", sagte ich schließlich und hob meine Hand, um meine ehrlichen Absichten zu verdeutlichen. Nate lachte beherzt. Als ich zu Rafe, Topper und Kelce sah, musste ich feststellen, dass sie sich ein Grinsen verkniffen.

„Haha, sehr lustig. Wieso darf ich nicht fahren? Lass mich raten... weil ich eine Frau bin? Oder weil ich die Jüngere bin?", fragte ich und verschränkte die Arme vor meiner Brust. Nate grinste bösartig und griff in die rechte Hosentasche seiner Surf-Shorts.

„Da liegst du goldrichtig, Schwesterchen. Aber da gibt es noch eine wichtige Komponente. Dir fehlt,", er zog den Autoschlüssel seines gelben Jeeps hervor und ließ ihn wie ein Pendel vor meinem Gesicht schwingen, „der hier." Er lachte auf. Ich schnaufte.

„Du bist ein Idiot, Nathaniel.", schimpfte ich und verzog mein Gesicht. Genervt versuchte ich an den Autoschlüssel zu gelangen. Ich scheiterte kläglich. Jedes Mal, wenn ich kurz davor war, ihn mir wegzuschnappen, hielt ihn mein Bruder weiter in die Höhe.

„Ohhhh sie hat deinen Vornamen benutzt. Renn', Bruder!", rief Kelce und lachte. Ich rollte mit den Augen. Ich brauchte ein Ablenkungsmanöver. Obwohl mein Bruder ziemlich hohl war, würde es nicht leicht werden, ihm den Schlüssel abzuknöpfen. Bei seinem Jeep verstand Nate keinen Spaß. Es war sein kleines Heiligtum - auch wenn er es zugegebenermaßen vernachlässigte und gelegentlich mit Fast-Food-Resten dekorierte.

Ich seufzte. Und plötzlich kam mir eine Idee.

Ich sah zu meinem Bruder, welcher sich mit Rafe über sein neues Motorrad austauschte. Achtlos hielt er den Schlüssel in seiner linken Hand. Für einen kurzen Moment überlegte ich, ob er darauf reinfallen würde. Schließlich verdrängte ich diesen Gedanken, hob meine Hand und tippte ihm auf die Schulter.

„Oh mein Gott, Nate! Da ist Mick Fanning!", schrie ich. Mein großer Bruder brauchte einige Sekunden, um meine Worte zu verarbeiten. Anschließend drehte er sich wie ein wildgewordene Ochse um und starrte in die Ferne.

„Wo?!", fragte er und ich lachte. Mit einer schnellen Handbewegung riss ich ihm den Autoschlüssel aus der Hand und sprintete mit meinem Rucksack davon.

Ich erinnerte ich mich an unsere Kindheit. Von meinem inneren Auge sah ich, wie wir 2015 gebannt vor dem Fernseher gesessen hatten. Damals war ich 11 und er 13 gewesen. Wir hatten die Finales des J-Bay Surf Contests in Südafrika geschaut und uns eine Flasche Solo Lemon and Lime geteilt, als unser Landsmann und dreifacher Weltmeister Mick Fanning von einem Hai attackiert wurde. Er hatte den Angriff mit Bravour überstanden und war seitdem - gleich nach Kelly Slater - Nate's Lieblingssurfer.

Ich lachte wie eine Verrückte, als ich realisierte, dass mein Plan aufgegangen war. Mit großen Schritten lief ich zum gelben Jeep meines Bruders, der unter einer großen Straßenlaterne parkte.

„Hey! Jemz, was soll das? Komm' sofort zurück!", schrie er und hob seine Arme. Sarah hielt ihren linken Daumen in die Luft und grinste breit, was ihr einen fiesen Blick von Topper einheimste.

„Ich gehe surfen! Hast du nicht gehört? Die Wellen auf der Southside sind klasse!", erwiderte ich und öffnete die Tür. Mein Bruder machte keine Anstalten sich zu bewegen. Verdutzt stand er neben seinen Freunden. Er musterte mich, als hätte er einen Geist gesehen.

Schließlich meldete sich Rafe zu Wort.

„Du fährst nicht zum Cut! Das ist Pogue-Gebiet!", rief er und macht eine ausladende Geste. Ich ignorierte ihn, rollte mit den Augen und schnallte mich an. Erst jetzt schien mein Bruder realisiert zu haben, dass ich drauf und dran war sein Auto zu klauen. Langsam setzten sich seine langen Beine in Bewegung. Ich steckte den Schlüssel in die Zündung und lächelte.

„Hört doch auf mit diesem Mist!", schrie ich und platzierte meine Sandalen auf dem Gaspedal. Rafe hielt sich beide Hände an den Kopf und fuhr sich durch die Haare. Mein Bruder war nur noch ungefähr fünf Meter von mir entfernt.

„Das sind Pogues, Jemma. Kleine, dreckige Pogues!", schrie Kelce und ich schüttelte den Kopf. Mein Fuß schwebte über dem Gas, wartete darauf zu treten. Schließlich kam mein Bruder vor seinem Jeep zum Stehen.

„Du fährst nicht zur Southside. Und schon gar nicht mit meiner Karre! Raus da, Jem! Wenn das Dad erfährt, dann-." Das Heulen des Motors übertönte sein Gekreische. Ich sah zurück zu Nate. Mittlerweile stand Rafe neben ihm.

„Du steigst jetzt sofort aus oder ich erzähle Dad davon.", drohte er. Ich grinste. Und im nächsten Moment drückte ich auf das Gaspedal.

„Bis heute Abend, Thanos!", rief ich durch das offene Fenster und verließ den Parkplatz. „Fuck.", sagte Rafe und sah zu meinem Bruder auf.

Hör' auf mich so zu nennen!"

Durch den Rückspiegel konnte ich erkennen, dass Nate wie wild mit seinen Händen herumfuchtelte. Selbstsicher hielt ich meinen linken Mittelfinger aus dem Fenster. Schließlich verschwand er aus meinem Sichtfeld.

Ich lächelte, ehe ich auf die Landstraße fuhr und meine Sonnenbrille aufsetzte. Die warme Luft zirkulierte durch die offenen Fenster und ließ meine blonden Haare im Wind wehen. Gut gelaunt drehte ich das Radio auf. Viva La Vida von Coldplay. Einige Sekunden später stimmte ich mit ein und unterstützte Frontmann Chris Martin mit meinem mehr als schiefen Gesang.

Die Sommerferien hatten begonnen und ich würde sie mir von niemanden ruinieren lassen. Nicht von Nate, Rafe, seinen Freunden oder den Pogues.

Ich beschleunigte und fuhr zum Thompson-Anwesen.

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Hey,
ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen und ich konnte euch überraschen. Was haltet ihr von Jemma und ihrer Idee bei den Pogues zu surfen? 🥰

Wer ist euer Lieblingscharakter von Outer Banks?

- eure Michi ❤️

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