𝗖𝗟𝗢𝗨𝗗𝗦 𝗜𝗡 𝗣𝗔𝗥𝗔𝗗𝗜𝗦𝗘

― EINE SANFTE BRISE WEHTE über die
sandigen Dünen hinweg und trug den Geschmack von Salz durch die kleinen Straßen von Kildare Island.

Um die Mittagszeit erreichte die Sonne ihren Höchststand. Erbarmungslos brannte sie auf die Insel nieder und ließ die Haut der Fischer in einem ungesunden Rotton erstrahlen.

Endlich Sommerferien, dachte ich, als ich das Schulgebäude mit meinem Zeugnis in der Hand verließ. Endlich Zeit für Lagerfeuer, Partys und Surfen. Sechs Wochen ohne Stress und der ständigen Angst vor Tests, meinen baldigen SATs und den mehr als nervigen Lehrern der Kildare County High.

Ich liebte den Sommer in North Carolina.

Und dennoch schmerzte mein Herz jedes Mal, wenn ich an Sydney, Bondi, Bronte und ihre weißgoldenen Strände dachte.

Wenn ich an meine Mom dachte.

Ein Jahr war es nun her, dass wir Australien verlassen hatten. Dad hatte Haus und Firmensitz verkauft, mit einem alten Freund aus der Uni Kontakt aufgebaut. Sein Name war Ward Cameron, ein Geschäftsmann, der sein hartverdientes Geld in Immobilien investierte. Er hatte Dad dazu inspiriert mit uns in die Staaten zu ziehen, um ein neues Leben zu beginnen - nach Outer Banks, dem Paradies auf Erden. Dem Ort wo man entweder zwei Jobs oder zwei Häuser hatte.

Die Bilder in den Broschüren waren keineswegs gestellt. Die Strände waren weiß, das Wasser blau und die Wellen geeignet zum Surfen. Die Menschen waren zufrieden mit dem was sie hatten. Auch wenn es nicht viel war. Eine Kluft zwischen Arm und Reich spaltete die Insel in zwei Lager, zwei Stämme.

Die Kooks und die Pogues.

Meine Familie und ich lebten auf Figure Eight, dem Zuhause der Kooks. Hier blühte das Leben. Jeden Tag wurde ein neues Haus in die Höhe gezogen. Clubs, Bars und Restaurants hatten durchgehend geöffnet. Es war keine Seltenheit, dass man beim Weg zum Supermarkt auf Touristen stieß.

Ich liebte Outer Banks.

Und dennoch würde ich für immer ein Aussie bleiben. Die Strände von Australien, die Menschen, das Wetter - all das hatte einen ehrvollen Platz in meinem Herzen. Genauso wie meine Mom.

Sie fehlte mir.

Ich war mir sicher, dass sie stolz auf mich wäre. Ihr kleines Mädchen hatte die zehnte Klasse überstanden.

Kurzerhand ließ ich mein Zeugnis in meiner schwarzen Schultasche verschwinden und lief die großen Treppen herab. Ich verabschiedete mich von meinen Freundinnen und verschwand hinter dem Schulhaus in Richtung Parkplatz.

Jeder wusste, dass die Sekundärschüler in der Pause und nach der Schule kifften oder rauchten. Mittlerweile gehörte es zum guten Ton. Mit Stolz konnte ich behaupten, dass ich noch nie einen Joint angerührt hatte - obwohl ich mehrfach die Chance dazu gehabt hätte. Mein Bruder war ziemlich offen, was das betraf.

Schließlich bog ich ab und schulterte meinen Rucksack.

Bereits von hier konnte ich das Gras riechen. Die Sonne war unerträglich hell, weshalb ich meine Sonnenbrille aus meiner Hosentasche hervorzog. Ein Blick durch die getönten Gläser genügte. Ich sah meinen Bruder und seine bescheuerten Freunde.

Unter ihnen Kelce, Topper und Rafe - mein fester Freund und Sohn von Ward. Wir hatten uns damals auf der Willkommensfeier meines Vaters kennengelernt.

Als ich meinen Blick zu Topper wandern ließ, bemerkte ich, dass Sarah neben ihm stand. Sie hielt seine Hand, während er mit der anderen rauchte. Sie war Rafe's kleine Schwester.

Schließlich kam ich vor ihnen zum Stehen.

„Hey, Schwesterchen!", rief Nathaniel und nahm mich in den Arm. Er schüttelte mich wie verrückt und verpasste mir eine Kopfnuss. Ein leises Lachen ging durch die Runde. Ich war es gewohnt, dass er mich in der Öffentlichkeit demütigte.

„Wird Zeit für eine einstweilige Verfügung, findest du nicht?", fragte ich und riss mich los. Ich lief zu Rafe. Er streckte seine Arme aus, legte seine Hände an meine Hüfte und küsste mich. Ich lächelte zufrieden und nahm anschließend seine Hand. Mein Bruder zog eine beleidigte Grimasse.

„Ich spreche kein Jura, Jemz.", erwiderte er und nahm einen Zug von seinem Joint. Ich rollte mit den Augen.

„Jetzt rauch' auf. Ich will nach Hause.", drängelte ich. Genervt deutete ich auf meine Armbanduhr. Der blonde Lockenkopf lachte.

„Um Dad dein miserables Zeugnis zu präsentieren? Glaub' mir, das sollten wir ihm ersparen. Wir haben keinen Wein zu Hause." Nate lachte und seine Freunde stimmten ein. Missbilligend runzelte ich meine Stirn. Ich ließ Rafe's Hand entgleiten und stemmte die Hände in meine Hüfte.

„Meinst du meine exzellenten Leistungen? Oder deine fünf in Chemie und Physik? Ganz dünnes Eis, Thanos." Ich hob eine Augenbraue. Aus dem Augenwinkel sah ich wie Sarah grinste. Nate's Blick verfinsterte sich.

„Ich habe dir gesagt, du sollst aufhören mich Thanos zu nennen!" Erneut zog er an seinem Joint. Der Rauch waberte durch die brennend heiße Luft. Ich konnte hören wie Kelce und Topper kicherten. Mein Bruder schoss metaphorische Pfeile in ihre Richtung.

„Ich an deiner Stelle würde mich nicht so weit aus dem Fenster lehnen, Muttersöhnchen.", kommentierte er und sah zu Topper. Der Blonde verstummte.

Gezwungenermaßen.

Eine Gruppe von Leuten hatte soeben das Schulgebäude verlassen und lief in Richtung Parkplatz. Es waren Leute von der anderen Seite der Insel - The Cut. Es waren Pogues.

Unsere selbsterklärten Feinde, wie Nate zu sagen pflegte. Ich hielt nicht viel von diesem Insel-Konflikt. Ich fand es dämlich, wie sich die Jungen ständig an diesen Konflikten hochschaukelten. Eine Insel, zwei Stämme, dachte ich und erinnerte mich an den immerwährenden Kampf zwischen Pogues und Kooks.

Power Puff Girls und Professor Utonium. Dass ich das noch erleben darf.", ertönte es plötzlich. Mein Kopf schnellte in Richtung Parkplatz und wanderte zu einem alten Minivan. Er stand mitten auf dem grauen Asphalt.

Ein Junge mit blondem Haar, einer Badeshorts und grauem Tanktop stieg aus dem Wagen und lief in unsere Richtung. Ein überlegenes Lächeln zierte seine Lippen, die Gläser seiner schwarzen Sonnenbrille verdeckten seine Augen.

Und ich wusste genau, mit wem wir es zu tun hatten.

-
Hier ist das erste Kapitel zu Wipe Out! Ich hoffe, es gefällt euch. Seid gespannt... Pogues und Kooks treffen aufeinander.

- eure Michi 🌊

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